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Beschluss vom 08. November 2011, X B 237/10

Ansparrücklage gem. § 7g EStG 2000 - Keine nachträgliche Divergenz

BFH X. Senat

EStG § 7g Abs 3, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2

vorgehend FG Münster, 26. October 2010, Az: 10 K 1495/07 E

Leitsätze

NV: Die Bildung einer Ansparrücklage gem. § 7g EStG in der bis 2006 geltenden Fassung setzt voraus, dass bei der Bildung jeder einzelnen Ansparrücklage die voraussichtliche Investition so genau bezeichnet werden muss, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Es genügt nicht, dass nachträglich das Bestehen der Anschaffungsabsicht für das Investitionswirtschaftsgut nachgewiesen wird.

Gründe

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) liegen nicht vor.

  2. 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

  3. Die Kläger werfen sinngemäß die Frage auf, ob die genaue Bezeichnung der voraussichtlichen Investition und die Verfolgbarkeit der Bildung und Auflösung der Rücklage nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2000 geltenden Fassung (EStG a.F.) im Hinblick auf die Ausführungen der 3. Kammer des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in dem Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-146/05 (Slg. 2007, I-7861) dann entbehrlich sei, wenn auf andere Weise nachträglich die Anschaffungsabsicht für das Investitionswirtschaftsgut nachgewiesen werde.

  4. Diese Frage bedarf nicht der grundsätzlichen Klärung.

  5. a) Im Ausgangspunkt ist schon fraglich, ob die grundsätzliche Bedeutung bereits deshalb fehlt, weil § 7g Abs. 3 EStG a.F. im Hinblick darauf auslaufendes Recht darstellt, dass die Nachfolgeregelung geänderte Anforderungen an die Konkretisierung einer voraussichtlichen Investition stellt (vgl. hierzu Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 3. November 2010 I B 40/10, BFH/NV 2011, 637).

  6. b) Dies kann im Ergebnis jedoch offenbleiben. Denn es ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, welche Anforderungen an die von § 7g Abs. 3 EStG a.F. geforderte Darlegung der voraussichtlichen Investition und an die Verfolgbarkeit der Rücklage in der Buchführung (§ 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG a.F.) zu stellen sind.

  7. aa) Es entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass bei der Bildung jeder einzelnen Ansparrücklage die voraussichtliche Investition so genau bezeichnet werden muss, dass im Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385; vom 13. Dezember 2005 XI R 52/04, BFHE 212, 208, BStBl II 2006, 462; Senatsurteil vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184, und BFH-Beschluss vom 5. April 2007 XI B 173/06, BFH/NV 2007, 1308). Dabei muss das Investitionswirtschaftsgut hinreichend bestimmt sein. Dem Erfordernis der genauen Bezeichnung genügen die Angabe von Oberbegriffen oder Sammelbezeichnungen regelmäßig nicht (BFH-Beschluss vom 25. September 2002 IV B 55/02, BFH/NV 2003, 159; Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 X R 1/06, BFHE 219, 151, BStBl II 2008, 119, und BFH-Urteil vom 29. November 2007 IV R 82/05, BFHE 220, 98, BStBl II 2008, 471).

  8. Die erforderlichen Angaben müssen bei Aufstellung des Jahresabschlusses oder spätestens bei Abgabe der Steuererklärung vorhanden sein und in der Buchführung verfolgt werden können (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2005 X B 137/04, BFH/NV 2005, 1563). Erforderlich sind zeitnah erstellte Aufzeichnungen, die in den steuerlichen Unterlagen des Steuerpflichtigen aufbewahrt werden und die der Steuerbehörde auf Verlangen jederzeit zur Verfügung gestellt werden können (BFH-Urteil in BFHE 212, 208, BStBl II 2006, 462).

  9. bb) Die vorstehend genannten Grundsätze werden nicht durch das EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7861 in Frage gestellt. In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer dürfe nicht allein mit der Begründung versagt werden, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden.

