BFH XI. Senat
UStG § 10 Abs 1 S 1, UStG § 10 Abs 1 S 2, UStG § 17 Abs 1 S 1 Nr 1, UStG § 17 Abs 1 S 1 Nr 2, UStG § 17 Abs 1 S 4, FGO § 11 Abs 2
vorgehend FG Düsseldorf, 28. May 2009, Az: 1 K 4494/08 U
Leitsätze
Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts durch nachträglich ausgezahlte Gutschriften, ist dessen Vorsteuerabzug nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15. Dezember 2004 gültigen Fassung zu berichtigen.
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, im Streitjahr 2004 den von ihr in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der bis zum 15. Dezember 2004 gültigen Fassung (a.F.) berichtigen muss, weil sie außerhalb einer Lieferkette nachträglich gewährte Herstellerrabatte erhalten hatte.
Die Klägerin war u.a. im Baustoffhandel tätig. Sie bezog im Streitjahr Zement von der D-GmbH, die ihrerseits den Zement von der Z-AG bezog. Die Z-AG gewährte der Klägerin außerhalb der Lieferkette Rabatte in Form von nachträglich ausgezahlten Gutschriften. Die Z-AG minderte unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 15. Oktober 2002 C-427/98 ‑‑Kommission/Deutschland‑‑ (Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328) ihre steuerpflichtigen Umsätze für das Kalenderjahr 2004 in Höhe der gewährten Rabatte und berichtigte den von ihr geschuldeten Steuerbetrag entsprechend.
Anlässlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D vertrat der Prüfer die Auffassung, dass korrespondierend zu der Steuerminderung der Z-AG der Vorsteuerabzug bei der Klägerin als Empfängerin der Rabatte zu mindern sei. Dementsprechend änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 den Umsatzsteuerbescheid für 2004. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA änderte während des Einspruchsverfahrens den Umsatzsteuerbescheid für 2004 mit Bescheid vom 19. Februar 2008 erneut und nahm die Vorsteuerkürzung, soweit sie den Zeitraum 1. Januar bis 30. April 2004 betraf, wieder zurück. Im Übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die sich anschließende Klage als unbegründet ab. Die ab dem 16. Dezember 2004 geltende Neuregelung des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG, wonach ein durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigter Unternehmer seinen Vorsteuerabzug auch dann berichtigen müsse, wenn er nicht Leistungsempfänger der Ausgangsumsätze sei, sei auf den Streitfall nicht anzuwenden. Alle relevanten Vorgänge (Rabattgewährung durch die Z-AG) lägen im Streitjahr vor diesem Zeitpunkt.
Die Vorsteuer könne jedoch nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. berichtigt werden. Der Wortlaut der Vorschrift sei nicht eindeutig. Er schließe nicht aus, dass "der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist" im Sinne dieser Berichtigungsvorschrift auch der sei, an den der Umsatz auf einer späteren Stufe innerhalb einer Lieferkette ausgeführt werde. Zur Vermeidung systemwidriger Vorsteuerüberhänge müsse jede Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage und die damit einhergehende Minderung der Umsatzsteuer korrespondierend eine Minderung der Vorsteuer des Unternehmers nach sich ziehen, bei dem die geminderte Bemessungsgrundlage wirtschaftlich die Aufwendungen für seine Eingangsleistungen reduziere. Dies gelte selbst dann, wenn der Gesetzgeber entsprechend der früher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung ursprünglich die Vorstellung gehabt habe, eine Änderung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage könne nur innerhalb einer konkreten Leistungsbeziehung in Betracht kommen. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. sei im Lichte der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH auszulegen.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 456 veröffentlicht.
Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung von § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. Die vom FG getroffene Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut dieser Berichtigungsvorschrift sei unzulässig. Das FG nehme damit einen Akt der Rechtsetzung vor, der dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Deutschland habe vor der Änderung des UStG mit Wirkung vom 16. Dezember 2004 die im Streitfall einschlägige Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bewusst nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG sei daher nicht nur klarstellend, sondern rechtsbegründend. Sie könne nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die ‑‑anders als im Streitfall‑‑ nach dem 16. Dezember 2004 verwirklicht worden seien. Eine Rückwirkung sei § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht beigelegt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2004 vom 19. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. November 2008 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2004 auf ... € festgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Es trägt vor, die Auslegung des dem § 17 UStG zugrunde liegenden Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG durch die Rechtsprechung des EuGH sei von der Finanzverwaltung zunächst nicht geteilt worden. Die Verwaltung habe sich mit Veröffentlichung des EuGH-Urteils ‑‑Kommission/Deutschland‑‑ in BStBl II 2004, 328 unter gleichzeitiger Bekanntgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. Dezember 2003 IV B 7 -S 7200- 101/03 (BStBl I 2004, 443) dieser Auslegung jedoch angeschlossen. Da die betroffenen Unternehmer erst mit Veröffentlichung dieses BMF-Schreibens im BStBl I vom 30. April 2004 von der Änderung der Verwaltungsauffassung erfahren hätten, sei aus Vertrauensschutzgründen von einer Vorsteuerberichtigung für vor dem 30. April 2004 erhaltene Preisnachlässe abgesehen worden, wie dies im Streitfall durch den Änderungsbescheid vom 19. Februar 2008 geschehen sei. Die mit Wirkung vom 16. Dezember 2004 erfolgte Änderung des § 17 Abs. 1 UStG durch das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz ‑‑EURLUmsG‑‑) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) sei nach der Gesetzesbegründung zu Art. 5 Nr. 12 des EURLUmsG (BRDrucks 605/04, 69 bis 71) lediglich klarstellend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Umsatzsteuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Eine Rechtsgrundlage zur Berichtigung des von der Klägerin in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs ist nicht vorhanden.
1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen; nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Hat sich diese Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F.) und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F.) entsprechend zu berichtigen.
a) Für die an die Klägerin von der D-GmbH ausgeführten Umsätze (Zementlieferungen) hat sich die Bemessungsgrundlage, das Entgelt, nicht gemindert. Es fehlt mithin insoweit an den Voraussetzungen, an die die Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. anknüpft.
b) Der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich nachträglich geändert hat, wurde nicht an die Klägerin, sondern (von der Z-AG) an die D-GmbH ausgeführt.
Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer ‑‑wie im Streitfall die Z-AG der Klägerin‑‑ einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers ‑‑hier der Umsatz der Z-AG an die D-GmbH‑‑ (vgl. EuGH-Urteile vom 24. Oktober 1996 C-317/94 ‑‑Elida Gibbs‑‑, Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 1997, 265; C-288/94 ‑‑Argos Distributors Ltd.‑‑, Slg. 1996, I-5311, UR 1997, 263; in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328; Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 12. Januar 2006 V R 3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II.1.b; vom 13. Juli 2006 V R 46/05, BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186, unter II.2.; vom 13. März 2008 V R 70/06, BFHE 221, 429, BStBl II 2008, 997, unter II.1.b aa). Diese ‑‑die Z-AG‑‑ konnte daher den für ihren Umsatz an ihren Abnehmer der nächsten Stufe ‑‑die D-GmbH‑‑ geschuldeten Steuerbetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. zu ihren Gunsten berichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II.1.b). Der von der D-GmbH an die Klägerin ausgeführte Umsatz ist hiervon nicht betroffen.
2. Entgegen der Vorentscheidung und der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 443, Rz 14) kann § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass ‑‑wie das FG entschied‑‑ Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift (= "Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist") auch der ist, an den der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich geändert hat, zwar nicht ausgeführt wurde, der aber Leistungsempfänger auf einer späteren Stufe innerhalb einer Lieferkette war (vgl. Nieskens, UR 2004, 441, unter II.4.; a.A. ders. in UR 2004, 640; ders. in UR 2005, 57, unter III.3.c cc; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 17 Rz 53; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz 139).
a) Die Rechtsprechung ist sowohl nach nationalem (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. April 2010 IV R 5/08, BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912, unter II.2.b bb, m.w.N.) als auch nach Unionsrecht (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 27. November 2003 C-497/01 ‑‑Zita Modes‑‑, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128, Rz 34, m.w.N.) verpflichtet, den Sinn und Zweck einer Norm unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in das Gesetz und damit ihres systematisch-teleologischen Zusammenhangs zu ermitteln. Ein Gericht hat sich bei der Auslegung des nationalen Umsatzsteuerrechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen auszurichten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 11. Juli 2002 C-62/00 ‑‑Marks & Spencer‑‑, Slg. 2002, I-6325, UR 2002, 436, Rz 24, m.w.N.).
