BFH VII. Senat
AO § 34, AO § 69, AO § 191, AO § 170, AO § 171, UStG § 16 Abs 1, UStG § 16 Abs 2, AO § 33 Abs 1, FGO § 118 Abs 2, UStG § 13
Leitsätze
1. NV: § 191 Abs. 3 Satz 4 AO ist dahin auszulegen, dass die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nicht endet, solange die Steuer noch geltend gemacht werden kann, sei es durch Festsetzung, sei es in anderer, im Einzelfall durch Gesetz vorgeschriebenen Weise. Deshalb ist im Insolvenzverfahren/Gesamtvollstreckungsverfahren entscheidend, dass die Feststellung der angemeldeten Steuerforderung zur Tabelle wie die Steuerfestsetzung wirkt, der Feststellungsvermerk der Tabelle gilt als Titel für die nachfolgende Einzelzwangsvollstreckung, wenn bzw. soweit die Forderung im Gesamtvollstreckungsverfahren ausgefallen ist .
2. NV: § 191 Abs. 3 Satz 4 2. Variante AO, der das Ende der Festsetzungsfrist für die Haftung in den Fällen, in denen die Steuer festgesetzt ist, entsprechend § 171 Abs. 10 AO bestimmt, regelt keinen absoluten Endzeitpunkt, sondern den frühesten Zeitpunkt des Verjährungseintritts. Auf den Beginn des Fristlaufs hat die Regelung keine Auswirkung .
3. NV: Der BFH ist an Feststellungen des FG in den Entscheidungsgründen in einem Revisionsverfahren nicht gebunden, wenn diese zu den vom FG selbst im Tatbestand seines Urteils getroffenen Feststellungen in Widerspruch stehen .
Tatbestand
I. Der Antragsteller beantragt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der gegen ihn ergangenen Haftungsbescheide während des vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revisionsverfahrens.
Der Antragsteller war zunächst zusammen mit einem weiteren Gesellschafter (M) Geschäftsführer einer GmbH, bis M die Geschäftsführung zum 9. Juni 1997 niederlegte. U.a. für die Jahre 1996 und 1997 hatte der Antragsgegner (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) mangels Abgabe von Umsatzsteuererklärungen gegen die GmbH Schätzungsbescheide erlassen.
Im April 1999 eröffnete das Amtsgericht das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH. Mit Haftungsbescheid vom 30. August 1999 nahm das FA den Antragsteller gemäß §§ 191, 69, 34 der Abgabenordnung (AO) u.a. für Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Jahre 1995 bis 1997 in Anspruch. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Antragsteller dagegen Klage. Nachdem vom FG wegen Zweifeln am ordnungsgemäß ausgeübten Auswahlermessen AdV gewährt worden war, führte das FA im Sommer 2000 bei der GmbH im Beisein des Antragstellers eine Außenprüfung u.a. für die Umsatzsteuer 1993 bis 1997 durch, die zusätzliche Umsatzsteuerschulden für das Jahr 1996 in Höhe von rd. 105.000 DM und für das Jahr 1997 in Höhe von rd. 150.000 DM ergab.
Den Haftungsbescheid vom 30. August 1999 hob das FA am 16. März 2001 auf und die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit vor dem FG für in der Hauptsache erledigt.
Im Dezember 2001 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse eingestellt.
Wegen unterlassener Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Oktober bis Dezember 1996 und für die Monate Januar bis August 1997 erließ das FA unter dem 29. Oktober und 10. Dezember 2003 erneut Haftungsbescheide gegen den Antragsteller, weil erst durch die Betriebsprüfung bei der GmbH festgestellte Abschlagszahlungen, die in den Haftungsbescheiden jeweils im Einzelnen aufgeführt waren, nicht zeitgerecht angemeldet und versteuert worden seien.
Die Einsprüche des Antragstellers blieben erfolglos.
