BFH I. Senat
FGO § 53, FGO § 96 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, GG Art 103 Abs 1, ZPO § 176, ZPO § 180, ZPO § 182 Abs 1 S 2, ZPO § 418 Abs 2
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 25. May 2010, Az: 3 K 133/07
Leitsätze
1. NV: Das FG genügt seiner Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu gewähren, indem es eine mündliche Verhandlung anberaumt, die Beteiligten ordnungsgemäß lädt und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt durchführt.
2. NV: Die Postzustellungsurkunde erbringt als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen, wobei sich die Beweiskraft auch darauf erstreckt, dass der Postbedienstete unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat. Der Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt.
1. Die Klägerin macht geltend, das Finanzgericht (FG) habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt, weil es über die Klage entschieden habe, obwohl ihr Geschäftsführer die Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erhalten habe. Damit ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht schlüssig dargetan.
a) Das FG genügt seiner Verpflichtung, den Beteiligten rechtliches Gehör im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu gewähren, indem es eine mündliche Verhandlung anberaumt, die Beteiligten ordnungsgemäß lädt und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt durchführt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 23. Februar 2005 VII B 133/04, BFH/NV 2005, 1325, m.w.N.).
b) Im Streitfall hat das FG die Klägerin ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung und der Postzustellungsurkunde ordnungsgemäß am 25. März 2010 zur mündlichen Verhandlung am 26. Mai 2010 geladen. Die Ladung war, nachdem niemand angetroffen worden war, durch Einlegen in den Briefkasten der Klägerin zugestellt worden (§ 53 FGO i.V.m. §§ 176, 180 der Zivilprozessordnung ‑‑ZPO‑‑). Gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbringt die Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen, wobei sich die Beweiskraft nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten erstreckt, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1991 2 BvR 511/89, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 1992, 224; BFH-Urteil vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860). Der Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.
c) Derartige Gründe, die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Postzustellungsurkunde zu belegen geeignet sind (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 1986 4 CB 8/86, NJW 1986, 2127; BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1860), hat die Klägerin nicht vorgetragen.
2. Soweit die Klägerin rügt, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, mangelt es ebenfalls an jeglicher Substantiierung.