BFH VIII. Senat
EStG § 34 Abs 1, EStG § 52 Abs 24a Nr 1, EStG § 52 Abs 47, GG Art 2 Abs 1, GG Art 3 Abs 1, GG Art 20 Abs 3, SGB 5 § 95 Abs 7
vorgehend FG Düsseldorf, 25. March 2003, Az: 13 K 5675/01 E
Leitsätze
NV: Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verstieß auch unter Berücksichtigung der Diskontinuität der gesetzlichen Vorschriften nicht gegen Verfassungsrecht (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung) .
Tatbestand
I. Die ehemalige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist allein beerbt worden von ihrem Ehemann, dem Kläger und Revisionskläger (Kläger).
Die ehemalige Klägerin war als Kinderärztin mit Zulassung als Kassenärztin selbständig tätig. Da ihre Zulassung als Kassenärztin wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze im Jahr 2000 weggefallen wäre, leitete sie Anfang des Jahres 1999 das Nachbesetzungsverfahren (§ 103 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch ‑‑SGB V‑‑) zur Veräußerung ihrer Praxis ein und veräußerte ihre Praxis zum 31. Oktober 1999. Daraus erzielte sie einen Veräußerungsgewinn von 293.228 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) gewährte antragsgemäß den Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 60.000 DM und unterwarf die verbleibende Differenz dem normalen Steuertarif (§ 32a EStG). Bei Anwendung des besonderen Steuersatzes für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG in der im Streitfall anwendbaren Fassung hätte sich ein höherer Steuerbetrag ergeben.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrten die Kläger, den Veräußerungsgewinn nach der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 anwendbaren Fassung des § 34 EStG mit dem halben Steuersatz zu besteuern. Dabei wäre die Einkommensteuer um 73.072 DM niedriger festgesetzt worden. Zur Begründung führten die Kläger aus, der Gesetzgeber habe mit der Einführung der gesetzlichen Altersgrenze für Kassenärzte und dem Verlust des halben Steuersatzes für Veräußerungsgewinne zwei abrupte Rechtsänderungen zu ihren Lasten vorgenommen und dadurch ihr berechtigtes und in Anspruch genommenes Vertrauen verletzt, ohne für einen schonenden Übergang zu sorgen, wozu er verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen wäre.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 anwendbare § 34 EStG sei nicht verfassungswidrig. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1102 veröffentlicht.
Mit der Revision wird die Verletzung von Verfassungsrecht gerügt. Der Kläger meint, der Gesetzgeber hätte beim Wegfall des halben Steuersatzes eine Übergangsreglung schaffen müssen für Fälle, in denen Steuerpflichtige ‑‑wie im Streitfall‑‑ auf die Besteuerung des Veräußerungsgewinns mit dem halben Steuersatz hätten vertrauen dürfen. Bei Einführung der gesetzlichen Altersgrenze für Vertragsärzte durch das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2266) sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Altersvorsorge der Vertragsärzte gesichert sei. Dazu gehöre nach dem Verständnis des Klägers auch die damals geltende Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Praxis mit dem halben Steuersatz. Bei Einführung der neuen Veräußerungsgewinnbesteuerung hätte der Gesetzgeber das berechtigte Vertrauen der Vertragsärzte in den Fortbestand des halben Steuersatzes erkennen und in einer Übergangsvorschrift schützen müssen. Unter eine solche zeitlich begrenzte Vorschrift hätten zwar nicht sämtliche Vertragsärzte fallen können; zumindest im Streitfall hätten damit jedoch Härten vermieden werden können.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Aussetzung der Vollziehung durch Beschluss vom 17. Oktober 2003 XI S 15/03 (BFH/NV 2004, 482) abgelehnt und u.a. ausgeführt, der beschließende Senat habe keine ernstlichen Zweifel, dass der Gesetzgeber berechtigt gewesen sei, den halben Steuersatz durch eine neue Tarifgestaltung zu ersetzen. Im Streitfall bestehe auch kein Rückwirkungsproblem. Der den Veräußerungsgewinn auslösende Vertrag über die Praxisveräußerung sei nach Einleitung des Nachbesetzungsverfahrens erst zum 31. Dezember 1999 (richtig: 31. Oktober 1999) geschlossen worden. Die Klägerin habe weder bei der Einleitung des Nachbesetzungsverfahrens noch bei der Veräußerung darauf vertrauen können, in den Genuss des halben Steuersatzes zu kommen. Bereits mit der Zuleitung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) an den Bundesrat am 20. November 1998 hätte sie mit einer Änderung des seinerzeit geltenden Steuertarifs für außerordentliche Einkünfte rechnen müssen. Die Klägerin habe auch nicht in der Vergangenheit "disponiert". Selbst wenn sie die Veräußerung ihrer Praxis im Vertrauen auf die Fortgeltung des halben Steuersatzes zeitlich hinausgeschoben haben sollte, sei dieses Vertrauen nicht geschützt. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Hinblick auf den altersbedingten Wegfall der Zulassung als Kassenärztin gezwungen gewesen sei, die Praxis im Streitjahr zu veräußern, führe zu keiner anderen Entscheidung. Schließlich komme die Verfassungswidrigkeit des für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 anwendbaren § 34 EStG im Hinblick auf die Neuregelung des § 34 Abs. 3 EStG i.d.F. des Steuersenkungsergänzungsgesetzes (StSenkErgG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1812, BStBl I 2001, 25) für Veranlagungszeiträume ab 2001 nicht ernstlich in Betracht.
