BFH VI. Senat
EStG § 40 Abs 2 S 1 Nr 3, EStG § 40 Abs 2 S 1 Nr 5, EStG § 40 Abs 2 S 2, EStG § 3 Nr 33, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG VZ 2006
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 15. June 2011, Az: 11 K 81/10
Leitsätze
1. Der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" ist der arbeitsrechtlich geschuldete. "Zusätzlich" zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn i.S. des § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG werden nur freiwillig geleistete Fahrtkostenzuschüsse erbracht .
2. Die Sicherstellung der Verwendung von Erholungsbeihilfen des Arbeitgebers durch die Arbeitnehmer zu deren Erholungszwecken nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG setzt jedenfalls voraus, dass der Arbeitgeber über die Verwendung der Mittel Kenntnis hat .
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob auf Grund geänderter Arbeitsverträge vereinbarte Zusatzleistungen des Arbeitgebers "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" erbracht wurden.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt ein Ingenieurbüro und beschäftigt rund 40 Arbeitnehmer. Sie vereinbarte im April 2006 mit einigen ihrer Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge. Danach waren ab Mai 2006 als Arbeitslohn neben der Zahlung eines Bruttogehalts monatliche Zusatzleistungen in § 5 Abs. 1 der jeweils neuen Arbeitsverträge vereinbart; weiter bestimmte deren § 5 Abs. 2, dass bei Wegfall der persönlichen oder gesetzlichen Voraussetzungen der nach § 5 Abs. 1 gewährten Zusatzleistungen der Arbeitgeber eine entsprechende Zusatzleistung zu zahlen hatte, bei der die persönlichen und gesetzlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmer erfüllt sind. Sollte auch dies nicht möglich sein, war nach § 5 Abs. 3 die im April 2006 gewährte Vergütung zu zahlen. Letzteres galt nach § 5 Abs. 4 auch dann, wenn die Arbeitnehmer die gewährten Zusatzleistungen des Abs. 1 nicht mehr wünschten. Zusatzleistungen waren eine Internetpauschale von 50 €/Monat sowie Erholungsbeihilfen von 156 €/Jahr für den Arbeitnehmer, 104 €/Jahr für dessen Ehegatten sowie 52 €/Jahr pro Kind des Arbeitnehmers. Bei einigen Arbeitnehmern waren auch Zuschüsse zu deren Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie Kindergartenzuschüsse vereinbart. Schließlich hatte die Klägerin auch Sachbezüge in Form von Gutscheins-, Waren- und Dienstleistungen in Höhe von 44 €/Monat zugesagt; hierzu hatten die Arbeitnehmer vor Beginn eines jeden Bezugsjahrs zu bestimmen, welche Art von Sachleistungen sie wünschten, etwa den Bezug von Waren und Dienstleistungen einer bestimmten Tankstelle.
Die Klägerin versteuerte die als Zusatzleistung gewährte Internetpauschale nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Erholungsbeihilfen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG jeweils mit einem Pauschsteuersatz von 25 %; die Fahrtkostenzuschüsse unterwarf sie dem Pauschsteuersatz von 15 % nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Kindergartenzuschüsse behandelte die Klägerin als nach § 3 Nr. 33 EStG steuerfreien Arbeitslohn und den vereinbarten "Sachbezug" von 44 €/Monat als nicht lohnsteuerpflichtig, weil die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht überschritten war.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) vertrat im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung dagegen die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Pauschalversteuerung und einer Steuerbefreiung nicht vorlägen und nahm nach § 42d EStG die Klägerin als Arbeitgeberin in Haftung.
