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Beschluss vom 30. Juni 2011, VII B 124/10

Wegfalls des Rechtsgrundes für eine Erstattung - Haftung des Treuhänders i.S.d. § 292 InsO als Leistungsempfänger - Keine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB auf den Rückzahlungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO - Erfordernis eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bei bereits vorhandener BFH-Rechtsprechung

BFH VII. Senat

BGB § 812, BGB § 818 Abs 3, BGB § 819, AO § 37 Abs 2, InsO § 292, FGO § 108, BGB §§ 812ff, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 115 Abs 2 Nr 3

vorgehend FG Nürnberg, 29. March 2010, Az: 2 K 1438/2008

Leitsätze

1. NV: Ob ein Treuhänder i.S.d. § 292 InsO als Leistungsempfänger im Falle eines Wegfalls des Rechtsgrundes für eine Erstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO haftet, ist eine revisionsrechtlich nicht zu überprüfende Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall, wenn das FG den Begriff des Leistungsempfängers entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten Definition zugrunde gelegt hat .

2. NV: Auch wenn der BFH die Rechtsprechung des BGH zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch nach den §§ 812 ff. BGB zur Bestimmung des Leistungsempfängers bei der Anwendung von § 37 Abs. 2 AO herangezogen hat, führt ein Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 und § 819 Abs. 1 BGB) nicht zugleich zum Wegfall des abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruchs .

3. NV: Einwendungen gegen die Richtigkeit des Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemacht werden .

Tatbestand

  1. I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Insolvenzverwalter über das Vermögen des A. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom … Juni 2005 wurde er zum Treuhänder im Verfahren wegen der Restschuldbefreiung des A bestellt. Mit Voranmeldung für das erste Kalendervierteljahr 2005 vom 23. November 2005 machte der Kläger einen Erstattungsbetrag geltend, den der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) auf das ihm vom Kläger als Bankverbindung für Erstattungen im Insolvenzverfahren benannte Konto überwies. In der Umsatzsteuerjahreserklärung vom 28. November 2006 reduzierte der Kläger den Erstattungsbetrag geringfügig und überwies den zu viel erstatteten Betrag zurück an das FA. Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 2005 erließ das FA später einen gegenüber der Erklärung des Klägers geänderten, an ihn als Insolvenzverwalter gerichteten Umsatzsteuerjahresbescheid vom 12. Februar 2007. Auf seinen Einspruch, der unter anderem damit begründet war, der Bescheid sei unwirksam, da er, der Kläger, seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine Verwaltungsbefugnis mehr gehabt habe, hob das FA diesen Bescheid auf.

  2. Den aufgrund der Umsatzsteuervoranmeldung vom 23. November 2005 auf das vom Kläger seinerzeit benannte Konto ausgezahlten Betrag forderte das FA mit an ihn als Insolvenzverwalter gerichtetem Bescheid vom 10. März 2008 gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2, § 37 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zurück. Der Einspruch, der zu einer geringfügigen Kürzung der Forderung führte, blieb im Übrigen erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Kläger sei als Leistungsempfänger des Umsatzsteuererstattungsbetrages der zur Rückzahlung Verpflichtete. Da das FA aufgrund der vom Kläger als Insolvenzverwalter ‑‑in Erledigung seiner auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch verbliebenen steuerlichen Verpflichtungen‑‑ erstellten Umsatzsteuervoranmeldung vom 23. November 2005 den Erstattungsbetrag auf das von ihm bezeichnete eigene Konto überwiesen habe, sei der Rückzahlungsanspruch an ihn zu richten gewesen. Der Rechtsgrund der Zahlung sei weggefallen, nachdem der Umsatzsteuerjahresbescheid vom 12. Februar 2007, durch den sich die die Erstattung veranlassende Voranmeldung gemäß § 124 Abs. 2 AO erledigt habe, aufgehoben worden sei, denn der Vorauszahlungsbescheid lebe nicht wieder auf. Auf den Wegfall der Bereicherung im Hinblick auf die Weiterleitung des erstatteten Betrages an das Insolvenzgericht könne sich der Kläger nicht berufen, denn § 37 AO treffe keine Bestimmung für den Fall des Wegfalles der Bereicherung und die Regelungen in den §§ 812 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kämen nicht zur Anwendung.

