BFH II. Senat
BewG § 12, VStG § 4 Abs 1 Nr 1, VStG § 4 Abs 1 Nr 1
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes , 05. December 2006, Az: 1 K 165/03
Leitsätze
NV: Eine Forderung ist mit einem unter dem Nennwert liegenden Wert anzusetzen, wenn ihre Realisierbarkeit in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft ist .
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger) sowie die Revisionskläger zu 2. und 3. sind der Ehemann und die Rechtsnachfolger der während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ehefrau des Klägers. Die Eheleute wurden zusammen zur Einkommensteuer und auf den 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 zusammen mit ihrer Tochter, der Revisionsklägerin zu 3., zur Vermögensteuer veranlagt.
Die Eheleute ließen sich bei der Vermögensanlage von dem Bankkaufmann C, Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, beraten. Die GmbH vertrieb Finanzprodukte. Von 1992 bis 1999 wurden von C mehr als 40 Anleger mit einem Anlagekapital von über 6 Mio. DM geworben. Das Anlagekapital wurde über fremde Dritte angelegt, wobei erhebliche Summen veruntreut wurden. Die Anleger wurden über die Verluste zunächst nicht informiert.
Am 10. Juni 1992 schlossen die Eheleute mit C zwei Verträge über die Anlage von 160.000 DM und 90.000 DM. Nach den Verträgen beabsichtigten sie, eine Kapitalanlage zu tätigen, die von der GmbH vermittelt werden sollte. C sollte die Anlagemittel auf einem Sonderkonto entgegennehmen und als "Anleger" einen bestimmten Geldbetrag ("Anlagekapital") bei noch nicht benannten "Partnern" anlegen. Das Anlagekapital sollte durch Bankgarantien abgesichert und hoch verzinst werden. C verpflichtete sich, die aus Erträgen bzw. Kapitalrückzahlungen ihm bzw. dem Sonderkonto zufließenden Gelder entsprechend dem Anspruch des Auftraggebers (hier die Eheleute) an diesen auszuzahlen. Die Verantwortung des C sollte sich nicht auf den Anlageerfolg erstrecken. C übernahm deshalb "keinerlei Haftung dafür, dass die gemäß seinem Auftrag abgeschlossenen Kapitalanlageverträge die erwarteten Zins- und Bonusbeträge erbringen und dass die Kapitalrückzahlung an das Sonderkonto ordnungsgemäß erfolgt". Die Eheleute stellten C das Kapital für fünf Jahre, gerechnet ab der ersten Anlage des Kapitals durch C, zur Verfügung. Da die Anlage gepoolt werden sollte, verzichteten sie unwiderruflich auf eine vorzeitige Rückzahlung des Anlagebetrages. Der Vertrag konnte nach Ablauf des vereinbarten Zeitraums von fünf Jahren mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. In der Zeit vom 17. Juli 1992 bis 1. April 1994 überwiesen die Eheleute aus Eigenmitteln ihres Vermögens 230.000 DM an C.
Die Eheleute erhielten von C Auszahlungen in Höhe von insgesamt knapp 200.000 DM auf zwei bei einer Schweizer Bank geführte Konten. Hiervon wurden in den Jahren 1993 und 1994 insgesamt 80.000 DM an C zur Auffüllung der vertraglich geschuldeten Anlagebeträge oder zur Wiederanlage überwiesen. Ab September 1994 wurden in zunehmendem Umfang als Ertrag ausgewiesene Beträge nicht mehr auf diese Bankkonten überwiesen, sondern den Eheleuten mit deren Zustimmung als zusätzliches Anlagekapital gutgeschrieben.
C leistete im Jahr 1997 letztmalig Zahlungen an die Eheleute. Der Insolvenzantrag über sein Vermögen wurde im Dezember 2000 gestellt.
