BFH V. Senat
UStG § 1 Abs 1, UStG § 13 Abs 1, UStG § 17 Abs 1, UStG § 17 Abs 2, HGB § 252 Abs 1, EWGRL 388/77 Art 11 Teil C Abs 1, FGO § 96 Abs 1 S 2
vorgehend FG Nürnberg, 14. September 2009, Az: 2 K 1316/2008
Leitsätze
1. NV: "Uneinbringlich" ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann.
2. NV: Das ist nicht erst bei Zahlungsunfähigkeit der Fall, sondern auch dann, wenn der Leistungsempfänger das Bestehen der Forderung substantiiert bestreitet.
3. NV: Diese Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit ist u.a. durch den Gleichbehandlungsgrundsatz geboten.
Tatbestand
I. Streitig ist, ob als Folge eines im Jahr 2001 geschlossenen Vergleichs über eine Werklohnforderung eine Berichtigung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung des im Jahr 1981 vorgenommenen Vorsteuerabzugs im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 2001 durchzuführen ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in der Rechtsform der GmbH & Co. KG die Einrichtung und Vermietung von Warenhäusern. Mit der Errichtung eines Warenhauses in D beauftragte sie die E-GmbH & Co. KG (E) als Generalunternehmerin. E stellte der Klägerin mit Rechnung Nr. 1925 vom 2. November 1981 hierfür einen Werklohn in Höhe von 34.630.117,29 DM zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer in Höhe von 4.501.915,25 DM, insgesamt 39.132.032,54 DM, in Rechnung. Abzüglich bereits geleisteter Anzahlungen in Höhe von 35.010.765,02 DM ergab sich ein Restbetrag in Höhe von 4.121.267,52 DM. Auf diesen in der Rechnung Nr. 1925 bezeichneten Restbetrag leistete die Klägerin am 21. Januar 1982 eine Zahlung in Höhe von 1.700.000 DM und am 12. März 1982 eine weitere Zahlung in Höhe von 1 Mio. DM. Gleichzeitig teilte sie E mit, dass sie weitere Zahlungen von der Beseitigung von Mängeln, der Geltendmachung von Minderungsansprüchen und der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe abhängig mache. Den Restwerklohn in Höhe von 1.421.267 DM zahlte die Klägerin nicht. Sie wies diese Position in ihrer Bilanz als offene Verbindlichkeit aus. Die in der Rechnung vom 2. November 1981 ausgewiesene Mehrwertsteuer machte die Klägerin in vollem Umfang als Vorsteuer geltend.
Wegen Baumängeln bei der Errichtung des Warenhauses in D entstanden zwischen der Klägerin und E mehrere Rechtsstreitigkeiten. Die Klägerin verklagte E auf Zahlung einer Vertragsstrafe. E verklagte die Klägerin auf Zahlung des Restwerklohnes.
Am 27. Juni 2001 trafen die Klägerin und E die folgende Vereinbarung:
"...E hat als Generalbauunternehmer 1981 das Warenhaus D für die Klägerin erstellt. Aus diesem Bauvorhaben sind zwischen den Parteien bislang noch Vertragsstrafen-, Restwerklohn- und Gewährleistungsansprüche streitig. Insoweit sind derzeit folgende Prozesse anhängig:
...Zur Beilegung der jahrzehntelangen Auseinandersetzung schließen die Parteien folgenden Vergleich:
1. E beseitigt auf ihre Kosten bis spätestens 15.06.2001 die an der Abdichtung und Beschichtung aufgetretenen Schäden im Bereich der Parketage 3, die in der Vereinbarung vom 10.04.2001 (Anlage zu dieser Vereinbarung) aufgeführt sind. Die Mängelbeseitigungsarbeiten werden von den Parteien gemeinsam förmlich abgenommen. Eine Gewährleistung auf die Nachbesserungsleistung entfällt.
2. Mit Ausnahme des Nachbesserungsanspruches der Klägerin gemäß Ziffer 1 dieser Vereinbarung, sind mit Abschluss dieses Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Bauvorhaben '... D' abgegolten und erledigt.