  3. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Das Urteil sei bereits im Tatbestand in einigen Bereichen falsch. So habe das FA entgegen der dortigen Sachdarstellung den Kläger vor Erlass des Rückforderungsbescheides nicht angehört. Auch habe das FG seine Einlassung unbeachtet gelassen, wonach er ‑‑sinngemäß‑‑ den Erstattungsbetrag als Treuhänder des Vermögens des A entgegengenommen habe. Die Inanspruchnahme seines privaten Vermögens anstelle der Inanspruchnahme seiner Person als Treuhänder und der damit von ihm verwalteten Treuhandmasse sei unzulässig. Abgesehen davon stehe dem Rückzahlungsanspruch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, da er seinen Pflichten als Treuhänder durch Entgegennahme der Erstattung und ordnungsgemäße Weiterleitung an die Justizkasse exakt nachgekommen sei.

  4. Außerdem sei der Rechtsgrund für die Auszahlung der Vorsteuer an die vom Kläger als Treuhänder verwaltete Masse nicht entfallen, da der Bescheid vom 12. Februar 2007 nicht ersatzlos aufgehoben worden sei, sondern vielmehr mit identischem Inhalt am 17. April 2008 an den seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder handlungsfähigen Schuldner erneut zugestellt worden sei.

  5. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Zu entscheiden sei, ob ein Treuhänder gemäß § 292 der Insolvenzordnung (InsO) verpflichtet sei, unaufgefordert vom FA an ihn als ehemaligen Insolvenzverwalter und nunmehrigen Treuhänder ausgezahlte Steuererstattungen zurückzuzahlen, weil er nicht berechtigt gewesen sei, das Geld anzunehmen. Weiter sei zur Fortbildung des Rechts zu entscheiden, ob ein Treuhänder gemäß § 292 InsO gleich einem Treuhänder bei einem vertraglichen Treuhandverhältnis als Leistungsempfänger im Falle eines Wegfalls des Rechtsgrundes für die Erstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO hafte. Zur Sicherung der Rechtsprechungseinheit sei eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erforderlich, da das FG entgegen der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09 (BFHE 227, 360, BStBl II 2010, 255) und vom 30. August 2005 VII R 64/04 (BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353) den Rechtsgedanken des § 812 Abs. 1 BGB als im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar erachtet habe. Im Übrigen habe das FG den Kläger zu Unrecht und im Widerspruch zur Definition gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO als Leistungsempfänger gewürdigt.

  6. Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Der Kläger hat keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

  2. 1. Der Kläger hat zum einen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen darzutun, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2002 IX B 129/02, BFH/NV 2003, 328, m.w.N.). Gibt es zu der betreffenden Rechtsfrage bereits Entscheidungen des BFH, so ist insbesondere zu begründen, weshalb trotzdem weiterer oder ggf. erneuter Klärungsbedarf bestehe (BFH-Beschluss vom 5. September 2001 III B 18/01, BFH/NV 2002, 205). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

  3. Die Frage, ob ein Treuhänder i.S. des § 292 InsO verpflichtet ist, an ihn als ehemaligen Insolvenzverwalter ausgezahlte Steuererstattungen zurückzuzahlen, ist nicht klärungsbedürftig. Denn entscheidend ist, ob der zur Rückzahlung in Anspruch genommene Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist. Durch die vom Kläger selbst zitierte Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruchs derjenige ist, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird. Dies ist in der Regel derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre ‑‑vermeintlich oder tatsächlich bestehende‑‑ abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will (so zum Beispiel im Fall des Urteils in BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353). Diesen Rechtssatz hat das FG seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Erneuter oder weiterer Klärungsbedarf ist vom Kläger nicht aufgezeigt worden. Ob das FG den Kläger ausgehend von diesem Rechtssatz zu Recht als Leistungsempfänger angesehen hat, weil er in Erfüllung seiner auch nach Beendigung der Insolvenzverwaltung insoweit noch fortbestehenden Pflichten den Erstattungsbetrag für die Insolvenzmasse beim FA angemeldet und das FA den geforderten Betrag auf das von ihm angegebene Verwalterkonto überwiesen hatte, rechtfertigt als eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall die Zulassung der Revision nicht.

