BFH VII. Senat
FGO § 41 Abs 2, FGO § 100 Abs 1 S 4
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 22. June 2010, Az: 2 K 1035/10
Leitsätze
NV: Eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vom FA gestellten Antrags auf Insolvenzeröffnung ist unzulässig, da der Schuldner sein Ziel über eine vorgreifliche Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags erreichen kann. Insoweit besteht keine Ausnahme vom Subsidiaritätsprinzip.
Tatbestand
I. Im Februar 2008 hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gestellt. Den Anträgen gab das Amtsgericht statt. Die vom Kläger bei den ordentlichen Gerichten eingelegten Rechtsmittel hatten bislang keinen Erfolg; eine Beschwerde ist noch beim Bundesgerichtshof anhängig. Mit ihrer im Januar 2010 beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass die gegen sie ausgebrachten Insolvenzanträge rechtswidrig gewesen seien. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, dass sie aufgrund ihrer Subsidiarität gegenüber der an sich statthaften Leistungsklage unzulässig sei. Da die Kläger ihr Rechtsbegehren mit einer allgemeinen Leistungsklage auf Rücknahme der Insolvenzanträge hätten verfolgen können, fehle für eine Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Rechtsschutzbedürfnis. Allein mit der Möglichkeit, dass sich Zivilgerichte bzw. Staatsanwaltschaften oder Strafgerichte von einer Äußerung des FG zu bestimmten finanzbehördlichen Maßnahmen leiten lassen könnten, lasse sich kein eigenständiges Rechtsschutzinteresse an einer allgemeinen Überprüfung durch ein FG begründen. Im Übrigen wäre die Klage selbst dann unzulässig, wenn sie die Kläger als Fortsetzungsfeststellungsklage hätten verstanden wissen wollen. Im Streitfall gehe es nämlich nicht um die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts, sondern um die Überprüfung schlichten Verwaltungshandelns.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Zu Unrecht habe das FG durch Prozessurteil entschieden und darauf verwiesen, dass die Kläger ihre Rechte durch eine Leistungsklage hätten verfolgen können. Mit einer erfolgreichen Klage auf Rücknahme der Insolvenzanträge hätte sich lediglich ein Teil des Klagebegehrens erübrigt. Geblieben wäre ein Feststellungsinteresse beispielsweise wegen Veruntreuung der Steuerzahlungen und des Prozessbetrugs, der Grundrechtsverletzungen und wegen Schadensersatzansprüchen und der durch Drohung belegten Wiederholungsgefahr. Die Feststellungsklage sei auch dann statthaft, wenn sich ein sonstiges Verwaltungshandeln, wie z.B. die Stellung eines Insolvenzantrags vor der Erhebung der auf Rücknahme dieses Handelns gerichteten Leistungsklage, durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens erledigt habe. Dies habe der Bundesfinanzhofs (BFH) für eine Mahnung nach § 259 der Abgabenordnung (Urteil vom 18. Oktober 1994 VII R 20/94, BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42), für die Beseitigung der Folgen einer Pfändung (Urteil vom 11. Dezember 2007 VII R 52/06, BFH/NV 2008, 749) und für den Fall einer Hausdurchsuchung (Beschluss vom 3. Mai 2010 VIII B 71/09, BFH/NV 2010, 1415) entschieden. Das angefochtene Urteil stehe auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Unzutreffend sei die Annahme des FG, dass im Streitfall die Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage subsidiär sei. Im Übrigen sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nach der Insolvenzordnung (InsO) kein Verwaltungsakt sei. Im Streitfall sei von der Zulässigkeit und Begründetheit einer Fortsetzungsfeststellungsklage auszugehen. Die Einbringung der Insolvenzanträge erfülle den Straftatbestand des Betrugs. Zudem bestehe Wiederholungsgefahr. Darüber hinaus bestünden Amtshaftungsansprüche nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Übrigen sei die Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 212 InsO beantragt worden.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder der behauptete Verfahrensmangel noch die vermeintlichen Divergenzen liegen vor.