3. Die Prozesse a. und b. werden durch Klagerücknahme mit Zustimmung der beklagten Partei erledigt. Die Gerichtskosten werden hälftig geteilt und außergerichtlich ausgeglichen. Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die jeweils beklagte Partei stellt keinen Kostenerstattungsantrag.
...4. Mit Unterzeichnung dieser Vereinbarung erklärt die Klägerin aus der von E übergebenen Bürgschaft der I vom 05.03.1982 über den Bürgschaftsbetrag in Höhe von 1.956.600,00 DM keine Rechte mehr herzuleiten. Die Originalbürgschaft ist bei der Klägerin nicht mehr auffindbar."
Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Umsatzsteuerbescheid 2001 und führte eine Vorsteuerkorrektur zu Lasten der Klägerin in Höhe von 163.509 DM nach § 17 UStG durch. Dabei ging es davon aus, dass erst mit Abschluss der Vereinbarung vom 27. Juni 2001 endgültig festgestanden habe, dass die Klägerin die offene Werklohnforderung in Höhe von 1.421.267 DM brutto aus der Rechnung vom 2. November 1981 nicht mehr an E bezahlen werde. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Werklohnforderung uneinbringlich geworden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Rechtsauffassung des FA. Die Leistung eines Unternehmers dürfe letztendlich nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert werden, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergebe. Deshalb habe das FA die Vorsteuer im Jahr 2001 zu Recht in Höhe von 163.509 DM gekürzt. In dem Abschluss des Vergleichs vom 27. Juni 2001 sei weder eine einseitige Aufrechnungserklärung noch ein Aufrechnungsvertrag zu sehen. Die Rechnung vom 2. November 1981 könne deshalb nicht in vollem Umfang als bezahlt angesehen werden. Das FA habe die Korrektur der Vorsteuer auch zutreffend im Jahr 2001 vorgenommen, da erst mit Abschluss der Vereinbarung vom 27. Juni 2001 endgültig festgestanden habe, dass eine Zahlung des noch ausstehenden Werklohnes nicht mehr erfolge. Der lange Zeitraum der Nichtzahlung des Restwerklohnes führe nicht dazu, bereits in einem früheren Zeitraum von einer Änderung der Bemessungsgrundlage auszugehen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend macht. Umsatzsteuerrechtlich komme es darauf an, ob mit dem Vergleich eine Minderung des Werklohnanspruchs eingetreten sei, denn nur dann ergebe sich eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG. Von einer Änderung der Bemessungsgrundlage könne nur ausgegangen werden, wenn E auf ihren Restwerklohnanspruch ohne Gegenleistung verzichtet hätte. Das sei nicht der Fall gewesen, weil in dem Vergleich vom 27. Juni 2001 die Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche vereinbart worden sei. Dass als Folge des Vergleichs keine Zahlung erfolgt sei, sei dabei ohne Bedeutung.
Auch werde die Ursache für die Zahlungsverweigerung mit den Baumängeln nur unvollständig beschrieben. Sie, die Klägerin, habe gegenüber E zum Ausdruck gebracht, dass weitere Zahlungen nicht nur von der Beseitigung von Mängeln, sondern auch von der Zahlung der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe abhängig seien. Auch die Vergleichsvereinbarung beruhe nicht allein auf Mängeln in der Bauausführung. E habe sich vielmehr zur Beseitigung der gerügten Mängel und zu einer gemeinsamen förmlichen Abnahme der Mängelbeseitigungsarbeiten verpflichtet. Im Fall der Mängelbeseitigung bestünde für sie, die Klägerin, kein Minderungsanspruch mehr gegenüber der Restwerklohnforderung der E. Folge man der Rechtsauffassung des FG, so habe E trotz Mängelbeseitigung auf seinen Restwerklohn verzichtet, obwohl dieser Restwerklohn gerade wegen der Mängelbeseitigung nicht mehr gemindert werden könne. Die Vergleichsvereinbarungen seien wie der Tausch zweier Leistungen zu beurteilen, bei dem die Beteiligten auf ein weiteres Entgelt verzichteten. Im Hinblick auf diese im Tauschweg vollzogene Leistung verbleibe es bei der Umsatzsteuerpflicht des Restwerklohnes des E. Außerdem stehe das Urteil des FG im Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Juli 2006 V R 13/04 (BFHE 214, 471, BStBI II 2007, 22), vom 13. Januar 2005 V R 21/04 (BFH/NV 2005, 928), vom 22. April 2004 V R 72/03 (BFHE 205, 525, BStBI II 2004, 684) sowie dem BFH-Beschluss vom 4. Juni 2007 V B 76/06 (BFH/NV 2007, 2151). Diesen Entscheidungen könne der Rechtssatz entnommen werden, dass Uneinbringlichkeit bereits dann gegeben sei, wenn die Entgeltsforderung substantiiert bestritten werde oder der Leistende die Entgeltsforderung auf absehbare Zeit nicht durchsetzen könne.
