BFH X. Senat
AO § 173 Abs 1 Nr 2, AO § 174, AO § 227, EStG § 4 Abs 3, FGO § 126 Abs 2
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 07. October 2008, Az: 4 K 904/07
Leitsätze
1. NV: Ein Erlass dient nicht dazu, die Folgen schuldhafter Versäumnis von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auszugleichen.
2. NV: Es gibt keine allgemeine Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden für den Fall, dass der Steuerpflichtige steuermindernde Umstände zunächst für ein falsches Jahr geltend macht und dies erst nach Bestandskraft des Bescheides für das richtige Jahr erkennt.
Tatbestand
I. Die drei Kläger und Revisionskläger (Kläger) gründeten zusammen mit einer weiteren Person im Jahre 1991 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (B), an der alle Gesellschafter jeweils 25 % der Anteile hielten. Zweck der B war der Kauf und die Bewirtschaftung eines Grundstücks in A-Stadt. Das Grundstück war an ein Bauunternehmen verpachtet, die W-GmbH (W), an der dieselben Personen beteiligt waren. Von 1991 bis 1993 behandelten alle Beteiligten die Einkünfte der B als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die entsprechenden Feststellungsbescheide ergingen erklärungsgemäß und wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 29. November 1995 teilte B dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) mit, dass der Feststellungsbescheid für das Jahr 1993 geändert werden müsse, da eine ‑‑als solche seither unstreitige‑‑ Betriebsaufspaltung zwischen B und W vorliege und ihre Einkünfte solche aus Gewerbebetrieb seien. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass sie 1993 ein Grundstück in K mit einem von W erstellten Rohbau erworben und nach Fertigstellung im Jahre 1995 verkauft habe. In der beigefügten Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erklärte sie unter anderem bei den Betriebsausgaben einen Posten "Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe" in Höhe von 86.421,75 DM. Am 23. Januar 1996 lehnte das FA die Änderung ab, da die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) nicht vorlägen. B legte keinen Rechtsbehelf ein.
Für das Jahr 1994 hatte B am 30. November 1995 eine erste Feststellungserklärung eingereicht. Die Gewinnermittlung wies bei den Betriebsausgaben 352,10 DM für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe aus. Am 30. Januar 1996 reichte sie eine geänderte Feststellungserklärung ein, die auf einer Erhöhung dieses Postens um 86.421,75 DM beruhte. In einem Begleitschreiben erläuterte sie, dass die Änderung wegen der zum 1. Januar 1994 beginnenden Betriebsaufspaltung erforderlich geworden sei. Die zusätzlichen Kosten beträfen das Grundstück mit aufstehendem Rohbau in K, das nach Fertigstellung veräußert worden sei und daher kein Anlagevermögen darstelle. Der Bescheid vom 23. Juli 1996 erging der ‑‑geänderten‑‑ Erklärung entsprechend und wurde bestandskräftig.
In der am 16. Dezember 1996 eingegangenen Feststellungserklärung für das Jahr 1995 wies B den Veräußerungserlös für das Grundstück in K in voller Höhe als Betriebseinnahme aus. Der erklärungsgemäß ergangene Bescheid vom 14. Mai 1997 wurde ebenfalls bestandskräftig.
Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahre 1998 stellte der Prüfer unter anderem fest, dass die in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe die Aufwendungen für den Kauf des Grundstücks in K beträfen. Da diese Mittel bereits im Jahre 1993 abgeflossen seien, seien sie im Jahre 1994 nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Das FA erließ einen geänderten Feststellungsbescheid. Einspruch, Klage und Revision der B blieben erfolglos.
