BFH III. Senat
EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 5, EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 9 Abs 5, EStG § 32 Abs 4 S 2, EStG § 32 Abs 4 S 5, EStG § 63, DBA USA Art 23 Abs 2 S 1 Buchst a S 1, EStG § 10 Abs 1 Nr 7
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 08. March 2009, Az: 8 K 295/06
Leitsätze
1. Erzielt das Kind durch sein regelmäßiges Ausbildungsverhältnis keine Einkünfte, sind seine Aufwendungen für die vorübergehende, von seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Ausbildungsstätte entfernte Ausbildung nicht nach Reisekostengrundsätzen bei der Ermittlung seiner Einkünfte und Bezüge zu berücksichtigen.
2. Miet- und Verpflegungsmehraufwendungen für die auswärtige Unterbringung des Kindes in Ausbildung sind bereits durch den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgegolten.
Tatbestand
I.
Der im September 1980 geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) studierte von Oktober 2001 bis zum Erlangen des Diploms im Jahr 2007 Informatik an der Universität K. Vom 3. Oktober 2005 bis Ende März 2006 absolvierte er ein Praktikum bei der Firma F in Princeton (Vereinigte Staaten von Amerika). Dort mietete er ein möbliertes Zimmer an. Während des Praktikums unterhielt er keine Wohnung in K, jedoch stand ihm während der gesamten Zeit ein Zimmer im Haus des Klägers zur Verfügung, wo er mit erstem Wohnsitz gemeldet war und er unverändert seinen Lebensmittelpunkt innehatte. S erhielt von der F einen Zuschuss für Unterkunft und Verpflegung von monatlich 1.400 US-Dollar (USD) sowie ‑‑nach seiner Wahl anstatt weiterer 300 USD‑‑ einen Mietwagen zur Nutzung.
In der Erklärung zu den Einkünften und Bezügen des S für das Kalenderjahr und Streitjahr 2005 gab der Kläger an, die das Praktikum betreffenden Ausgaben überstiegen das Praktikantengehalt um umgerechnet 276,83 €; daneben erklärte er nicht streitige Einkünfte aus selbständiger Arbeit von 7.400,88 €. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 19. Juli 2006 die Kindergeldfestsetzung für Januar bis Dezember 2005 auf, da die Einkünfte und Bezüge des S die Freigrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 2005 geltenden Fassung (EStG) von 7.680 € überstiegen. Der Kostenzuschuss der F zum Lebensunterhalt sei bei der Ermittlung der Einkünfte zu berücksichtigen, während die geltend gemachten Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung nicht als ausbildungsbedingter Mehrbedarf ‑‑von im Übrigen unstreitigen 1.454 €‑‑ abzuziehen seien. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es entschied, es könne offenbleiben, ob die Zahlungen der F im Inland steuerpflichtig oder nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 ‑‑DBA-USA 1989‑‑ (BGBl II 1991, 355) steuerfrei seien. Im ersten Fall müssten sie als Einkünfte, im zweiten Fall als Bezüge bei der Prüfung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG berücksichtigt werden. Da es sich der Art nach um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handele, müsse in jedem Fall ein Werbungskostenabzug bzw. ein ausbildungsbedingter Mehrbedarf berücksichtigt werden. Zwar komme ein Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen für die Zeit des Praktikums sowie der Aufwendungen für die dortige Wohnung nach den Grundsätzen einer (echten) doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG nicht in Betracht, da S seinen eigenen Hausstand in K aufgegeben habe und im Übrigen in den elterlichen Hausstand eingegliedert gewesen sei. Auch die Grundsätze einer zeitlich beschränkten (unechten) doppelten Haushaltsführung kämen nicht zum Tragen, da ein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ausgeschlossen sei und die betreffenden Aufwendungen auch nicht als ausbildungsbedingter Mehrbedarf angesehen werden könnten, da nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Mai 2002 VIII R 74/01 (BFHE 199, 283, BStBl II 2002, 695) die Miet- und Verpflegungsmehraufwendungen für die auswärtige Unterbringung typischerweise bereits mit dem Jahresgrenzbetrag abgegolten seien. Die Aufwendungen des S für Verpflegung und Unterkunft seien jedoch in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Sätze 2, 4 und 5 EStG und des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Denn S habe seine Ausbildung vorübergehend von seiner regelmäßigen Ausbildungsstätte in K und seiner Wohnung im Elternhaus entfernt fortgesetzt. Danach seien die Verpflegungsmehraufwendungen mit 2.160 €, Fahrten zwischen auswärtiger Unterkunft und Tätigkeitsstätte mit weiteren 198 € sowie Kosten der auswärtigen Unterkunft mit 1.299,21 € zu berücksichtigen, so dass sich die Einkünfte und Bezüge des S auf 6.524,84 € beliefen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die tatsächliche Verständigung der Beteiligten, die Mietwagengestellung habe zu einem Barlohn von 300 USD geführt, wirksam und für das FG bindend sei. Denn auch bei Einordnung der Mietwagengestellung als Sachbezug nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG überstiegen die Einkünfte und Bezüge ‑‑bei einem angenommenen Listenneupreis des Fahrzeuges von umgerechnet 15.000 €‑‑ den maßgebenden Grenzbetrag nicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Familienkasse eine Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG. Im Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei der existenznotwendige Bedarf eines auswärtig untergebrachten Kindes bereits berücksichtigt. Ein Ansatz der Kosten des S für Unterkunft und Verpflegung nach Reisekostengrundsätzen sei danach verfehlt.
Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Unterbringungskosten sowie zusätzliche Verpflegungskosten am Ausbildungsort seien als ausbildungsbedingter Mehraufwand anzuerkennen. Diese Kosten fielen zusätzlich zu den mit dem Jahresgrenzbetrag abgegoltenen Unterkunftskosten am Heimatort an. Soweit bei einer Veranlagung des Kindes dessen Aufwendungen für eine auswärtige Unterbringung auch ohne Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben Berücksichtigung fänden, während dies bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 5 EStG nicht gelten solle, sei für diese Ungleichbehandlung keine Begründung ersichtlich. Ein Gleichheitsverstoß liege vor im Verhältnis der Eltern von Kindern an einer heimischen Ausbildungsstätte zu Eltern von Kindern an einer Ausbildungsstätte außerhalb des Elternwohnsitzes im Inland und erst recht im Ausland.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
1. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2, § 63 EStG wird im Streitjahr 2005 ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, für die Festsetzung von Kindergeld nur dann berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 € im Kalenderjahr hat.
a) Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten abzuziehen (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664).
b) Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind in der Regel alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden. Von den Bezügen wird eine Kostenpauschale von 180 € abgezogen.
c) Nach der Rechtsprechung des BFH (u.a. Urteile vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491, und VI R 52/98, BFHE 193, 453, BStBl II 2001, 489) sind die nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG um ausbildungsbedingten Mehraufwand zu kürzen. Es handelt sich dabei um solche nachgewiesenen Aufwendungen, die wegen der Ausbildung zu den Kosten der Lebensführung hinzukommen (z.B. Studiengebühren, Aufwendungen für Bücher usw.). Nicht zu den ausbildungsbedingten Mehraufwendungen gehört jedoch in der Regel der mit dem Jahresgrenzbetrag bereits typischerweise abgegoltene erhöhte Lebensbedarf wegen einer auswärtigen Unterbringung (BFH-Urteile vom 25. Juli 2001 VI R 78/00, BFH/NV 2001, 1558; in BFHE 199, 283, BStBl II 2002, 695; in BFH/NV 2008, 1664).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Kindergeld bejaht. Denn die Einkünfte und Bezüge des S übersteigen den Jahresgrenzbetrag von 7.680 €. Die betreffenden Unterbringungs- und Verpflegungsmehraufwendungen können nicht als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG abgezogen werden, sie führen auch nicht als ausbildungsbedingter Mehraufwand nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG zur Kürzung der Einkünfte und Bezüge.
a) Zu den Einkünften des S gehört der erzielte Gewinn aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) von unstreitig 7.400,88 €.
b) S hat im Streitjahr von der F ‑‑außer der Mietwagengestellung‑‑ einen Geldbetrag in Höhe von 4.200 USD erhalten. Der Senat kann offen lassen, ob diese Vorteile als Vergütung, Zuschuss oder Unterhaltsbeitrag nach Art. 15, Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Satz 1, Art. 23 Abs. 2 Satz 2 DBA-USA 1989 bei S als einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden. Denn in diesem Falle wären sie zwar nicht als Einkünfte des S, jedoch als dessen Bezüge zu erfassen.
Da der in Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 verwendete Begriff der "Einkünfte" nicht nur positive, sondern auch negative Einkünfte umfasst, werden nach dieser Vorschrift nicht nur die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, sondern auch die damit zusammenhängenden Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Danach bestimmt sich auch die Ermittlung der nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Satz 1 DBA-USA 1989 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmenden Einkünfte, d.h. gegebenenfalls der betreffenden Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, nach den einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts und damit nach § 2 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 2009 I R 25/08, BFHE 224, 498, BStBl II 2010, 536, m.w.N.).
aa) Der S zugeflossene Geldbetrag von 4.200 USD ist nach § 32 Abs. 4 Satz 10 EStG entsprechend dem für Ende September 2004 von der Europäischen Zentralbank bekannt gegebenen Referenzkurs von 1 € = 1,2409 USD umzurechnen. Dies entspricht Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit von 3.384,64 €.
