BFH IV. Senat
FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, EStG § 15 Abs 3 Nr 2, FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 96 Abs 2, GG Art 103 Abs 1
vorgehend FG Hamburg, 09. February 2009, Az: 2 K 124/07
Leitsätze
1. NV: Für die Erheblichkeit der Abweichung einer Finanzgerichtsentscheidung von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen FG ist ausschließlich auf den Rechtsstandpunkt des entscheidenden Finanzgerichts abzustellen .
2. NV: Eine die Rechtssicherheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen .
3. NV: Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das FG nicht, die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte umfassend zu erörtern .
4. NV: Zu den Darlegungserfordernissen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage .
5. NV: Eine GmbH & Co. KG, die eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt, ist keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG .
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, wurde im Jahre 2000 zum Bau und Betrieb eines Containerschiffs gegründet. Am 3. April 2000 schloss sie einen Schiffsbauvertrag mit einer ausländischen Werft ab. Daneben schloss die Klägerin u.a. einen Chartervertrag mit der X beginnend ab September 2001 ab.
Mit Übernahmevereinbarung über den Bauvertrag vom 29. Januar 2001 trat die Klägerin ihre Rechte aus dem Schiffsbauvertrag an eine Schwesterpersonengesellschaft ab. Nach dem Kaufvertrag oblag der Klägerin weiterhin die Bauaufsicht, wofür ein gesondert ausgewiesenes Entgelt zu entrichten war. Die Kaufpreiszahlung, die auf den Tag der Infahrtsetzung des Schiffes fällig gestellt wurde, sollte durch die Übernahme der Zwischenfinanzierungskredite erfolgen. Für die Kosten der Zwischenfinanzierung bis zur Ablieferung des Containerschiffs vereinbarten die Vertragsparteien ein gesondertes Entgelt. Zudem wurde auch der Chartervertrag von der Schwestergesellschaft übernommen. Daneben stand der C-KG, einer Kommanditistin der Klägerin, auf Grund gesonderter Vereinbarung mit der Schwesterpersonengesellschaft für die Haftungsübernahme im Rahmen der Zwischenfinanzierung eine pauschale Bürgschaftsvergütung zu.
Die Klägerin wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 9. April 2003 aufgelöst.
Die Klägerin ging davon aus, dass die von ihr ausgeübten Tätigkeiten noch dem gewerbesteuerfreien Vorbereitungsstadium zuzuordnen seien und deshalb eine Gewerbesteuerpflicht nicht entstanden sei.
Demgegenüber sah der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) in der Veräußerung des Bauvertrags und der danach erfolgten Übernahme verschiedener Dienstleistungen für die Schwesterpersonengesellschaft eine Änderung des ursprünglichen Gesellschaftszwecks und stellte für den Beginn der Gewerbesteuerpflicht nicht mehr auf den Zeitpunkt der Indienststellung des Containerschiffs, sondern auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrags ab.
Die Klage gegen den entsprechend erlassenen Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr (2001) hatte keinen Erfolg.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Vorentscheidung von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. November 2003 IV R 5/02 (BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464) und vom 7. November 1991 IV R 50/90 (BFHE 166, 448, BStBl II 1992, 380) sowie dem Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 17. August 2000 10 K 5594/96 E (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2000, 1246) abweiche und gegen die Rechtsprechung zum gewerbesteuerlichen Betriebsbeginn verstoße. Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, da in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt sei, ob für eine Personengesellschaft, die ihren ursprünglichen Gesellschaftszweck in der gewerbesteuerfreien Vorbereitungsphase ändere und sodann eine andere gewerbliche Tätigkeit aufnehme, unterschiedliche Kriterien für die Festlegung des Betriebsbeginns gälten, je nach dem, ob diese Personengesellschaft die übrigen Voraussetzungen einer gewerblichen Prägung erfülle oder nicht.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung entspricht jedenfalls teilweise schon nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑); im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
1. Die Zulassung der Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO). Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als u.a. der BFH oder ein anderes FG. Das abweichende Gericht muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2006 VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51). In der Beschwerdebegründung müssen deshalb rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze in den jeweiligen Entscheidungen so genau bezeichnet werden, dass die Abweichung erkennbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 5. September 2006 IV B 128/05, BFH/NV 2007, 243, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift der Klägerin indes nicht gerecht.