Die dagegen erhobene Klage war aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 213 veröffentlichten Gründen nur teilweise erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) hob den streitigen Haftungsbescheid auf Grundlage der Rechtsprechung des erkennenden Senats vom 11. November 2010 VI R 26/08 (BFH/NV 2011, 589) und VI R 27/09 (BFHE 232, 56, BStBl II 2011, 386) insoweit auf, als die Zusatzleistungen für die Verwendung von Tankkarten besteuert worden waren. Im Übrigen wies es die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die übrigen Zusatzleistungen nicht, wie von den gesetzlichen Vorschriften im Einzelnen vorausgesetzt, zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht würden, weil auch auf diese Zusatzleistungen jeweils ein arbeitsvertraglicher Anspruch bestanden habe. Die Erholungsbeihilfen habe die Klägerin voraussetzungslos monatlich ausbezahlt, so dass entgegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Verwendung dieser Geldmittel zu Erholungszwecken nicht sichergestellt gewesen sei. Die am Jahresende von den Arbeitnehmern der Klägerin vordruckmäßig jeweils abgegebene Erklärung, die erhaltenen Beihilfen für Erholungszwecke verwendet zu haben, entspreche nicht der durch das Gesetz geforderten Sicherstellung der Verwendung; insbesondere hätten die Arbeitnehmer nicht belegt, zu welchem Zweck die Beträge jeweils verwendet worden seien.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. Juni 2011 11 K 81/10 dahingehend abzuändern, dass der im Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 6. Mai 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2010 ausgewiesene Haftungsbetrag auf 2.046 € (zuzüglich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) herabgesetzt wird.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Haftungstatbestand des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich der den Arbeitnehmern der Klägerin gewährten und im Revisionsverfahren noch streitigen Zuschüsse erfüllt ist. Denn danach haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Dieser Verpflichtung kam die Klägerin bei den hier noch streitigen Zusatzleistungen nicht nach. Denn die Voraussetzungen einer pauschalierten Besteuerung der Zuschüsse des Arbeitgebers zu Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Internetzugang und die Internetnutzung (Internetpauschale) nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG, für Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Fahrtkostenzuschüsse) nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG und für Erholungsbeihilfen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG sowie die einer Steuerbefreiung der Kindergartenzuschüsse nach § 3 Nr. 33 EStG liegen nicht vor.
1. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % u.a. für zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn unentgeltlich oder verbilligt übereignete Personalcomputer sowie Zubehör und Internetzugang erheben. Entsprechendes gilt für Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetnutzung gezahlt werden.
a) Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Zusatzleistungen sind nur solche, die der Arbeitgeber erbringt, ohne dass darauf der Arbeitnehmer einen Anspruch hat; zur weiteren Begründung wird insoweit auf das Senatsurteil vom 19. September 2012 VI R 54/11 (BFHE 239, 85) Bezug genommen. Dort hatte der Senat zu den Tatbeständen des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG (Internetpauschale) und § 3 Nr. 33 EStG (Kindergartenzuschüsse) entschieden. Entsprechendes gilt für die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleisteten Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG. Auch für diese Zuschüsse kommt eine Pauschalbesteuerung nur in Betracht, soweit die Zuschüsse freiwillig geleistet werden und nicht schon Teil des ohnehin geschuldeten Arbeitslohns sind.
b) Das FG hat nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze zutreffend entschieden, dass die Arbeitnehmer der Klägerin sämtliche hier streitigen Zusatzleistungen nach § 5 des Arbeitsvertrags in der ab 1. Mai 2006 geltenden Fassung beanspruchen konnten, die Zusatzleistungen also Teil des geschuldeten Arbeitslohns waren und mithin nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wurden.
c) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die in den Streitjahren anwendbaren Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) berufen, nach denen es unerheblich war, ob die zusätzliche Leistung ihrerseits vom Arbeitgeber geschuldet oder freiwillig gewährt wurde (R 21c Satz 7 LStR 2005). Denn auch danach lag keine zusätzliche Leistung vor, wenn eine zweckbestimmte Leistung unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung des vereinbarten Arbeitslohns gewährt wurde (R 21c Satz 4 LStR 2005). Davon war im Streitfall auszugehen, nachdem die bisherigen Bruttoarbeitslöhne in den Arbeitsverträgen jeweils herabgesetzt und dafür um monatliche Zusatzleistungen ergänzt worden waren. Auf die Frage, ob der Haftungsbescheid ermessensfehlerhaft wäre, wenn er entgegen einer in den Lohnsteuer-Richtlinien geäußerten Rechtsansicht ergangen wäre, kommt es daher nicht an.
2. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben, soweit er Erholungsbeihilfen gewährt, wenn diese bestimmte Jahresbeträge nicht übersteigen und der Arbeitgeber sicherstellt, dass die Beihilfen zu Erholungszwecken verwendet werden. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG fordert damit nicht nur einen ganz bestimmten Verwendungszweck der insoweit gewährten Leistungen, nämlich die Mittelverwendung für Zwecke der Erholung, sondern auch eine Überprüfung durch den Arbeitgeber, dass seine Arbeitnehmer diese als Erholungsbeihilfen gewährten Leistungen tatsächlich zu diesem Zweck verwenden.
a) Gemessen daran hat das FG aus revisionsrechtlicher Sicht rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Voraussetzungen der Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht vorliegen, weil die Klägerin als Arbeitgeberin nicht sichergestellt hatte, dass die Beihilfen tatsächlich zu Erholungszwecken verwendet wurden.
aa) § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG bestimmt nicht ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen der Verwendungszweck der Zuwendungen durch den Arbeitgeber hinreichend sichergestellt ist (so bereits FG Köln, Urteil vom 4. Juni 1996 7 K 4967/93, EFG 1997, 110, das die Norm insgesamt als anachronistische Subventionsvorschrift bezeichnete).
Wenn allerdings das Gesetz fordert, dass die Arbeitgeberleistungen nicht nur bestimmten Zwecken dienen sollen, sondern der Arbeitgeber auch sicherzustellen hat, dass sie zu Erholungszwecken verwendet werden, dann genügen jedenfalls Vermutungen über die Mittelverwendung nicht. Das tatbestandlich vorausgesetzte "sicherstellen" ist schon nach seinem Wortsinn deutlich enger und stellt strengere Anforderungen als eine bloße Vermutung oder gar ein allein vom Arbeitgeber bestimmter, aber nicht weiter objektivierter Verwendungszweck.
bb) Auf Grundlage der hier vom FG getroffenen Feststellungen, nach denen die Leistungen für die Erholungsbeihilfen von der Klägerin als Arbeitgeberin durchlaufend monatlich als pauschale Zahlung erbracht worden waren, kann jedenfalls von einer Sicherstellung des Verwendungszwecks durch den Arbeitgeber nicht ausgegangen werden. Unzureichend ist, wenn die Arbeitnehmer, wie im Streitfall, den jeweiligen Zweck, zu dem sie die erhaltenen Beträge verwendet haben, nicht angeben. Denn damit ist ein Mindestmaß an Vergewisserung über den Verwendungszweck nicht in der Weise gewährleistet, dass der Arbeitgeber selbst auf Grund der Erklärungen der Arbeitnehmer entscheiden kann, ob die Mittel tatsächlich zu Erholungszwecken verwendet worden waren. Deshalb genügt auch entgegen der Auffassung der Klägerin jedenfalls keine ‑‑wenn auch plausible‑‑ Vermutung, wonach die zugewendeten Geldbeträge typischerweise die für Freizeitveranstaltungen und Urlaube jährlich getätigten Ausgaben nicht überschreiten. Denn sichergestellt ist die Mittelverwendung damit nicht.
b) Angesichts dessen kann der Senat im hier vorliegenden Streitfall auch dahinstehen lassen, inwieweit die von der Finanzverwaltung zu Grunde gelegten Vereinfachungsregelungen, die etwa von einer hinreichenden Sicherstellung von Beihilfezahlungen für Erholungszwecke ausgehen, wenn die Zahlungen in zeitlicher Nähe zur Urlaubszeit erfolgen, den gesetzlichen Anforderungen genügen.