BFH VIII. Senat
EStG § 4 Abs 1 S 5, EStG § 4 Abs 3, EStG § 4 Abs 4a S 2, EStG § 4 Abs 4a S 7, EStG § 4 Abs 4a S 3, AO § 42 Abs 1 S 2, AO § 42 Abs 2, EStG § 4 Abs 1 S 5, EStG § 4 Abs 3, EStG § 4 Abs 4a S 2, EStG § 4 Abs 4a S 6
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 17. March 2009, Az: 2 K 160/06
Leitsätze
1. Die Einzahlung von Geld auf ein betriebliches Konto ist eine Einlage i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG a.F.; das gilt auch bei sinngemäßer Anwendung der Vorschrift auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG a.F. (entgegen FG München, Urteil vom 26. Januar 2007 7 K 3527/04, EFG 2007, 902) .
2. Die kurzfristige Einlage von Geld stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar, wenn sie allein dazu dient, die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG a.F. nicht abziehbarer Schuldzinsen zu umgehen; in diesem Fall entsteht der Steueranspruch so, wie er entstanden wäre, wenn die Einlage unterblieben wäre .
3. § 42 AO a.F. ist nach der Aufhebung von § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG a.F. auf die betreffenden Fallgestaltungen (jedenfalls wieder) anwendbar .
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs gemäß § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (EStG) durch kurzfristige Einzahlungen auf das betriebliche Girokonto reduziert werden kann.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden in den Streitjahren 2001 bis 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielte u.a. als Facharzt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Den Gewinn ermittelte er gemäß § 4 Abs. 3 EStG. 2001 erwarben die Kläger ein Grundstück und bebauten es mit einem selbst genutzten Einfamilienhaus. Zur Bezahlung der Anschaffungskosten verwendete der Kläger Betriebseinnahmen aus seiner ärztlichen Praxis; der Betrieb musste deshalb vermehrt Darlehen in Anspruch nehmen. Trotz hoher betrieblicher Schuldzinsen erklärten die Kläger fast keine Hinzurechnungen für nicht abziehbare Schuldzinsen.
Eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung führte zu der Feststellung, dass der Kläger dem betrieblichen Girokonto jeweils zum Jahresende hohe Geldbeträge zugeführt und diese kurz danach wieder entnommen hatte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Zahlungsvorgänge:
Zugang
Betrag
Abgang
Betrag
Tage
28.12.2001
530.000 DM
02.01.2002
271.217,18 €
6
30.12.2002
300.000 €
02.01.2003
300.000 €
4
30.12.2003
300.000 €
02.01.2004
300.000 €
4
Das Geld hatte sich der Kläger aufgrund einer kurzfristigen Darlehenszusage bei einem Kreditinstitut (zu 7,5 % Zinsen p.a.) geliehen.
Der Prüfer ließ diese Ein- und Auszahlungen bei der Berechnung der Überentnahmen unberücksichtigt, da ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliege (§ 42 der Abgabenordnung in der auf den Streitfall anzuwendenden [alten] Fassung ‑‑AO‑‑). Danach ergaben sich höhere nicht abziehbare Schuldzinsen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) schloss sich dem an, änderte die unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2003 und setzte die Einkommensteuer höher fest.
Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die daraufhin erhobene Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2009, 1354).
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht (§ 4 Abs. 4a EStG, § 42 AO).
Die Kläger beantragen,
das Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2001, 2002 und 2003 mit der Maßgabe zu ändern, dass nicht abziehbare Schuldzinsen lediglich in Höhe von 2.894 € (2001), 2.594 € (2002) und 456 € (2003) den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit hinzugerechnet werden.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Im Ergebnis zu Recht hat das FG hinsichtlich der streitigen kurzfristigen Einzahlungen auf das betriebliche Girokonto einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO) bejaht mit der Folge, dass der Betrag der Überentnahmen i.S. von § 4 Abs. 4a EStG hierdurch nicht reduziert worden ist. Zu Unrecht hat das FG allerdings offengelassen, ob die kurzfristigen Darlehen, mit denen sich der Kläger das Geld für die Einzahlungen beschafft hatte, betrieblich veranlasst waren und ob aus anderen Gründen durch die Einzahlungen auf das betriebliche Konto Einlagen i.S. von § 4 Abs. 4a EStG nicht bewirkt worden sind. Die Anwendung von § 42 AO in der hier in Betracht kommenden Variante einer missbräuchlichen "Tatbestandserschleichung" setzt voraus, dass der Tatbestand einer Einlage erfüllt ist. Das ist indes der Fall.
