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Beschluss vom 01. Dezember 2011, I B 127/11

Abgrenzung von Aufgeld und verdeckter Einlage

BFH I. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, UmwStG § 20 Abs 1 S 1, GmbHG § 3 Abs 2, EWGRL 434/90 Art 2 Buchst c

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 18. April 2011, Az: 11 K 4386/08

Leitsätze

1. NV: Die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft gehört nicht zu den Tatbeständen, die nach der EU-Fusionsrichtlinie steuerneutral zu behandeln sind.

2. NV: Ob eine Einlagevereinbarung anlässlich der Gründung einer GmbH so auszulegen ist, dass die zusätzlich zur Bareinlage vom Gründer in Aussicht gestellte Einbringung eines Betriebs Bestandteil des für die Gesellschaftsanteile zu leistenden Entgelts (d.h. ein Aufgeld) ist oder ob es sich dabei um eine (unentgeltliche) verdeckte Einlage handelt, ist nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls anhand der für die Auslegung von korporationsrechtlichen Bestimmungen geltenden Regeln zu beurteilen.

Tatbestand

  1. I. Streitpunkt ist, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) im Streitjahr 2005 einen Gewinn aus der Aufgabe eines Gewerbebetriebs (§ 16 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 ‑‑EStG 2002‑‑) versteuern muss.

  2. Der Kläger war bis Ende des Jahres 2004 in dem bis dahin von seinem Vater (V) als Einzelunternehmen geführten … angestellt. Am 6. Dezember 2004 gründete er als Alleingesellschafter die S-GmbH. § 3 des Gesellschaftsvertrags lautet unter der Überschrift "Stammkapital" wie folgt:

  3. "1. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt € 25.000,‑‑ (in Worten: Fünfundzwanzigtausend EURO).

    2. Auf dieses Stammkapital haben die Gesellschafter folgende Stammeinlagen übernommen:

    (Kläger) eine Stammeinlage von Euro 25.000,00. Diese Stammeinlage ist in bar zu erbringen und in voller Höhe sofort fällig.

    3. Es ist vorgesehen, dass (Kläger) unabhängig von der heutigen Gründung später den Betrieb seines Vaters ... im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten soll. (Kläger) wird diesen Betrieb sodann in die GmbH, ohne Erhöhung des Kapitalkontos, einbringen.

    Der Wert dieses Betriebes wird der Kapitalrücklage zugeschlagen."

  4. Zum 1. Januar 2005 übertrug V seinen Betrieb im Ganzen unentgeltlich auf den Kläger. Der Übergang erfolgte gemäß § 6 Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG 2002 zu Buchwerten. Unmittelbar danach übertrug der Kläger den Betrieb im Ganzen auf die S-GmbH. Diese aktivierte das Betriebsvermögen ebenfalls zu Buchwerten, weil sie annahm, der Übertragungsvorgang sei als Sacheinlage i.S. von § 20 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes 2002 (UmwStG 2002) zu behandeln. Den Gegenwert stellte sie in eine Kapitalrücklage ein.

  5. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) war demgegenüber der Auffassung, der Betrieb sei nicht als Sacheinlage, sondern als verdeckte Einlage auf die S-GmbH übertragen worden, weshalb er von dieser zum Teilwert anzusetzen sei; für den Kläger folge daraus, dass er die stillen Reserven des Betriebsvermögens als Aufgabegewinn zu versteuern habe. Auf dieser Basis setzte das FA die Einkommensteuer des Klägers für das Streitjahr fest. Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat sie mit Urteil vom 19. April 2011  11 K 4386/08 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1933) als unbegründet abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

  6. Der Kläger beantragt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil. Er stützt sein Begehren auf alle in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeführten Zulassungsgründe.

  7. Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen ‑‑soweit sie vom Kläger hinreichend dargetan worden sind‑‑ nicht vor.

  2. 1. Unter den Aspekten der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) möchte der Kläger geklärt wissen, ob § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 so ausgelegt werden kann, dass als Sacheinlagen auch Zuführungen in das Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft in Betracht kommen, die nicht gegen Ausgabe neuer Anteile an der Gesellschaft erbracht werden. Er stützt sich insoweit auf die Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 225, 1) ‑‑Fusionsrichtlinie a.F.‑‑, die einen weiteren Anwendungsbereich habe und die in grenzüberschreitenden Fällen anwendbar sei; zur Vermeidung einer sog. Inländerdiskriminierung müsse § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 auch bei reinen Inlandssachverhalten gemäß der Fusionsrichtlinie ausgelegt werden.