Angesichts der Höhe der sich ergebenden Einkünfte und Bezüge kommt es nicht darauf an, ob die darüber hinaus zu berücksichtigende Mietwagengestellung gemäß der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten als Barlohn mit weiteren 900 USD (725,28 €) oder als Sachbezug mit den sich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anzusetzenden Werten zu bemessen ist.
bb) Als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) von den Einnahmen des S aus nichtselbständiger Arbeit in Abzug zu bringen sind die zwischen den Beteiligten unstreitigen Aufwendungen von 914 €, im Einzelnen für den Hinflug 300 €, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 198 €, Visum einschließlich Fahrtkosten 233 €, dienstliche Telefonate 36 € sowie Toefl-Test einschließlich Fahrtkosten 147 €. Weitere Werbungskosten sind nicht abzuziehen.
cc) Zutreffend hat das FG entschieden, dass S Wohnungs- und Verpflegungsmehraufwendungen weder unter dem Gesichtspunkt der (echten) doppelten noch der zeitlich beschränkten (unechten) doppelten Haushaltsführung abziehen kann (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).
Diese Aufwendungen können auch nicht in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2, 4 und 5 EStG (Verpflegungsmehraufwendungen) und des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (Kosten der Unterkunft) nach Reisekostengrundsätzen bei der Einkünfteermittlung abgezogen werden. Die Gewinnermittlungsvorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig wird. Der Begriff des Tätigkeitsmittelpunkts entspricht dem Begriff der (regelmäßigen) Arbeitsstätte des Arbeitnehmers i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 16/04, BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789) ist hierunter der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers zu verstehen.
Die Ausbildung des S an seiner regelmäßigen Ausbildungsstätte an der Universität K ist jedoch keiner Einkunftsart zuzuordnen (§ 12 Nr. 5 EStG), weshalb auch seine Aufwendungen für die vorübergehende, von seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Ausbildungsstätte entfernte Ausbildung in Princeton nicht nach Reisekostengrundsätzen bei der Ermittlung seiner Einkünfte Berücksichtigung finden können.
c) Die Einkünfte und Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG um den ausbildungsbedingten Mehraufwand zu kürzen. Als solchen hat die Familienkasse ‑‑zwischen den Beteiligten unstreitige‑‑ Kosten des S für Fahrten zwischen seiner Wohnung und der ständigen Ausbildungsstätte von 216 € sowie für Familienheimfahrten von 324 € anerkannt.
Weiterer ausbildungsbedingter Mehraufwand ist im Streitfall nicht zu berücksichtigen, insbesondere nicht Kosten des S für auswärtige Unterbringung und Verpflegung.
aa) Bei der Bemessung des Jahresgrenzbetrages des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist bereits berücksichtigt, dass viele in Ausbildung befindliche Kinder einen erhöhten Lebensbedarf haben, weil es an einer gemeinsamen Wirtschaftsführung mit den Eltern fehlt (BFH-Urteile in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; in BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491; vom 14. November 2000 VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495; in BFH/NV 2001, 1558; in BFHE 199, 283, BStBl II 2002, 695; in BFH/NV 2008, 1664).
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass solche Aufwendungen bei der Veranlagung des Kindes ggf. nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden können. Zweck der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist die Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern und nicht die des Kindes. Stellt der Gesetzgeber hinsichtlich des Grenzbetrages auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes ab, muss dieser Grenzbetrag so bemessen sein, dass dem Kind nach Abzug der nicht vermeidbaren Sonderausgaben in dem von der Verfassung vorgegebenen Umfang noch ausreichende Mittel verbleiben, um seinen existenznotwendigen Bedarf zu decken. Von Verfassungs wegen ist es dagegen nicht geboten, den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG unter pauschalierender Berücksichtigung sämtlicher Sonderausgaben nach § 10 EStG zu bemessen, zumal andere Sonderausgaben als etwa die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung dem Kind nicht mit derselben Zwangsläufigkeit entstehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566).
cc) Schließlich ist der Kläger nicht dadurch beschwert, dass der volle Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auch dann zur Anwendung kommt, wenn das Kind nicht auswärtig untergebracht ist und keine entsprechenden, im Jahresgrenzbetrag berücksichtigten Mehraufwendungen entstehen. Soweit das Kindergeld für die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht erforderlich ist, dient es im Übrigen der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG).