BFH IX. Senat
FöGbG § 3, EStG § 7a
vorgehend FG Düsseldorf, 16. December 2009, Az: 11 K 89/07 F
Leitsätze
NV: Anzahlungen auf Anschaffungskosten sind auch dann nach dem FördG begünstigt, wenn das im Zeitpunkt der Anschaffung geschuldete Gebäude einschließlich der bedungenen Modernisierungsmaßnahmen mit dem sodann gelieferten Vertragsgegenstand trotz einiger nach der Anzahlung vorgenommenen Änderungen im Zuschnitt und der im Einzelnen geplanten Nutzung im Wesentlichen übereinstimmt .
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR, die von Architekten gegründet wurde, um ein in einem innerstädtischen Sanierungsgebiet gelegenes Gebäude (historisches Stadthaus) in … zu erwerben, zu modernisieren und anschließend mit gewerblich genutzten Einheiten zu vermieten. Alleiniger geschäftsführender Gesellschafter war der Beigeladene zu 1.
Mit notariellem Vertrag vom 22. Dezember 1998 erwarb die Klägerin den mit dem Stadthaus bebauten Grundbesitz von einer Gesellschaft (GmbH), deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladene zu 1 war. Der Gebäudekomplex "Stadthaus" besteht aus sechs, im Karree mit Innenhof aneinandergrenzenden Einzelgebäuden, die teilweise unter Denkmalschutz stehen. Die GmbH hatte ihrerseits das Objekt von der Stadt erworben und war nach dem notariellen Vertrag mit der Klägerin verpflichtet, die Gebäude zu modernisieren und umzubauen. Die in Bezug genommene Nutzflächenberechnung sah eine gemischte Nutzung des Gebäudekomplexes vor. Vom Gesamtkaufpreis für den Grundbesitz zahlte die Klägerin den Nettokaufpreis von 7.420.000 DM vereinbarungsgemäß am 31. Dezember 1998 Zug um Zug gegen Aushändigung einer Bürgschaft (§ 7 der Makler- und Bauträgerverordnung) an die das Bauvorhaben vorfinanzierende Bank, an die die GmbH ihren Kaufpreiszahlungsanspruch abgetreten hatte.
In einem privatschriftlichen Ergänzungsvertrag vom 22. Dezember 1998 umschrieben die Parteien des Kaufvertrags den Leistungsumfang der GmbH. Es sollte danach kein neues Gebäude errichtet, der alte Baubestand aber grundlegend saniert und modernisiert werden. Geplant war "grundsätzlich" die Errichtung eines Geschäfts- und Wohnhauses. In der folgenden Zeit wurde parallel zur Durchführung der Modernisierungs- und Sanierungsarbeiten die Bauplanung in Bezug auf die in Aussicht genommene Nutzung des Stadthauses mehrfach geändert und es wurden auch geänderte Bauanträge gestellt.
Die Modernisierungsmaßnahmen wurden weitgehend im Jahr 2000 abgeschlossen. Im Jahr 2001 wurden noch Restarbeiten durchgeführt und im Jahr 2002 wurde das Parkdeck fertig gestellt. Das Objekt wird seitdem wie folgt genutzt: Ladenlokale im Erdgeschoss, Büros im ersten Obergeschoss und Mischnutzung (Büros, Wohnungen) im zweiten und dritten Obergeschoss.
Indes kam es bereits im Oktober 2001 zur Beendigung der Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der GmbH infolge des Ausscheidens des Beigeladenen zu 1. aus der GmbH. Die Klägerin betrieb das Bauvorhaben ab diesem Zeitpunkt selbst weiter. Sie forderte einen Teil des Kaufpreises von der GmbH zurück. Zu einer Rückzahlung kam es wegen der Insolvenz der GmbH aber nicht mehr.
Die Klägerin machte in ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr (1999) im Rahmen eines Werbungskostenüberschusses bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 40 % der im Jahr 1998 geleisteten Anzahlung (7.420.000 DM), also 2.968.000 DM geltend.
