BFH XI. Senat
AO § 87a, AO § 150 Abs 1 S 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3, UStG § 18 Abs 1 S 1
vorgehend FG Hamburg, 08. November 2009, Az: 2 K 65/08
Leitsätze
1. NV: Der alleinige Hinweis darauf, der BFH habe über eine bestimmte Frage noch nicht entschieden, genügt nicht, um den Klärungsbedarf der zu entscheidenden Rechtsfrage darzutun.
2. NV: Um den Klärungsbedarf einer zu entscheidenden Rechtsfrage in zulässiger Weise darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer mit den im Schrifttum hierzu vertretenen Auffassungen und mit den Ausführungen des FG in den Entscheidungsgründen seines Urteils auseinandersetzen.
3. NV: Behauptet der Beschwerdeführer einen Verfahrensfehler in Gestalt der Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht, muss er vortragen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne Beweisantrag hätte aufdrängen müssen und inwiefern diese Sachaufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreits hätte führen können.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Um gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss auch dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20. März 2006 II B 147/05, BFH/NV 2006, 1320).
Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers nicht.
a) Der Kläger führt zunächst aus, der BFH habe über die Rechtsfrage, ob die Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen in elektronischer Form gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes mit der in § 150 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 87a AO enthaltenen Regelung in Einklang stehe, noch nicht entschieden. Dies alleine genügt aber nicht, um den Klärungsbedarf der zu entscheidenden Rechtsfrage darzutun (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 34, m.w.N.). Es fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung des Klägers mit den im Schrifttum hierzu vertretenen Auffassungen. Dazu hätte vor allem deshalb Anlass bestanden, weil das Finanzgericht (FG) sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf entsprechende einschlägige Literatur stützt (z.B. Drüen/Hechtner, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2006, 821 ff.). Der Kläger zitiert in diesem Zusammenhang lediglich einen für seine Rechtsauffassung günstigen Verwaltungserlass (Finanzministerium Nordrhein-Westfalen vom 1. April 2005 S 0061 - 65 - V1, DStR 2005, 696), ohne andererseits zur Sprache zu bringen, dass dieser Erlass kurze Zeit später wieder aufgehoben wurde (vgl. die Mitteilung in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Juni 2005 IV A 7 - S 0321 - 44/05, DStR 2005, 1137).
b) Soweit der Kläger vorbringt, das Urteil des FG sei "anfechtbar", weil darin ausgeführt werde, es sei ihm zuzumuten, einen Endbenutzer-Lizenzvertrag zum Computerprogramm der elektronischen Steuererklärung "ELSTER" abzuschließen, hat er damit keine Rechtsfrage aufgeworfen, die im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Er hat zwar die seiner Meinung nach bestehenden Mängel des Endbenutzer-Lizenzvertrages, dem jeder Nutzer zustimmen muss, hinsichtlich des Anhangs A dargelegt. Das FG hat aber ausgeführt, dass die in Anhang A aufgeführten Lizenzrechte Dritter ersichtlich nicht unmittelbar die mit dem Endbenutzer-Lizenzvertrag für die unentgeltliche Nutzung eingeräumten Rechte berühren (Seite 10 des Urteils). Mit dieser Rechtsauffassung des FG hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt, so dass nicht ersichtlich ist, dass sich für die Nutzer durch die Zustimmung zum Vertrag nachteilige Rechtsfolgen ergeben könnten.
2. Auch den behaupteten Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt der Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO hat der Kläger nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 2 FGO entsprechend dargelegt.
Der Kläger hätte in diesem Zusammenhang insbesondere vortragen müssen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne Beweisantrag hätte aufdrängen müssen und inwiefern diese Sachaufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung des Rechtsstreits hätte führen können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493; vom 21. März 2006 X B 94/05, BFH/NV 2006, 1142; vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, unter II.3.e, jeweils m.w.N.).
Daran fehlt es hier. Der Kläger hatte im Klageverfahren die Datensicherheit von "ELSTER" ausweislich der Entscheidungsgründe des FG-Urteils lediglich mit Nichtwissen bestritten. Er hat auch nach dem Bekanntwerden des Urteils des Niedersächsischen FG vom 17. März 2009 5 K 303/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1069) keinen Beweisantrag betreffend die Datensicherheit von "ELSTER" gestellt (vgl. den Schriftsatz des Klägers vom 14. September 2009). Er hat in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt, weshalb sich dem FG bei dieser Sachlage auch ohne einen entsprechenden Antrag eine weitere Sachaufklärung diesbezüglich hätte aufdrängen müssen.