1. Die streitigen Einzahlungen auf das betriebliche Girokonto erfüllen den Tatbestand der Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG). Sie wären danach grundsätzlich auch bei der Ermittlung der Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a EStG) zu berücksichtigen.
a) Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. § 4 Abs. 4a EStG ist bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sinngemäß anzuwenden; hierzu sind Entnahmen und Einlagen gesondert aufzuzeichnen (§ 4 Abs. 4a Satz 6 EStG). Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG). Die Einzahlung von Geld auf ein betriebliches Konto erfüllt den Begriff der Einlage. Auf das Motiv der Einlage kommt es ebenso wenig an wie auf die Dauerhaftigkeit und ob der Steuerpflichtige den eingelegten Betrag dem Betrieb auch wirtschaftlich zur freien Verfügung überlassen wollte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24. Juni 1969 I R 174/66, BFHE 97, 415, BStBl II 1970, 205; vom 18. Januar 1972 VIII R 125/69, BFHE 104, 419, BStBl II 1972, 344).
b) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass Einlagen in Geld bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich unbeachtlich sind und dass die Einlagefähigkeit von Geld bei einem Freiberufler nach Maßgabe der Rechtsprechung über die begrenzte Einlagefähigkeit von Wertpapieren und anderen "Geldgeschäften" begrenzt sein könnte.
aa) Im Streitfall kann offenbleiben, ob Geld bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG überhaupt einlage- und entnahmefähig ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526, unter 1.c bb der Gründe; abl. z.B. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 584) oder ob Entnahmen und Einlagen von Geld (Bar- oder Buchgeld) mangels denkbarer Gewinnauswirkungen in der Einnahmenüberschussrechnung nur nicht erfasst und nicht dargestellt werden können (vgl. Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 199; ebenso Bode in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 4 Rz 143; Segebrecht/Gunsenheimer, Die Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, 12. Aufl., Rz 599). In dieser Allgemeinheit stellt sich die Frage vorliegend nicht.
Ebenfalls besteht keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob die Einlagefähigkeit von Geld bei einem freiberuflich tätigen Steuerpflichtigen nach Maßgabe der Rechtsprechung über die begrenzte Einlagefähigkeit von Wertpapieren und anderen "Geldgeschäften" (vgl. nur Senatsurteile vom 12. Januar 2010 VIII R 34/07, BFHE 228, 212, BStBl II 2010, 612; vom 17. Mai 2011 VIII R 1/08, BFHE 234, 35, BStBl II 2011, 862) begrenzt sein könnte.
bb) Derartige Überlegungen, die ihren Grund in Besonderheiten der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und der Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit haben, sind für die Auslegung von § 4 Abs. 4a EStG nicht maßgeblich. Vielmehr muss sich die Auslegung von § 4 Abs. 4a EStG davon leiten lassen, dem Zweck der Vorschrift auch bei sinngemäßer Anwendung im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in gleichheitsgerechter Weise zum Durchbruch zu verhelfen. Dies gebietet es, den Begriff der Einlage ebenso zu verstehen wie er bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG verstanden wird und Besonderheiten und Beschränkungen, die sich aus der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG oder aus der Eigenart freiberuflicher Einkünfte ergeben können, hierbei außer Betracht zu lassen.
Dieses Verständnis wird auch gestützt durch die Systematik der Norm. Die in § 4 Abs. 4a Satz 6 2. Halbsatz EStG speziell angeordnete Pflicht, Entnahmen und Einlagen "hierzu" aufzuzeichnen, setzt voraus, dass jedenfalls zum Zweck der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die Entnahmen und Einlagen von Geld ebenso zu beachten sind wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG. § 4 Abs. 4a Satz 6 2. Halbsatz EStG verweist insofern auf den allgemeinen Begriff der Einlage in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG, der die Einlage von Geld ausdrücklich einschließt (a.A. wohl FG München, Urteil vom 26. Januar 2007 7 K 3527/04, EFG 2007, 902). Dafür spricht auch der Zweck der Norm. Bei den in § 4 Abs. 4a EStG geregelten Fallgestaltungen geht es in der Regel um die Entnahme von Geld. Beim sog. Doppelkontenmodell, das durch § 4 Abs. 4a EStG nach dem Willen des Gesetzgebers eingeschränkt werden soll, werden die Entnahmen (in Geld) zu Lasten eines reinen Einnahmenkontos gebucht, während die laufenden Betriebsausgaben über ein separates Konto durch Kreditaufnahme finanziert werden. Wegen der Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verwendung der Darlehensvaluta ist dann die betriebliche Veranlassung der Schuldzinsen zu bejahen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193). § 4 Abs. 4a EStG schränkt den Schuldzinsenabzug nicht ein, soweit den Entnahmen Einlagen in Geld gegenüberstehen, denn eingelegtes Geld kann jederzeit auch wieder entnommen werden. Das muss, um nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen, auch bei der sinngemäßen Anwendung von § 4 Abs. 4a EStG im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelten.
