BFH IX. Senat
EStG § 9 Abs 1 S 1, EStG § 12 Nr 2, EStG § 10 Abs 1 Nr 1a
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 25. May 2009, Az: 4 K 1445/07
Leitsätze
NV: Hat der nicht befreite Vorerbe aus einem Vermächtnis Rentenzahlungen an die nichtehelichen Lebenspartnerin des Erblassers zu entrichten, so sind diese weder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von Gegenständen des Nachlasses noch als Sonderausgaben abziehbar.
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Der Vater des Klägers hatte mit notariellem Vertrag vom Mai 2002 zugunsten seiner Lebensgefährtin, Frau S, ein auf seinen Tod aufschiebend bedingtes lebenslängliches Wohnungsrecht an der ihm gehörenden Eigentumswohnung Nr. 5 im Gebäude I-Straße 13 bestellt und "sich und seine Erben" verpflichtet, an Frau S eine lebenslängliche, bis zum 15. eines Monats im Voraus fällige Rente in Höhe von 5.000 € im Monat zu zahlen. Zur Sicherung der Rente hatte der Vater an den ihm gehörenden Grundstücken H-Straße 11 und 13 eine Reallast zugunsten von Frau S bestellt. Zugleich setzte der Vater mit notariellem Testament seine Ehefrau und den Kläger je zur Hälfte als Vorerben ein, ohne sie von den für einen Vorerben geltenden gesetzlichen Beschränkungen zu befreien. Nacherben des letztversterbenden Vorerben und zugleich weitere Nacherben sind die leiblichen Abkömmlinge des Klägers, ersatzweise Herr M. Laut Testament erhält Frau S "sowohl für über 40 Jahre selbstlos erbrachte Hilfe, Beistand, Betreuung und Pflege" des Vaters "in jeder Situation als auch trotz ihrer eigenen Berufstätigkeit erfolgter Unterstützung beim Aufbau" seiner Firma "den Nießbrauch an sämtlichen beweglichen Gegenständen des Hausrates ... mit Ausnahme ... vorhandenen Barvermögens." Im September 2002 verstarb der Vater des Klägers.
Die Ehefrau des Vaters und Mutter des Klägers schlug ihre Einsetzung zur Vorerbin aus und machte gegenüber dem Kläger den Pflichtteilsanspruch geltend. Zu dessen Erfüllung übertrug ihr der Kläger im Juli 2003 die ererbten Immobilien mit Ausnahme der ‑‑jeweils mit einem Mehrfamilienhaus bebauten‑‑ Grundstücke H-Straße 11 und 13.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger die Zahlungen an Frau S zunächst nicht steuermindernd geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte die Einkommensteuer in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid für das Streitjahr entsprechend fest.
Der Einspruch der Kläger, mit dem sie beantragt hatten, die vom Kläger im Streitjahr an Frau S gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 15.000 € (= 5.000 € x 3) je zur Hälfte (= 7.500 €) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus den Objekten H-Straße 11 und 13 zu berücksichtigen, hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und entschied, bei den streitbefangenen Zahlungen des Klägers an die frühere Lebensgefährtin seines Vaters, Frau S, handele es sich um nicht abziehbaren privaten Aufwand i.S. von § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Kläger sei aufgrund des im Erbwege erlangten Vermögens mit der Erfüllung der Verpflichtung zur Rentenzahlung an Frau S wirtschaftlich nicht belastet. Dass sich aus Klägersicht jeweils eine "Unterdeckung" ergeben habe, sei darin begründet, dass von den Mieteinnahmen zu Unrecht jeweils auch die Rentenzahlungen an Frau S und die aus der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen resultierende Steuerbelastung in Abzug gebracht würden. Der Kläger erbringe die streitbefangenen Zahlungen im Übrigen aufgrund einer (von seinem Vater) "freiwillig begründeten Rechtspflicht" i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts (§§ 9 und 12 EStG) rügen. Bei der Rente an Frau S handle es sich um Werbungskosten zur Erwerbung der Mieteinnahmen. Der Kläger könne die Mieteinnahmen nur bei Zahlung der Rente erhalten. Jedenfalls aber seien es Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). In Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen die nichteheliche Lebensgemeinschaft praktisch ein Leben lang bestanden habe und einer der Lebenspartner keine Chance auf Erwerb von Vermögen oder eigener Rentenanwartschaften gehabt habe, da er den Haushalt versorgt habe, seien diese Lebenspartner als zum Generationennachfolgeverbund gehörend anzusehen. Jenseits dessen widerspreche es dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wenn einerseits Erträge ‑‑vorliegend die Mieterträge‑‑ der Besteuerung unterlägen, jedoch damit im Zusammenhang stehende Ausgaben ‑‑vorliegend die Versorgungsleistung‑‑ nicht zu berücksichtigen seien.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid der Kläger für das Streitjahr 2002 dahingehend zu ändern, dass eine dauernde Last in Höhe von 15.000 € als Sonderausgaben oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt wird.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Abziehbarkeit der Rentenzahlungen des Klägers an Frau S als Werbungskosten oder Sonderausgaben abgelehnt.
1. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind Werbungskosten grundsätzlich alle durch diese Einkunftsart veranlassten Aufwendungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine derartige Veranlassung vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (z.B. BFH-Urteil vom 23. September 2003 IX R 26/99, BFH/NV 2004, 476).
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Demgegenüber dürfen die in § 12 EStG genannten Aufwendungen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, "soweit in § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4, 6, 7 und 9, § 10a, § 10b und den §§ 33 bis 33c nichts anderes bestimmt ist".
a) Vom Abzugsverbot erfasst sind u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG), wozu auch Renten und dauernde Lasten gehören, wenn sie außerhalb einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen als Unterhalt oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht geleistet werden (z.B. BFH-Urteil vom 16. Mai 2001 X R 53/99, BFH/NV 2001, 1388, m.w.N.). Dagegen können wiederkehrende Leistungen eines Erben z.B. an die Witwe des Erblassers als Sonderausgaben abziehbar sein, wenn sie auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers beruhen und der Erbe von Todes wegen existenzsicherndes Vermögen erhalten hat (sog. "erbrechtliche" private Versorgungsrente, vgl. im Einzelnen z.B. BFH-Urteile vom 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633, und vom 20. Oktober 1999 X R 86/96, BFHE 190, 365, BStBl II 2000, 602; P. Fischer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22 Rz B 185 f., B 290 f.).
b) Als Sonderausgaben abziehbar sein können solche wiederkehrenden Leistungen, die anlässlich einer Betriebs- oder Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge vorbehalten worden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847; vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 237, BStBl II 1992, 78; ständige Rechtsprechung zum "Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen", zuletzt BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 X R 104/94, BFHE 186, 280, BStBl II 2002, 646). Gleiches gilt für Versorgungsleistungen, die ihren Entstehungsgrund in einer letztwilligen Verfügung (Erbeinsetzung, Vermächtnis) haben und die Versorgung eines Erben bezwecken (BFH-Urteil in BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612; s. bereits BFH-Urteil vom 1. August 1975 VI R 168/73, BFHE 116, 505, BStBl II 1975, 882). Der Erblasser räumt dabei durch letztwillige Verfügung einer an sich erbberechtigten Person nur einen Anspruch auf Versorgungsleistungen ein (ausführlich BFH-Urteil in BFHE 173, 360, BStBl II 1994, 633). Dazu wird vorausgesetzt, dass die Erträge solcher Wirtschaftseinheiten zugunsten des Berechtigten vorbehalten werden, die diesem an sich kraft Erbrechts zustehen würden. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass auch hier ‑‑ebenso wie bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen‑‑ mit der Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen beim Verpflichteten und der Steuerbarkeit beim Bezieher der Rechtsgedanke der "vorbehaltenen Vermögenserträge" (hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 317, 326 ff., BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1. c) rechtstechnisch verwirklicht wird (BFH-Urteile vom 14. Juli 1993 X R 54/91, BFHE 172, 324, BStBl II 1994, 19; vom 26. Juli 1995 X R 91/92, BFHE 178, 339, BStBl II 1995, 836).
c) Wiederkehrende Leistungen (Renten und dauernde Lasten), die der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses an einen Dritten zahlen muss, sind aber nur dann ‑‑unter den genannten weiteren Voraussetzungen‑‑ als Sonderausgaben abziehbar, wenn der Empfänger der Bezüge zum sog. Generationennachfolge-Verbund gehört. Hierzu zählen insbesondere nicht der Lebensgefährte des Erblassers, der weder Pflichtteilsansprüche noch ähnliche Ansprüche gegen den Erben bzw. den sonstigen letztwillig bedachten Vermögensübernehmer hat (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 X R 31/00, BFH/NV 2004, 1083). Der Generationennachfolgeverbund umfasst grundsätzlich nur gegenüber dem Erblasser pflichtteilsberechtigte Personen (zur Ausnahme bei Geschwistern des Hofübernehmers s. BFH-Urteil vom 26. November 2003 X R 11/01, BFHE 204, 192, BStBl II 2004, 820).