Eine Außenprüfung für die Jahre 1998 bis 2000 kam zu dem Ergebnis, die Fördergebietsabschreibung sei wegen fehlender Objektidentität nicht zu berücksichtigen. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) und stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ohne Berücksichtigung der Sonderabschreibungen fest.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) im Schreiben vom 17. September 1998 (BStBl I 1998, 1128, unter II.) zwar grundsätzlich insoweit, als das im Kaufvertrag genannte Wirtschaftsgut mit dem gelieferten Wirtschaftsgut in tatsächlicher Hinsicht übereinstimmen müsse. Von einer derartigen Objektidentität sei im Streitfall aber auszugehen; denn das Objekt sei durch die mehrfach vorgenommenen Planungsänderungen nicht wesentlich verändert worden. Es sei eine Mischnutzung geplant und dann auch verwirklicht worden. Wenn das BMF (a.a.O.) bereits die Änderung der Anzahl der Wohnungen oder Räume als schädlich ansehe, könne das FG dem nicht folgen. Von dem Gesamtbetrag der Anzahlungen von 7.420.000 DM sei zunächst ein Teilbetrag von 1 Mio. für das Parkdeck abzuziehen, weil insoweit keine Anzahlung vorliege. Von dem verbleibenden Betrag entfallen auf die Modernisierung (unstreitig) 5.109.004 DM. Die zu gewährende Sonderabschreibung für das Streitjahr betrage also 2.043.602 DM.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung materiellen Rechts (§ 4 FördG) stützt. Wie im Investitionszulagenrecht müsse auch im Anwendungsbereich des Fördergebietsgesetzes die Investitionsentscheidung vor Ende des Förderzeitraums konkret und nachprüfbar für das begünstigte Objekt vorliegen. Bei Gebäuden ermögliche der Bauantrag Erkenntnisse über die geplante Investition. Der geplante Anschaffungsvorgang sei bereits deshalb nicht realisiert, weil das Vertragsverhältnis mit der GmbH noch vor Fertigstellung der Baumaßnahmen beendet worden sei. Überdies seien bereits geringe Veränderungen im Gebäudezuschnitt ‑‑wie sie hier gegeben sind‑‑ als wesentliche Änderungen anzusehen.
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend eine Sonderabschreibung in Höhe von 2.043.602 DM berücksichtigt.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FördG kann der Steuerpflichtige für eine nach § 3 FördG begünstigte Investition, die er im Fördergebiet durchführt, Sonderabschreibungen nach § 4 FördG vornehmen. Er muss die in § 3 FördG beschriebene Baumaßnahme tatsächlich durchführen und ‑‑bezogen auf den Streitfall‑‑ das Gebäude anschaffen oder herstellen. Nimmt er Sonderabschreibungen für Anzahlungen in Anspruch (§ 4 Abs. 1 Satz 5 FördG, § 7a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑), so haben sie als Vorleistungen auf ein zu einem späteren Zeitpunkt noch zu vollziehendes Anschaffungsgeschäft materiell-rechtlich vorläufigen Charakter. Soll es Investoren dadurch ermöglicht werden, Sonderabschreibungen schon vor Abschluss der Investitionen in Anspruch zu nehmen (BTDrucks 12/219, S. 40), so ist für die Begünstigung allein der Vollzug des Anschaffungsgeschäfts maßgebend (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 20. Januar 2009 IX R 9/07, BFHE 224, 248, BStBl II 2009, 471; vom 25. Juni 2009 IX R 13/07, BFH/NV 2009, 1801, und vom 28. Juni 2002 IX R 51/01, BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758). Die Begünstigung entfällt, wenn der Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang nicht abgeschlossen wird (Blümich/Brandis, § 7a EStG Rz 40, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dies gilt auch dann, wenn das Gesetz Investitionen, die ‑‑wie hier‑‑ nach dem 31. Dezember 1998 abgeschlossen werden, in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b FördG nur durch Sonderabschreibungen auf Anzahlungen fördert, die bis zum 31. Dezember 1998 geleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 53/06, BFHE 223, 182, BStBl II 2009, 310).
