BFH VI. Senat
FGO § 128 Abs 1, FGO § 74, FGO § 155, ZPO § 251, FGO § 73
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 19. January 2011, Az: 8 K 4655/10
Leitsätze
1. NV: Die Entscheidung des FG, ein ruhendes Verfahren fortzusetzen, ist eine Ermessensentscheidung, die vom BFH nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann .
2. NV: Betrifft das Vorbringen des Steuerpflichtigen nicht die Zweckmäßigkeit der Verfahrensfortsetzung selbst, sondern mögliche Verletzungen des rechtlichen Gehörs im weiteren Verfahren, kann eine Beschwerde gegen die Beendigung einer Verfahrensruhe keinen Erfolg haben .
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat mit Zustimmung der Beteiligten durch Beschluss vom 21. Juli 2009 das Ruhen des Verfahrens 8 K 2249/09 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 8 K 1704/07 angeordnet. Mit Schreiben vom 10. Mai 2010 teilte das FG den Beteiligten mit, dass es die Wiederaufnahme des Verfahrens 8 K 2249/09 für sachgerecht halte. Des Weiteren sei eine Verbindung der Verfahren 8 K 1704/07, 8 K 5602/08 sowie 8 K 2249/09 beabsichtigt. Letztlich beschloss das FG am 20. Januar 2011, das bisher ruhende Klageverfahren unter dem neuen Az. 8 K 4655/10 fortzusetzen. Das FG begründete seine Entscheidung damit, dass eine Verfahrensruhe nicht mehr zweckmäßig sei. Wegen des Schriftwechsels in den beiden Parallelverfahren und den Anhörungen im Erörterungstermin sei zu befürchten, dass eine Beweisaufnahme sehr streitig verhandelt würde. Folglich sei es zweckmäßig, nur eine Beweisaufnahme für alle drei Verfahren zusammen durchzuführen. Denn bei getrennter Verhandlung sei zu befürchten, dass die Beweisaufnahme nach Abschluss der anderen Verfahren faktisch wiederholt werden müsse, um die Entscheidungsreife des vorliegenden Falls herbeizuführen. Im Interesse der Zeugin und wegen der zu erwartenden Mehrbelastungen auf Seiten des Gerichts sei eine doppelte Beweisaufnahme zu vermeiden. Ein berechtigtes Interesse des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) an der Durchführung von zwei Beweisaufnahmen zum selben Beweisthema könne das FG nicht erkennen.
Der Kläger legte gegen den Beschluss zur Wiederaufnahme des Klageverfahrens Beschwerde ein, der das FG nicht abgeholfen hat. Diese begründete er damit, dass die Wiederaufnahme letztlich nur das Ziel habe, eine Zusammenlegung der drei Verfahren zu ermöglichen. Gerade diese Zusammenlegung wolle der Kläger aber verhindern. Zwar möge es aus verfahrensökonomischen Gründen sinnvoll sein, da allen Verfahren ein paralleler Sachverhalt zu Grunde liege. Allerdings verletze das FG in den Verfahren 8 K 1704/07 und 8 K 5602/08 massiv seit Jahren den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Das FG komme seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts seit mehreren Jahren nicht nach. Denn aus sachfremden Erwägungen heraus blockiere das FG die vom Kläger wiederholt beantragte Beiziehung der Steuerfahndungsakte, obwohl die Voraussetzungen für diese Beiziehung aus Klägersicht erfüllt seien. Durch die Zusammenlegung der drei Verfahren wären letztlich alle Verfahren von mangelnder Sachaufklärung geprägt. Dies sei dem Kläger nicht zuzumuten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft (Seer bzw. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 128 FGO Rz 24, § 74 FGO Rz 22), aber unbegründet. Die Entscheidung des FG, das Klageverfahren fortzusetzen, ist rechtmäßig.
Nach § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO hat das FG das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist.
a) Die Vorschrift des § 251 ZPO eröffnet dem erkennenden Gericht ein Ermessen (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 10. Januar 1995 IV B 69/94, BFH/NV 1995, 802; s. aber Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 74 FGO Rz 200; Brandis, a.a.O., § 74 FGO Rz 22). Denn die Norm setzt allein die Zweckmäßigkeit der Entscheidung voraus. Infolgedessen ist auch die Entscheidung des Gerichts, eine bestehende Verfahrensruhe zu beenden und das Verfahren fortzusetzen, eine Ermessensentscheidung, die das Gericht jederzeit erlassen kann, wenn es ihm zweckmäßig erscheint (Senatsbeschluss vom 22. Juni 1984 VI B 46/83, juris). Damit kann der Senat die vom FG getroffene Entscheidung über die Fortsetzung des Verfahrens nur in Bezug auf etwaige Ermessensfehler überprüfen.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des FG, das Ruhen des Verfahrens 8 K 2249/09 zu beenden und das Verfahren wiederaufzunehmen, nicht zu beanstanden. Denn das FG hat sein Ermessen nicht überschritten. Der vom FG beschlossenen Verfahrensruhe lag die Erwägung zu Grunde, dass die Ergebnisse der Parallelverfahren nach deren Abschluss wegen des gleichen Sachverhalts auf das bis dahin ruhende Verfahren übertragen werden könnten. Nach den schriftlichen Äußerungen der Beteiligten und einem Erörterungstermin Anfang 2010 in den Parallelverfahren änderte das FG seine bisherige Einschätzung dahingehend, dass es ein aufwendigeres Beweisverfahren für erforderlich hielt und davon ausging, dass das Ergebnis von dem unterliegenden Beteiligten nicht akzeptiert werde. Diese veränderte Einschätzung des FG war aufgrund der neueren Erkenntnisse in den Parallelverfahren nicht nur möglich, sondern naheliegend. Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, dass es zweckmäßig ist, für sämtliche Verfahren, bei denen der gleiche Sachverhalt streitig ist, ein gemeinsames Beweisverfahren durchzuführen. Um diese verfahrensökonomisch sinnvolle Zusammenlegung der Verfahren durchführen zu können, war die Fortsetzung des bisher ruhenden Verfahrens zwingend erforderlich.
Soweit der Kläger vorträgt, dass eine Wiederaufnahme des bisher ruhenden Verfahrens und damit eine Zusammenlegung der drei Verfahren verhindert werden müsse, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde. Das Vorbringen des Klägers betrifft nicht die fehlende Zweckmäßigkeit der Fortsetzung des Verfahrens. Denn der Kläger beklagt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör in den beiden anderen Verfahren durch das FG und sieht die Möglichkeit, dass diese Verletzungen sich dann auf das gesamte Verfahren erstrecken könnten. Mit diesem Einwand kann der Kläger in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren indes nicht gehört werden. Der Kläger hat die Möglichkeit, die behaupteten Gehörsverletzungen während der Klageverfahren zu rügen und eigene Beweisanträge zu stellen. Sollte der Kläger nach streitigem Abschluss der Klageverfahren immer noch der Meinung sein, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde, kann er ‑‑zuvor gerügte‑‑ Verfahrensfehler des FG im Wege der Revision oder der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision geltend machen.