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Beschluss vom 30. August 2010, VIII B 66/10

Anrechnung von Erstattungszinsen auf Prozesszinsen und Änderung von Zinsfestsetzungen

BFH VIII. Senat

AO § 129, AO § 233a Abs 1, AO § 233a Abs 5, AO § 236 Abs 1, AO § 236 Abs 2, AO § 236 Abs 4

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 22. February 2010, Az: 3 K 2602/07

Leitsätze

1. NV: Auf den Anspruch auf Prozesszinsen nach § 236 Abs. 1 und Abs.2 AO sind nach § 236 Abs. 4 AO Erstattungszinsen gemäß § 233a AO anzurechnen, die für den selben Zeitraum festgesetzt wurden, weil die Steuerfestsetzung für diesen Zeitraum zu einem die Erstattung auslösenden Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 AO geführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VII R 6/01, BFHE 198, 389, BStBl II 2002, 677).

2. NV: Wird die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Voraussetzung ist eine Korrektur der vorangegangenen Steuerfestsetzung, selbst wenn diese keine Zinsfestsetzung enthielt (BFH-Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735).

3. NV: Der Erstattungsanspruch entsteht mit Ablauf des Veranlagungszeitraum (BFH-Urteil vom 6. März 2002 XI R 81/00, BFHE 198, 473, BStBl II 2002, 503 m.w.N.).

Gründe

  1. Die Beschwerde ist zwar zulässig; hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist ist dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil seine Bevollmächtigte krankheitsbedingt ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten.

  2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision gegen das angefochtene Urteil liegen nicht vor.

  3. 1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO deshalb zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordern.

  4. Die Einwendungen des Klägers gegen die Anrechnung von Erstattungszinsen nach § 236 Abs. 4, § 233a Abs. 1, 2, 3 und 5 der Abgabenordnung (AO) lassen die Notwendigkeit einer BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Anwendungsbereich des § 233a AO nicht erkennen.

  5. a) Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht aufgrund der Regelung in § 236 Abs. 1 und Abs. 2 AO mit der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung bzw. der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, durch den sich der Rechtsstreit nach Rechtshängigkeit erledigt hat; auf ihn sind nach § 236 Abs. 4 AO Erstattungszinsen gemäß § 233a AO anzurechnen, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, weil die Steuerfestsetzung für diesen Zeitraum zu einem die Erstattung auslösenden Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 AO geführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VII R 6/01, BFHE 198, 389, BStBl II 2002, 677).

  6. b) Wird die Steuerfestsetzung wie im Streitfall aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt, ist gemäß § 233a Abs. 5 Satz 1  1. Halbsatz AO eine bisherige Zinsfestsetzung zu ändern. Gemäß § 233a Abs. 5 Satz 2 AO ist für die Zinsberechnung der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgeblich, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und die anzurechnende Körperschaftsteuer. Nach seinem Wortlaut setzt § 233a Abs. 5 AO bei einer Korrektur der vorangegangenen Steuerfestsetzung an (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 76/01, BFHE 207, 1, BStBl II 2005, 236), selbst wenn diese keine Zinsfestsetzung enthielt (BFH-Urteil vom 18. Mai 2005 VIII R 100/02, BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735).

  7. Die Vorschrift regelt ‑‑als lex specialis zu den §§ 172 ff. AO‑‑ abschließend die Folgen einer Änderung der Steuerfestsetzung für die Zinsfestsetzung (vgl. Heuermann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 233a AO Rz 66, m.w.N.; Kögel in Beermann/ Gosch, AO § 233a Rz 96; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Rz 49, m.w.N.). Materiell-rechtliche Bedeutung hat § 233a Abs. 5 AO insoweit, als er die Berechnung des Unterschiedsbetrags regelt. Die Regelung knüpft in der Weise systematisch an § 233a Abs. 3 AO an, dass Abs. 3 allgemein die Maßstäbe für die Zinsberechnung bestimmt, während Abs. 5 diese Maßstäbe speziell für die dort genannten Fälle der Korrektur der Steuerfestsetzung modifiziert (BFH-Urteil in BFHE 210, 1, BStBl II 2005, 735).

  8. c) In der Rechtsprechung ist ebenfalls bereits geklärt, dass der Erstattungsanspruch jeweils mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht (BFH-Urteil vom 6. März 2002 XI R 81/00, BFHE 198, 473, BStBl II 2002, 503, m.w.N.); dies gilt gleichermaßen in Fällen der Zusammenveranlagung (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2002 XI R 50/00, BFHE 198, 31, BStBl II 2002, 453).

  9. 2. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen Verfahrensmängeln i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.

  10. Insbesondere hat das Finanzgericht zu Recht für die Berechnung des nach § 236 Abs. 4 AO auf die streitigen Prozesszinsen anrechenbaren Erstattungsanspruchs § 233a AO in der für das Jahr 2006 geltenden Fassung angewendet, weil der Anspruch sich gemäß Abs. 5 der Vorschrift aus dem in diesem Jahr ergebenden Unterschiedsbetrag zwischen der Steuerfestsetzung für 1992 im Änderungsbescheid vom 6. Oktober 2006 und derjenigen im Änderungsbescheid vom 13. Oktober 2004 ergab.

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