BFH IV. Senat
AO § 174 Abs 3, AO § 176 Abs 1 S 1 Nr 3
vorgehend FG Münster, 02. July 2007, Az: 1 K 2766/04 F
Leitsätze
1. NV: Unter einem "bestimmten Sachverhalt" i.S. von § 174 Abs. 3 Satz 1 AO ist de einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft; darunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex .
2. NV: Ging das FA trotz des Wegfalls der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung hinsichtlich des Grundstücks einer GmbH & Co. GbR als Besitzunternehmen ‑‑nach späterer Erkenntnis rechtsirrig‑‑ davon aus, dass die Besteuerung stiller Reserven zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne, so scheidet die Änderung eines gegenüber der GbR ergangenen bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 174 Abs. 3 AO aus. Die Umstände, die zu einer späteren Aufdeckung stiller Reserven hätten führen können, sind unbestimmt und gehören nicht zu dem Sachverhalt, der rechtsirrtümlich nicht als Entnahme anlässlich der zwangsweisen Betriebsaufgabe der GbR als Besitzunternehmen gewürdigt worden ist .
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die alleinigen Gesellschafter der X Beteiligungs GmbH & Co. GbR (GbR). An der GbR sind der Kläger zu 1. und die Klägerin zu 2. mit je 25,5 % und der Kläger zu 3. mit 49 % beteiligt. Die Y Beteiligungs GmbH (GmbH) ist an der GbR kapitalmäßig nicht beteiligt.
Die GbR ist Eigentümerin des Grundstücks B-Straße in R. Dieses Grundstück war im Streitjahr (1996) seit langem im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die Z GmbH (Betriebs-GmbH) vermietet.
Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18. Januar 1996 wurden die Anteile an der Betriebs-GmbH mit in die H GmbH & Co. KG eingebracht. Dadurch entfielen ‑‑wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist‑‑ die Voraussetzungen der bisherigen Betriebsaufspaltung. Das Mietverhältnis für das Grundstück B-Straße besteht jedoch unverändert fort.
In ihrer Feststellungserklärung 1996 erklärte die GbR weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb, da nach damaliger Rechtsauffassung die Rechtsform der GmbH & Co. GbR zu einer gewerblichen Prägung der Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) führte die gesonderte und einheitliche Feststellung 1996 zunächst erklärungsgemäß durch. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung (AO).
Aufgrund einer bei der GbR durchgeführten Außenprüfung erging ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Feststellungsbescheid 1996 vom 23. März 2000, in dem die der Höhe nach geänderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb den einzelnen Beteiligten weiterhin entsprechend ihrer Beteiligungsquote als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet wurden. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob das FA auf.
In ihrer Feststellungserklärung für das Jahr 1999 erklärte die GbR erstmals Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks B-Straße. Das FA schloss sich dieser rechtlichen Beurteilung an.
Anschließend erhöhte das FA jedoch für das Streitjahr mit nach § 174 Abs. 3 AO geändertem Feststellungsbescheid 1996 vom 20. Dezember 2002 den Gewinn der GbR aus Gewerbebetrieb um die im Grundstück B-Straße enthaltenen stillen Reserven. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betrugen danach 1.372.100 DM und wurden den Beteiligten wie folgt zugerechnet:
Kläger zu 1. 349.885,50 DM
Klägerin zu 2. 349.885,50 DM
Kläger zu 3. 672.329,00 DM.
Die bisherigen laufenden Einkünfte qualifizierte das FA in solche aus Vermietung und Verpachtung um. Das FA begründete die Bescheidänderung mit der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH). Aufgrund des BGH-Urteils vom 27. September 1999 II ZR 371/98 (BGHZ 142, 315) könne die Haftung der Gesellschafter einer GbR für die im Namen der Gesellschaft begründeten Verpflichtungen nur durch individual-rechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Deshalb liege im Streitfall keine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG vor. Die stillen Reserven aus der "Entnahme" des Grundstücks seien zu versteuern, sofern nicht von einer ‑‑vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 18. Juli 2000 IV C 2 -S 2241- 56/00 (BStBl I 2000, 1198) und vom 28. August 2001 IV A 6 -S 2240- 49/01 (BStBl I 2001, 614) eingeräumten‑‑ Vertrauensschutzregelung Gebrauch gemacht werde. Auf die Anwendung dieser Vertrauensschutzregelung hätten die Kläger im Rahmen der Feststellungserklärung 1999 ausdrücklich verzichtet, da sie von einer unbesteuerten Entstrickung der stillen Reserven wegen Bestandskraft der Feststellungsbescheide 1995 und 1996 ausgegangen seien.