a) Wenn es allein auf den Vollzug des Anschaffungsgeschäfts ankommt, so folgt daraus ‑‑entsprechend der Rechtslage zum Investitionszulagerecht (vgl. die Bezugnahmen im BFH-Urteil in BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758, sowie BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 III R 54/82, BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454)‑‑ auch das Erfordernis einer Identität von bestelltem und geliefertem Wirtschaftsgut. Wegen des Charakters der Anzahlung als Vorleistung muss das schließlich gelieferte Wirtschaftsgut Vertragsgegenstand schon bei der Anzahlung gewesen sein. Wird der Kaufpreis in vollem Umfang vorausgezahlt (zulässig, vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 IX R 33/03, BFHE 205, 84, BStBl II 2004, 750), muss der im Vertrag umschriebene Gegenstand bautechnisch mit dem aufgrund dieses Vertrags gelieferten im Wesentlichen übereinstimmen. Die Vertragsparteien dürfen nicht einen anderen Gegenstand zum Inhalt ihrer Vereinbarung gemacht oder sich ein nachträgliches Bestimmungsrecht über den Kaufgegenstand eingeräumt haben (so auch die h.M. im Schrifttum, vgl. z.B. Blümich/Brandis, § 7a EStG Rz 42; Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7a EStG Rz 43, m.w.N.; Blümich/ Stuhrmann, § 4 FördG Rz 11c, m.w.N.).
b) Dem entspricht grundsätzlich auch die Auffassung der Finanzverwaltung, wenn das BMF (in BStBl I 1998, 1128, unter II.) zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen in Bezug auf das gelieferte Wirtschaftsgut unterscheidet. Der Senat pflichtet dem BMF auch darin bei, es sei nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu entscheiden, ob eine Änderung der Bestellung wesentlich sei. Das hat zur Folge, dass der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO an eine den obigen Maßstäben entsprechende Bewertung der Gesamtumstände durch das FG gebunden ist. Ob hingegen alle vom BMF beispielhaft aufgeführten Änderungen in jedem Fall auch zu einer Änderung des Vertragsgegenstandes führen können, mag dahinstehen. Denn die Würdigung des FG im Streitfall ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (s. unter II. 2.). Überdies handelt es sich bei den vom BMF gebildeten Fallstrukturen um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, die Gegenstand und nicht Maßstab richterlicher Kontrolle sind (BFH-Urteil vom 27. Januar 2010 IX R 31/09, BFHE 229, 90, BFH/NV 2010, 1324).
2. Nach diesen Maßstäben ist die Gesamtwürdigung des FG, es handele sich im Streitfall um nur unwesentliche Änderungen, für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend.
a) Das FG hat zutreffend die bloße Nutzungsänderung für die Frage der Objektidentität als unerheblich angesehen. Dies geschah vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Streitfalls, nach dem vertraglich von vornherein eine Mischnutzung geplant und letztlich auch verwirklicht wurde. Vertragsgegenstand war nach der in sich schlüssigen Auslegung der Vereinbarungen durch das FG der schon vorhandene, teilweise unter Denkmalschutz stehende Gebäudekomplex "Stadthaus", der im Hinblick auch auf Lage des Objekts im städtebaulichen Sanierungsgebiet nicht verändert werden konnte. Allein die im Laufe der Planungsverfahren (mehrfach) wechselnden Zuschnitte der Räumlichkeiten vermögen eine wesentliche Änderung des verwirklichten im Verhältnis zu dem bei der Anzahlung in Aussicht genommenen Projekts nicht zu begründen.
b) Eine Reduzierung der Anzahlungen als Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibungen rechtfertigt sich auch nicht aus dem Aspekt, dass die GmbH ihre Bauleistungen nicht in vollem Umfang vertragsgerecht beendet hat (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, und BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 164/87, BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 805).