BFH IV. Senat
FGO § 91 Abs 1 S 1, FGO § 91 Abs 1 S 2, FGO § 96 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 155, ZPO § 227 Abs 1 S 1, GG Art 103 Abs 1
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 06. September 2009, Az: 2 K 2540/08
Leitsätze
1. NV: Die Einhaltung der Ladungsfrist soll auch gewährleisten, dass sich die Beteiligten auf den Termin vorbereiten und in der mündlichen Verhandlung zur Wahrung ihrer Rechte angemessen äußern können .
2. NV: Nach dem Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung begründet die (hier nur geringfügige) Abkürzung der Ladungsfrist keinen Gehörsverstoß, wenn der sachkundig vertretene Antragsteller durch die neue Terminbestimmung nicht an der angemessenen Wahrung seiner Rechte gehindert ist .
3. NV: Die bloße Krankmeldung eines prozessbevollmächtigten Steuerberaters ist regelmäßig nicht als Aufhebungs- oder (hier erneuter) Verlegungsantrag zu verstehen, denn von einem rechtskundigen Steuerberater kann erwartet werden, dass er die prozessualen Rechte seines Mandanten sachgerecht wahrnimmt und deshalb einen entsprechenden Antrag stellt .
4. NV: Zumindest bei unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung eingereichten ärztlichen Attesten ist zu verlangen, dass diese die Diagnose unverschlüsselt ausweisen oder aber der Schlüssel zu einem verwendeten Code beigefügt wird, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, sofort über die Verhandlungsunfähigkeit zu entscheiden .
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Es liegen keine Verfahrensmängel vor, auf denen das angefochtene Urteil beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe die Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) verfahrensfehlerhaft abgekürzt, und rügt damit sinngemäß eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes). Dies führt die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Zwar kann ein Beteiligter, der wegen der Kürze der Ladungsfrist weder zur mündlichen Verhandlung erscheinen noch eine Terminsverlegung beantragen kann, die in der Sache ergangene Entscheidung mit der Begründung anfechten, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Abkürzung der Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO) nicht vorgelegen hätten (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 13. Dezember 2007 XI B 160/06, juris, m.w.N.), denn die Einhaltung der Ladungsfrist soll nicht nur die Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung sicherstellen, sondern auch gewährleisten, dass sich die Beteiligten auf den Termin vorbereiten und in der mündlichen Verhandlung zur Wahrung ihrer Rechte angemessen äußern können (BFH-Beschluss vom 2. Dezember 1992 X B 65/92, BFH/NV 1993, 608). Wie jedoch die Klägerin selbst vorträgt, hat das FG am 12. August 2009 unter Wahrung der in § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Frist zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2009 geladen und das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet. Auf den Antrag der Klägerin vom 14. August 2009 auf Terminsverlegung hat das FG am 26. August 2009 den ursprünglichen Termin aufgehoben und einen neuen Termin auf den 7. September 2009, den Tag vor dem behaupteten Urlaubsantritt der Klägerin, bestimmt. Zuvor hatte der mit der Sache befasste Einzelrichter mehrere Telefonate mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ‑‑einem Steuerberater‑‑ geführt, wobei er am 17. August 2009 zunächst eine Terminsverlegung abgelehnt und am 26. August 2009 vorab auf die nunmehr beabsichtigte Ladung auf den 7. September 2009 hingewiesen hatte.
Es kann offenbleiben, ob ‑‑wie die Klägerin sinngemäß meint‑‑ nach einem Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung die in § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO genannte Ladungsfrist auch bei der Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu beachten ist. Denn eine hier nur geringfügige Abkürzung der Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 FGO) führte nicht zu einem Gehörsverstoß des FG. Unter den hier vorliegenden Umständen ist nicht ersichtlich, dass die sachkundig vertretene Klägerin durch die Bestimmung des Termins auf den 7. September 2009 an einer angemessenen Wahrung ihrer Rechte gehindert gewesen sein könnte. Denn es ist weder substantiiert dargelegt noch sonst erkennbar, dass der Klägerin eine ausreichende Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch das Vorziehen der mündlichen Verhandlung um einen Tag nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin trägt nicht vor, anlässlich der Telefonate mit dem Einzelrichter einen (anderweitigen) konkreten Terminvorschlag gemacht oder dem vom FG ins Auge gefassten neuen Termin widersprochen zu haben. Außerdem hat der Bevollmächtigte nach eigenen Angaben einen dem FG angekündigten weiteren Schriftsatz von 155 Seiten (davon nach Aktenlage 11 Seiten Ausführungen des Bevollmächtigten, im Übrigen Anlagen) am 31. August 2009 fertiggestellt und noch am gleichen Tag dem FG übersandt.
b) Auch soweit die Klägerin einen Gehörsverstoß darin erblickt, dass das FG am 7. September 2009 verhandelt hat, obwohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach eigenem Vortrag in der Nacht vom 6. auf den 7. September 2009 erkrankt war und nach vorangegangenem Anruf seines Büros das FG um 8:30 Uhr per Fax ‑‑übermittelt wurde nach Aktenlage auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 7. bis 8. September 2009‑‑ gebeten hatte, "seine plötzliche und unerwartete Erkrankung zu entschuldigen", hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das FG war nicht verpflichtet, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben oder zu verlegen.
Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung, der über § 155 FGO auch im Finanzprozess anzuwenden ist, kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Die Entscheidung über die Aufhebung oder Verlegung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Das FG hat indes mit seiner Entscheidung, den Termin aufrechtzuerhalten, die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten, denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat ‑‑wovon er in der Beschwerdebegründung selbst ausgeht‑‑ keinen ausdrücklichen Antrag auf Aufhebung oder Verlegung des Termins gestellt (näher hierzu BFH-Beschluss vom 19. August 2005 IV B 191/03, BFH/NV 2005, 2243). Auch die Klägerin selbst hat keinen Verlegungsantrag gestellt, sondern nach Aktenlage dem FG lediglich mitgeteilt, ohne ihren Bevollmächtigten nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen. Unter diesen Umständen musste das FG die Krankmeldung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht als Aufhebungs- oder (erneuten) Verlegungsantrag verstehen, denn von einem rechtskundigen Steuerberater kann erwartet werden, dass er die prozessualen Rechte seines Mandanten sachgerecht wahrnimmt und deshalb einen Aufhebungs- oder Verlegungsantrag ausdrücklich stellt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2243).
Aber selbst wenn die Krankmeldung des Steuerberaters als ‑‑konkludenter (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Januar 2011 VI B 136/10, BFH/NV 2011, 813)‑‑ Aufhebungs- oder Verlegungsantrag auszulegen gewesen wäre, hätte das FG dem Antrag nicht stattgeben müssen. Wird ein Antrag auf Terminsverlegung ‑‑wie hier‑‑ erst "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung eines Beteiligten begründet, reicht die Behauptung einer Erkrankung nicht aus; es besteht vielmehr auch ohne besondere Aufforderung die Verpflichtung, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsunfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2243, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn die plötzliche Erkrankung eines Bevollmächtigten geltend gemacht wird. Die vom Steuerberater der Klägerin per Fax übermittelte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält jedoch ‑‑soweit überhaupt lesbar‑‑ unter "Diagnose" lediglich die doppelte Wiedergabe einer Kombination von Buchstaben und Ziffern. Die Umschreibung eines konkreten Krankheitsbilds, nach der das FG die Verhandlungsfähigkeit des Bevollmächtigten in der angesichts des kurz bevorstehenden Termins gebotenen Schnelligkeit selbst hätte beurteilen können, lässt sich der Bescheinigung nicht ohne weiteres entnehmen. Zumindest bei unmittelbar vor dem Termin eingereichten ärztlichen Attesten ist zu verlangen, dass diese die Diagnose unverschlüsselt ausweisen oder aber der Schlüssel zu einem verwendeten Code beigefügt wird, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, sofort über die Verhandlungsunfähigkeit zu entscheiden.
c) Auch eine Zulassung der Revision wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) durch das FG kommt nicht in Betracht. Wer als fachkundiger Beteiligter keinen Antrag auf Beweiserhebung stellt und die Unterlassung einer nach seiner Auffassung gebotenen Beweiserhebung von Amts wegen nicht in der mündlichen Verhandlung rügt, übt einen Rügeverzicht aus, der die Berufung auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht ausschließt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. Januar 2007 VIII B 74/06, BFH/NV 2007, 1146). Wer zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann regelmäßig anschließend nicht die Verletzung von § 76 Abs. 2 FGO rügen (z.B. BFH-Beschluss vom 2. März 2005 VII B 142/04, BFH/NV 2005, 1576). Von einem Rügeverzicht ist aber auch dann auszugehen, wenn ‑‑wie hier‑‑ ein sachkundiger Prozessbevollmächtigter kurzfristig zwar sein krankheitsbedingtes Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung ankündigt, sich jedoch nicht um eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung bemüht (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1995 VIII B 28/95, BFH/NV 1996, 425) und dem FG keine konkreten Anhaltspunkte für dessen eigene Prüfung der behaupteten Erkrankung (vgl. oben zu 1.b der Gründe) vermittelt werden.