cc) Im Streitfall haben die Kläger die Privatentnahmen und Einlagen auch aufgezeichnet und konnten sie in der Außenprüfung darlegen.
c) An einer Einlage i.S. von § 4 Abs. 4a Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG fehlt es auch nicht deshalb, weil der Kläger, wie das FA meint, dem Betriebsvermögen nichts zugeführt hat. Daran würde es allerdings fehlen, wenn bereits die Darlehensaufnahme betrieblich veranlasst war mit der Folge, dass schon der Anspruch auf die Auszahlung der Darlehensvaluta im Betriebsvermögen entstanden wäre. Dann könnte die in das Betriebsvermögen ausgezahlte Darlehensvaluta nicht (erneut) in das Betriebsvermögen eingelegt werden. So war es im Streitfall jedoch nicht. Der Kläger hat kein betrieblich veranlasstes Darlehen aufgenommen. Die betriebliche Veranlassung des Darlehens ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Kläger die Darlehensvaluta (vorübergehend) in das Betriebsvermögen eingelegt hat. Zwar richtet sich die Zuordnung eines Darlehens zum Betriebsvermögen allein nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensvaluta (ständige Rechtsprechung, Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193; BFH-Urteil vom 23. Februar 2012 IV R 19/08, BFH/NV 2012, 1215). Die betriebliche Veranlassung setzt dabei in der Regel aber voraus, dass die Darlehensvaluta auch im Betrieb, z.B. zur Begleichung einer betrieblich veranlassten Schuld, verwendet wird. Davon kann vorliegend keine Rede sein. Da der Betrieb des Klägers von dem eingelegten Geld keinen Gebrauch gemacht, sondern es unverzinst liegen gelassen und nach Ablauf weniger Tage wieder zurückgezahlt hat, ist jedenfalls bei einer kurzfristigen, vorübergehenden Einlage, die erkennbar unter der Voraussetzung vorgenommen wird, dass der Betrieb von dem eingelegten Geld keinen Gebrauch macht, eine betriebliche Veranlassung der Darlehensaufnahme allein aufgrund der Einlage nicht anzunehmen.
2. Die streitigen Einlagen sind indes bei der Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu beachten, weil sie einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten darstellen; rechtlich angemessen wäre es im Streitfall gewesen, die Einlagen zu unterlassen.
a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden.
aa) Ein Gestaltungsmissbrauch ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsurteil vom 27. Juli 1999 VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl II 1999, 769). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung nicht unangemessen. Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt aber zutage, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck dient (vgl. BFH-Urteile vom 19. August 1999 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43; vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 8. Mai 2003 IV R 54/01, BFHE 202, 219, BStBl II 2003, 854). Dient die Gestaltung hingegen steuerlich beachtlichen wirtschaftlichen Zwecken, darf das Verhalten der Beteiligten nicht auf seine Angemessenheit hin beurteilt werden (BFH-Urteile vom 30. November 1989 IV R 97/86, BFH/NV 1991, 432; vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).
bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe erfüllen die streitigen Einzahlungen den Tatbestand des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO.
(1) Wie das FG festgestellt hat, haben die Kläger für die Einzahlungen andere wirtschaftliche Gründe außer der erstrebten Steuerersparnis nicht geltend gemacht. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Die streitigen Einzahlungen bezweckten insbesondere nicht die Stärkung des freiberuflichen Betriebskapitals, denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ein entsprechender betrieblicher Kapitalbedarf bestand. Dafür spricht auch, dass der Betrieb von dem eingelegten Geld in keinem Fall Gebrauch gemacht, sondern es stets unangetastet zurückgegeben hat.