Die vom Antragsteller gegen die Haftungsbescheide erhobene Klage wies das FG ab. Auf eine von der Rechtsprechung zugelassene Begrenzung seiner Haftung durch eine interne Verteilung von Aufgabenbereichen könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil eine solche nicht in der gebotenen Weise klar und eindeutig schriftlich festgelegt worden sei. Als Geschäftsführer sei er verpflichtet gewesen, den nach seinem Vorbringen für den kaufmännischen Bereich zuständigen Mitgeschäftsführer M zu überwachen. Da er nicht einmal versucht habe, sich um die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH selbst zu kümmern oder jedenfalls M zu kontrollieren, habe er seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Soweit der Antragsteller die Höhe der den Haftungsbescheiden zu Grunde liegenden Umsatzsteuern infrage stelle, müsse er zwar nicht die zu Grunde liegenden bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzungen gegen sich gelten lassen, soweit er während der für die Rechtsbehelfe gegen die Festsetzungen zur Verfügung stehenden Zeit zur Vertretung der GmbH nicht befugt gewesen sei, jedoch sei er seiner Obliegenheit, substantiierte Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung im Rahmen seiner Verteidigung gegen die Haftungsbescheide zu erheben, in keiner Weise nachgekommen. Auch habe der Antragsteller versäumt, substantiiert darzulegen, ob und warum das FA die Haftung auf eine angemessene Tilgungsquote habe beschränken müssen. Dies sei erforderlich gewesen, da das FA anhand von Kontoauszügen der GmbH und Aufstellungen über Geldeingänge bei der GmbH festgestellt habe, dass die GmbH in der Lage gewesen wäre, bei fristgerechter Anmeldung der Umsatzsteuer die Steuerschulden auch zu zahlen.
Die Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheids vom 30. August 1999 durch Bescheid vom 16. März 2001 habe das FA nicht gehindert, aufgrund des Ergebnisses der 2000 durchgeführten Außenprüfung erneut Haftungsbescheide zu erlassen. Insbesondere sei ein zu Gunsten des Antragstellers wirkender Vertrauenstatbestand deshalb ausgeschlossen, weil er bei der Außenprüfung des FA zugegen gewesen sei und das FA in der Folge ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet habe. Der Antragsteller habe danach keinerlei Anlass gehabt anzunehmen, mit der Aufhebung des ursprünglichen Haftungsbescheids sei die Sache für ihn erledigt.
Auch durch Eintritt der Festsetzungsverjährung sei das FA nicht gehindert gewesen, den Antragsteller erneut in Haftung zu nehmen.
Nach Einlegung der vom FG zugelassenen Revision gegen dieses Urteil hat der Antragsteller AdV der angefochtenen Haftungsbescheide beantragt, nachdem das FA einen entsprechenden Antrag mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 abgelehnt hatte. Zur Begründung bezieht sich der Antragsteller auf die Revisionsbegründung, mit der er vorträgt:
Der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid für Steuerschulden der GmbH aus den Jahren 1996 und 1997 stehe der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen. Die Verjährung bestimme sich nach § 191 Abs. 3 Satz 3 AO. Danach beginne die Verjährung mit der haftungsbegründenden Pflichtverletzung, also mit der Nichtabgabe der Steuererklärungen und der Nichtabführung der sich insoweit ergebenden Zahlungen. Die Umsatzsteuerjahreserklärung habe der Antragsteller in Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH gemäß § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 149 Abs. 2 AO spätestens zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahres abgeben und die Zahlung bis zum 30. Juni entrichten müssen. Demnach sei die Festsetzungsverjährung bezüglich der Umsatzsteuer 1996 am 31. Dezember 2001 und bezüglich der Umsatzsteuer 1997 am 31. Dezember 2002 eingetreten. Eine Hemmung nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO greife bei der gebotenen teleologischen Auslegung nicht ein, auch wenn vorliegend keine Steuerfestsetzung erfolgt sei. Denn die aufgrund der Außenprüfung festgestellten Mehrsteuern hätten nur deshalb keinen Eingang in eine Steuerfestsetzung gefunden, weil nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens eine Steuerfestsetzung auf Basis der Feststellungen der Betriebsprüfung nicht mehr möglich gewesen sei. In diesem Falle greife die Festsetzungsverjährungsfrist ins Leere. Die nach dem Wortlaut des § 191 Abs. 3 Satz 4 1. Variante AO möglicherweise eintretende Ablaufhemmung führe zu einem Rechtsnachteil für den Antragsteller, der mit Sinn und Zweck der Norm nicht vereinbar sei. Die reguläre Haftungsverjährung könne deshalb nicht nach § 191 Abs. 3 Satz 4 1. Variante AO im Ablauf gehemmt sein.