Das FG habe außerdem den Sachverhalt nicht vollständig dargestellt, weil es lediglich das Unterbleiben der Zahlung, nicht aber die Zahlungsverweigerung im Tatbestand wiedergegeben habe. Das aber sei entscheidungserheblich für die Frage, ob bereits vor 2001 Uneinbringlichkeit eingetreten sei. Uneinbringlichkeit habe bereits 1982 vorgelegen, weil sie, die Klägerin, bereits zu diesem Zeitpunkt das Bestehen der Restwerklohnforderung substantiiert bestritten und die Zahlung verweigert habe.
Das Urteil des FG leide zudem unter Verfahrensmängeln. Insbesondere lägen Verstöße gegen § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 14. Mai 2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 19. August 2008 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FA hat sich der Rechtsauffassung des FG angeschlossen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat zu Unrecht im Streitjahr 2001 eine Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 UStG der im Streitjahr geltenden Fassung bejaht. Die Änderung der Bemessungsgrundlage ist bereits vor dem Streitjahr eingetreten. Ob insoweit eine Änderung nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung möglich ist, ist für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich.
1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Das gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind der Steuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG sind die Berichtigungen für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, indem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist.
§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG beruhen auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach wird die Besteuerungsgrundlage im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert, wobei die Mitgliedstaaten im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung jedoch von dieser Regel abweichen können.
2. Entgegen der Auffassung des FG hat sich die Bemessungsgrundlage nicht erst im Streitjahr 2001 gemindert.
a) "Uneinbringlich" ist eine Forderung, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (BFH-Urteile vom 20. Mai 2010 I R 5/09, BFH/NV 2011, 77, unter II.2.; vom 22. Juli 2010 V R 4/09, BFHE 231, 260, unter II.4.b dd; in BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, unter II.1.a; in BFH/NV 2005, 928; in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684). Das ist der Fall, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen dieser Forderung ganz oder teilweise substantiiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) nicht bezahlen werde. Damit entfällt seine Berechtigung für den Abzug der Vorsteuer und dementsprechend ist die Umsatzsteuerschuld des Leistenden nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu korrigieren (BFH-Urteile in BFHE 214, 471, BStBl II 2007, 22, unter II.1.a; in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684, m.w.N.).
b) Diese Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit ist geboten im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten und nach vereinnahmten Entgelten nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b UStG insoweit, als der nach vereinbarten Entgelten versteuernde Unternehmer die für den Steuertatbestand der entgeltlichen Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG entstehende Umsatzsteuer gegenüber dem Steuergläubiger vorfinanzieren muss, wenn er die Leistung vor der Entgeltvereinnahmung erbringt. Eine Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit, wonach diese z.B. erst bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder wie im Streitfall erst nach Abschluss eines Klageverfahrens in Bezug auf die Entgeltforderung vorläge, ließe sich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbaren. Den Besteuerungsunterschieden ist aber durch die Auslegung des Begriffes der Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG (Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG) in der unter II.2.a) genannten Rechtsprechung hinreichend Rechnung getragen (BFH-Urteil in BFHE 231, 260).