Mit ihrem Einspruch machten die Kläger u.a. geltend, die Voraussetzungen der Änderung einer bestandskräftigen Feststellung nach § 174 Abs. 3 AO lägen nicht vor, denn eine Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung stelle keinen Sachverhalt dar, der bislang steuerlich unberücksichtigt geblieben sei. Zudem bestehe ein zusätzlicher Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 15 veröffentlichten Gründen statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass das FA den ‑‑bestandskräftigen‑‑ Feststellungsbescheid 1996 vom 23. März 2000 nicht mehr durch den angefochtenen Änderungsbescheid vom 20. Dezember 2002 ändern durfte.
1. Die Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 3 AO liegen nicht vor.
a) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 AO die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die für Feststellungsbescheide gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß geltende Vorschrift soll verhindern, dass ein steuererhöhender oder steuermindernder Vorgang bei der Besteuerung überhaupt nicht berücksichtigt wird (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15. Januar 2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073; Senatsurteil vom 27. Mai 1993 IV R 65/91, BFHE 172, 5, BStBl II 1994, 76), und erfordert deshalb einen "negativen Widerstreit". Dieser liegt vor, wenn ein bestimmter Sachverhalt in keinem von mehreren in Betracht zu ziehenden Steuerbescheiden (Feststellungsbescheiden) berücksichtigt worden ist, obwohl er in einem dieser Bescheide hätte berücksichtigt werden müssen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. Mai 2001 VIII R 19/00, BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743, und VIII R 20/00, BFH/NV 2001, 1372, jeweils m.w.N.).
aa) § 174 Abs. 3 AO setzt eine alternative Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts in dem einen oder dem anderen Steuerbescheid (Feststellungsbescheid) voraus (Senatsurteile vom 15. Februar 2001 IV R 9/00, BFH/NV 2001, 1007, und vom 8. März 2007 IV R 41/05, BFH/NV 2007, 1813; vgl. auch Senatsbeschluss vom 18. August 2005 IV B 167/04, BFHE 210, 210, BStBl II 2006, 158). Der Sachverhalt muss identisch sein (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813; Senatsbeschluss vom 3. September 1997 IV B 166/96, BFH/NV 1998, 148). Das Tatbestandsmerkmal des bestimmten Sachverhalts ist in § 174 AO einheitlich auszulegen (vgl. z.B. von Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 174 AO Rz 171; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 174 Rz 18 und 40a; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 5, 29 und 39); deshalb können für § 174 Abs. 3 Satz 1 AO auch die für § 174 Abs. 4 Satz 1 AO in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze herangezogen werden. Danach ist unter einem bestimmten Sachverhalt der einzelne Lebensvorgang zu verstehen, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft; darunter fällt nicht nur die einzelne steuererhebliche Tatsache oder das einzelne Merkmal, sondern auch der einheitliche, für die Besteuerung maßgebliche Sachverhaltskomplex (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813; BFH-Urteil vom 14. März 2006 I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18, jeweils m.w.N.). Es muss sich um denselben Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813). Für die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO ist entscheidend, dass aus demselben ‑‑unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten‑‑ Sachverhalt steuerliche Folgerungen in einem anderen Steuerbescheid hätten gezogen werden sollen.