Der damals noch zuständige XI. Senat des BFH hat mit dem Einverständnis der Beteiligten am 17. August 2007 beschlossen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in dem Verfahren 2 BvL 1/00 ruhen zu lassen. Zum 1. Januar 2008 ist die Zuständigkeit für das Verfahren auf den VIII. Senat des BFH übergegangen. Der VIII. Senat hat am 3. Juli 2009 die Wiederaufnahme des Verfahrens beschlossen und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich binnen drei Monaten zu der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BVerfG zu äußern.
Der Kläger hat mitgeteilt, er sehe seine Auffassung bestätigt. Die ehemalige Klägerin habe auf den Fortbestand des halben Steuersatzes vertraut und auch vertrauen dürfen. Nur unter der Voraussetzung, dass die Altersvorsorge gesichert sei, wozu auch die Besteuerung des Veräußerungsgewinns mit dem halben Steuersatz gehöre, habe der Gesetzgeber eine Altersgrenze für Kassenärzte einführen dürfen (BVerfG-Beschluss vom 31. März 1998 1 BvR 2167/93, 1 BvR 2198/93, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 1998, 1776). Vor diesem Hintergrund habe seine Ehefrau bewusst darauf verzichtet, das Nachbesetzungsverfahren früher einzuleiten und dadurch in berechtigtem Vertrauen durch Unterlassen disponiert.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 26. März 2003 13 K 5675/01 E und die Einspruchsentscheidung vom 6. September 2001 ‑‑soweit die Klage abgewiesen worden ist‑‑ aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung 1999 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn in Höhe von 293.228 DM abzüglich des Freibetrags von 60.000 DM mit dem halben Steuersatz (§ 34 EStG a.F.) versteuert wird,
hilfsweise,
die Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob § 18 i.V.m. § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sind, soweit der Veräußerungsgewinn aus dem Praxisverkauf im Streitfall mit einer höheren Einkommensteuer belegt wird als nach dem, in dem Zeitpunkt geltenden Einkommensteuerrecht, zu dem die ehemalige Klägerin noch in der Lage gewesen wäre, die Einleitung eines zwingenden Nachbesetzungsverfahrens als Voraussetzung für einen geplanten Verkauf ihrer Arztpraxis zu beantragen, was sie allein aufgrund des Vertrauens in die für den Veranlagungszeitraum 1999 zu diesem Zeitpunkt aufgrund des § 52 Abs. 24a EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform (UntStRFoG) vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590) geltenden Rechtslage unterlassen hat.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Veräußerungsgewinn sei erst nach der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 entstanden. Im Streitfall liege deshalb eine verfassungsrechtlich unbedenkliche unechte Rückwirkung vor. Wenn der Wegfall des halben Steuersatzes im Streitfall zu einer gravierenden Gefährdung der Altersvorsorge geführt hätte, was bestritten werde, könnte dies allenfalls unter Billigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen sein, die nicht Gegenstand des Verfahrens seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 war mit dem GG vereinbar. Die Vorschrift verstieß nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und verletzte im Streitfall auch nicht verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen.