In ihren Vermögensteuererklärungen für 1993 und 1995 gaben die Eheleute Kapitalforderungen aus der Kapitalanlage in der Schweiz von 136.000 DM bzw. 146.000 DM an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte bei den Vermögensteuerfestsetzungen zunächst diesen Angaben. In den im Anschluss an eine im Jahr 2000 durchgeführte Fahndungsprüfung ergangenen Änderungsbescheiden vom 27. Juni 2002 erhöhte das FA diese Ansätze um 230.000 DM auf den 1. Januar 1993 und um 330.000 DM auf den 1. Januar 1995. Ansprüche auf die Erstattung von Einkommensteuer für 1993 und 1994 von insgesamt 6.076 DM berücksichtigte das FA bei der Festsetzung der Vermögensteuer auf den 1. Januar 1995 in unveränderter Höhe. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die hinzugerechneten Beträge von 230.000 DM auf den 1. Januar 1993 und von 330.000 DM auf den 1. Januar 1995 um die bereits erklärten Beträge von 136.000 DM bzw. 146.000 DM verminderte.
In den ebenfalls geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1992 bis 1997 erfasste das FA zusätzliche Erträge als Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Für 1993 und 1994 ergaben sich dabei statt Erstattungsansprüchen Steuerschulden.
Das Finanzgericht (FG) wies mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 506 veröffentlichten, sowohl die Einkommensteuer als auch die Vermögensteuer betreffenden Urteil die Klage wegen Einkommensteuer 1992 und 1993 sowie wegen Vermögensteuer ab und gab der Klage wegen Einkommensteuer 1994 bis 1997 teilweise statt. Zur Begründung der Abweisung der Klage wegen Vermögensteuer führte das FG aus, die Eheleute hätten ihre Behauptung, das Anlagekapital sei zum 1. Januar 1993 zu 36 % und zum 1. Januar 1995 zu 100 % verloren gewesen, nicht unter Beweis gestellt. Zum 1. Januar 1995 hätten C noch liquide Anlegergelder von mehr als einer Million DM zur Verfügung gestanden. Dass die in der zweiten Jahreshälfte 1994 von C getätigte Anlage zum Verlust des dabei eingesetzten Kapitals führen würde, sei zum 1. Januar 1995 nicht absehbar gewesen. C sei zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht gezwungen gewesen, Eigenkapital zur Befriedigung der Anlegeransprüche einzusetzen.
Zur Begründung seiner Entscheidung zur Einkommensteuer führte das FG u.a. aus, C sei bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als Dezember 2000 (Stellung des Insolvenzantrags) bezüglich der den Anlegern nicht ausgezahlten, sondern in Anlagekapital umgewandelten Erträge weder zahlungsfähig noch zahlungswillig gewesen. C habe ein von vornherein unseriöses Anlagesystem entwickelt und seine Kapitalanlagen nicht, wie den Anlegern vertraglich zugesichert, durch Bankgarantien abgesichert bzw. absichern lassen. Er habe von Anfang an bezüglich der hier streitigen Anlagen keine Überschüsse erzielen können und, soweit bekannt, nur einen Teil des eingesammelten Kapitals angelegt. Die getätigten Anlagen seien ganz oder teilweise fehlgeschlagen. Die Ertragszahlungen an die Anleger seien von Anfang an aus der Substanz des Anlagekapitals vorgenommen worden. Bereits im Jahr 1992 sei es zu einer Vermögensunterdeckung von 221.910 DM gekommen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied nach Abtrennung der Verfahren wegen Vermögensteuer auf den 1. Januar 1993 und den 1. Januar 1995 durch Urteil vom 16. März 2010 VIII R 4/07 (BFHE 229, 141, BFH/NV 2010, 1527) zunächst über die die Einkommensteuer betreffenden Revisionen. Während er die auf die Jahre 1992 und 1993 bezogene Revision des Klägers und der Revisionskläger zu 2. und 3. als unbegründet zurückwies, hob er auf die Revision des FA die Vorentscheidung für die Jahre 1994 bis 1997 auf und verwies das Verfahren hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 an das FG zurück. Die das Jahr 1994 betreffende Klage wies der BFH ab.
Zur Begründung führte der BFH aus, der Ansatz der Erträge in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1992 bis 1994 nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sei nicht zu beanstanden. Die Erträge seien den Eheleuten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, und zwar auch dann, wenn sie C nicht erwirtschaftet haben sollte und die Anleger keinen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch gegen C auf Zahlung besessen hätten. Bis 1994 sei C allen Auszahlungsverlangen nachgekommen. Dies sei einkommensteuerrechtlich entscheidend. Die Anlageaktivitäten des C seien den Eheleuten nicht aufgrund eines Treuhandverhältnisses unmittelbar zuzurechnen. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei auch die Annahme des FG, es liege eine Steuerhinterziehung der Eheleute (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) vor mit der Folge, dass sich die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert habe. Hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 bedürfe es zur Frage des Zuflusses von Erträgen weiterer tatsächlicher Feststellungen des FG zur Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des C in diesem Zeitraum.