(2) Unangemessen sind die Einzahlungen vor allem deshalb, weil das Ziel, Steuern zu sparen auf dem Weg einer kurzfristigen Einlage über den Stichtag, um die Hinzurechnung von nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zu vermeiden, nach dem objektiven Zweck des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers nicht erreichbar sein soll. Bereits in der Vergangenheit hat der BFH ähnliche Gestaltungen (sog. window-dressing) wiederholt als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten beurteilt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 97, 415, BStBl II 1970, 205, und in BFHE 104, 419, BStBl II 1972, 344 zu kurzfristigen Einlagen, um die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns nach § 10a EStG a.F. zu erhalten, sowie BFH-Urteil vom 19. Juni 1985 I R 115/82, BFHE 144, 264, BStBl II 1985, 680 zur Rückzahlung eines Darlehens und Wiederaufnahme nach dem Stichtag zur Vermeidung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen). Diese Wertungen sind auf den Streitfall übertragbar.
§ 4 Abs. 4a EStG soll den betrieblichen Schuldzinsenabzug begrenzen, soweit die Darlehensaufnahme letztlich der Finanzierung von Entnahmen gedient hat, die in der Summe den Gewinn und die Einlagen übersteigen. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn dabei Einlagen außer Betracht bleiben, die nicht zur Verstärkung des Betriebskapitals, sondern allein dazu dienen, die steuerliche Maßgröße der Überentnahmen im Hinblick auf die gesetzgebungstechnisch unvermeidbare Stichtagsbetrachtung betragsmäßig zu beeinflussen. Müsste die von den Klägern gewählte Gestaltung rechtlich hingenommen werden, könnten Steuerpflichtige, die weiteren Kredit in Anspruch nehmen können, den Zweck des § 4 Abs. 4a EStG, den betrieblichen Schuldzinsenabzug zu begrenzen, vollständig unterlaufen.
cc) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Gesetzgeber § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG a.F. aufgehoben hat.
(1) Die Vorschrift bestimmte, dass Entnahmen und Einlagen nicht zu berücksichtigen sind, die in den letzten drei Monaten eines Wirtschaftsjahres getätigt werden, soweit sie in der Summe in den nächsten drei Monaten des Folgejahres wieder rückgängig gemacht werden. Der Gesetzgeber hat diesen Satz im Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) ‑‑StÄndG 2001‑‑ rückwirkend aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Regelung führe dazu, dass bei allen Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften der Abschluss der Buchführungsarbeiten eines Wirtschaftsjahres und damit vielfach auch die Abgabe der Steuererklärung um drei Monate verzögert werde. Außerdem sei die Regelung nur bedingt geeignet, missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. Sie werde deshalb gestrichen, weil die mit ihr verbundenen Nachteile im Verhältnis zu der angestrebten Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen überwiegen (BTDrucks 14/6877, S. 24).
(2) § 42 AO ist nach der Aufhebung von § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG a.F. auf die betreffenden Fallgestaltungen (jedenfalls wieder) anwendbar. Allenfalls hätte § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG a.F. die Anwendung von § 42 AO als lex specialis ausschließen können. Die Aufhebung der Vorschrift ist aber nicht so zu verstehen, dass zukünftig die von ihr erfassten Vorgänge nicht mehr als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten beurteilt werden sollen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber § 4 Abs. 4a EStG aufheben müssen, weil der Zweck der Vorschrift durch die von den Klägern gewählte Gestaltung vollständig unterlaufen werden könnte, so dass für die Vorschrift kein Anwendungsbereich mehr bliebe. Eine solche Kehrtwende des Gesetzgebers lässt sich insbesondere den Materialien nicht entnehmen. Es trifft auch nicht zu, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Aufhebung der Vorschrift Haushaltsrisiken befürchtete. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat vielmehr, worauf das FA zu Recht hingewiesen hat, finanzielle Auswirkungen der geplanten Aufhebung nicht angesetzt (vgl. BTDrucks 14/7377, S. 3). Für die Anwendbarkeit von § 42 AO nach Aufhebung der speziellen Missbrauchsvorschrift spricht auch der ebenfalls durch das StÄndG 2001 eingeführte § 42 Abs. 2 AO. Danach sollte § 42 Abs. 1 AO immer anwendbar sein, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen war (zur Bedeutung der Vorschrift vgl. im Übrigen BFH-Urteil vom 20. März 2002 I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl II 2003, 50).
b) Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (bzw. entstanden wäre, § 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Da für die vom Kläger vorgenommenen Einzahlungen ein steuerlich beachtlicher, wirtschaftlicher Zweck nicht erkennbar ist, hätte die angemessene rechtliche Gestaltung darin bestanden, die Einlagen zu unterlassen. Der Steueranspruch entsteht folglich so, wie er entstanden wäre, wenn die streitigen Einlagen unterblieben wären.