1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481, ständige Rechtsprechung). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvL 1/00, BFH/NV 2009, 1382).
b) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit (vgl. BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, BStBl II 1991, 654) darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Dabei muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne von Belastungsgleichheit umgesetzt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481). Das gilt auch für die Ausgestaltung der Steuertarife. Insbesondere Sondertarife unterliegen keinen geringeren Rechtfertigungsanforderungen als Durchbrechungen des objektiven Nettoprinzips, die durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt werden müssen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534). Im Hinblick auf die Belastungsgleichheit macht es keinen Unterschied, ob Einkünfte, die die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren, in unterschiedlicher Höhe in die Bemessungsgrundlage einfließen oder ob sie einem unterschiedlichen Tarif unterworfen werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481).
2. Die im Streitfall zu beurteilenden Rechtsänderungen, insbesondere die Einführung des § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. durch das StEntlG 1999/2000/2002, sind verfassungsrechtlich nach Auffassung des Senats lediglich an den zurückhaltend zu kontrollierenden Anforderungen des Willkürverbots zu messen.
a) Mit § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. durch das StEntlG 1999/2000/ 2002 hat der Gesetzgeber keinen neuen Sondertarif eingeführt, der nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die Abweichung vom Normaltarif auf sachlichen Gründen beruhte (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481). Vielmehr hat der Gesetzgeber einen eingeführten und überkommenen Sondertarif modifiziert und damit im Streitfall bewirkt, dass ein Veräußerungsgewinn mit dem normalen Steuertarif besteuert wird. Bei der Streichung einer steuerlichen Begünstigung und der daraus folgenden Anwendung des allgemeinen Steuertarifs handelt es sich grundsätzlich nicht um die Herbeiführung einer neuen Ungleichheit, sondern um die Herstellung größerer Gleichheit (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29. November 1989 1 BvR 1528/87, BVerfGE 81, 108, BStBl II 1990, 479, unter B.II.2. der Gründe). Indes bewirkt die Regelung, dass Veräußerungsgewinne nicht mehr bei allen Steuerpflichtigen mit dem halben, sondern mit unterschiedlich hohen Steuersätzen besteuert werden. Hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die einmal getroffene Grundentscheidung, Veräußerungsgewinne nicht mit dem Normaltarif, sondern mit einem (im Grundsatz) niedrigeren Sondertarif zu besteuern, nicht in Frage gestellt.
b) Soweit der Kläger meint, dass sich der geänderte Steuertarif im Streitfall in erheblicher Weise auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten ausgewirkt habe, folgt der Senat dem nicht. Durch die geänderte Besteuerung des Veräußerungsgewinns ist weder die Ausübung des Arztberufs noch die Veräußerung der Praxis erschwert worden. Zwar hätte die geänderte Besteuerung des Veräußerungsgewinns einen Grund darstellen können, den Zeitpunkt der Praxisveräußerung nicht (wie tatsächlich geschehen) vom Erreichen der Altersgrenze abhängig zu machen, sondern zielgerichtet zu gestalten und zeitlich vorzuziehen. Die dabei in Anspruch genommene Freiheit wird jedoch allenfalls vom Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit erfasst, die unter dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt steht.
3. Bei Anlegung dieser Maßstäbe verstieß § 34 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
a) Der Gesetzgeber war insbesondere berechtigt, die bis zum Veranlagungszeitraum 1998 (zur Entstehungsgeschichte vgl. Wendt, Finanz-Rundschau 2000, 1199) geltende Besteuerung von Veräußerungsgewinnen mit dem halben Steuersatz für die Zukunft neu zu gestalten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Juli 2002 XI B 68/02, BFHE 201, 14, BStBl II 2003, 341; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 25. Februar 2003 VIII B 253/02, BFH/NV 2003, 624; III B 130/02, BFH/NV 2003, 773; vom 7. März 2003 IV B 163/02, BFH/NV 2003, 777; vom 9. März 2004 X B 173/03, BFH/NV 2004, 956; vom 19. Juni 2006 VIII B 129/05, BFH/NV 2006, 1830). Die Einführung der Fünftelregelung anstelle des zuvor geltenden halben Steuersatzes für Veräußerungsgewinne erforderte auch keine Übergangsregelung (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18, und in BFH/NV 2003, 624). Die vom Gesetzgeber für die Rechtsänderung angeführten sachlichen Gründe tragen die Entscheidung in verfassungsrechtlicher Hinsicht. In erster Linie ging es darum, die über den Zweck der Progressionsglättung hinausgehende Begünstigung von Steuerpflichtigen zu beseitigen, bei denen der Veräußerungsgewinn aufgrund im Spitzenbereich liegender anderer Einkünfte nicht zu einer Tarifsteigerung führte (vgl. BTDrucks 14/23, S. 183). Dieses Ziel ist, wie der Streitfall zeigt, durch die Rechtsänderung erreicht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat im Übrigen auf die bezeichneten Entscheidungen, insbesondere den BFH-Beschluss in BFHE 201, 14, BStBl II 2003, 341 Bezug.