Abgesehen davon beruhe das Urteil auf einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung und das FG habe den Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht ausreichend gewürdigt. Die Feststellungslast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des FA trage das FA. Das FG habe ‑‑obwohl aufgrund des eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahrens erkennbar gewesen sei, dass wegen der sich abzeichnenden Krise die Gläubiger der GmbH nicht vollständig würden befriedigt werden können‑‑ nicht berücksichtigt, dass das FA lediglich geprüft habe, ob die Umsatzsteuerschulden der GmbH nach den jeweiligen Kontoständen aus den vorhandenen Mitteln hätten bezahlt werden können; die aus den Bilanzen der GmbH ersichtlichen Verbindlichkeiten habe das FA außer Acht gelassen und damit den Grundsatz der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger "evident" und unter Verletzung der Denkgesetze und Erfahrungssätze missachtet. Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Antragstellers, die in der Nichtverwendung vorhandener Mittel zur vollen oder anteiligen Befriedigung des FA gelegen habe, trage, was das FG verkannt habe, das FA die objektive Beweislast. Das FG habe ermitteln müssen, mit welcher Quote das FA den Antragsteller habe in Haftung nehmen dürfen.
Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der Haftungsbescheide des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. Januar 2006 auszusetzen.
Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.
Es hält den Antrag und die Revision für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag, die Vollziehung der Haftungsbescheide auszusetzen, hat keinen Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).
Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen u.a. dann, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen im Streitfall nicht.
1. Das FA war nicht wegen Festsetzungsverjährung gehindert, die angefochtenen Haftungsbescheide zu erlassen.
a) Gegenstand der Haftungsbescheide, für welche der Antragsteller Vollziehungsaussetzung begehrt, sind ausschließlich die durch die Betriebsprüfung ermittelten Mehrsteuern, die in den Umsatzsteuerschätzungsbescheiden für 1996 und 1997 nicht erfasst worden sind. Das wird an der betragsmäßigen Übereinstimmung der in der Außenprüfung ermittelten zusätzlichen Umsatzsteuerschulden (104.702 DM ‑‑53.533 €‑‑ bzw. 149.862 DM ‑‑76.623 €‑‑) und den in den Haftungsbescheiden geltend gemachten Steuern (52.428,40 € bzw. 72.280 €) deutlich und ist vom FA in diesem Verfahren ausdrücklich klargestellt worden. Die vom FG in seinem Urteil erörterte Frage, ob bei Erlass des Haftungsbescheids die Festsetzungsfrist hinsichtlich der Haftung für die nicht erst durch die Betriebsprüfung ermittelten, sondern bereits zuvor (durch Schätzungsbescheid) festgesetzte Steuer abgelaufen war, deretwegen das FG die Revision zugelassen hat, stellt sich mithin weder in diesem noch in dem Revisionsverfahren. Soweit den Ausführungen des FG unter 1.f der Entscheidungsgründe entnommen werden soll, der Antragsteller sei vom FA auch in Haftung für die bereits vom ersten, aufgehobenen Haftungsbescheid erfassten Steuern in Anspruch genommen worden, wäre der beschließende Senat daran in dem Revisionsverfahren nicht gebunden, weil eine solche Feststellung zu den vom FG selbst im Tatbestand seines Urteils getroffenen Feststellungen in Widerspruch steht.
