BFH IV. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1, EStG § 5 Abs 2, BewG § 1 Abs 1, BewG § 6 Abs 1
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 28. September 2009, Az: 8 K 364/05
Leitsätze
1. NV: Die Rechtsfrage, ob ein immaterielles Wirtschaftsgut (Firmenwert) entgeltlich i.S. von § 5 Abs. 2 EStG erworben ist, soweit hierfür ein variabler gewinnabhängiger Kaufpreis vereinbart worden ist, der ganz oder teilweise entfällt, wenn die Gewinne eines bestimmten Zeitraums für die Zahlung dieses Kaufpreises nicht ausreichen, ist nicht allgemein klärungsbedürftig .
2. NV: Anschaffungskosten trägt auch, wer den Kaufpreis noch nicht beglichen hat, sondern ganz oder teilweise schuldet; aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen sind jedoch erst nach Eintritt der Bedingung bei den (nachträglichen) Anschaffungskosten zu berücksichtigen .
3. NV: Bei Vereinbarung eines gewinnabhängigen Kaufpreises kann die Entgeltlichkeit des Erwerbs des betreffenden Wirtschaftsguts erst angenommen werden, wenn die künftigen Einnahmen oder Gewinne angefallen sind .
Gründe
Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) zuzulassen.
1. Bei der Rechtsfortbildungsrevision handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). In den Fällen, in denen eine Entscheidung des Revisionsgerichts der Rechtsfortbildung dient, liegt deshalb regelmäßig auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor (z.B. Senatsbeschluss vom 31. März 2010 IV B 131/08, BFH/NV 2010, 1487, m.w.N.). Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist nur erforderlich, wenn über bisher nicht geklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist; die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2010 IV B 19/09, BFH/NV 2010, 1480, m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2010, 1480, m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nicht in Betracht.
a) Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) es im Allgemeininteresse für klärungsbedürftig hält, ob ein immaterielles Wirtschaftsgut ‑‑im Streitfall ein Firmenwert‑‑ auch entgeltlich erworben ist, wenn hierfür ein Kaufpreis vereinbart worden ist, der aus einem festen Zahlungsbetrag und einem variablen Betrag besteht, ist diese Frage im Streitfall schon nicht klärungsfähig. Denn im Streit war nur ein in den Ergänzungsbilanzen der Kommanditisten als Firmenwert aktivierter variabler Kaufpreis. Das Finanzgericht (FG) hat deshalb auch nur über die Frage entschieden, ob die im Streitfall getroffene Vereinbarung eines variablen gewinnabhängigen Kaufpreises zur Aktivierung eines immateriellen Wirtschaftsguts berechtigte.
b) Auch mit der Frage, ob ein immaterielles Wirtschaftsgut (Firmenwert) entgeltlich erworben ist, soweit hierfür ein variabler gewinnabhängiger Kaufpreis vereinbart worden ist, der teilweise oder ganz entfällt, wenn die Gewinne eines bestimmten Zeitraums für die Zahlung dieses Kaufpreises nicht ausreichen, wirft die Klägerin keine allgemein klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Nach § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden. Entgeltlichkeit des Erwerbs setzt nicht voraus, dass der Steuerpflichtige ihm entstandene Anschaffungskosten auch bezahlt hat, denn für den Bilanzansatz eines erworbenen Wirtschaftsguts ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unerheblich; Anschaffungskosten trägt danach auch, wer den Kaufpreis noch nicht beglichen hat, sondern ganz oder teilweise schuldet (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 IX R 53/98, BFH/NV 2002, 1152, m.w.N.). Indes sind ‑‑wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zu Recht angemerkt hat‑‑ aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen i.S. des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes nach der Rechtsprechung des BFH erst nach Eintritt der Bedingung bei den (insoweit nachträglichen) Anschaffungskosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, m.w.N.; Fischer in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 6 Rz 30; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 29. Aufl., § 5 Rz 314, und Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 81). Dieser Rechtsgedanke des "Passivierungsaufschubs" (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz 315) bzw. ‑‑damit einhergehend‑‑ des "Aktivierungsaufschubs" hinsichtlich der Anschaffungskosten lässt sich jetzt auch dem im Ausgangsverfahren gleichfalls erörterten § 5 Abs. 2a EStG entnehmen, nach dem für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen sind, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Dies bedeutet zugleich, dass erst im Zeitpunkt dieses Anfalls Anschaffungskosten vorliegen (vgl. auch Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 6 Rz 81). Für den Ansatz eines immateriellen Wirtschaftsguts i.S. des § 5 Abs. 2 EStG folgt hieraus, dass vor Eintritt einer solchen Bedingung oder vor Anfall der künftigen Einnahmen oder Gewinne keine Entgeltlichkeit des Erwerbs dieses Wirtschaftsguts angenommen werden kann. Das Urteil des BFH vom 18. Januar 1989 X R 10/86 (BFHE 156, 110, BStBl II 1989, 549) steht dem nicht entgegen. In jener Entscheidung ging der Billigung der Aktivierung eines immateriellen Wirtschaftsguts nach Maßgabe tatsächlicher Leistungen die Bejahung eines entgeltlichen Erwerbs voraus. Im Streitfall geht es hingegen um die Frage, ob auch ohne konkret feststehende Zahlungsverpflichtung ein entgeltlicher Erwerb vorliegt, der nach § 5 Abs. 2 EStG zur Aktivierung eines immateriellen Wirtschaftsguts verpflichtet. Im Übrigen hat auch das FG die genannten Rechtsgrundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Einen entgeltlichen Erwerb i.S. des § 5 Abs. 2 EStG hat das FG für den streitbefangenen Firmenwert u.a. mit der Begründung verneint, dass die Vereinbarung des variablen Kaufpreises nicht nur unter der aufschiebenden Bedingung der Erzielung von Gewinnen gestanden habe, sondern auch unter einer auflösenden Bedingung, dass der Kaufpreis ohne die Erwirtschaftung von Gewinnen ersatzlos entfalle. Diese Würdigung ist möglich. Deshalb ist ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO auch nicht gegeben, soweit sich die Klägerin gegen die Richtigkeit der vom FG vorgenommenen Einzelfallwürdigung wendet (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. September 2007 VI B 53/06, BFH/NV 2007, 2326, m.w.N.). Bei dieser Sach- und Rechtslage ist im Streitfall nicht erkennbar, worin ein abstraktes, fallübergreifendes Interesse an einer (weiteren) Leitentscheidung des BFH bestehen könnte.