b) Die hiernach gebotene richtlinienkonforme Auslegung kommt nur in Betracht, wenn es im konkreten Fall verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.3.b; vom 22. Januar 2004 V R 41/02, BFHE 204, 371, BStBl II 2004, 757, unter II.1.; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 246, m.w.N.). Lässt der Gesetzestext mehrere Auslegungen zu und ist nur eine mit dem Unionsrecht vereinbar, so ist ‑‑wie bei der verfassungskonformen Auslegung im Hinblick auf das Grundgesetz‑‑ der Auslegung der Vorzug zu geben, nach der die Norm nicht als unionsrechtswidrig einzustufen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. September 2010 XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661, unter II.4.; vom 29. Juni 2011 XI R 15/10, BFHE 233, 470, BStBl II 2011, 839, unter II.2.; zur verfassungskonformen Auslegung vgl. Klein/Gersch, AO, 10. Aufl., § 4 Rz 33, m.w.N.).
c) Die in der Vorentscheidung getroffene richtlinienkonforme Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. ist nach vorgenannten Grundsätzen nicht möglich. Sie geht über Wortlaut und Wortsinn des Gesetzestextes hinaus. Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. (Vorsteuerberichtigung bei dem "Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist") ist ‑‑entgegen dem FG‑‑ eindeutig. Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei der Klägerin wäre danach nur bei einer Änderung der Bemessungsgrundlage für den zwischen der Klägerin und der D-GmbH ausgeführten Umsatz vorzunehmen; das Entgelt für diesen Umsatz ist aber ‑‑wie dargelegt‑‑ unverändert (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 17 Rz 139; ferner BFH-Urteil in BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II.1.b). Diese Regelung ist mithin nicht auslegungsfähig (vgl. Nieskens, UR 2004, 441, unter II.4.). Das für die Klägerin günstigere nationale Recht geht in diesem Fall dem Unionsrecht vor (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 4/04, BFHE 208, 470, BStBl II 2005, 415, unter II.A.4.c, m.w.N.).
3. Über seinen Wortlaut hinaus ist § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. nicht anzuwenden. Einer teleologischen Extension steht entgegen, dass der Gesetzgeber bis zur Änderung des § 17 Abs. 1 UStG durch das EURLUmsG mit Wirkung ab 16. Dezember 2004 es ‑‑in Kenntnis der Problematik‑‑ unterlassen hatte, die nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Maßnahmen bei Rabattgewährungen außerhalb einer Lieferkette ‑‑wie im Streitfall‑‑ in nationales Recht umzusetzen.
a) Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, "wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei ... erlangten Rabatten ..."
Hierzu führte der EuGH für den Fall, dass eine Vergütung nicht an den Leistungsempfänger des Rabattgewährenden, sondern an einen anderen zum Vorsteuerabzug berechtigten Abnehmer einer Lieferkette gewährt wird, der die Ware für sein Unternehmen verwendet, aus, "ein Vorsteuerüberhang, der sich aus der nachträglichen Erstattung eines Gutscheins ergäbe, [kann] dadurch verhindert werden, dass bei dem Endabnehmer eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 77/388/EWG vorgenommen wird. Diese Vorschrift sieht nämlich vor, dass der ursprüngliche Vorsteuerabzug berichtigt werden kann, wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben" (EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 66).
b) Eine dementsprechende Vorsteuerberichtigung war im UStG ursprünglich nicht vorgesehen. Erst mit § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG i.d.F. des EURLUmsG wurde Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG insoweit in nationales Recht umgesetzt und eine Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer für den Fall angeordnet, dass ein anderer Unternehmer als der, für den der Umsatz ausgeführt wurde, durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt wird.
aa) Sowohl die Rechtsprechung des BFH (vgl. noch Beschluss vom 14. April 1983 V B 28/81, BFHE 138, 113, BStBl II 1983, 393) als auch die Finanzverwaltung (vgl. noch BMF-Schreiben vom 25. Mai 1998 IV C 3 -S 7200- 29/98, BStBl I 1998, 627) gingen hinsichtlich § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. davon aus, dass sich eine Entgeltminderung nur in der jeweiligen Leistungsbeziehung ergeben könne.
bb) Die Bundesregierung teilte zum Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 UStG a.F. in ihrem Antwortschreiben vom 10. November 1992 auf eine Anfrage der Europäischen Kommission mit, dass "Voraussetzung für eine Berichtigung der Steuer und Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 UStG ... eine Änderung der Bemessungsgrundlage für den Umsatz des Lieferers an seinen unmittelbaren Abnehmer" sei (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 11).