Hinsichtlich dieser Mehrsteuern hat das FG zutreffend erkannt, dass der Lauf der Haftungsfestsetzungsfrist für die im Jahr 1996 entstandenen Steuern mit Ablauf des Jahres 2003 und für die im Jahr 1997 entstandenen Steuern mit Ablauf des Jahres 2004 endete. Denn nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO endet die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. Die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer beginnt, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ keine Steuererklärung eingereicht worden ist, gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr der Entstehung der Steuer folgt. Die Umsatzsteuer entsteht ‑‑unbeschadet der Entstehung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums gemäß § 13 UStG‑‑ als Jahressteuer jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 UStG berechenbar ist. Das ist das Ende des Besteuerungszeitraums, mithin das Ende des Kalenderjahres (BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662). Für die im Jahr 1996 entstandenen Steuern begann die Festsetzungsfrist also mit Ablauf des Jahres 1999 und für die im Jahr 1997 entstandenen Steuern mit Ablauf des Jahres 2000. Sie endete gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nach vier Jahren, also 2003 bzw. 2004, und damit erst nach Ergehen der Haftungsbescheide.
b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht der Anwendung des § 191 Abs. 3 Satz 4 AO nicht entgegen, dass nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens eine Steuerfestsetzung auf Basis der Feststellungen der Betriebsprüfung nicht mehr möglich gewesen ist. Zwar ist richtig, dass § 191 Abs. 3 Satz 4 AO darauf abzielt, die Haftungsverjährung nicht vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist eintreten zu lassen (Klein/ Rüsken, AO, 10. Aufl., § 191 Rz 95 bis 95c, m.w.N.). Gleichwohl ist die Anwendung der Norm nicht deshalb ausgeschlossen, weil mit Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens das Steuerfestsetzungsverfahren unterbrochen ist (vgl. zur Unterbrechung: Hess/Binz/Wienberg, Gesamtvollstreckungsordnung ‑‑GesO‑‑, § 5 Rz 43) und deshalb eine Steuerfestsetzung ‑‑jedenfalls einstweilen‑‑ nicht erfolgen kann. Denn § 191 Abs. 3 Satz 4 AO ist dahin auszulegen, dass die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid nicht endet, solange die Steuer noch geltend gemacht werden kann, sei es durch Festsetzung, sei es in anderer, im Einzelfall durch Gesetz (hier: die Insolvenzordnung) vorgeschriebenen Weise. Deshalb ist hier entscheidend, dass die Feststellung der angemeldeten Steuerforderung zur Tabelle wirkt wie die Steuerfestsetzung, der Feststellungsvermerk der Tabelle gilt als Titel für die nachfolgende Einzelzwangsvollstreckung, wenn bzw. soweit die Forderung im Gesamtvollstreckungsverfahren ausgefallen ist (Hess/Binz/ Wienberg, GesO, § 18 Rz 93, 97).
Sollte das FA die dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerforderungen wirksam zur Tabelle angemeldet haben ‑‑was im Urteil des FG nicht festgestellt, nach den Angaben des FA aber anzunehmen ist‑‑ und damit die einer Steuerfestsetzung vergleichbare Wirkung eingetreten sein, schlösse dies nicht die Anlaufhemmung nach § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO aus.
§ 191 Abs. 3 Satz 4 2. Variante AO, der das Ende der Festsetzungsfrist für die Haftung in den Fällen, in denen die Steuer festgesetzt ist, entsprechend § 171 Abs. 10 AO bestimmt, steht dem nicht entgegen. Denn danach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Steuerbescheids. Die Norm bestimmt demnach keinen absoluten Endzeitpunkt, sondern den frühesten Zeitpunkt des Verjährungseintritts. Auf den Beginn des Fristlaufs hat die Regelung keine Auswirkung.