bb) Die (erkennbare) Annahme, dass ein bestimmter Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, muss ‑‑in sinnvoller Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 174 Abs. 3 AO‑‑ für dessen Nichtberücksichtigung kausal geworden sein (z.B. BFH-Urteile in BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743, und in BFH/NV 2001, 1372, jeweils m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 40a). Dabei ist jedoch unerheblich, ob diese Annahme auf einer sachlichen oder auf einer rechtlichen Fehlbeurteilung beruht (z.B. Senatsurteile in BFHE 172, 5, BStBl II 1994, 76, und vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89). An der erforderlichen Ursächlichkeit der Annahme für die Nichtberücksichtigung fehlt es nur, wenn die Behörde von diesem Sachverhalt gar keine Kenntnis hatte oder rechtsirrtümlich annahm, dieser Sachverhalt sei ‑‑jetzt und auch später‑‑ ohne steuerrechtliche Bedeutung (z.B. BFH-Urteile in BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743, und in BFH/NV 2001, 1372; BFH-Beschluss vom 9. August 2007 I B 15/07, juris).
b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO nicht gegeben.
aa) Die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei dem Geschehen im Zusammenhang mit dem ‑‑zwischen den Beteiligten unstreitigen‑‑ Wegfall der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Betriebs-GmbH und der zu jener Zeit vermeintlich gewerblich geprägten GbR einerseits und andererseits der späteren Aufdeckung der in dem streitbefangenen Grundstück ruhenden stillen Reserven aus zeitlich und seiner Art nach unbestimmtem Anlass nicht um einen identischen Sachverhalt handelt.
Der Sachverhalt, den das FA unberücksichtigt gelassen hat, war der Wegfall der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Betriebs-GmbH und der GbR. Dieser Vorgang hätte, wenn das FA die GbR nicht entgegen seiner später gewonnenen Rechtsauffassung als gewerblich geprägte Personengesellschaft angesehen hätte, zur Totalentnahme (zwangsweise Betriebsaufgabe der GbR als Besitzunternehmen) mit der Folge der Auflösung (auch) der in dem streitbefangenen Grundstück ruhenden stillen Reserven geführt (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 25. August 1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23, m.w.N. betreffend personelle Entflechtung durch Anteilsveräußerung; Senatsurteile vom 5. Dezember 1996 IV R 83/95, BFHE 182, 137, BStBl II 1997, 287 betreffend sachliche Entflechtung; vom 20. November 2003 IV R 21/03, BFHE 204, 169, BStBl II 2004, 272; Gluth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 838; Schmidt/Wacker, EStG, 28. Aufl., § 15 Rz 865). Indessen hat das FA die Besteuerung anlässlich des Wegfalls der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung nicht etwa deshalb unterlassen, weil es annahm, dieser Vorgang sei in einem späteren Bescheid zu erfassen. Zwar hat es von der Besteuerung eines Aufgabegewinns abgesehen, weil es ‑‑nach späterer Erkenntnis rechtsirrig‑‑ der Auffassung war, die in dem streitbefangenen Grundstück ruhenden stillen Reserven blieben nicht unversteuert. Die in einem späteren Zeitpunkt zu erwartende Versteuerung der stillen Reserven konnte jedoch aus der damaligen Sicht des FA auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen (vgl. zu einer vergleichbaren Sachverhaltsabgrenzung auch Senatsbeschluss in BFHE 210, 210, BStBl II 2006, 158). Denn zu einer Aufdeckung von stillen Reserven können ganz unterschiedliche Umstände (z.B. die Entnahme oder die Veräußerung des Grundstücks) führen, die selbst in ihren wesentlichen Merkmalen auch nicht teilidentisch mit dem im Streitfall vom FA beurteilten Sachverhalt, der den Wegfall der Betriebsaufspaltung zur Folge hatte, sind. Insbesondere handelte es sich bei späteren Entnahmehandlungen nicht um denselben Sachverhalt wie bei der genannten Totalentnahme. Denn der Begriff der "Entnahme" bildet nur den Tatbestand für die rechtliche Beurteilung; den maßgeblichen Sachverhalt bilden demgegenüber die Tatsachen, die unter den Tatbestand der Entnahme zu subsumieren sind (vgl. auch Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1813). Die Tatsachen, die einer möglichen späteren Entnahme zugrunde lägen, sind jedoch in jedem Fall andere als diejenigen, die im Streitfall zum Wegfall der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung und in Folge dessen ‑‑ohne die Annahme einer gewerblichen Prägung der GbR‑‑ zu einer Totalentnahme geführt hätten. Das FA hat also die Besteuerung nicht deshalb unterlassen, weil es annahm, der bei der Klägerin verwirklichte Sachverhalt sei in einem späteren Bescheid zu erfassen. Zudem war auch der Zeitpunkt einer Aufdeckung stiller Reserven völlig unbestimmt. Ein "bestimmter" (identischer) Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO setzt hingegen auch voraus, dass die tatsächlichen Umstände, die das FA seiner Beurteilung zugrunde legt, diesem in ihren wesentlichen Ausprägungen hinreichend bekannt sind. Allein die Erwartung des FA, die stillen Reserven seien irgendwann aufgrund irgendeines Sachverhalts zu erfassen, rechtfertigt die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 3 AO nicht.