cc) Auch nach Ergehen der EuGH-Urteile ‑‑Elida Gibbs‑‑ in Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324, UR 1997, 265 und ‑‑Argos Distributors Ltd.‑‑ in Slg. 1996, I-5311, UR 1997, 263 vertrat die deutsche Regierung noch 2002 im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland vor dem EuGH die Ansicht, dass eine Verminderung der Besteuerungsgrundlage des Herstellers in den Fällen, in denen der Hersteller und der, dem der Gutschein letztlich erstattet werde, nicht in einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zueinander stünden, dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer widerspreche; deshalb habe sie das einschlägige nationale Recht nicht an die Entscheidung des EuGH im Urteil Elida Gibbs (Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324, UR 1997, 265) angepasst (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 17 bis 20, 34). Gegen den Neutralitätsgrundsatz werde auch verstoßen, wenn von einer formellen Berichtigung der Besteuerungsgrundlage des Herstellers, die auch den Vorsteuerabzug des Einzelhändlers berühre, abgesehen werde, da die Steuerpflichtigen nur bei einem System, bei dem sich die Steuerschuld des Lieferanten und der Vorsteuerabzug des Abnehmers betragsmäßig entsprächen, nicht von der Mehrwertsteuer belastet würden (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, Rz 36).
dd) Hiernach ist nicht davon auszugehen, dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs für einen Fall wie diesen bereits durch § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. getroffen gewesen wäre. Der Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG kommt mithin ‑‑entgegen der Ansicht des FA‑‑ rechtsbegründende Funktion zu.
Soweit in den Gesetzesmaterialien zu Art. 5 Nr. 12 des EURLUmsG (BRDrucks 605/04, 70) ‑‑worauf das FA hinweist‑‑ ausgeführt wird, "§ 17 UStG ist klarstellend dahin zu ergänzen, dass sich die Bemessungsgrundlage bei dem Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt und den finanziellen Aufwand für die Vergütung des Gutscheins trägt, mindert, während bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, der Vorsteuerabzug unverändert bleibt", ergibt sich nichts anderes. Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber ‑‑bewusst‑‑ jahrelang davon abgesehen hat, § 17 UStG an die EuGH-Rechtsprechung im Urteil Elida Gibbs (Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324, UR 1997, 265) anzupassen, kann vor einer bloßen "Klarstellung" der Rechtslage durch § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG keine Rede sein.
4. Soweit der V. Senat des BFH in einem Urteil, das Preisnachlässe einer Einkaufsgenossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern betrifft, zum Preisnachlass des ersten Unternehmers einer Lieferkette an den Zwischenhändler ausgeführt hat, dass sich beim Empfänger des Preisnachlasses auch im entsprechenden Umfang der Vorsteuerabzug mindere bzw. im entsprechenden Umfang zu berichtigen sei (BFH-Urteil in BFHE 221, 429, BStBl II 2008, 997, unter II.1.b aa), handelt es sich um ein nicht entscheidungserhebliches obiter dictum, dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht folgt und das auch keine Vorlage an den Großen Senat des BFH nach § 11 Abs. 2 FGO wegen Abweichung gebietet (vgl. z.B. Senatsurteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09, BFHE 233, 86, BStBl II 2011, 1000; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 11 Rz 11, m.w.N.).
5. Die Klägerin hat ‑‑wie das FG zu Recht entschied‑‑ ihren Vorsteuerabzug auch nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG i.d.F. des Art. 5 Nr. 14 Buchst. a EURLUmsG zu berichtigen.
Nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, liegen alle umsatzsteuerrelevanten Vorgänge (Rabattgewährung durch die Z-AG) im Streitjahr vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des EURLUmsG am 16. Dezember 2004 (Art. 22 Abs. 1 des am 15. Dezember 2004 verkündeten EURLUmsG). Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch unstreitig. Da der Gesetzgeber eine rückwirkende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG nicht vorgesehen hat, kann diese Regelung ‑‑worauf die Klägerin zutreffend hinweist‑‑ nur auf Sachverhalte Anwendung finden, die nach dem 15. Dezember 2004 verwirklicht worden sind.
6. Das Urteil des FG war danach aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen des FG selbst entscheiden.