Zwar ist eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung mit steuerlicher Wirkung grundsätzlich auch unter Fremden möglich (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1997 IX R 11/94, BFHE 185, 208, BStBl II 1998, 718). Im entschiedenen Fall war Empfänger des übertragenen Vermögens ein nicht zum Generationennachfolgeverbund gehörender Dritter, der den Übergeber aus den Erträgen des ihm übertragenen Vermögens zu versorgen hatte. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob wiederkehrende Leistungen, die nicht an den Übergeber selbst, sondern an Dritte zu bezahlen sind, auch dann als Sonderausgaben abziehbar sein können, wenn es sich bei dem Dritten nicht um einen pflichtteilsberechtigten Ehegatten oder Abkömmling handelt. Dies hat der BFH abgelehnt (BFH-Urteil vom 27. März 2001 X R 106/98, BFH/NV 2001, 1242).
3. Verpflichtet sich der Übernehmer eines Vermögens im Übergabevertrag, an einen familienfremden Dritten auf dessen Lebenszeit der Höhe nach abänderbare wiederkehrende Leistungen zu erbringen, führt dies nicht zu einer abziehbaren dauernden Last, sondern zu einer teilentgeltlichen Anschaffung des Vermögens (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 1-2/90, BFHE 177, 36, BStBl II 1996, 680).
Demgegenüber führt die Belastung eines Erben mit einem Vermächtnis nicht zu Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter des Nachlasses. Die Erfüllung des Vermächtnisses ist kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 IX R 113/92, BFH/NV 1995, 959, m.w.N.). Sind aufgrund eines Schenkungsversprechens von Todes wegen wiederkehrende Leistungen an einen vom Vermögensübergeber bestimmten Dritten zu erbringen, so sind diese Leistungen erbrechtlichen Verpflichtungen gleichzustellen; auch deren Ablösung führt nicht zu steuerlich zu berücksichtigenden Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 20. Juni 2007 X R 2/06, BFHE 218, 259, BStBl II 2008, 99).
4. Nach diesen Grundsätzen stellen die Rentenzahlungen des Klägers an Frau S weder abziehbare Werbungskosten noch Sonderausgaben dar.
a) Die Aufwendungen haben ihren Veranlassungsgrund nicht in der Vermietung der streitbefangenen Objekte des Nachlasses. Vielmehr stehen sie im sachlichen Zusammenhang mit der Erlangung der Verfügungsmacht des Klägers über die Vermietungsobjekte. Dabei handelt es sich jedoch wiederum nicht um einen Anschaffungsvorgang. Die Aufwendungen stellen auch keine Finanzierungskosten zur Erlangung der Verfügungsmacht des Klägers dar. Zutreffend ist zwar, dass er nicht hätte vermieten können, wenn er die Erbschaft ausgeschlagen und damit die Rentenzahlungen nicht übernommen hätte. Jedoch bewegt sich die Frage der Ausschlagung oder Annahme der Erbschaft in Verbindung mit der Verpflichtung zur Rentenzahlung nicht im steuerbaren Bereich.
b) Da Frau S auch nicht zum maßgebenden Generationenverbund gehört, sind die Rentenzahlungen auch nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehbar. Unerheblich ist insoweit, ob das Rentenvermächtnis der Frau S aus Sicht des Erblassers Gegenleistung für erbrachte Dienste der Frau S sein soll. Es handelt sich jedenfalls um Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht i.S. von § 12 Nr. 2 EStG.
Auf die Frage, inwieweit dem Kläger wegen seiner Stellung als nicht befreiter Vorerbe aus der wirtschaftlichen Zusammenschau der ihm als Vermieter verbleibenden Mieterträge einerseits und der Rentenzahlungen an Frau S andererseits ein negativer Saldo verbleibt, kommt es danach nicht an. Denn die Rentenzahlungen sind schon deshalb nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil sie auf einer freiwillig begründeten Rechtspflicht beruhen. Der vom Kläger geltend gemachte negative Saldo hat seine Ursache allein in der Vermächtnisverpflichtung des Klägers als Folge der Annahme seiner Erbeinsetzung als nicht befreiter Vorerbe und damit im nichtsteuerbaren Bereich.