BFH VII. Senat
AO § 37 Abs 2 S 1, EStG § 37 Abs 1, EStG § 36 Abs 2 Nr 1, EStG § 36 Abs 4 S 2, EStG § 26 Abs 1
vorgehend FG Köln, 26. April 2010, Az: 1 K 3389/07
Leitsätze
Vorauszahlungen eines Ehegatten aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheides dienen letztlich der Tilgung der zu erwartenden Steuerschulden beider Ehegatten, unabhängig davon, ob die Eheleute später zusammen oder getrennt veranlagt werden. Sie sind deshalb zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Ein verbleibender Rest ist nach Kopfteilen an die Ehegatten auszukehren (Fortentwicklung der Rechtsprechung) .
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der im Jahr 2001 mit seiner damaligen Ehefrau zusammenlebte, leistete aufgrund eines an beide Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheides für die Einkommensteuer des Jahres 2001 Vorauszahlungen in Höhe von 23.298 €, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) aufgrund einer Einzugsermächtigung von seinem Konto abbuchte. Das Zusammenleben der Eheleute dauerte bis Ende 2001 oder Anfang 2002 an. Später wurde die Ehe geschieden.
Die frühere Ehefrau des Klägers beantragte im Mai 2003 die getrennte Veranlagung für das Jahr 2001. In der Folgezeit führten der Kläger und das FA einen Schriftwechsel über die Höhe der Anrechnung der Vorauszahlungen bei der Veranlagung des Klägers, in dem der Kläger die Anrechnung in voller Höhe, zumindest aber im Verhältnis der Einkünfte der Eheleute ‑‑zu ca. 77 %‑‑ forderte, während das FA anbot, ihm die Vorauszahlung bis September zur Hälfte, danach voll zuzurechnen.
Der gegen den Kläger ergangene Einkommensteuerbescheid 2001 enthielt jedoch keine Anrechnung der Vorauszahlungen und setzte eine Zahllast von 15.090,63 € fest, die durch Abbuchung vom Konto des Klägers beglichen wurde. Die Veranlagung der Ehefrau ergab eine Zahllast von 727,93 €.
Die für das Jahr 2001 geleisteten Vorauszahlungen überschritten rechnerisch die Summe der für dieses Jahr in den Einkommensteuerbescheiden beider Ehegatten ausgewiesenen Zahllasten um 7.480,44 €.
Im Dezember 2004 erhielt der Kläger nach einer an ihn adressierten Mitteilung über die bevorstehende Auszahlung der Erstattung mit dem Betreff "Auszahlung eines Erstattungsbetrages für Herrn ... (Kläger) und Frau ... (Ehefrau)" vom FA eine Erstattung des vollen Betrages der Vorauszahlungen, teils durch Anrechnung auf geschuldete Umsatzsteuer, teils durch Überweisung auf sein Konto.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. November 2006 forderte das FA vom Kläger die Hälfte des ihm erstatteten Betrages zurück. In der Einspruchsentscheidung führte das FA aus, der Kläger habe nur Anspruch auf Anrechnung der Hälfte der Vorauszahlungen, da Vorauszahlungen eines Ehepartners bei zusammenlebenden Eheleuten als auf beider Steuerschuld geleistet gelten, wenn ‑‑wie geschehen‑‑ keine gegenteilige Absicht bekundet werde.
Die Klage, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Aufhebung des angegriffenen Rückforderungsbescheides beschränkte, soweit der Rückforderungsbetrag 3.740,22 € übersteigt, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass der Rückforderungsbescheid insoweit rechtswidrig sei, weil die Steuerrückzahlung des FA bis auf den Betrag von 3.740,22 € mit Rechtsgrund i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) erfolgt sei. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) habe der Kläger Anspruch auf Anrechnung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer beider Eheleute gehabt. Die überschüssige Vorauszahlung stehe beiden Eheleuten zur Hälfte zu, sie sei ihm deshalb in Höhe von 3.740,22 € zu erstatten.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2003 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA geltend, dass es keine gesetzlichen Grundlagen gebe, die geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen in der vom FG angeordneten Weise auf die Ehegatten aufzuteilen. Da die Einkommensteuervorauszahlungen für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden seien, seien beide Ehegatten auch anteilig erstattungsberechtigt. Der Erstattungsbetrag sei nach dem Willen des Zahlenden im Zeitpunkt der Zahlung zu ermitteln.