Der erkennende Senat folgt mit seiner Rechtsauffassung im Ergebnis auch den bereits vom X. Senat des BFH (Beschluss vom 27. Januar 2004 X B 116/03, BFH/NV 2004, 913) und in der Fachliteratur (z.B. von Gronau/Konold, Deutsches Steuerrecht 2001, 1926 f.; Ellesser/Lahme, Der Betrieb 2001, 2419, 2420 ff.; Paus, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 66, 67 f.; Tiedtke/ Szczesny, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3733, 3735 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 Rz 71) geäußerten Bedenken hinsichtlich der vom BMF (in BStBl I 2000, 1198, und in BStBl I 2001, 614) vertretenen Anwendung des § 174 Abs. 3 AO auf Fälle, in denen eine Entnahmebesteuerung aufgrund rechtsfehlerhafter Würdigung einer GbR als gewerblich geprägte Personengesellschaft unterblieben ist. Auch sieht sich der erkennende Senat in seiner Ansicht durch Zweifel bestärkt, ob § 174 Abs. 3 AO die Rechtsgrundlage dafür bietet, bestandskräftige Steuerbescheide in der Weise zu ändern, dass ein Entnahmegewinn steuerlich berücksichtigt wird, den das FA seinerzeit wegen Nichtanwendung der BFH-Rechtsprechung zur Bedeutung von Einstimmigkeitsabreden bei der Betriebsaufspaltung nicht erfasst hat (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 210, 210, BStBl II 2006, 158, m.w.N.; Kempermann, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3, 12501, 12509; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 825). Auch für jene Fallkonstellation rechtfertigte die Finanzverwaltung die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 3 AO im Ergebnis mit der Erwartung, dass die stillen Reserven irgendwann aufgrund irgendeines Sachverhalts zu erfassen seien.
bb) Hindert schon das Vorliegen verschiedener Sachverhalte an der Anwendung des § 174 Abs. 3 AO, so kann offenbleiben, ob die Annahme des FA, dass ein bestimmter Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, im Streitfall kausal für dessen Nichtberücksichtigung gewesen ist. Auch dies begegnete allerdings Zweifeln, soweit man von der rechtsirrtümlichen Annahme des FA ausgeht, der Sachverhalt, der zum Wegfall der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung führte, sei ‑‑jetzt und auch später‑‑ ohne steuerrechtliche Bedeutung, weil die Grundstücke weiterhin "steuerlich verstrickt" blieben und erst aufgrund neu hinzutretender Umstände könne eine Versteuerung der in den Grundstücken ruhenden stillen Reserven erfolgen (in diesem Sinne die Kausalität verneinend wohl auch Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 29).
2. Weiterhin kann im Streitfall offenbleiben, ob dem angegriffenen Änderungsbescheid auch § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO entgegenstünde, weil das FA seine ursprüngliche Rechtsauffassung, die GbR sei eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, erst aufgrund einer neuen Rechtsprechung des BGH (Urteil in BGHZ 142, 315) geändert hat, oder ob insoweit zu berücksichtigen wäre, dass das BMF mit seinen Schreiben in BStBl I 2000, 1198, und in BStBl I 2001, 614 auch Vertrauensschutzregelungen getroffen hat, und außerdem die Kläger ‑‑wie das FA meint‑‑ auf die Anwendung einer Vertrauensschutzregelung verzichtet haben.