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Beschluss vom 14. Dezember 2011, IV B 83/10

Änderung des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahrs als rückwirkendes Ereignis

BFH IV. Senat

AO § 175 Abs 1 S 1 Nr 2, EStG § 4 Abs 1 S 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2

vorgehend FG Hamburg, 21. July 2010, Az: 2 K 106/09

Leitsätze

NV: Die zur Grundlage einer Steuerfestsetzung oder gesonderten Gewinnfeststellung gewordene Korrektur des Wertansatzes für ein Wirtschaftsgut, das Teil des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahres ist, stellt ein rückwirkendes Ereignis für die Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung eines Folgejahres dar, bei der sich der Wertansatz gewinnerhöhend oder -mindernd auswirkt (Bestätigung der Rechtsprechung). Es kommt nicht darauf an, ob sich das Vorjahresendvermögen aufgrund einer Bilanzberichtigung, einer Bilanzänderung oder aufgrund anderer, nicht mit einer förmlichen Bilanzkorrektur verbundener Umstände ändert; auch die Änderung eines abgabenrechtlichen Verwaltungsaktes als solche ist nicht maßgeblich .

Gründe

  1. Die Beschwerde ist nicht begründet.

  2. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  3. a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (ständige Rechtsprechung; u.a. BFH-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, BFH/NV 2010, 1469, m.w.N.). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2004 IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783).

  4. b) Nach Ansicht der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) haben die Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung,

     -   ob eine Bilanzberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) ist, und

     -   ob abgabenrechtliche Verwaltungsakte unter § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fallen.

  5. c) Diese Rechtsfragen sind jedoch, soweit sie im vorliegenden Verfahren klärungsfähig wären, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt.

  6. aa) Wie das Finanzgericht (FG) zutreffend entschieden hat, folgt nach der Rechtsprechung des BFH aus § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes, dass die zur Grundlage einer Steuerfestsetzung oder gesonderten Gewinnfeststellung gewordene Korrektur des Wertansatzes für ein Wirtschaftsgut, das Teil des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahres ist, ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO für die Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung eines Folgejahres darstellt, bei der sich der Wertansatz gewinnerhöhend oder -mindernd auswirkt (BFH-Urteile vom 19. August 1999 IV R 73/98, BFHE 190, 5, BStBl II 2000, 18; vom 30. Juni 2005 IV R 11/04, BFHE 210, 196, BStBl II 2005, 809; vom 25. Oktober 2007 III R 39/04, BFHE 219, 294, BStBl II 2008, 226). Darüber hinaus ist höchstrichterlich geklärt, dass es nicht darauf ankommt, ob sich das Vorjahresendvermögen aufgrund einer Bilanzberichtigung, einer Bilanzänderung oder aufgrund anderer, nicht mit einer förmlichen Bilanzkorrektur verbundener Umstände ändert; maßgeblich ist vielmehr, dass die Änderung Auswirkungen auf die Gewinnermittlung eines Folgejahres hat, für das eine bestandskräftige Steuerfestsetzung oder Gewinnfeststellung vorliegt (BFH-Urteil in BFHE 190, 5, BStBl II 2000, 18).

  7. bb) Die von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen sind danach nicht mehr klärungsbedürftig. Maßgeblich für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind vorliegend nach der oben unter 1.c aa angegebenen Rechtsprechung des BFH nicht die Bilanzberichtigung oder die Änderung eines abgabenrechtlichen Verwaltungsaktes als solche, sondern die zur Grundlage einer gesonderten Gewinnfeststellung gewordene Änderung des Wertansatzes für ein Wirtschaftsgut im Vorjahresendvermögen. Aus der Beschwerde ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen. Mit den von der Klägerin angeführten kritischen Ansichten in der Literatur hat sich der BFH bereits in den Urteilen in BFHE 190, 5, BStBl II 2000, 18 (unter 1.b der Entscheidungsgründe) und in BFHE 210, 196, BStBl II 2005, 809 (unter 1.a der Entscheidungsgründe) auseinandergesetzt.

  8. 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

  9. a) Die Klägerin meint, das FG habe folgende, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtssätze aufgestellt:

     -   "Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt vor, wenn sich nicht der Sachverhalt, sondern nur die rechtliche Beurteilung durch das Finanzamt ändert.

     -   Das Finanzamt ist zur Bilanzberichtigung ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen berechtigt.

     -   Eine Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung (Änderung eines Wertansatzes in der Bilanz), die ein rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO darstellt, liegt vor, wenn weder eine Bilanzberichtigung noch eine        Bilanzänderung erfolgt ist."

  10. b) Eine Divergenz liegt nicht vor. Die behaupteten Rechtssätze hat das FG nicht aufgestellt. Es hat vielmehr zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH entschieden, dass rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die aufgrund des Einspruchs der Klägerin erfolgte Änderung des Wertansatzes für den Sonderposten mit Rücklagenanteil für das Vorjahresendvermögen ist, die sich für das Streitjahr als Folgejahr gewinnerhöhend ausgewirkt hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelte es sich dabei ‑‑wie sich u.a. aus den BFH-Urteilen in BFHE 190, 5, BStBl II 2000, 18 (unter 1.b der Entscheidungsgründe) und in BFHE 210, 196, BStBl II 2005, 809 (unter 1.a der Entscheidungsgründe) ergibt‑‑ nicht um eine bloße Änderung der rechtlichen Beurteilung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt). Auf die Fragen, ob es sich bei den rückgängig gemachten Änderungen um (nicht zulässige) Bilanzberichtigungen ‑‑wie die Klägerin einerseits ausgeführt hat‑‑ oder um die Nichtvornahme einer Bilanzberichtigung ‑‑wie die Klägerin andererseits meint‑‑ handelte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (BFH-Urteil in BFHE 190, 5, BStBl II 2000, 18, unter 1.b der Entscheidungsgründe). Dem entsprechend lassen sich dem angefochtenen Urteil die von der Klägerin dargestellten Rechtssätze nicht entnehmen.

  11. 3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

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