BFH IV. Senat
EStG § 4 Abs 1 S 1, EStG § 4 Abs 1 S 2, EStG § 4 Abs 1 S 5, FGO § 126 Abs 3 S 1 Nr 2
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 06. March 2007, Az: 11 K 437/06
Leitsätze
NV: Eine verdeckte Einlage kann auch bei einer Personengesellschaft vorliegen. Für die Frage, ob es ich bei der Zuwendung eines einlagefähigen Vermögensvorteils um eine verdeckte Einlage oder um eine Betriebseinnahme handelt, ist zu prüfen, ob die wirtschaftliche Ursache der Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis oder im eigenen Betrieb der Personengesellschaft liegt.
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22. August 2003 gegründet und am 13. November 2003 im Handelsregister eingetragen. Gesellschaftszweck ist die Verwaltung, die Vermittlung, der Erwerb und die Veräußerung von Immobilien. Alleiniger Kommanditist ist ein Rechtsanwalt, der die Kommanditanteile treuhänderisch für die Eheleute X (im Folgenden: Eheleute) hält. Diese sind zugleich Gesellschafter der Komplementärin, der Z-Verwaltungs GmbH.
Die Eheleute sind Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes und leben in Gütergemeinschaft. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 20. November 2003 verkauften sie Teilflächen ihres Betriebes für 5.642.610 € an ein Einzelhandelsunternehmen. In dem Kaufvertrag war eine Maklercourtage zu Gunsten der Klägerin von 4 % des Kaufpreises zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart (225.704,31 € zuzüglich 36.112,69 € Umsatzsteuer, insgesamt 261.817 €). Der Betrag sollte am Tag der Kaufpreiszahlung verdient, fällig und zahlbar sein, wobei der Klägerin ein unmittelbarer Zahlungsanspruch eingeräumt wurde. In der Vereinbarung wurde ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin den Kaufvertrag im Auftrag der Käuferin vermittelt bzw. nachgewiesen und ihre Informationspflicht erfüllt habe.
Die Maklercourtage wurde der vertraglichen Regelung entsprechend im Jahr 2004 (Streitjahr) an die Klägerin gezahlt, die sie erfolgsneutral verbuchte. In der Steuererklärung für das Streitjahr gab die Klägerin einen Verlust von 5.919,54 € an.
Demgegenüber erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Provision als Einnahme und stellte einen Gewinn von 195.160,77 € fest.
Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, die Provision sei deshalb vereinbart worden, weil die Grundstückskäuferin nicht bereit gewesen sei, einen höheren Kaufpreis zu zahlen, so dass die Differenz zum angestrebten Verkaufserlös als Courtage deklariert worden sei. Es handele sich dabei um einen zusätzlichen Kaufpreis, der bei den Einkünften der Eheleute aus Land- und Forstwirtschaft zu erfassen und bei der Klägerin erfolgsneutral als Einlage zu behandeln sei. Im Zeitpunkt der Gründung der Klägerin seien die Verhandlungen mit der Grundstückskäuferin schon weit fortgeschritten gewesen. Bereits am 12. August 2003 habe der Vertragsentwurf zum Kaufvertrag vorgelegen. Schon im März 2003 habe man sich mit der Käuferin geeinigt. Eine Vermittlungstätigkeit der Klägerin sei somit nicht festzustellen.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Maklercourtage sei eine durch den Betrieb der Klägerin veranlasste Einnahme, wie sich aus dem Grundstückskaufvertrag ergebe. Dem stehe nicht entgegen, dass möglicherweise bereits im August 2003 ein Vertragsentwurf vorgelegen habe und damit nach Angaben der Klägerin eine Vermittlungsleistung gar nicht erbracht worden sei. Denn eine Vermittlungsleistung werde im Allgemeinen erst mit Abschluss des Kaufvertrages verdient. Ein Scheingeschäft liege nicht vor, weil die Beteiligten nicht nur die Provisionsvereinbarung dem Grundstückskaufvertrag entsprechend durchgeführt, sondern dies auch so gewollt hätten. Auch die Gesamtplanrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führe zu keiner anderen Beurteilung, denn es fehle bereits an einem festzustellenden Gesamtplan. Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten sei den Eheleuten nicht vorzuwerfen, weil ihnen eine andere Gestaltungsmöglichkeit ‑‑insbesondere ein einheitlicher Vertrag mit einem um die Provision erhöhten Kaufpreis‑‑ nicht zur Verfügung gestanden habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1456 veröffentlicht.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht geltend, die Sachverhaltswürdigung durch das FG widerspreche allgemeinen Erfahrungssätzen und Denkgesetzen. Bei der Maklercourtage könne es sich nur um einen verschleierten Kaufpreis gehandelt haben. Die Klägerin habe auf Veranlassung ihrer Gesellschafter (Treugeber) eine Zahlung erhalten, ohne dafür eine Leistung erbracht zu haben. An dem Vertrag, in dem ihr die Maklercourtage zugestanden worden sei, habe sie nicht mitgewirkt. Entgegen der Auffassung des FG könne es nicht ausreichen, dass sie im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages bereits gegründet gewesen sei. Auch wenn eine Maklercourtage erst mit Abschluss des Grundstückskaufvertrages verdient sei, stehe sie dem Makler nur zu, wenn er zuvor eine Leistung erbracht habe, was hier nicht der Fall sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2004 vom 31. Oktober 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. August 2006 in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf -5.884,54 € herabgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG wird festzustellen haben, ob es sich bei der als Maklercourtage bezeichneten Zahlung ‑‑anders als FA und FG entschieden haben‑‑ um eine verdeckte Einlage der Eheleute und nicht um eine Betriebseinnahme gehandelt hat.
1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) ist der durch den Betriebsvermögensvergleich ermittelte Unterschiedsbetrag um den Wert der Entnahmen zu erhöhen und um den Wert der Einlagen zu vermindern. Damit werden Vermögensänderungen ausgeglichen, die nicht durch den Betrieb verursacht sind, sondern darauf beruhen, dass der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahrs Vermögen entzogen oder zugeführt hat (vgl. § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 5 EStG; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C.I.1. der Gründe). Unter Betriebseinnahmen sind demgegenüber in Anlehnung an die gesetzliche Begriffsbestimmung der Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) alle betrieblich veranlassten Wertzugänge zum Betriebsvermögen zu verstehen, die nicht Einlagen i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG sind (BFH-Urteil vom 18. Juni 1998 IV R 61/97, BFHE 186, 363, BStBl II 1998, 621, unter 1. der Gründe, m.w.N.).
2. Für die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe Einlagen und/ oder Entnahmen vorgenommen wurden, ist die Veranlassung maßgeblich. Dabei gilt für Einlagen und Entnahmen derselbe Maßstab wie für Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (vgl. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 137; Blümich/ Wied, § 4 EStG Rz 442). Dagegen kommt es für das Vorliegen einer Einlage nicht darauf an, ob Einigkeit darin besteht, dass die Zuwendung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erfolgt; auch die Bezeichnung der Zuwendung ist nicht entscheidend (u.a. BFH-Urteil vom 14. August 1974 I R 168/72, BFHE 114, 41, BStBl II 1975, 123, unter 1. der Gründe).
3. Werden Einlagen nicht als solche bezeichnet, sondern in anderer Form zugewendet, spricht man von verdeckten Einlagen (Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 360, "verdeckte Einlagen"). Eine verdeckte Einlage liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Gesellschaft einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet, ohne dass der Gesellschafter hierfür neue Gesellschaftsanteile erhält, und wenn diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Letztere Voraussetzung ist gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter der Gesellschaft den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt hätte (u.a. BFH-Urteil vom 20. Juli 2005 X R 22/02, BFHE 210, 345, BStBl II 2006, 457, unter II.2.a der Gründe, m.w.N.). Eine verdeckte Einlage kann auch bei einer Personengesellschaft vorliegen (u.a. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1997 IV R 92/96, BFH/NV 1998, 1222, unter 4.a der Gründe; vom 16. November 1977 I R 83/75, BFHE 124, 501, BStBl II 1978, 386; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 627).
4. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen nicht. Denn das FG hat die Zahlung der Maklercourtage als Betriebseinnahme der Klägerin angesehen, ohne zu prüfen, ob es sich um eine verdeckte Einlage gehandelt hat. Das Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Das FG wird im zweiten Rechtsgang anhand ggf. nachzuholender Feststellungen zu prüfen haben, ob die wirtschaftliche Ursache der Zuwendung (der Maklercourtage) im Gesellschaftsverhältnis der Eheleute als (Treugeber-)Kommanditisten oder aber im eigenen Betrieb der Klägerin lag. Maßgeblich ist dabei, ob ein fremder Grundstücksverkäufer ebenfalls eine derartige Maklercourtage zu Gunsten der Klägerin vereinbart hätte. Auf die Angaben im Grundstückskaufvertrag kommt es insoweit ‑‑anders als das FG offenbar angenommen hat‑‑ ebenso wenig an wie auf die Ansicht der für den Vertragsabschluss maßgeblichen Entscheidungsgremien der Grundstückserwerberin (s. oben unter II.2. und II.3.; vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 32/03, BFH/NV 2004, 1092, unter 2. der Gründe). Unerheblich ist insoweit auch, dass ‑‑wie das FG entschieden hat‑‑ weder ein Scheingeschäft noch ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorlag. Sollte das FG gleichwohl zu dem Ergebnis gelangen, dass keine verdeckte Einlage vorliegt, hätte es ggf. auch den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zu prüfen. Da der Kaufvertrag bereits am 20. November 2003 geschlossen worden ist, wäre es denkbar, dass die Klägerin schon im Wirtschaftsjahr 2003 eine Forderung hätte ausweisen müssen, auch wenn die Vereinbarung vom Regelstatut des § 652 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abweicht.