BFH X. Senat
EStG § 15 Abs 1, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 15 Abs 1, EStG § 15 Abs 2, EStG § 15 Abs 2
vorgehend FG Köln, 16. February 2011, Az: 6 K 4185/06
Leitsätze
1. NV: Bei Tätigkeiten, die nicht typischerweise dazu bestimmt und geeignet sind, der Befriedigung persönlicher Neigungen zu dienen, lässt allein das Erzielen langjähriger Verluste noch keinen zwingenden Schluss auf das Nichtvorliegen der Gewinnerzielungsabsicht zu .
2. NV: Das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an kann aber dann angenommen werden, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Tätigkeit eindeutig feststeht, dass sie in der vom Steuerpflichtigen betriebenen Weise von vornherein nicht in der Lage gewesen ist, nachhaltig Gewinne zu erzielen .
Gründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gefährdende Divergenz liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juli 2011 X B 117/10, BFH/NV 2011, 2075, m.w.N.).
Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2010 X B 72/10, BFH/NV 2011, 273, m.w.N.).
2. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sehen als abstrakten Rechtssatz die Aussage des FG an, das jahrelange Fehlen eines Totalgewinns sei ein Indiz dafür, dass der Steuerpflichtige nicht die Absicht gehabt habe, einen Totalgewinn zu erzielen. Dies führe bei der Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht ‑‑entgegen den Aussagen des Senatsurteils vom 27. Mai 2009 X R 62/06 (BFH/NV 2009, 1793)‑‑ zu einer Verwischung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale mit der Konsequenz, dass der Katalog der indiziellen Merkmale in dem genannten Senatsurteil, die für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht sprächen, entsprechend erweitert werden müsse.
3. Es kann offenbleiben, ob diese Darlegungen der Kläger den oben dargestellten Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügen. Die geltend gemachte Abweichung vom Senatsurteil in BFH/NV 2009, 1793 liegt jedenfalls nicht vor.
a) Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger hat der Senat in der genannten Divergenzentscheidung einen Katalog der indiziellen Merkmale für eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erstellt. Der Senat hat vielmehr ausgeführt, dass es an dieser Absicht fehle, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübe. Bei Tätigkeiten, die nicht typischerweise dazu bestimmt und geeignet seien, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen, lasse allein das Erzielen langjähriger Verluste noch keinen zwingenden Schluss auf das Nichtvorliegen der Gewinnerzielungsabsicht zu. Aufgrund von besonderen Umständen könne jedoch eine persönliche Neigung als Ursache der Aufnahme einer Tätigkeit schon aus deren Gegenstand und ihrer tatsächlichen Ausübung hergeleitet werden. Das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an könne dann angenommen werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststehe, dass er so, wie er vom Steuerpflichtigen betrieben worden sei, von vornherein nicht in der Lage gewesen sei, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts darstelle.
b) Ein Abweichen von diesen Grundsätzen, die auch vom FG ausdrücklich zitiert werden, vermag der angerufene Senat nicht zu erkennen. Das FG hat vielmehr die in diesem Senatsurteil dargelegten Grundsätze auf den Streitfall angewendet und ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Streitfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin bzw. den Klägern eine Gewinnerzielungsabsicht im Hinblick auf den Betrieb des Labels X nicht festgestellt werden konnte.
Dabei hat das FG nicht nur die Tatsache berücksichtigt, dass der Betrieb der Klägerin bis zum Ergehen des Urteils nur Verluste erlitten hatte, wobei es zudem darauf hingewiesen hat, dass die tatsächlichen betriebswirtschaftlich anzusetzenden Verluste noch höher gewesen seien als die steuerlich geltend gemachten. Es hat auch das Konzept des Unternehmens X in seine Beurteilung einbezogen, Nischenproduktionen herzustellen, die zwar in der Fachpresse wohlwollend zur Kenntnis genommen worden seien, jedoch abseits der gängigen Hörgewohnheiten lägen. Ebenfalls gut nachvollziehbar ist die finanzgerichtliche Würdigung der zu hohen Fixkosten des Unternehmens, die sich vor allem aus den hohen Bewirtschaftungskosten der denkmalgeschützten Hofanlage ergaben und ergeben. Seine Zweifel an einem schlüssigen Betriebskonzept hat das FG mit der Kalkulation der Produktionskosten belegt, die zu der Erkenntnis geführt hat, dass eine Kostendeckung gar nicht möglich war. Auch ist die finanzgerichtliche Beurteilung des weiteren Verhaltens der Klägerin im Hinblick auf die andauernden Verluste als nicht professionelles betriebswirtschaftliches Handeln nachvollziehbar, die vom FG mit dem häufigen Wechsel der Vertriebspartner, die aufgrund von Empfehlungen aus dem Bekannten- und Freundeskreis ausgewählt wurden, und der Berater sowie der nachlässigen Erfüllung der steuerlichen Pflichten unterlegt wurde. Ebenso wenig ist die Schlussfolgerung des FG angreifbar, dass den Klägern der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens weniger wichtig gewesen sei und immer noch sei als die künstlerische Bedeutung und Anerkennung der produzierten Aufnahmen, so dass die hierdurch zum Ausdruck kommende persönliche Neigung als Ursache für die Aufnahme und Weiterführung der gewerblichen Tätigkeit anzusehen sei.
c) Die von den Klägern hiergegen vorgebrachten Argumente -
die Kläger seien ausgebildete Musiker;
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die Produktionen seien professionell eingespielt, vermarktet und von der Literatur positiv besprochen worden;
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die Klägerin habe das Interesse, sich aus dem Label X eine Existenz aufzubauen;
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die Suche nach erfolgreichen Vertriebsunternehmen habe zur Beauftragung eines international operierenden Vertriebsunternehmens im Jahre 2009 geführt;
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das Unternehmenskonzept sei ab 2008 durch Finanzierung der Produktionen durch die Künstler selbst und Verbesserungen im Vertrieb geändert worden, so dass eine Kosten/Nutzen-Analyse immer vorgelegen habe;
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das nachlässige Abgabeverhalten sei kein Indiz für die fehlende Gewinnerzielungsabsicht;
bestehen ‑‑nach Art einer Revisionsbegründung‑‑ in einer vom vorinstanzlichen Urteil abweichenden Tatsachenwertung mit der Erläuterung, warum das FG die Tatsachen und Beweise unzutreffend gewürdigt sowie den Streitfall unrichtig entschieden habe. Solche (vorgeblichen) Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich genommen nicht die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 42, m.w.N.).
d) Soweit die Kläger geltend machen, im Jahr 2010 sei bereits ein Überschuss erzielt worden und in späteren Jahren seien weitere Gewinne zu erwarten, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden kann, weil der BFH auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist und die Kläger in Bezug auf diese Feststellungen durchgreifende Revisionszulassungsgründe nicht vorgebracht haben (§ 118 Abs. 2 FGO).