1. Es liegt zwar ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, wenn das FG zu Unrecht durch Prozess- anstatt durch Sachurteil entscheidet und dadurch auch den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2011 II B 141/10, BFH/NV 2011, 1006, und vom 3. November 2010 II B 55/10, BFH/NV 2011, 295, m.w.N.). Ein solcher Verfahrensmangel liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Zu Recht hat das FG geurteilt, dass die Kläger Rechtsschutz durch eine Leistungsklage auf Rücknahme der Insolvenzanträge hätten erlangen können und der nunmehr erhobenen Feststellungsklage aufgrund der Subsidiaritätsklausel das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Feststellungsklage nach § 41 Abs. 2 FGO unzulässig, wenn dem Kläger ‑‑z.B. wegen des Antrags auf Insolvenzeröffnung oder auf Auszahlung eines Steuerguthabens‑‑ eine Leistungsklage offensteht. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Feststellungsklage finden im finanzgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (Senatsurteil vom 8. März 1984 VII R 90/81). Dieser Auffassung haben sich die Instanzgerichte und die Literatur angeschlossen (Urteil des FG des Saarlandes vom 21. Januar 2004 1 K 67/03, Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 759; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 41 FGO Rz 435, 478; Dumke in Schwarz, FGO § 41 Rz 21, und von Beckerath in Beermann/ Gosch, FGO § 41 Rz 46).
Auch der Rechtsprechung des BVerwG, nach der eine Ausnahme vom Subsidiaritätsprinzip bei Feststellungsklagen gegen den Staat oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft gemacht werden soll, ist der BFH nicht gefolgt (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1984 VII R 90/81 und Steinhauff in HHSp, § 41 FGO Rz 478, unter Hinweis auf den Normzweck des § 41 FGO).
2. Soweit die Kläger eine Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung von den BFH-Entscheidungen in BFH/NV 2008, 749, in BFH/NV 2010, 1415 und in BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42 behaupten, genügen die Ausführungen nicht der Darlegungspflicht gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80, und vom 5. Juli 2002 XI B 67/00, BFH/NV 2002, 1479). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Zwar gibt die Beschwerde den wesentlichen Inhalt der zitierten Entscheidungen wieder, jedoch werden abstrakte Rechtssätze nicht herausgearbeitet und Rechtssätzen aus dem angefochtenen FG-Urteil gegenübergestellt.
Im Übrigen liegt die behauptete Divergenz zur Senatsentscheidung in BFHE 175, 519, BStBl II 1995, 42 deshalb nicht vor, weil dort das eigentliche Klagebegehren der klagenden Eheleute nicht auf die Beseitigung der Zahlungsaufforderung gerichtet war, sondern auf die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig sei. Mit der Leistungsklage hätten sie allenfalls eine Beseitigung der Mahnung erreichen können. Im Übrigen hat der Senat in dieser Entscheidung die Auffassung vertreten, dass eine bloß wiederholende Zahlungsaufforderung mit Rechtsbehelfen nicht angegriffen werden könne. Im Streitfall geht es jedoch nicht um eine Mahnung, sondern um den Antrag des FA auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gegen einen solchen Antrag kann eine Leistungsklage auf dessen Rücknahme erhoben und vorläufiger Rechtsschutz nach § 114 FGO erlangt werden (Senatsbeschluss vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).
Hinsichtlich der BFH-Entscheidung in BFH/NV 2008, 749 liegt deshalb kein vergleichbarer Sachverhalt und keine Divergenz vor, weil der Kläger in jenem Verfahren sowohl gegen die Vollstreckungsankündigung als auch gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung Rechtsmittel eingelegt und erst danach eine Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben hatte, die der BFH als zulässig und begründet ansah.
In der Entscheidung in BFH/NV 2010, 1415 hat der BFH keinen Rechtsgrundsatz aufgestellt, von dem das FG abgewichen ist. In diesem Streitfall ging es um die Rechtmäßigkeit des Betretens einer Privatwohnung durch Ermittlungsbeamte. Dagegen hatte der Kläger Einspruch eingelegt und im finanzgerichtlichen Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieses Realakts begehrt. Es liegt auf der Hand, dass eine allgemeine Leistungsklage auf Rücknahme dieser Handlung nicht möglich war. Im Streitfall wäre indes die Rücknahme des Insolvenzantrags auch nach dessen Einbringung möglich gewesen.
3. Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass das FG den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Unrecht nicht als Verwaltungsakt angesehen und daher eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO für unzulässig erklärt hat, ist dies deshalb nicht zu beanstanden, weil ein solcher Antrag nach ständiger Rechtsprechung des BFH keinen Verwaltungsakt darstellt (zuletzt Senatsentscheidung in BFH/NV 2011, 763, m.w.N.).