Der Bundesfinanzhof (BFH) führte mit Urteil vom 30. Juni 2005 IV R 20/04 (BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758) aus, dass die im Jahre 1993 entstandenen Kosten nicht im Jahre 1994 geltend gemacht werden könnten. Allerdings minderten die Anschaffungskosten, die bisher nicht Betriebsausgaben gewesen seien, den später anfallenden Gewinn aus der Veräußerung (Fortführung des Rechtsgedankens aus dem Urteil vom 7. Oktober 1971 IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl II 1972, 271). Das FA werde daher zu prüfen haben, ob der Feststellungsbescheid 1995 nach §§ 172 ff. AO entsprechend geändert werden könne. Ggf. sei an eine Billigkeitsmaßnahme nach § 227 AO zu denken.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass hinsichtlich des Feststellungsbescheides 1995 zum Zeitpunkt der BFH-Entscheidung bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 beantragten die Kläger jeweils den Erlass der auf diesem Vorgang beruhenden Einkommensteuer 1995 nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen. Mit Bescheiden vom 25. Oktober 2006 lehnte das FA die Erlassanträge ab. Am 13. September 2007 wies das FA die ‑‑nicht weiter begründeten‑‑ Einsprüche zurück. Sachliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor. Es sei den Klägern zumutbar gewesen, durch rechtzeitige Einlegung eines Einspruchs die Bestandskraft des Feststellungsbescheides 1995 der B und damit der Einkommensteuerbescheide zu verhindern. Die Rechtswidrigkeit eines unanfechtbar gewordenen Steuerbescheides könne nur dann als unbillig in der Sache berücksichtigt werden, wenn Gründe vorgetragen würden, die es verständlich machten, dass von den gegebenen Rechtsbehelfen kein Gebrauch gemacht worden sei. Solche Gründe fehlten. Der im BFH-Urteil in BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758 enthaltene Hinweis auf einen Billigkeitserlass entfalte keine Bindungswirkung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 727 veröffentlichtem Urteil ab.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, der Streitfall unterscheide sich wesentlich von dem der BFH-Entscheidung vom 21. Juni 2006 XI R 49/05 (BFHE 214, 218, BStBl II 2006, 712) zu Grunde liegenden Sachverhalt. Während dort die rechtliche Behandlung der Vorsteuer in jeder Konstellation fehlerhaft gewesen sei, seien hier die Anschaffungskosten 1993 nicht vergessen, sondern zunächst systemgerecht behandelt worden. Die Fehlerhaftigkeit habe sich erst herausgestellt, als der Irrtum betreffend die Betriebsaufspaltung erkannt worden sei. Zudem sei der gesamte Lebenslauf des Wirtschaftsgutes bis zur Veräußerung zu beurteilen.
Soweit es die Möglichkeit und Zumutbarkeit der Abwehr der Fehlerhaftigkeit betreffe, sei auf das BFH-Urteil in BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758 zu verweisen. Der BFH selbst habe die Lösung des Streitfalls in der Änderung des Bescheides 1995, hilfsweise im Billigkeitswege, gesehen. Soweit die Kläger die Betriebsaufspaltung zunächst nicht erkannt hätten, sei zu bedenken, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des streitbefangenen Grundstücks die Einführung des geltenden Steuerrechts in Thüringen noch keine drei Jahre zurück gelegen habe und die Rechtsfigur der Betriebsaufspaltung im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt sei. Dieser Umstand könne dazu geführt haben, dass seinerzeit auch das FA das Bestehen einer Betriebsaufspaltung nicht wahr genommen habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1995 nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen insoweit zu erlassen, als sie auf der Nichtberücksichtigung der auf das Grundstück in K entfallenen Betriebsausgaben bei B entfallen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Ablehnung der Erlassanträge ermessensfehlerfrei i.S. von § 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehen nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden. Die Unbilligkeit kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08, BFHE 229, 502). In der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen liegende (persönliche) Billigkeitsgründe sind nicht geltend gemacht und auch nicht erkennbar, so dass allein sachliche Unbilligkeit in Betracht kommt.
a) Sachliche Unbilligkeit liegt vor, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage ‑‑hätte er sie geregelt‑‑ im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung der Steuer den Wertungen des Gesetzgebers widerspricht (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. Urteile vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271; vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833; vom 13. Mai 1998 II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376). Dies wiederum kann seinen Grund entweder in Gerechtigkeitsgesichtspunkten oder in einem Widerspruch zu dem der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegenden Zweck haben (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 41, 42). § 227 AO ermächtigt allerdings nicht zur Korrektur des Gesetzes. Der Erlass ist daher nur zulässig, wenn die Einziehung der Steuer zwar dem Gesetz entspricht, aber infolge eines Gesetzesüberhangs den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass sie unbillig erscheint (BFH-Urteile vom 23. März 1998 II R 41/96, BFHE 185, 270, BStBl II 1998, 396; II R 26/96, BFH/NV 1998, 1098; Senatsurteil in BFHE 229, 502).