Mit der Revision rügen der Kläger und die Revisionskläger zu 2. und 3. Verletzung des § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die Forderungen der Eheleute gegen C hätten an den Stichtagen 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 nicht in der vom FA angesetzten Höhe bestanden. Die von C an die Eheleute geleisteten Zahlungen seien als Kapitalrückzahlung zu werten, weil ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen oder Boni nicht bestanden habe. Soweit den Eheleuten gegen C Ansprüche zugestanden hätten, seien sie an den maßgebenden Stichtagen nach den gesamten Umständen wertlos oder zumindest im Wert gemindert gewesen. Eine Wertminderung hätte das FG nach § 162 Abs. 1 AO schätzen müssen. Die vom FG getroffenen Feststellungen insbesondere zur langfristigen Vertragsbindung der Eheleute, zur fehlenden Absicherung der Kapitalanlagen durch Bankbürgschaften und zu den bereits ab dem Jahr 1992 aufgelaufenen Unterdeckungen hätten nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Dem Erlass der Änderungsbescheide habe im Übrigen der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegengestanden.
Der Kläger und die Revisionskläger zu 2. und 3. beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie die Vermögensteuer betrifft, und die Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1993 und den 1. Januar 1995 vom 27. Juni 2002 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2003 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie die Vermögensteuer betrifft, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen nicht seine Entscheidung, die angefochtenen Vermögensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung seien rechtmäßig. Das FG hat nicht dargelegt, nach welcher Vorschrift es die Rechtmäßigkeit der Bescheide geprüft hat. Soweit die vom FG in tatsächlicher Hinsicht gegebene Begründung Rückschlüsse auf die zu Grunde liegende Rechtsauffassung zulässt, ist es bei dieser Prüfung von einer unzutreffenden Ansicht ausgegangen.
a) Kapitalforderungen, die zu dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) bei unbeschränkt Steuerpflichtigen anzusetzenden Gesamtvermögen (§§ 114 bis 120 BewG in der an den Stichtagen 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 geltenden Fassung ‑‑BewG a.F.‑‑) gehören, sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG grundsätzlich mit dem Nennwert anzusetzen, d.h. mit dem Betrag, der nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses vom Schuldner bei Fälligkeit der Forderung zu entrichten ist (Teß in Rössler/Troll, BewG, § 12 Rz 3; Haas in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 12 BewG Rz 20). Eine vom Nennwert abweichende niedrigere Bewertung ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG nur zulässig, wenn "besondere Umstände" einen geringeren Wert begründen. Uneinbringliche Forderungen bleiben nach § 12 Abs. 2 BewG außer Ansatz.
Anders als bei der Beurteilung der Frage, ob Einnahmen aus Kapitalvermögen vorliegen, kommt es danach bewertungs- und vermögensteuerrechtlich auf die Zivilrechtslage an. Ist diese ungewiss und wird sie auch nicht durch ein rechtskräftiges zivilgerichtliches Urteil geklärt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12. März 1997 II R 52/94, BFH/NV 1997, 550), ist der am Stichtag vorhandenen rechtlichen Unsicherheit durch Ansatz eines niedrigeren Wertes Rechnung zu tragen. Der Wert ist dann nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit anzusetzen, mit der sich die Forderung aus der Sicht vom Stichtag durchsetzen lassen wird. Dabei ist das Prozessrisiko ein maßgeblicher Anhaltspunkt (BFH-Urteil vom 26. Februar 2008 II R 82/05, BFHE 220, 526, BStBl II 2008, 629).
