BFH VIII. Senat
AO § 149 Abs 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 1
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 16. February 2010, Az: 12 K 1359/09
Leitsätze
1. NV: Die Frage, ob die (allgemeine) Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2007 aufgrund der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Januar 2008 über Steuererklärungsfristen (BStBl I 2008, 266) bis zum 31. Dezember 2008 zu kurz bemessen ist, an der Realität vorbei geht und daher rechtswidrig ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung .
2. NV: Das Gesetz sieht in § 149 Abs. 2 S. 1 AO sogar lediglich eine Fünfmonatsfrist vor. Wenn die Finanzverwaltung demgegenüber für Steuererklärungen, die von Angehörigen der steuerberatenden Berufe angefertigt werden, als Erleichterung für diese Berufsgruppe eine allgemeine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2008 und bei begründeten Einzelanträgen sogar eine weitere Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2009 vorsieht, ist das nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BStBl II 2000, 514) .
Tatbestand
1. Von der Darstellung des Tatbestandes sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ab.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Weder handelt es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich. Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel erkennbar, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht.
a) Die Frage, ob die (allgemeine) Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2007 aufgrund der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Januar 2008 über Steuererklärungsfristen (BStBl I 2008, 266) bis zum 31. Dezember 2008 zu kurz bemessen ist, an der Realität vorbei geht und daher rechtswidrig ist, und ob das gleichermaßen für § 149 der Abgabenordnung (AO) gilt, der nach Meinung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen Grundrechte verstößt, hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung.
aa) Soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit des § 149 AO rügt, ist die Beschwerde unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt die bloße Behauptung, eine Norm und deren Auslegung seien verfassungswidrig, nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr ist für die schlüssige Darlegung der Verfassungswidrigkeit eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 9. Dezember 1996 II B 82/96, BFH/NV 1997, 254; vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138; vom 3. September 2001 XI B 154/00, BFH/NV 2002, 203; Senatsbeschlüsse vom 9. März 2004 VIII B 271/02, juris; vom 15. Dezember 2004 VIII B 181/04, BFH/NV 2005, 896). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift, die sich im Wesentlichen auf die bloße Wiederholung der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Argumente beschränkt und sich damit gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung richtet, nicht.
bb) Soweit die Beschwerdeschrift sich gegen die allgemeine Fristverlängerung für die Abgabefrist für Steuererklärungen bis zum 31. Dezember 2008 wendet, ist die Rüge unbegründet. Der Kläger verkennt, dass das Gesetz in § 149 Abs. 2 Satz 1 AO sogar lediglich eine Fünfmonatsfrist vorsieht. Wenn die Finanzverwaltung demgegenüber für Steuererklärungen, die von Angehörigen der steuerberatenden Berufe angefertigt werden, als Erleichterung für diese Berufsgruppen eine allgemeine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2008 und bei begründeten Einzelanträgen sogar eine weitere Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2009 vorsieht, ist das nicht zu beanstanden (vgl. dazu im Einzelnen auch BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514).
b) Die vom Kläger gerügte Abweichung der Vorinstanz von den BFH-Urteilen in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514 und vom 11. April 2006 VI R 64/02 (BFHE 213, 268, BStBl II 2006, 642) ist nicht gegeben. In der Entscheidung in BFHE 213, 268, BStBl II 2006, 642 hat der BFH zwar formuliert, "Sind Ermessensrichtlinien erlassen, überprüfen die Steuergerichte, ob sich die Behörde an die Richtlinie gehalten hat, ob die erlassene Ermessensrichtlinie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält und ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch macht". Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Vorinstanz keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt, sondern ausdrücklich ausgeführt, die Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung der Abgabefrist für eine Steuererklärung sei eine Ermessensentscheidung und im Streitfall lasse die Entscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) keinen Ermessensfehler erkennen, vielmehr habe das FA sein Ermessen hinreichend ausgeübt.
Nämliches gilt für das BFH-Urteil in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514. Dort hat der BFH den Rechtssatz aufgestellt, "ein Antrag, mit dem ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe über den 31.12. hinaus eine Fristverlängerung begehrt, bedarf wegen seines Ausnahmecharakters einer besonderen substantiierten Begründung". Auch hier fehlt es an einem abweichenden Rechtssatz des Finanzgerichts (FG). Der Kläger hatte einen über die allgemeine Fristverlängerung hinausgehenden Fristverlängerungsantrag gestellt. Gemäß II. Abs. 3 der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in BStBl I 2008, 266 bedurfte es dazu eines begründeten Einzelantrages. Wenn das FG in seiner Urteilsbegründung dazu ausführt, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe weder in seinem Fristverlängerungsantrag noch in der Einspruchsbegründung Gründe vorgetragen, die in seiner Person oder in der Person des Klägers gelegen und die Anhaltspunkte für eine Fristverlängerung gegeben hätten, ist eine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514 nicht erkennbar.
c) Verfahrensmängel, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könnte, sind nicht ersichtlich. Das gilt insbesondere für die Rüge, die Vorentscheidung entspreche nicht den Mindestanforderungen, die an die Darstellung eines Urteilstatbestands zu stellen seien. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG die für den Streitfall erheblichen Tatsachen zwar knapp aber sachlich geordnet und fallbezogen dargestellt. Das gilt insbesondere für die nach Auffassung des FG für die Urteilsfindung entscheidenden Tatsachen.
Soweit das FG in den Entscheidungsgründen nicht explizit auf das gesamte Vorbringen des Klägers eingegangen ist, bedeutet das nicht, dass es die Gründe nicht oder teilweise nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen hat. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist das Gericht nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (Entscheidungen des BVerfG vom 27. Mai 1970 2 BvR 578/69, BVerfGE 28, 378; vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101; vom 5. Oktober 1976 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, und vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86). Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG-Beschluss vom 15. April 1980 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43). Anders ist die Situation nur, wenn besondere Umstände des konkreten Falls auf einen diesbezüglichen Verstoß hindeuten (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluss vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34). Davon kann hier nicht die Rede sein.