Der Kläger hält das FG-Urteil im Ergebnis für richtig. Infolge der gegen ihn festgesetzten Einkommensteuer 2001 entfalte die Vorauszahlungsfestsetzung keine Wirkung mehr, so dass der Rechtsgrund i.S. des § 37 Abs. 2 AO entfallen sei. Ferner sei dem FA im Zeitpunkt der getrennten Veranlagungen hinreichend bekannt gewesen, dass die Ehe nicht mehr intakt gewesen sei und dass er, der Kläger, eine Anrechnung der von ihm entrichteten Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe der durch seine Einkünfte ausgelösten Steuerschuld begehre.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist nur zu einem geringen Teil begründet. Das Urteil entspricht nicht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑), soweit das FG den Rückforderungsbescheid des FA vom 22. November 2006 in dem beantragten Umfang aufgehoben hat. Die Rückforderung ist vielmehr in Höhe von 4.467 € (statt 3.740,22 €) berechtigt.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung bewirkt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung eines zurückgezahlten Betrages, wenn ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gilt sowohl für den Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen gegen das FA als auch für den umgekehrten Fall der Rückforderung einer an den Steuerpflichtigen rechtsgrundlos gezahlten Steuererstattung durch das FA (Urteil des Senats vom 13. Februar 1996 VII R 89/95, BFHE 180, 1, BStBl II 1996, 436, m.w.N.).
1. Leistungsempfänger und damit richtiger Adressat eines Anspruchs auf Rückzahlung zuviel geleisteter Erstattung ist im Streitfall der Kläger. Auch wenn die an den Kläger adressierte Mitteilung über die bevorstehende Auszahlung der Erstattung im Betreff "Auszahlung eines Erstattungsbetrages für Herrn ... (Kläger) und Frau ... (Ehefrau)" benennt, ergibt sich aus dem Verfahrensgang und den schriftsätzlichen Einlassungen, dass das FA und der Kläger übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass die Zahlung für den Kläger bestimmt war.
2. Die Rückforderung des die Hälfte der zurücküberwiesenen Vorauszahlungen überschreitenden Betrages scheitert nicht schon daran, dass diese Hälfte zwar der Ehefrau zugestanden, das FA aber gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG mit befreiender Wirkung an den Kläger geleistet haben könnte. Denn nach dieser Vorschrift wirkt die Auszahlung an einen Ehegatten für und gegen den anderen Ehegatten nur, wenn beide nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind.
3. Soweit die Rückforderung den Betrag von 4.467 € (3.740 € plus 727 € ‑‑für die Ehefrau festgesetzte Einkommensteuer-Zahllast‑‑ bzw. die Differenz zwischen den geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 23.298 € und der Einkommensteuerzahllast des Klägers in Höhe von 15.091 € plus 3.740 €) überschreitet, ist der Rückzahlungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO nicht gegeben, da dieser Betrag im Dezember 2004 vom FA nicht rechtsgrundlos erstattet worden ist.
a) Die Erstattung wäre rechtsgrundlos erfolgt, wenn das FA die Vorauszahlungen aufgrund des Vorauszahlungsbescheides hätte behalten dürfen. So verhält es sich aber nicht. Denn der Vorauszahlungsbescheid ist durch den Einkommensteuerbescheid und dieser ist durch die Tilgung der Steuerschuld als Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Vorauszahlungsbeträge nachträglich entfallen.
aa) Ein Vorauszahlungsbescheid verliert durch den Jahressteuerbescheid seine Wirksamkeit, da der Jahressteuerbescheid den Vorauszahlungsbescheid in seinen Regelungsgehalt aufnimmt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑, vgl. z.B. Entscheidungen vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671; vom 22. Oktober 2003 V B 103/02, BFH/NV 2004, 502). Der Einkommensteuerbescheid bildet einen neuen Rechtsgrund für die Steuerzahlungen, so dass sich der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid nach § 124 Abs. 2 AO "auf andere Weise" erledigt hat (BFH-Urteil vom 12. Oktober 1995 I R 39/95, BFHE 179, 91, BStBl II 1996, 87, m.w.N.). Der Einkommensteuerbescheid ist vielmehr die alleinige Grundlage für die Verwirklichung der Steuerschulden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Juli 1995 GrS 3/93, BFHE 178, 11, BStBl II 1995, 730).