  4. Abgesehen davon verkennt der Kläger, dass nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Steuererstattung aufgrund des an den Kläger als Insolvenzverwalter gerichteten Umsatzsteuerjahresbescheids auf das von ihm für Erstattungen im Insolvenzverfahren angegebene Konto überwiesen worden ist. Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargelegt, wie sich bei dieser Sachlage aus der Sicht eines objektiven Betrachters ergeben kann, dass das FA an den Kläger als Treuhänder des A erstatten wollte.

  5. 2. Die behauptete Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Kläger nicht schlüssig dargetan. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der vom FG aufgestellte Rechtssatz, dass § 37 AO keine Bestimmung für den Fall der Entreicherung treffe und die Regelungen in den §§ 812 ff. BGB nicht zur Anwendung kämen, in Widerspruch steht zu dem vom Kläger aus der Entscheidung in BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353 zitierten Rechtssatz, dass der Rechtsgedanke des § 812 Abs. 1 BGB auch im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO zu beachten ist. Der Kläger hat offenbar übersehen, dass der Senat in jener Entscheidung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch nach den §§ 812 ff. BGB zur Bestimmung des Leistungsempfängers bei der bereicherungsrechtlichen Abwicklung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, herangezogen hat. Zur Anwendung der zivilrechtlichen Entreicherungsvorschriften finden sich in der Entscheidung keine Ausführungen. Es ist im Gegenteil durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass § 818 Abs. 3 BGB auf den Rückzahlungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO keine Anwendung findet. Selbst wenn der Rechtsgedanke des § 812 Abs. 1 BGB bei der Anwendung von § 37 Abs. 2 AO herangezogen wird, führt ein Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 und § 819 Abs. 1 BGB) nicht zugleich zum Wegfall des abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruchs (vgl. Senatsbeschluss vom 16. November 2010 VII B 120/10, BFH/NV 2011, 405, m.w.N.).

  6. 3. Mit seinen Ausführungen, der Rechtsgrund für die Erstattung sei entgegen der Auffassung des FG nicht entfallen, weil der an den Kläger als Insolvenzverwalter gerichtete Umsatzsteuerjahresbescheid nicht ersatzlos aufgehoben, sondern mit identischem Inhalt dem seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder handlungsfähigen Schuldner zugestellt worden sei, so dass ein Rechtsgrund für die Auszahlung der Vorsteuer an die vom Kläger als Treuhänder verwaltete Masse vorliege, wendet sich der Kläger in der Art einer Revisionsbegründung gegen die materielle Richtigkeit des finanzgerichtlichen Urteils. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient aber nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschlüsse vom 30. September 2010 VII B 61/10, BFH/NV 2011, 195; vom 30. Januar 2007 VII B 3/06, BFH/NV 2007, 1324).

  7. Im Übrigen erschließt sich dem Senat nicht, wie ein nachträglich an A gerichteter Bescheid Rechtsgrundlage für eine vorher auf ein vom Kläger für das Insolvenzverfahren eingerichtetes Konto geleistete Erstattung sein kann. Nicht nachvollziehbar ist auch, dass der Kläger das Geld als Treuhänder für A entgegengenommen haben will, obwohl er es nach eigenem Vorbringen zur Insolvenzmasse genommen und an die Justizkasse zur Deckung der Gerichtskosten überwiesen hat.

  8. 4. Die Rüge des Klägers, der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils sei falsch, weil eine Anhörung des Klägers durch das FA vor Erlass des Rückforderungsbescheides nicht stattgefunden habe, rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Einwendungen gegen die Richtigkeit des Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (BFH-Beschluss vom 12. Juni 2008 VII B 61/08, BFH/NV 2008, 1708).

  9. 5. Auch der Vorwurf, die Entscheidung des FG beruhe "auf einer erheblich unzutreffenden Rechtsanwendung, insbesondere im Hinblick auf die Zustellung der Bescheide beim richtigen Adressaten", vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Oktober 1992 III B 16/92, BFH/NV 1993, 546, und vom 19. September 1994 VIII B 110/93, BFH/NV 1995, 243). Zwar eröffnet § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO die Revision, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist; das ist nach der Rechtsprechung des BFH u.a. der Fall, wenn das Urteil des FG an einem derart schwerwiegenden Fehler leidet, dass es willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166; vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474). Dafür bietet weder das Beschwerdevorbringen Anhaltspunkte noch sind solche sonst ersichtlich.

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