c) Die Anlaufhemmung nach § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nr. 1 AO ist auch ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ trotz der Bestimmung des § 191 Abs. 3 Satz 3 AO zu beachten, wonach die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers knüpft an die Nichtabgabe der Steuererklärung für die GmbH an. Die betreffende Pflicht begründet § 34 AO, und zwar im Rahmen eines eigenen Pflichtverhältnisses zur Finanzverwaltung; die gesetzlichen Vertreter und Geschäftsführer sind Steuerpflichtige i.S. des § 33 Abs. 1 AO kraft eigener steuerrechtlicher Pflichten und nicht kraft abgeleiteter Pflichten (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 73/84, BFHE 158, 103, BStBl II 1989, 955; Klein/Rüsken, a.a.O., § 34 Rz 1 f.). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die vom FG zitierte BFH-Rechtsprechung folglich entsprechend anwendbar (vgl. Beschluss vom 22. Januar 2003 V B 122/02, BFH/NV 2003, 645; Urteil vom 9. August 2000 I R 95/99, BFHE 193, 12, BStBl II 2001, 13).
2. Das FG ist auch rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das FA den Kläger in voller Höhe der rückständigen Steuern in Haftung nehmen durfte.
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass das FG die Haftungsvoraussetzungen nach § 69 AO i.V.m. § 34 AO dem Grunde nach zu Recht bejaht und einen auf der Rücknahme des ursprünglichen Haftungsbescheids vom 30. August 1999 beruhenden Vertrauenstatbestand verneint hat. Da der Kläger dagegen keine Einwände erhoben hat, bezieht sich der Senat insoweit auf die Ausführungen im finanzgerichtlichen Urteil.
Auch die Ausführungen zur vollen Haftung des Klägers ohne Berücksichtigung einer Tilgungsquote halten einer summarischen Überprüfung stand. Anders als der Kläger meint, hat das FG ihm nicht die Feststellungslast für eine nur anteilige, der Befriedigung der übrigen Gläubiger entsprechende Haftung auferlegt. Es hat seiner Entscheidung vielmehr ausdrücklich die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 27. Februar 2007 VII R 60/05, BFHE 216, 487, BStBl II 2008, 508) zu Grunde gelegt, dass das FA unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder ‑‑soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann‑‑ im Schätzungswege die Quote festzustellen habe, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt. Dieser demnach dem FA auferlegten Feststellungsverpflichtung ist das FA nach Überzeugung des FG in dem ihm nach Auswertung des Betriebsprüfungsergebnisses möglichen Umfang nachgekommen, indem es anhand von Kontoauszügen der GmbH und Aufstellungen über Geldeingänge bei der GmbH festgestellt habe, dass die GmbH in der Lage gewesen wäre, bei fristgerechten Anmeldungen der Umsatzsteuer die Steuerschulden zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen auch zu zahlen. Der Vorwurf des Klägers, das FG habe nicht beachtet, dass das FA wegen Nichtberücksichtigung der aus den Prüferbilanzen ersichtlichen Verbindlichkeiten den Grundsatz der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger "evident" und unter Verletzung der Denkgesetze und Erfahrungssätze unberücksichtigt gelassen habe, geht fehl. Da das FG das Vorbringen des Klägers dahin gewürdigt hat, dass er die Richtigkeit der Feststellungen des FA nur unsubstantiiert bezweifele, insbesondere nicht dargelegt habe, ob und warum nur eine Haftung in Höhe eines bestimmten Teils der Umsatzsteuerschulden in Betracht komme, bestand keine Veranlassung für das FG zu weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen nach § 76 FGO. Insbesondere musste sich diese dem FG nicht wegen der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens im April 1999 aufdrängen, da das FA die Zahlungsfähigkeit zu den Fälligkeitsterminen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen 1996 und 1997, also weit vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens, ermittelt hatte. Es wäre vielmehr Aufgabe des nach § 90 AO insoweit zur Mitwirkung verpflichteten Klägers gewesen, substantiierte Einwände, wie im Rahmen der Revisionsbegründung angedeutet, spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren vorzubringen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Die Folgen der mangelnden Mitwirkung hat der Kläger zu tragen.