bb) Da die Einkommensteuerschuld durch die Abbuchung vom Konto des Klägers erloschen ist, hat sich auch der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 erledigt; er kann daher keinen Rechtsgrund mehr dafür darstellen, dass das FA die geleisteten Vorauszahlungsbeträge behalten darf.
b) Die Auszahlung des jetzt zurückgeforderten Betrages war im Streitfall auch nicht deshalb rechtsgrundlos, weil ihr kein förmlicher Abrechnungsbescheid zugrunde lag, den der Kläger zur Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs hätte erwirken müssen. Der Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO entsteht unmittelbar mit dem Wegfall der Rechtsgrundlage (§ 38 AO; vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639). Er setzt keine vorherige Festsetzung durch Verwaltungsakt voraus (vgl. Urteil des Senats vom 30. April 1996 VII R 122/94, BFH/NV 1996, 866; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 218 AO Rz 33, m.w.N). Eine solche Festsetzung wird nur erforderlich, wenn das FA die Erstattung verweigert, weil es den Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bestreitet. Wenn im Streitfall die Rückforderung des zunächst erstatteten Betrages als ein derartiges Bestreiten des Rückzahlungsanspruchs zu werten wäre, könnte allenfalls der streitige Rückforderungsbescheid als Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO angesehen werden (so wohl auch Alber in HHSp, § 218 AO Rz 34, m.w.N.).
c) Gleichwohl ist die Rückforderung des FA in der tenorierten Höhe berechtigt, weil der Kläger in diesem Umfang nicht erstattungsberechtigt ist. Der Wegfall des Vorauszahlungs- und des Einkommensteuerbescheides als Rechtsgrund dafür, dass das FA die vom Kläger geleisteten Zahlungen hätte behalten dürfen, bedeutet nicht zugleich, dass der Kläger die volle Rückzahlung beanspruchen konnte. Denn dem Kläger sind ‑‑im Rahmen des nach § 37 Abs. 2 AO zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger (FA) bestehenden Rückgewährschuldverhältnisses‑‑ die gezahlten Vorauszahlungen in Höhe von 4.467 € nicht als Leistendem zuzurechnen.
aa) Grundsätzlich ist nach § 37 Abs. 2 AO derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist und nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (Senatsurteil vom 30. September 2008 VII R 18/08, BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38). Den Finanzbehörden wird damit nicht zugemutet, im Einzelfall die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und einem zahlenden Dritten daraufhin zu überprüfen, wer von ihnen ‑‑im Innenverhältnis‑‑ auf die zu erstattenden Beträge materiell-rechtlich einen Anspruch hat (Senatsurteil vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41).
Lässt sich aus den dem FA bei Zahlung erkennbaren Umständen nicht entnehmen, wessen Steuerschuld der zahlende Gesamtschuldner (§ 44 AO) begleichen wollte, so wird im Allgemeinen angenommen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte (Senatsurteil vom 18. Februar 1997 VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482, m.w.N.).
bb) Anders kann dies jedoch nach der Rechtsprechung des Senats sein, wenn ein Ehegatte auf die Gesamtschuld gezahlt hat. In Bezug auf den Erstattungsanspruch sind die Ehegatten weder Gesamtgläubiger i.S. des § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) noch Mitgläubiger i.S. des § 432 BGB (Senatsbeschluss vom 17. Februar 2010 VII R 37/08, BFH/NV 2010, 1078). Vielmehr steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (vgl. Senatsurteile in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41; vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742, und in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38; Senatsbeschluss vom 10. Februar 2000 VII B 152/99, BFH/NV 2000, 940). Liegen keine Anhaltspunkte oder ausdrücklichen Absichtsbekundungen vor, kann das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteile in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38; vom 15. November 2005 VII R 16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.). Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem FA zum Zeitpunkt der Vorauszahlung darstellten (Senatsurteil in BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742).
(1) Die danach unterstellte Tilgungsabsicht hat nach bisheriger Rechtsprechung zur Folge, dass im Fall einer ‑‑durch die Anrechnung der Vorauszahlungen auf die gegen die zusammen veranlagten Eheleute festgesetzte Steuer entstandenen‑‑ Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (Senatsurteil in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38).