c) Die Forderung auf Zahlung des Restwerklohnes ist bereits vor dem Streitjahr 2001 uneinbringlich geworden. Die Klägerin hatte bereits zuvor das Bestehen der Restwerklohnforderung substantiiert bestritten und damit erklärt, dass sie die noch ausstehende Entgeltforderung nicht bezahlen werde. Dabei braucht der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die Uneinbringlichkeit bereits mit dem Schreiben der Klägerin vom 12. März 1982, in dem sie "Minderungen bzw. Einbehalte" sowie eine Vertragsstrafe geltend machte, oder erst mit ihrer Klageerhebung im Jahr 1983 wegen Zahlung der Vertragsstrafe beim Landgericht (LG) bzw. der Klage des leitenden Unternehmens gegen die Klägerin wegen der Restwerklohnforderung im Jahr 1984 beim LG eingetreten ist. Die bereits eingetretene Uneinbringlichkeit schließt eine erneute Uneinbringlichkeit im Streitjahr 2001 aus. Dies wird letztlich bestätigt durch den weiteren Verfahrensablauf, in dem mehrere Rechtsstreite über einen Zeitraum von 19 Jahren geführt wurden und heute noch Uneinigkeit darüber besteht, ob der Vergleich aus dem Jahr 2001 zu einer Erfüllung der Restwerklohnforderung oder zu einer Minderung geführt hat.
Der Auffassung des FG, dass vor 2001 keine Uneinbringlichkeit eingetreten sei, weil die Klägerin zahlungsfähig und wegen der gerichtlichen Verfahren die Zahlung des Restwerklohnes bzw. die Verpflichtung der Klägerin hierzu zu erwarten gewesen sei, folgt der Senat nicht. Einerseits hindert die Zahlungsfähigkeit nicht den Eintritt der Uneinbringlichkeit, weil hierfür aus den oben genannten Gründen die substantiierte Zahlungsverweigerung ausreicht; Zahlungsunfähigkeit ist hierfür nicht erforderlich. Andererseits lässt sich aus einem Klageverfahren über die streitige Forderung in der Regel nicht ‑‑wie das FG meint‑‑ die Vermutung herleiten, die Forderung werde im Zuge des Klageverfahrens beglichen werden.
Schließlich spricht auch die bilanzielle Behandlung der Restwerklohnforderung als offene Verbindlichkeit nicht gegen die Uneinbringlichkeit. Zum einen ist diese Behandlung einer streitigen Verbindlichkeit durch das im Handelsrecht geltende Vorsichtsprinzip (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches) geboten. Zum anderen ist die bilanzielle Behandlung für die umsatzsteuerrechtliche Frage des substantiierten Bestreitens der Forderung ohne Belang.
3. Über die Frage, ob nach einer spätestens 1984 erforderlichen Vorsteuerberichtigung zu Lasten der Klägerin im Streitjahr 2001 erneut die Vorsteuer zugunsten der Klägerin (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG) zu berichtigen wäre, kann der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden. Eine derartige Berichtigung zugunsten der Klägerin käme in Betracht, wenn nach einer zuvor erfolgten Herabsetzung des Vorsteueranspruchs dieser wegen Erfüllung der Restwerklohnforderung in 2001 im Wege der Aufrechnung erneut zu berichtigen wäre. Da die Klage aus den unter II.2. ausgeführten Gründen für das Streitjahr in vollem Umfang Erfolg hat, hat der Senat hierüber aber nicht zu entscheiden. Aus dem Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) folgt, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf. Das heißt, das Gericht darf dem Kläger nicht etwas zusprechen, was dieser nicht beantragt hat ("ne ultra petita"), und auch nicht über etwas anderes ("aliud") entscheiden, als der Kläger durch seinen Antrag begehrt und zur Entscheidung gestellt hat (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1994 VII R 18/93, BFH/NV 1995, 697, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 IV B 59/10, BFH/NV 2012, 251; vom 13. Juli 2009 IX B 33/09, BFH/NV 2009, 1821).
4. Da das Urteil der Vorinstanz aufzuheben war, war über die Verfahrensrügen nicht mehr zu entscheiden.