BFH I. Senat
AO § 64, AO § 67 Abs 1, AO § 67 Abs 2, GewStG § 2 Abs 2 S 1, GewStG § 3 Nr 20 Buchst b, KHG § 2 Nr 1, KStG § 5 Abs 1, SGB 5 § 107
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 19. May 2010, Az: 4 K 807/08
Leitsätze
NV: Die Gewerbesteuerbefreiung für Krankenhäuser umfasst nicht die Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine gemeinnützige GmbH. Sie betreibt ein Krankenhaus, das die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S. des § 67 der Abgabenordnung (AO) erfüllt. Hinsichtlich der Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (§ 64 AO) setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2005 auf 20 € fest.
Mit ihrer dagegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 2002) umfasse auch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern. Das Thüringer Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 20. Mai 2010 4 K 807/08, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 2022, ab.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision macht die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 in der Fassung des geänderten Bescheids vom 12. Dezember 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. August 2008 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 nicht die Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben i.S. des § 64 AO umfasst.
1. Gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 sind Krankenhäuser von der Gewerbesteuer befreit, wenn im Erhebungszeitraum die in § 67 Abs. 1 und 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt worden sind. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass das von der Klägerin betriebene Krankenhaus diesen Vorgaben entspricht. Von der Steuerbefreiung nicht umfasst sind jedoch die Gewinne, die die Klägerin aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben erzielt hat.
2. a) § 3 Nr. 20 GewStG 2002 enthält keine unbeschränkte persönliche Steuerbefreiung. Von der Gewerbesteuer wird nicht der Träger des in § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 genannten Krankenhauses mit seinem gesamten Gewerbeertrag befreit; begünstigt werden vielmehr nur die aus dem Betrieb des Krankenhauses resultierenden Erträge. Soweit der Träger des Krankenhauses außerhalb dieses Betriebs Erträge erzielt, unterliegen diese der Gewerbesteuer (Senatsurteil vom 10. März 2010 I R 41/09, BFHE 229, 358, BStBl II 2011, 181, mit Hinweis auf Senatsurteil vom 20. September 1966 I R 34/66, BFHE 87, 215, BStBl III 1967, 90; Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662).
b) Der Begriff des Krankenhauses ist gewerbesteuerrechtlich nicht definiert. § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 knüpft jedoch über den Verweis auf § 67 AO an das Sozialrecht an, so dass § 2 Nr. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz ‑‑KHG‑‑) und § 107 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) erläuternd heranzuziehen sind (Senatsurteile vom 22. Oktober 2003 I R 65/02, BFHE 204, 278, BStBl II 2004, 300; vom 6. April 2005 I R 85/04, BFHE 209, 345, BStBl II 2005, 545; BFH-Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01, BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363). Krankenhäuser i.S. des § 2 Nr. 1 KHG sind Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden. § 107 Abs. 1 SGB V enthält eine ähnliche Definition (s. im Einzelnen Senatsurteil in BFHE 209, 345, BStBl II 2005, 545). Von der Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 erfasst sind damit alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen. Eine wirtschaftliche Betätigung mit anderem Gegenstand ist demgegenüber nicht von der Befreiung umfasst und daher gewerbesteuerpflichtig.
c) Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, abweichend hiervon sämtliche gewerblichen Erträge, die von einem Krankenhaus erwirtschaftet werden, in die Gewerbesteuerbefreiung einzubeziehen. Sinn und Zweck des § 3 Nr. 20 GewStG 2002 ist es, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten (Senatsurteil in BFHE 204, 278, BStBl II 2004, 300). Hieraus lässt sich ableiten, dass nur diejenigen Erträge begünstigt sind, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden, denn nur insoweit entstehen für die Sozialversicherungsträger Kosten.
d) Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 die Ergebnisse steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe (§ 64 AO) nicht ausdrücklich von der Steuerbefreiung ausgenommen sind.
aa) Die Befreiungsvorschriften des § 3 GewStG 2002 sind hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Steuerbefreiung an den Katalog des § 5 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) angelehnt. Dementsprechend werden z.B. bei steuerbefreiten gemeinnützigen Körperschaften ebenso wie in § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nicht von der Gewerbesteuer befreit. Aus dem Umstand, dass sich ein entsprechender Vorbehalt in § 3 Nr. 20 GewStG 2002 nicht findet, kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlossen werden, § 3 Nr. 20 GewStG 2002 wolle auch Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die nicht zu den in der Vorschrift genannten zählen, in die Steuerfreiheit einbeziehen. Denn anders als andere Steuerbefreiungen des § 3 GewStG 2002 können auch einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtige Betreiber die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG 2002 beanspruchen. Da diese keine wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe unterhalten, kann der Umfang der Steuerfreiheit in dieser Vorschrift nicht in Anlehnung an die gemeinnützigkeitsrechtliche Unterscheidung zwischen ideeller Sphäre einerseits und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb andererseits getroffen werden. Er ist vielmehr unter Rückgriff auf den sozialrechtlichen Begriff des Krankenhauses und vor dem Hintergrund des Ziels der Vorschrift zu bestimmen. Erträge aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten in die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG 2002 einzubeziehen, ist danach sachlich nicht gerechtfertigt. Weder führte die Steuerfreiheit dieser gewerblichen Erträge zu einer Verbesserung der Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen noch ist ersichtlich, dass hierdurch Sozialversicherungsträger von Aufwendungen entlastet werden könnten (vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. Januar 2009 8 K 6250/06 B, EFG 2009, 769).
bb) Im Übrigen bezeichnet auch der für die Körperschaftsteuerbefreiung einschlägige § 67 AO Krankenhäuser, die die dort enthaltenen Voraussetzungen erfüllen, einschränkungslos als Zweckbetriebe. Gleichwohl umfasst die Begünstigung auch dort nur solche Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten zusammenhängen (Senatsurteil in BFHE 209, 345, BStBl II 2005, 545). Dementsprechend hat die Klägerin die aus den hier streitigen Tätigkeiten resultierenden Überschüsse als Einkünfte aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb behandelt. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe abweichend hiervon in die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 auch die Erträge aus körperschaftsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben einbeziehen wollen.
e) § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 2002 enthält keine Steuerbefreiung von Gewerbebetrieben, sondern regelt die Steuerbefreiung einzelner gewerblicher Tätigkeiten. Wollte man dies anders sehen, wäre eine Kapitalgesellschaft, die stets nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb unterhält (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG 2002), mit sämtlichen gewerblichen Tätigkeiten steuerbefreit, sofern sie auch nur ein Krankenhaus betreibt. Dieses Auslegungsergebnis wäre weder sachlich gerechtfertigt noch sind Anhaltspunkte für eine dementsprechende Absicht des Gesetzgebers vorhanden.