Besondere, einen geringeren Wert begründende Umstände liegen auch dann vor, wenn die Realisierbarkeit einer zivilrechtlich bestehenden Forderung nach den Verhältnissen vom Bewertungsstichtag unsicher erscheint, weil es infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zweifelhaft ist, ob die Forderung bei Fälligkeit in voller Höhe beigetrieben werden kann; die Forderung ist dann entsprechend der Wahrscheinlichkeit, sie tatsächlich durchzusetzen, mit einem unter dem Nennwert liegenden Wert anzusetzen. Es kommt dabei auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (BFH-Urteil vom 11. März 1992 II R 149/87, BFH/NV 1993, 354, m.w.N.). Nach dem Stichtag eintretende, nicht zu erwartende Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners bleiben bei der Bewertung unberücksichtigt (BFH-Urteil in BFHE 220, 526, BStBl II 2008, 629, unter II.2.c).
b) Da das FG bei der Entscheidung über die Vermögensteuer nicht von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und daher die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum zivilrechtlichen Bestehen und zur tatsächlichen Durchsetzbarkeit der Forderungen der Eheleute gegen C zu den maßgebenden Stichtagen nicht getroffen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann die fehlenden Feststellungen als Revisionsgericht nicht treffen. Die Nachholung dieser Feststellungen obliegt vielmehr dem FG (BFH-Urteile vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, BStBl II 1985, 562; vom 25. Mai 1988 I R 107/84, BFHE 154, 12, BStBl II 1989, 43, und vom 24. April 1991 XI R 9/87, BFHE 164, 279, BStBl II 1991, 723). Dies gilt auch für erforderliche Prognoseentscheidungen (BFH-Urteil vom 4. März 2008 IX R 11/07, BFH/NV 2008, 1462).
a) Es muss zunächst zivilrechtlich geprüft werden, in welcher Höhe den Eheleuten an den Veranlagungszeitpunkten 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 (§ 5 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 und 2 VStG) rechtlich durchsetzbare Ansprüche gegen C zustanden und ob dabei zum Ansatz eines unter dem Nennwert liegenden Werts führende rechtliche Unsicherheiten gegeben waren. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:
aa) Nach den Feststellungen des FG haben die Eheleute in der Zeit vom 17. Juli 1992 bis 1. April 1994 aus Eigenmitteln 230.000 DM an C überwiesen. In welcher Höhe Überweisungen vor dem Stichtag 1. Januar 1993 vorgenommen worden sind, ist danach offen.
bb) Die Zahlungen des C an die Eheleute sind zivilrechtlich und somit auch bewertungs- und vermögensteuerrechtlich unabhängig von dem von C angegebenen Zahlungsgrund und abweichend von der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung als Kapitalrückzahlung zu werten. Da C nach den vom FG getroffenen Feststellungen von Anfang an aus den von ihm getätigten Anlagen keine Überschüsse erzielen konnte und die "Ertragszahlungen" an die Anleger daher aus der Substanz des eingesammelten Anlagekapitals erfolgt sind, standen den Eheleuten nach den getroffenen Vereinbarungen zivilrechtlich gegen C keine Ansprüche auf die Zahlung von Erträgen zu, die C hätte erfüllen können. Die Zahlungen des C können daher zivilrechtlich nur als Teilerfüllung von Rückzahlungsansprüchen der Eheleute gewertet werden.
Erklärt ein Schuldner gemäß § 366 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), eine von ihm geleistete Zahlung solle der Tilgung einer bestimmten Schuld dienen, ist diese Tilgungsbestimmung gegenstandslos, wenn die Schuld tatsächlich nicht besteht. Durch die Zahlung werden in einem solchen Fall nach Maßgabe des § 366 Abs. 2 BGB andere gegenüber dem Zahlungsempfänger bestehende Schulden des Schuldners getilgt (Urteile des Bundesgerichtshofs vom 21. November 2005 II ZR 140/04, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2006, 509, und vom 9. Januar 2006 II ZR 72/05, NJW 2006, 906; Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 366 Rz 7), sofern dem Zahlenden kein Rückforderungsanspruch etwa aus § 812 Abs. 1 BGB zusteht.