a) Es fehlt bereits an der hinreichenden Darlegung des von dem FG aufgestellten abstrakten Rechtssatzes, der von der BFH-Entscheidung in BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464 abweichen soll. Zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass eine GmbH & Co. KG, die eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt, keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist. Davon ist aber, anders als die Klägerin meint, auch das FG ausgegangen. Insoweit hat das FG nämlich ausgeführt: "Da die Klägerin eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. von § 15 Abs. 3 EStG ist, kommt es nicht auf die Aufnahme einer originär gewerblichen Tätigkeit an. Denn Kennzeichen einer solchen Gesellschaft ist vielmehr gerade, dass sie keine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt." Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin ‑‑anders als das FG‑‑ davon ausgeht, eine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt zu haben. Denn für die Erheblichkeit einer Abweichung ist ausschließlich auf den Rechtsstandpunkt des FG abzustellen.
b) Eine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 166, 448, BStBl II 1992, 380 scheidet bereits mangels vergleichbaren Sachverhalts aus. Nach dem Sachverhalt in dem Urteil in BFHE 166, 448, BStBl II 1992, 380 hatte eine Partenreederei das Schiff nebst Schiffszubehör verkauft und ihr bisheriges wirtschaftliches Engagement durch die Nichtinbetriebnahme des Schiffs und die Auflösung der Gesellschaft beendet, ohne es in anderer Form fortzuführen. Demgegenüber hat die Klägerin ihr wirtschaftliches Engagement nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG, wenn auch in anderer Form, fortgeführt und damit ihre werbende Tätigkeit nicht eingestellt.
c) Eine Abweichung von dem Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2000, 1246 liegt ebenso wenig vor. Auch dieser Entscheidung lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, da die dortige Klägerin ihren im Aufbau befindlichen Gewerbebetrieb durch Verkauf sämtlicher bis dahin erworbener oder geschaffener Wirtschaftsgüter endgültig aufgegeben hatte.
2. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. März 2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs insbesondere dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt jedoch nicht, dass das Gericht die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend erörtert. Das Gericht ist grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539).
Davon ausgehend liegt eine Überraschungsentscheidung nicht vor. Das FG hat für die Beurteilung des Beginns der werbenden Tätigkeit der Klägerin maßgeblich auf deren Tätigkeit abgestellt, die sie nach Abschluss des Übertragungsvertrages für die übernehmende Gesellschaft ausgeübt hat. Die anwaltlich vertretene Klägerin, eine GmbH & Co. KG, konnte daher durchaus damit rechnen, dass das FG die Finanzierungs- und Bauaufsichtsaktivitäten der Klägerin als vermögensverwaltend einstufen und deshalb § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zum Gegenstand der Beurteilung machen würde.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als vermögensverwaltend im Ergebnis keinen Einfluss auf die Beurteilung des Beginns der werbenden Tätigkeit der Klägerin gehabt hat. Denn das FG hat ausgeführt, dass bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen sei, die, wie bei anderen Unternehmen auch ‑‑gemeint sind ersichtlich originär gewerblich tätige Unternehmen‑‑ von bloßen Vorbereitungshandlungen abzugrenzen sei. Das FG hätte mithin auch bei Annahme einer originär gewerblichen Tätigkeit der Klägerin ohne Rückgriff auf § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG den Beginn der Gewerbesteuerpflicht gleich beurteilt.
3. Mit dem weiteren Vorbringen der Klägerin, das FG habe gegen die Rechtsprechung zum gewerbesteuerlichen Betriebsbeginn verstoßen, wird ein Zulassungsgrund nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen wendet sich die Klägerin im Kern nur gegen die Sachverhaltswürdigung des FG. Ein Revisionszulassungsgrund ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen.
4. Die grundsätzliche Bedeutung ist nicht ausreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Allein der Vortrag, der BFH habe über die Rechtsfrage noch nicht entschieden, ob für eine Personengesellschaft, die ihren ursprünglichen Gesellschaftszweck in der gewerbesteuerfreien Vorbereitungsphase geändert und sodann eine andere gewerbliche Tätigkeit aufgenommen habe, unterschiedliche Kriterien für die Festlegung des Betriebsbeginns gälten, je nachdem, ob diese Personengesellschaft die übrigen Voraussetzungen einer gewerblichen Prägung erfüllt habe oder nicht, genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Ebenso fehlt es an der Darlegung, inwieweit an der Klärung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage durch eine Entscheidung des BFH ein über das Individualinteresse hinausgehendes Interesse der Allgemeinheit bestehen könnte.