b) Die Vorschrift war auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil es der Gesetzgeber unterlassen hat, die seit 2001 geltende Regelung des § 34 Abs. 3 i.d.F. des StSenkErgG auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zurückzubeziehen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 201, 14, BStBl II 2003, 341; vom 9. Dezember 2002 X B 28/02, BFH/NV 2003, 471; in BFH/NV 2003, 773; in BFH/NV 2003, 624; in BFH/NV 2003, 777; in BFH/NV 2004, 956; vom 16. Dezember 2005 VIII B 123/05, BFH/NV 2006, 725). Auch für diese Rechtsänderung ‑‑einschließlich der Entscheidung, den wieder eingeführten halben Steuersatz nicht rückwirkend auf die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 zu erstrecken‑‑ hat der BFH unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung (BTDrucks 14/4217, S. 7) und anderer Unterlagen aus dem Gesetzgebungsverfahren hinreichende sachliche Gründe bejaht. An dieser Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat bereits im Beschluss in BFH/NV 2003, 624 angeschlossen hat, hält der Senat fest. Der Kläger hat keine Gründe aufgezeigt, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die angeführten BFH-Entscheidungen, insbesondere den BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 471 Bezug genommen.
c) Auch in zeitlicher Hinsicht führt die gestufte gesetzgeberische Reaktion auf die erkannte Zweckverfehlung der bis 1998 geltenden Regelung einerseits und die im Gefolge des Systemwechsels bei der Körperschaftsteuer im Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433) erkannte Notwendigkeit einer weiteren Stärkung des Mittelstands andererseits nicht zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieselben Gründe, die es ausschließen, eine willkürliche inhaltliche Widersprüchlichkeit aus der zeitlichen Abfolge der Rechtsänderungen abzuleiten, schließen auch die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG in zeitlicher Hinsicht aus (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2009, 1382, unter B.2.c bb der Gründe).
4. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Rückwirkung des Gesetzes oder eine andere Form der Verletzung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Anders als in dem der BFH-Entscheidung vom 6. November 2002 XI R 42/01 (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) zugrunde liegenden Fall, ist im Streitfall nicht davon auszugehen, dass die verbindliche Entscheidung über die Veräußerung der Arztpraxis bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes getroffen worden ist. Das Datum des Praxisveräußerungsvertrags ist vom FG zwar nicht festgestellt worden. Der Kläger hat aber auch keine Angaben dazu gemacht. Der Senat geht deshalb angesichts des unstreitigen Gefahrübergangs am 31. Oktober 1999 und der vom FA nicht bestrittenen Darstellung des Klägers von der zeitlichen Dauer des sog. Nachbesetzungsverfahrens davon aus, dass der Vertrag erst im dritten Quartal 1999 geschlossen worden ist. Vor diesem Hintergrund ist im Streitfall weder § 52 Abs. 47 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu problematisieren, der die rückwirkende Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG ab dem 1. Januar 1999 (für den Veranlagungszeitraum 1999) anordnete (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18) noch kommt es darauf an, dass die ehemalige Klägerin das Nachbesetzungsverfahren bereits im Frühjahr 1999 und möglicherweise schon vor dem Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/ 2002 eingeleitet hatte, denn mit der Einleitung des Verfahrens hatte sie noch keine für sie bindende Entscheidung über die Veräußerung der Praxis getroffen.
Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung fest. Dabei wird nicht verkannt, dass sich der Steuerpflichtige bei Einleitung des Nachbesetzungsverfahrens im Regelfall bereits endgültig entschlossen haben wird, die Praxis zu veräußern, weil das Nachbesetzungsverfahren die einzige Möglichkeit darstellt, eine vertragsärztliche Praxis in einem zulassungsbeschränkten Gebiet zu veräußern. Das ändert aber nichts daran, dass eine den Steuerpflichtigen auch in rechtlicher Hinsicht bindende Entscheidung über die Veräußerung der Arztpraxis insoweit noch nicht getroffen ist.
b) Aus § 52 Abs. 24a Nr. 1 EStG i.d.F. des UntStRFoG ergibt sich nichts anderes. Die Regelung sah vor, in welcher Fassung § 34 Abs. 1 EStG für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 Anwendung finden sollte. Dem Kläger ist zuzugeben, dass darin zum Ausdruck kommt, dass nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers der halbe Steuersatz bis zum Veranlagungszeitraum 1999 und darüber hinaus anwendbar sein sollte. Daraus allein kann jedoch eine Änderungssperre nicht hergeleitet werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Beschluss in BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257. Die vom BFH im Hinblick auf § 52 Abs. 24a EStG a.F. herausgestellte besondere Vertrauenswirkung erstreckte sich nur auf den Zeitraum bis zur Zuleitung des Regierungsentwurfs für das StEntlG 1999/2000/2002 an den Bundesrat (am 20. November 1998) und wirkt ‑‑wie dem Beschluss eindeutig zu entnehmen ist‑‑ nur im Zusammenhang mit einer bindenden Dispositionsentscheidung des Steuerpflichtigen, die bis zu diesem Zeitpunkt verwirklicht worden ist. Daran fehlt es im Streitfall.
c) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, dass der Gesetzgeber nach Einführung der Altersgrenze für Kassenärzte durch § 95 Abs. 7 SGB V i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 1999 daran gehindert gewesen sei, speziell für niedergelassene Ärzte mit Zulassung als Vertragsarzt den halben Steuersatz für Gewinne aus der Veräußerung der Kassenarztpraxis übergangslos abzuschaffen. Entsprechendes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus der Begründung des Gesundheitsstrukturgesetzes. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass Ärzte und Zahnärzte in der Regel spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres über eine ausreichende Altersversorgung, vor allem durch die berufsständischen Versorgungswerke verfügen (vgl. BTDrucks 12/3209, S. 49). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Gesetzgeber die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Arztpraxis mit dem halben Steuersatz als für die Altersversorgung der Ärzte und Zahnärzte bedeutsam angesehen hat. Das BVerfG hat entschieden, dass die Einführung der Altersgrenze mit der Verfassung vereinbar war (BVerfG-Beschluss in NJW 1998, 1776). In der Entscheidung hat das BVerfG maßgeblich darauf abgestellt, dass den bereits zugelassenen Ärzten die Möglichkeit eingeräumt wurde, wenigstens 20 Jahre lang eine vertragsärztliche Praxis zu betreiben. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass diese Zeitspanne ausreiche, um getätigte Investitionen zu erwirtschaften und eine angemessene Alterssicherung aufzubauen. Auf die Fortgeltung des halben Steuersatzes für Gewinne aus der Veräußerung der Arztpraxis hat auch das BVerfG nicht abgestellt.
Im Streitfall ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die ehemalige Klägerin eine bestimmte Besteuerung des Veräußerungsgewinns in ihre Altersvorsorgeplanung einbezogen hatte. Soweit die Besteuerung mit dem halben Steuersatz aber nachweislich konkret in das Konzept der Altersversorgung einbezogen worden ist und der Wegfall dieses Steuervorteils zu einer gravierenden Gefährdung der Altersversorgung geführt haben sollte, kommt nach dem BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 777 ein Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen in Betracht. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die Frage des Erlasses kann im Rahmen der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid allerdings nicht geprüft werden.
d) Unerheblich ist, dass die ehemalige Klägerin der Besteuerung des Veräußerungsgewinns zum normalen Tarif mit Rücksicht auf die Dauer des Nachbesetzungsverfahrens nicht ausweichen konnte. Der Senat geht insofern mit dem Kläger in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass eine bindende Entscheidung über die Veräußerung der Arztpraxis bis zum Inkrafttreten des StEntlG 1999/2000/2002 auch dann nicht hätte herbeigeführt werden können, wenn das Nachbesetzungsverfahren unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Steueränderungspläne am 20. November 1998 eingeleitet worden wäre. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Rechtsänderung bestimmt sich nicht danach, ob der Steuerpflichtige ihr noch rechtzeitig ausweichen kann, sondern ob sie sachlich gerechtfertigt ist.