BFH IX. Senat
EigZulG § 2 Abs 1, EigZulG § 15 Abs 1, AO § 155 Abs 4, AO § 169 Abs 2 S 1 Nr 2, AO § 170 Abs 1, EigZulG § 10, EG Art 43, EG Art 56, AEUV Art 49, AEUV Art 63, EG Art 18, AEUV Art 21
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 27. October 2009, Az: 9 K 146/09
Leitsätze
1. NV: Es ist europarechtlich nicht geboten, einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Wohnsitz im Inland Eigenheimzulage für ein Zweitobjekt im EU-Ausland zu gewähren .
2. NV: Zur Verjährung von Eigenheimzulage .
3. NV: Auch wenn die materielle Anspruchsnorm gegen Europarecht verstößt, rechtfertigt dies keine Abweichung von den Verjährungsvorschriften der AO .
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute mit Wohnsitz im Inland, begehren für ihr auf …, Spanien, gelegenes Wohnobjekt Eigenheimzulage für die Jahre 2001 und 2002.
Das Objekt wurde im Jahr 2001 angeschafft und wird von den Klägern selbst genutzt. Am 1. Juli 2008 beantragten sie bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Januar 2008 C-152/05 Kommission/ Deutschland (Slg. 2008, I-39, BStBl II 2008, 326) Eigenheimzulage ab dem Jahr 2001. Das FA setzte mit Bescheid vom 18. September 2008 die Eigenheimzulage ab dem Jahr 2003 in Höhe von jährlich 2.556,46 € fest und wies den Antrag im Übrigen wegen Festsetzungsverjährung ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage auf Eigenheimzulage für die Jahre 2001 und 2002 mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 299 veröffentlichten Urteil ab. Ob dem Grunde nach ein Anspruch auf Eigenheimzulage für das in Spanien belegene Objekt bestehe, könne dahinstehen, weil für die Streitjahre Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Eine Durchbrechung der nationalen Verfahrensvorschriften wäre selbst bei Europarechtswidrigkeit der materiellen Regelung nicht veranlasst.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die Festsetzungsverjährung rügen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Eigenheimzulage für die Jahre 2001 und 2002 festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen, denn sie ist unbegründet.
1. Eigenheimzulage kann für eine im Ausland belegene Zweitwohnung eines im Inland gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt Steuerpflichtigen schon der Sache nach nicht beansprucht werden. Wie der Senat im Urteil vom 20. Oktober 2010 IX R 20/09 BFHE 231, 480 entschieden hat, ist es in dieser Fallkonstellation ‑‑anders als in den der Entscheidung des EuGH Kommission/ Deutschland in Slg. 2008, I-39, BStBl II 2008, 326 zugrundeliegenden Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 und 3 EStG unionsrechtlich nicht geboten, das Tatbestandsmerkmal der Inlandsbelegenheit in § 2 Abs. 1 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) unangewendet zu lassen.
2. Im Übrigen ist das FG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern schon deshalb kein Anspruch auf Eigenheimzulage für die Streitjahre 2001 und 2002 zusteht, weil ein solcher Anspruch verjährt ist.
a) Nach § 15 Abs. 1 EigZulG sind für die Festsetzung der Eigenheimzulage die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, so dass gemäß § 155 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sinngemäß heranzuziehen sind. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des FG war zum Zeitpunkt der Antragstellung am 1. Juli 2008 Festsetzungsverjährung für die Streitjahre 2001 und 2002 eingetreten. Nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist grundsätzlich vier Jahre, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Eigenheimzulage entsteht nach § 10 EigZulG mit dem Beginn der Nutzung der Wohnung und für jedes weitere Jahr des Förderzeitraums mit Beginn des Kalenderjahres, für das Eigenheimzulage festzusetzen ist. Damit endete die Festsetzungsfrist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG zum Beginn der Nutzung nach § 170 Abs. 1 AO für die Eigenheimzulage 2001 am 31. Dezember 2006 und für die Eigenheimzulage 2002 am 31. Dezember 2007. Mangels Europarechtswidrigkeit von § 2 Abs. 1 EigZulG in der im Streitfall vorliegenden Fallgestaltung ist das einschlägige Verfahrensrecht schon vom Ansatz her nicht außer Acht zu lassen.
b) Im Übrigen könnte selbst die von den Klägern behauptete Europarechtswidrigkeit der materiellen Anspruchsnorm keine Abweichung von den Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung rechtfertigen. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Urteile des EuGH grundsätzlich keinen Einfluss auf den Ablauf von Festsetzungsfristen oder die Bestandskraft von Steuerbescheiden haben (vgl. BFH-Urteile vom 8. Juli 2009 XI R 41/08, BFH/NV 2010, 1; vom 23. November 2006 V R 51/05, BFHE 216, 350, BStBl II 2007, 433; V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436, und V R 28/05, BFH/NV 2007, 872; EuGH-Urteil vom 28. November 2000 C-88/99, Roquette Frères, Slg. 2000, I-10465). Anhaltspunkte für einen dem EuGH-Urteil vom 25. Juli 1991 C-208/90, Emmott (Slg. 1991, I-4269) vergleichbaren Sonderfall sind nicht ersichtlich.