Die Zahlungen des C an die Eheleute sind danach vermögensteuerrechtlich als Kapitalrückzahlungen zu werten und haben deshalb die bei der Berechnung der Vermögensteuer anzusetzenden Ansprüche der Eheleute auf Rückzahlung des eingesetzten Kapitals gemindert. Dem C stand nach § 814 Halbsatz 1 BGB kein dieser Beurteilung entgegenstehender Anspruch auf Rückforderung der ohne Rechtsgrund geleisteten Ertragszahlungen zu, weil er wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Wären die Eheleute demgegenüber zur Rückzahlung der erhaltenen Beträge an C verpflichtet gewesen, hätten sich ihre gegen C gerichteten Rückzahlungsansprüche zwar nicht vermindert; die Verpflichtungen der Eheleute wären aber bei der Berechnung der Vermögensteuer nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG a.F. als Schulden vom Rohvermögen abzuziehen, so dass sich am Ergebnis nichts ändern würde. Soweit die Eheleute die an sie gezahlten Beträge dem C wiederum zur Anlage überlassen haben, haben sich ihre Rückzahlungsansprüche gegen C entsprechend erhöht. Entsprechendes gilt, soweit den Eheleuten "Erträge" lediglich intern gutgeschrieben und zur "Wiederanlage" verwendet wurden.
cc) Ferner ist unter Auslegung der geschlossenen Verträge zu prüfen, ob die Eheleute von C bei Fälligkeit die Rückzahlung des diesem zur Anlage überlassenen Kapitals abzüglich bereits erfolgter Rückerstattungen (oben bb) in voller Höhe fordern konnten oder ob die Zahlungspflichten des C durch die vertraglichen Regelungen eingeschränkt waren. Nach dem Vertragswortlaut war C (lediglich) verpflichtet, die aus Erträgen bzw. Kapitalrückzahlungen ihm bzw. dem Sonderkonto zufließenden Gelder entsprechend dem Anspruch des Auftraggebers an diesen auszuzahlen. Die Verantwortung des C sollte sich zudem nicht auf den Anlageerfolg erstrecken. Er übernahm deshalb keinerlei Haftung dafür, dass die gemäß seinem Auftrag abgeschlossenen Kapitalanlageverträge die erwarteten Zins- und Bonusbeträge erbringen und dass die Kapitalrückzahlung an das Sonderkonto ordnungsgemäß erfolgt. Die Vertragsauslegung unter Berücksichtigung dessen, was die Erklärenden bei der Erklärungshandlung subjektiv gewollt haben, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz (BFH-Urteile vom 22. September 1992 VIII R 7/90, BFHE 170, 29, BStBl II 1993, 228; vom 13. Februar 1997 IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535, und vom 3. März 2004 X R 12/02, BFHE 205, 451, BStBl II 2004, 722; BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 I B 63/02, BFH/NV 2003, 1062).
Sollte die Vertragsauslegung ergeben, dass die Eheleute aufgrund des Vertrags von C nicht unabhängig vom Anlageerfolg die vollständige Rückzahlung der ihm zur Anlage überlassenen Beträge verlangen konnten oder dass insoweit rechtliche Unsicherheiten bestehen, so ist dies nach Maßgabe des am jeweiligen Stichtag bestehenden Anlagerisikos bei der Bewertung der Rückzahlungsansprüche der Eheleute zu berücksichtigen.
dd) Da C die Kapitalanlagen entgegen den getroffenen Vereinbarungen nicht durch Bankgarantien abgesichert hat, kommen neben den vertraglichen Rückzahlungsansprüchen auch Ansprüche der Eheleute gegen C wegen Verletzung der vertraglichen Pflichten in Betracht. Solche Ansprüche sind anzusetzen, soweit sie am jeweiligen Stichtag bereits entstanden waren. Bestehen insoweit rechtliche Unsicherheiten, ist dies bei der Bewertung der Ansprüche wertmindernd zu berücksichtigen.
b) Soweit danach den Eheleuten an den Stichtagen 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 gegen C zivilrechtlich Zahlungsansprüche zustanden, ist ferner zu prüfen, ob diese Ansprüche wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des C an diesen Stichtagen mit einem geringeren Wert als dem Nennwert anzusetzen sind oder ob sie wegen Uneinbringlichkeit völlig außer Ansatz bleiben müssen. Diese Prüfung kann entgegen der Ansicht des FG nicht auf die von ihm zur Begründung der Abweisung der Klage wegen Vermögensteuer angeführten Gesichtspunkte beschränkt werden.