b) Die Bindung an die Wertungen des Gesetzgebers bedeutet im Hinblick auf den Streitfall zweierlei:
Zum einen sind Reichweite und Grenzen der Änderungsvorschriften in §§ 172 ff. AO zu beachten. Ein Erlass darf nicht Änderungsmöglichkeiten schaffen, die diese Vorschriften nicht vorsehen und nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht vorsehen sollten.
Zum anderen und damit zusammenhängend sind die Grundsätze der Bestandskraft zu beachten. Der Erlass dient nicht dazu, die Folgen schuldhafter Versäumnis von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auszugleichen. Bei Einwänden, die, wie hier, die materiellrechtliche Richtigkeit der Steuerfestsetzung betreffen, ist ein Erlass aus Billigkeitsgründen nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wenden (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. Urteile vom 30. April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611; vom 11. August 1987 VII R 121/84, BFHE 150, 502, BStBl II 1988, 512; Senatsurteil vom 21. Juli 1993 X R 104/91, BFH/NV 1994, 597; Urteil vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574).
2. Nach diesen Maßstäben ist die Einziehung der Einkommensteuer 1995 sowie der Nebenleistungen, soweit sie auf der Nichtberücksichtigung der Anschaffungskosten als Betriebsausgaben bei der B beruhen, nicht unbillig. Die endgültige Nichtberücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Feststellungsbescheide für B entspricht nicht nur den Vorschriften des Verfahrensrechts, sondern auch den zu Grunde liegenden gesetzlichen Wertungen.
a) Die Kosten hätten materiell-rechtlich entweder ‑‑vorrangig‑‑ im Jahre 1993 oder ‑‑hilfsweise, auf der Grundlage des BFH-Urteils in BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758‑‑ im Jahre 1995 berücksichtigt werden können und müssen.
b) Für das Jahr 1993 widerspricht ein Erlass den in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertungen; auch müssen sich die Kläger entgegenhalten lassen, dass B die Ablehnung der Änderung nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen hat.
aa) Sollte das FA die Änderung zu Recht abgelehnt haben, dann deshalb, weil B ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Ausgaben getroffen hätte, das nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eine Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausschließt. Wenn tatsächlich grobes Verschulden vorgelegen hätte, verböte sich ein Erlass, der die hierauf beruhenden steuerlichen Nachteile ausgliche, von selbst.
bb) Sollte das FA die Änderung zu Unrecht abgelehnt haben, so hätte es B oblegen, gegen diese Ablehnung Einspruch einzulegen und ggf. zu klagen. Anhaltspunkte, warum es B unzumutbar gewesen sein sollte, gegen den Ablehnungsbescheid den Rechtsweg zu beschreiten, sind nicht erkennbar. Insbesondere ist dies nicht mehr damit zu erklären, dass zum damaligen Zeitpunkt in den neuen Bundesländern noch eine allgemeine Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Instituts der Betriebsaufspaltung bestanden haben könnte. Die Betriebsaufspaltung war zum Zeitpunkt des Änderungsantrages allen Beteiligten präsent; es ging nur noch um etwaige Irrtümer hinsichtlich der Änderungsmöglichkeiten nach der AO.
c) Für das Jahr 1995 gilt im Ergebnis das Gleiche. In der Zeit, in der eine Berücksichtigung der streitigen Ausgaben im Jahre 1995 noch möglich gewesen wäre, hat B die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, darauf hinzuwirken, nicht wahrgenommen. Nach Ablauf dieser Zeit kollidierte ein Erlass mit den grundsätzlichen Wertungen der §§ 172 ff. AO. Der Senat kann und muss in diesem Zusammenhang daher nicht beurteilen, ob und wann spätestens keine Änderungsmöglichkeiten mehr bestanden.