(2) Diese hälftige Zuordnung der geleisteten Vorauszahlungen hat der Senat auch in den Fällen ‑‑bei Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO oder getrennter Veranlagung nach § 26a EStG‑‑ für geboten erachtet, in denen die Anrechnung dieses Teilbetrages nicht zur Tilgung der für den einen Ehegatten festgesetzten Jahressteuer ausreicht, so dass er eine Abschlusszahlung zu leisten hat, während für den anderen Ehegatten nach Anrechnung noch ein Auszahlungsanspruch verbleibt.
cc) Nach dieser Rechtsprechung hätte der Kläger den an ihn ausgezahlten Betrag nur zur Hälfte mit Rechtsgrund erhalten. Nach den Feststellungen des FG wurden die fälligen Vorauszahlungsbeträge durch Abbuchung vom Konto des Klägers entrichtet. Eine Tilgungsbestimmung, die als empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 130 Abs. 1 BGB erst mit ihrem Zugang beim FA wirksam würde (Senatsurteil in BFH/NV 1997, 482), hat der Kläger nicht abgegeben.
Von der Trennung der Eheleute hat das FA erst nach Ablauf des Veranlagungsjahres durch den Antrag der Ehefrau des Klägers auf getrennte Veranlagung erfahren. Im Vorauszahlungszeitraum durfte das FA daher vom Regelfall ausgehen, dass die Zahlungen vom Kläger für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden sind.
Auch spielt keine Rolle, dass die Beträge ausschließlich vom Konto des Klägers abgebucht wurden und dass die festgesetzten Vorauszahlungen ausschließlich auf den Einkünften des Klägers aus selbständiger Tätigkeit beruhten. Denn es ist hinsichtlich der Tilgungsabsicht unerheblich, welcher der Ehegatten in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld geführt haben (Senatsurteil in BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.).
dd) Nach nochmaliger Überprüfung sieht sich der Senat aber veranlasst, diese ‑‑mit dem Urteil in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41 eingeleitete‑‑ Rechtsprechung fortzuentwickeln:
Eine Erstattung von Vorauszahlungen kommt im Regelfall nur hinsichtlich des Betrages in Betracht, um den die Vorauszahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer übersteigt. Das gilt sowohl im Fall der Zusammenveranlagung als auch wenn getrennte Veranlagung gewählt wird. Ist die Vorauszahlung ‑‑insbesondere wegen anderweitiger Tilgung der Steuerschulden‑‑ nicht bestimmungsgemäß auf die festgesetzten Steuern angerechnet worden, so ist die Vorauszahlung bei getrennter Veranlagung zunächst in Höhe des festgesetzten Betrages dem Ehegatten zu erstatten, auf dessen Schuld sie sonst anzurechnen gewesen wäre. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibt, ist dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten.
(1) Die vorrangig vor jedweder Aufteilung vorzunehmende Verrechnung der Vorauszahlungen mit der später festgesetzten Einkommensteuer entspricht sowohl dem Sinn und Zweck der Vorauszahlung als auch den Vorstellungen, die die an dem Vorauszahlungsvorgang Beteiligten ‑‑auch das FA‑‑ in der Regel mit der Zahlung verbinden.
Vorauszahlungen sind nach § 37 Abs. 1 EStG ‑‑unabhängig davon, wer sie zahlt oder von wessen Konto sie abgebucht werden‑‑ auf die für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich geschuldete Einkommensteuer zu entrichten. Die Festsetzung von Vorauszahlungen dient der Sicherung eines stetigen Steueraufkommens (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2004 VI R 182/97, BFHE 208, 273, BStBl II 2005, 358), nicht dagegen dem Ansparen des künftig zur Tilgung der Einkommensteuer benötigten Betrages. Das macht auch ‑‑worauf das FG zutreffend hingewiesen hat‑‑ die Anrechnungsvorschrift in § 36 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 2 EStG deutlich, wonach eine Auszahlung nur des überschießenden Vorauszahlungsbetrages angeordnet ist.