Abweichend von der Auffassung des FG setzt der Ansatz eines unter dem Nennwert liegenden Werts (einschließlich eines Werts von null DM) nach § 12 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 BewG nicht den Nachweis voraus, dass das Kapital zu den Stichtagen 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 bereits teilweise oder vollständig verloren war. Vielmehr kommt der Ansatz eines niedrigeren Werts bereits dann in Betracht, wenn die Einbringlichkeit der Ansprüche der Eheleute gegen C zum frühestmöglichen Fälligkeitszeitpunkt nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des C zum jeweiligen Stichtag zweifelhaft war. Es ist danach aus der Sicht des jeweiligen Stichtags eine Prognose über die Einbringlichkeit der Forderungen bei Fälligkeit vorzunehmen.
Bei dieser Prognoseentscheidung müssen auch die vom FG zur Entscheidung über die Einkommensteuer getroffenen Feststellungen beachtet werden. Zu den danach zu berücksichtigenden Umständen gehört insbesondere, dass nach den Feststellungen des FG das Anlagesystem von vornherein unseriös war, C von Anfang an keine Überschüsse aus den von ihm getätigten Anlagen erzielen konnte und die Ertragszahlungen an die Anleger deshalb aus der Substanz des eingesammelten Kapitals erbrachte, bereits im Jahr 1992 eine Unterdeckung eingetreten war und die Eheleute auf fünf Jahre unwiderruflich auf eine Rückzahlung des Anlagebetrages verzichtet hatten und der Vertrag erst nach Ablauf dieses Zeitraums mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden konnte.
c) Soweit es entscheidungserheblich ist, ist auch ein Ansatz der zu den Stichtagen 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 bestehenden Forderungen der Eheleute aus Kontoguthaben bei der Schweizer Bank zu prüfen, soweit diese bisher noch nicht berücksichtigt worden sein sollten.
d) Soweit die erneute Prüfung durch das FG ergibt, dass das FA die Vermögensposition "übrige Kapitalforderungen" auf den 1. Januar 1995 zu Recht erhöht hat, ist zu Gunsten des Klägers und der Revisionskläger zu 2. und 3. gemäß § 177 Abs. 1 und 3 AO die im angefochtenen Vermögensteuerbescheid vom 27. Juni 2002 angesetzte Vermögensposition "Steuererstattungsansprüche" zu streichen. Wie sich aus den im Anschluss an die Fahndungsprüfung gegen die Eheleute ergangenen bestandskräftigen Änderungsbescheiden vom 27. Juni 2002 zur Einkommensteuer für 1993 und 1994 ergibt, standen den Eheleuten für diese Veranlagungszeiträume am Bewertungsstichtag 1. Januar 1995 keine Steuererstattungsansprüche zu. Vielmehr bestanden für diese Jahre Steuerschulden der Eheleute. Diese Steuerschulden sind nicht nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 BewG a.F. abziehbar; sie beruhen nämlich auf einer vorsätzlichen Verkürzung der Einkommensteuer für 1993 und 1994 und stellten daher am 1. Januar 1995, also vor Aufdeckung der Hinterziehung, keine wirtschaftliche Belastung für die Eheleute dar (BFH-Urteile vom 27. Januar 1999 II R 81/96, BFH/NV 1999, 913, und vom 13. Januar 2005 II R 48/02, BFHE 208, 392, BStBl II 2005, 451; BFH-Beschluss vom 24. Februar 2006 II B 102/05, BFH/NV 2006, 1064; ebenso zur Erbschaftsteuer BFH-Urteile vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, BFH/NV 2005, 1093; vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574).
e) Aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung und Bewertung der vermögensteuerrechtlich anzusetzenden Ansprüche der Eheleute gegen C muss auch eingehend geprüft werden, ob den Eheleuten insoweit eine zur Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO führende Steuerhinterziehung (§ 370 AO) zur Last gelegt werden kann.
f) Bei der weiteren Aufklärung des Sachverhaltes sind die Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO heranzuziehen. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für die Tatsachen, die die Erhöhung der zunächst auf den 1. Januar 1993 und 1. Januar 1995 festgesetzten Vermögensteuer begründen, trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 55/00, BFH/NV 2002, 1009).