aa) Bereits bei Fertigung der Feststellungserklärung für 1995 und bei Erlass des ersten Bescheides für 1995 war B bekannt, dass das FA die fraglichen Anschaffungskosten im Jahre 1993 nicht berücksichtigt hatte. Gerade weil sie diesen Bescheid akzeptiert hatte, bestand Anlass zu prüfen, ob und ggf. in welchem Jahr stattdessen eine Berücksichtigung in Frage kommen könnte. Es beruhte auf einer freien Entscheidung der B, die Kosten nicht 1995, sondern 1994 geltend zu machen. In der Sache wäre der Ansatz der Kosten im Jahre 1995 auch nicht unzumutbar gewesen, sondern hätte sogar näher gelegen als der Ansatz im Jahre 1994. Dieser kam aus den im Urteil in BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758 dargelegten Gründen unter keinen Umständen in Betracht. Für 1995 drängte sich die Überlegung, dass zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Anschaffungskosten vom Veräußerungspreis abzusetzen sind, weil andernfalls Gewinne besteuert werden, die so nie entstanden sind, auch ohne besondere Überlegungen zur Systematik der Gewinnermittlung auf.
Spätestens nach Änderung des Feststellungsbescheides 1994 am 4. März 1999 hätte B alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen müssen, um die Anschaffungskosten steuerlich noch zu berücksichtigen. Wenn sie darauf für das Jahr 1995 verzichtete und sich stattdessen darauf verließ, eine Berücksichtigung im Jahre 1994 erreichen zu können, handelte sie auf eigenes Risiko. Ggf. hätte sie unter umfassender Wahrung aller Rechte und Möglichkeiten im Rechtsmittelwege die Berücksichtigung in beiden Jahren geltend machen können. Zwar hätte sie bei einer solchen Vorgehensweise für das "falsche" Jahr das Kostenrisiko des finanzgerichtlichen Verfahrens zu tragen gehabt. Dies kompensiert indes lediglich die damit einhergehende Ausschaltung des Risikos, den Rechtsbehelf auf das falsche Jahr beschränkt zu haben.
bb) Die zuletzt genannte Möglichkeit zeigt gleichzeitig, dass von dem Zeitpunkt an, zu dem der Feststellungsbescheid 1995 nicht mehr änderbar war, ein Erlass mit den Wertungen und Abgrenzungen der §§ 172 ff. AO, namentlich des § 174 AO, in Konflikt geriete.
Für intertemporale Kollisionen verschiedener Art stellt § 174 AO Änderungsmöglichkeiten zur Verfügung. Den hier vorliegenden negativen Widerstreit (doppelte Nichtberücksichtigung) zu korrigieren, ermöglicht § 174 Abs. 3 und 4 AO nur unter bestimmten, dort beschriebenen Voraussetzungen. Hätten diese Voraussetzungen vorgelegen, so hätte es wiederum B oblegen, über einen Änderungsantrag und ggf. Rechtsmittel die Änderung diesen Regeln entsprechend durchzusetzen. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf nicht im Erlasswege umgangen werden.
Eine allgemeine Änderungsmöglichkeit für den Fall, dass der Steuerpflichtige sein Begehren nach Berücksichtigung eines Sachverhalts in einem falschen Jahr anbringt und dies später erkennt, sieht das Gesetz nicht vor. Da es grundsätzlich in der Verantwortung des Steuerpflichtigen liegt, sein Anliegen in dem zutreffenden Jahr anzubringen, und er überdies unter Übernahme des entsprechenden Kostenrisikos das Risiko der Wahl des falschen Jahres ausschließen kann (vgl. unter aa a.E.), besteht keine Rechtsschutzlücke. Das Fehlen einer solchen Änderungsmöglichkeit ist daher nicht unbillig und gebietet einen Erlass nicht.
3. Aus dem Urteil in BFHE 210, 313, BStBl II 2005, 758 folgt nicht, dass ein Billigkeitserlass ausgesprochen werden müsste. Der IV. Senat hat mit seinen Formulierungen, dass die Änderung des Feststellungsbescheides 1995 "zu prüfen" und ggf. an eine Billigkeitsmaßnahme "zu denken" sei, deutlich gemacht, dass diese Bemerkungen kein Präjudiz für die endgültige Beurteilung beider Fragen enthalten sollten. Da 1995 nicht Streitgegenstand war, war das folgerichtig.