  10. Diese Ausführungen lassen sich nicht auf § 7g EStG a.F. in der Weise übertragen, dass es für die Anerkennung einer Ansparrücklage genügen muss, wenn nachträglich das Bestehen der Anschaffungsabsicht für das Investitionswirtschaftsgut nachgewiesen wird. Zum einen entspricht es der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass die Anerkennung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG a.F. nicht vom Nachweis der Investitionsabsicht abhängt (BFH-Urteil in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, und Senatsurteil in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184). Andererseits verlangen aber der Normzweck dieser Vorschrift und die darin enthaltene Verzinsungsregelung, dass die voraussichtliche Investition, für die der Steuerpflichtige eine Ansparrücklage beansprucht, bereits bei Bildung der einzelnen Rücklage so genau bezeichnet wird, dass im vorgesehenen Investitionsjahr festgestellt werden kann, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung eine Rücklage gebildet wurde. Hierbei darf eine Investition, für die eine solche Rücklage gebildet wurde, nicht durch eine andere Investition ersetzt werden (BFH-Urteile in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184, und in BFHE 220, 98, BStBl II 2008, 471). Ließe man den Nachweis durch zu einem späteren Zeitpunkt erbrachte Unterlagen zu, könnte die Identität des Wirtschaftsguts, für das die Rücklage gebildet wurde, mit demjenigen, das tatsächlich erworben wurde, nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

  11. 2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen.

  12. a) Die von den Klägern in ihrem Schriftsatz vom 14. Februar 2011 (Seite 3) genannten finanzgerichtlichen Entscheidungen gehen in rechtlicher Hinsicht von den oben unter 1.b aa dargestellten Grundsätzen aus. Von diesen Entscheidungen weicht das angefochtene Urteil i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht ab.

  13. b) Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf das von den Klägern erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist benannte BFH-Urteil vom 8. Juni 2011 I R 90/10 (BFH/NV 2011, 1594) zuzulassen.

  14. Zwar ist die Revision auch dann zuzulassen, wenn das angefochtene Urteil in einem tragenden Grund von einer neuen Entscheidung des BFH abweicht, die der Beschwerdeführer bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist nicht kennen konnte (BFH-Beschluss vom 29. Juli 1976 V B 10/76, BFHE 119, 380, BStBl II 1976, 684). Eine solche Abweichung ist im Streitfall aber nicht gegeben. Denn das BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1594 bezieht sich auf die allein im Geltungsbereich von § 7g EStG n.F. relevante Frage des Bestehens einer Investitionsabsicht, die im Rahmen von § 7g EStG a.F. gerade nicht nachzuweisen ist (vgl. zu Letzterem oben unter 1.b aa). Zudem befasst sich das BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1594 mit dem in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG n.F. genannten Erfordernis, das begünstigte Wirtschaftsgut in den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen seiner Funktion nach zu benennen. Demgegenüber genügt es im Rahmen von § 7g EStG a.F., das Wirtschaftsgut, das voraussichtlich erworben werden soll, im Rahmen der steuerlichen Unterlagen des Steuerpflichtigen rechtzeitig in dem erforderlichen Umfang zu bezeichnen. Dies ist nach den Feststellungen des FG im Streitfall nicht geschehen. Soweit der I. Senat des BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2011, 1594 zugelassen hat, zur Benennung erforderliche Unterlagen noch im Rechtsbehelfsverfahren zur ersten Veranlagung beim Finanzamt einzureichen, ist fraglich, ob diese Grundsätze auf § 7g EStG a.F. übertragbar sind. Dies kann indes deshalb offenbleiben, weil im hier zu entscheidenden Streitfall die hinreichende Bezeichnung des Investitionswirtschaftsguts erst nach Durchführung der Veranlagung im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger durch ein erst jetzt zu den klägerischen Steuerunterlagen genommenes Angebot erfolgt ist.

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