Angesichts dieser klaren gesetzlichen Zweckbestimmung der Vorauszahlungen ist auch davon auszugehen, dass sich der, der auf einen an ihn und seinen Ehegatten gerichteten Vorauszahlungsbescheid leistet, nicht nur bewusst ist, dass seine Zahlungen in Höhe der später festgesetzten Einkommensteuer endgültig beim Fiskus verbleiben sollen, sondern dass er die ‑‑wenn auch unmittelbar zur Erfüllung der Gesamtschuld aus dem Vorauszahlungsbescheid entrichteten‑‑ Zahlungen auch leistet, um damit die zu erwartende Einkommensteuer beider Ehegatten zu tilgen. Diese Beurteilung gründet sich auf die gleichen Erwägungen, auf die die bisherige Rechtsprechung den gesamtschuldnerischen Tilgungswillen bezüglich der Vorauszahlungen gestützt hat: Ist die im Zeitpunkt der Vorauszahlungen noch bestehende Wirtschaftsgemeinschaft hinreichender Anknüpfungspunkt dafür, die Vorauszahlungen als für Rechnung beider Ehegatten geleistet zu unterstellen, dann ist daraus auch der in diesem Zeitpunkt übereinstimmende Wille abzuleiten, dass diese Vorauszahlungen später dafür verwendet werden sollen, die auf beide Ehegatten später entfallenden Steuerschulden auszugleichen.
Dem Zweck der Vorauszahlung wird die bisherige Rechtsprechung in den Fällen nicht gerecht, in denen bei getrennter Veranlagung oder Abrechnung unterschiedlich hohe Steuerschulden bei den Ehegatten anfallen: Bei hälftiger Aufteilung der Vorauszahlungen wird der Teil des Vorauszahlungsbetrages, der auf den Ehegatten mit der geringeren Steuerlast entfällt, nicht vollständig auf eine Steuerschuld angerechnet, während der Ehegatte mit der höheren Steuerbelastung nachzahlen muss. Das kann dazu führen, dass der Fiskus mit einer Steuerforderung ausfällt, wenn der höher belastete Steuerschuldner zwischenzeitlich seine Leistungsfähigkeit verloren hat, obwohl die Steuer durch die bereits gezahlten Vorauszahlungen bereits "gesichert" schienen. Dieses Ergebnis ist aber allein mit dem typisierten ‑‑nur auf die Vorauszahlungen fokussierten‑‑ Tilgungswillen der in einer Wirtschaftsgemeinschaft lebenden Eheleute nicht zu rechtfertigen.
(2) Ein ‑‑nach Verrechnung der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer mit den Vorauszahlungen verbleibender‑‑ Betrag ist nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung (z.B. in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38) nach Kopfteilen zu erstatten, wenn die Eheleute für die Vorauszahlungen keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen haben.
(3) Wie aufzuteilen wäre, wenn die Vorauszahlung zur Tilgung beider Zahllasten nicht ausreichte ‑‑ob sie etwa im Verhältnis der Steuerbeträge anzurechnen bzw. auszuzahlen wäre (sofern die Anrechnung unterblieben und nicht nachzuholen ist)‑‑ ist im Streitfall, in dem ein Überschuss zu verteilen war, ebenfalls nicht zu entscheiden.
ee) Im Streitfall kann der Kläger danach die voll an ihn zurückgezahlten Vorausleistungen nur in Höhe von 18.831 € ‑‑der gegen ihn festgesetzten Einkommensteuer von 15.091 € zuzüglich der Hälfte des rechnerisch nach Abzug der Einkommensteuer beider Ehegatten verbleibenden Vorauszahlungsbetrages ([23.298 € - 15.090,63 € - 727,93 €] : 2 = 3.739,72 €, gerundet 3.740 €)‑‑ beanspruchen. Daher ist der Rückforderungsbescheid des FA in Höhe von 4.467 € (23.298 € - 18.831 €) rechtmäßig und im Übrigen vom FG zu Recht aufgehoben worden.
4. Ob die Geltendmachung dieses Rückforderungsanspruchs wegen der besonderen Umstände des Falles gegen den ‑‑auch im Steuerrecht geltenden‑‑ Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (vgl. hierzu generell BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl II 1989, 990), insbesondere ob der Kläger Verwirkung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121, 124) geltend machen könnte, kann offenbleiben. Zum einen fehlt es im Streitfall an einem Verhalten des FA, welches für den Kläger den eindeutigen Schluss zuließe, dass die zu Unrecht zurückerstatteten Vorauszahlungen nicht zurückgefordert werden. Zum anderen hat der Kläger eine grundsätzliche Rückzahlungsverpflichtung selbst eingeräumt. Zwar ist der vom Kläger eingeräumte Rückzahlungsbetrag niedriger als der nunmehr vom Senat berechnete. Wie sich aus der Revisionserwiderung ergibt, folgt er aber der Rechtsauffassung des FG, die der Senat nunmehr lediglich konkretisiert hat. Gegen die ‑‑so berechnete‑‑ Rückforderung wendet sich der Kläger dem Grunde nach nicht.