  3. Die Frage ist jedoch im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn die Einbringungsdefinitionen in § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 einerseits und in Art. 2 Buchst. c Fusionsrichtlinie a.F. andererseits differieren nur insoweit, als § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 die Einbringung gegen Gewährung "neue(r) Gesellschaftsanteile" verlangt, während Art. 2 Buchst. c der Fusionsrichtlinie a.F. die Gewährung "von Anteilen am Gesellschaftskapital" ausreichen lässt. Im Rahmen der Fusionsrichtlinie a.F. ist demnach auch die Einbringung gegen die Gewährung bereits bestehender (eigener) Geschäftsanteile der Gesellschaft möglich, während § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 die Gewährung neuer Anteile im Rahmen der Gründung oder einer Kapitalerhöhung voraussetzt (vgl. dazu z.B. Blümich/Nitzschke, § 20 UmwStG 2006 Rz 74, m.w.N.). Im Streitfall ist die Einbringung des Einzelunternehmens des Klägers jedoch weder gegen die Gewährung neuer noch gegen die Gewährung bereits bestehender Gesellschaftsanteile an der S-GmbH erfolgt. Nach der Beurteilung des FG liegt vielmehr eine unentgeltliche Zuführung in das Eigenkapital (verdeckte Einlage) vor, die weder nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG noch nach der Fusionsrichtlinie a.F. erfolgsneutral erfolgen kann.

  4. 2. Sodann wirft der Kläger eine Reihe von Fragen auf, die sich damit befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 vorliegen kann, wenn bei einer Bargründung der Gesellschafter zusätzlich zu der Bareinlage einen Betrieb in die Kapitalgesellschaft einbringt.

  5. Die Problematik ist jedoch durch das Senatsurteil vom 7. April 2010 I R 55/09 (BFHE 229, 518, BStBl II 2010, 1094) im Grundsatz geklärt. Danach setzt eine Sacheinlage i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 in diesem Fall voraus, dass der Einbringungsgegenstand nach der Einlagevereinbarung als Aufgeld (Agio) Bestandteil des vom Einbringenden für die neuen Gesellschaftsanteile zu leistenden Entgelts ist. Diese Senatsrechtsprechung hat das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt; es ist im Rahmen seiner Vertragsauslegung zu dem Ergebnis gekommen, die Einbringung des väterlichen Betriebs durch den Kläger habe nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Gewährung der Anteile an der S-GmbH gestanden.

  6. Die vom Kläger herausgestellten Fragen beziehen sich im Wesentlichen auf die konkrete Situation des Streitfalls. Es ist nicht ersichtlich, dass die im Senatsurteil in BFHE 229, 518, BStBl II 2010, 1094 entwickelten abstrakten Grundsätze mit Blick auf den Streitfall einer weiteren Präzisierung bedürfen. Ob den Regelungen im streitbefangenen Gesellschaftsvertrag eine verbindliche Einbringungsverpflichtung des Klägers entnommen werden kann und ob eine solche ggf. als Aufgeld zur Bareinlage oder aber als (unentgeltliche) verdeckte Einlage zu werten wäre, ist eine Frage des Einzelfalls, aus der keine der Rechtsfortbildung dienenden verallgemeinerungsfähigen Aussagen abzuleiten sind.

  7. Die vom Kläger angesprochenen Auslegungskriterien für GmbH-Gesellschaftsverträge sind ebenfalls im Grundsatz durch die Rechtsprechung geklärt. Wie das FG seiner Auslegung zutreffend vorangestellt hat, sind korporationsrechtliche Bestimmungen nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen (Senatsurteil vom 28. November 2007 I R 94/06, BFHE 220, 51, m.w.N.). Die vom Kläger in Bezug genommene Literaturstelle (Wicke, Deutsches Steuerrecht 2006, 1137, 1140) bezieht sich nicht auf mitgliedschaftsrechtliche, in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene Nebenleistungspflichten gemäß § 3 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auf schuldrechtliche Nebenvereinbarungen außerhalb der Satzung.

  8. 3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor. Die Rüge, das FG habe gegen das Gesamtergebnis der Verhandlung und den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) und gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstoßen, indem es sich in den Entscheidungsgründen nicht mit den Zeugenaussagen des V und des vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers (R) befasst habe, die übereinstimmend mit dem Klägervortrag das Bestehen einer verbindlichen Einbringungsverpflichtung bestätigt hätten, ist unbegründet. Nach der für die Prüfung auf Verfahrensmängel maßgeblichen Rechtsauffassung des FG kommt es für die Auslegung der streitbefangenen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag ausschließlich auf Wortlaut und Sinnzusammenhang des Gesellschaftsvertrags, nicht aber auf die subjektiven Absichten der Gründer an. Von diesem Rechtsstandpunkt aus bestand für das FG mithin kein Anlass, sich mit den Zeugenaussagen von V und R zu deren Auffassung von der Verbindlichkeit des Einbringungsversprechens auseinanderzusetzen. Soweit sich das FG für sein Auslegungsergebnis zusätzlich auch auf die Ausführungen in einem Schriftsatz des R stützt, wird daraus nicht ersichtlich, dass das FG entgegen seiner Prämisse doch die subjektiven Vorstellungen der Vertragsbeteiligten für maßgeblich hält.

  9. 4. Soweit sich der Kläger auf Divergenzen des angefochtenen Urteils zur Rechtsprechung des BFH beruft (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), fehlt es an der für die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Gegenüberstellung von divergierenden abstrakten Rechtssätzen aus den jeweiligen BFH-Entscheidungen mit solchen des FG-Urteils (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 42, m.w.N.).

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