BFH VI. Senat
EStG § 33a Abs 1, BGB § 1360
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 05. November 2008, Az: 13 K 13009/08
Leitsätze
Bei als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Unterhaltszahlungen an die im Ausland lebende Ehefrau sind im Rahmen einer bestehenden Ehegemeinschaft weder die Bedürftigkeit noch die sog. Erwerbsobliegenheit der Ehefrau zu prüfen .
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für den Unterhalt seiner in Bosnien-Herzegowina lebenden Ehefrau als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ging vom 13. März bis zum 30. November 2006 einer nichtselbständigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland nach und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In der übrigen Zeit hielt er sich im Streitjahr bei seiner Familie im Ausland auf. Seine Ehefrau lebte mit den gemeinsamen Söhnen E (im Streitjahr in der Ausbildung als Autospengler ohne eigene Einkünfte) und A (Schüler) in Bosnien-Herzegowina.
Der Kläger machte in seiner Steuererklärung für das Streitjahr Unterhaltsleistungen für bedürftige Personen als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dabei gab er an, für seine Ehefrau und die beiden Söhne viermal jeweils 1.857 € (insgesamt 7.428 €) bei Familienheimfahrten am 17. April, am 25. Mai, am 3. August sowie am 24. November 2006 mitgenommen zu haben. Nach den Angaben in einer vom Kläger vorgelegten Unterhaltsbescheinigung war die Ehefrau nicht beruflich tätig und verfügte weder über Einkommen noch über Vermögen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte die Unterhaltszahlungen an die Ehefrau nicht. Nach § 33a EStG könnten Unterhaltsaufwendungen nur abgezogen werden, wenn die unterstützte Person gesetzlich unterhaltsberechtigt und bedürftig sei. Bei der Prüfung der Bedürftigkeit sei für Personen in erwerbsfähigem Alter grundsätzlich davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienten. Insoweit bestehe eine so genannte Erwerbsobliegenheit. Eine derartige Erwerbsobliegenheit bestehe im Streitfall, da die Ehefrau des Klägers in erwerbsfähigem Alter sei und wichtige Gründe, durch welche die Ehefrau möglicherweise an einer ihren Lebensunterhalt sicherstellenden Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sei, weder geltend gemacht worden noch ansonsten ersichtlich seien. Die Bescheinigungen der Heimatorte enthielten keine Angaben darüber, ob sich die Ehefrau eventuell erfolglos um eine Erwerbstätigkeit bemüht habe.
Der Kläger wandte sich dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 398 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die unzutreffende Anwendung von § 33a EStG.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 6. November 2008 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13. Juni 2007, geändert durch Bescheid vom 20. Juli 2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Dezember 2007 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen des Klägers für seine Ehefrau in Höhe von 1.920 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG anerkannt werden.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der Klage stattgegeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Zahlungen des Klägers an die in Bosnien-Herzegowina lebende Ehefrau können als Unterhaltszahlungen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 1.920 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden.
Das FG hat die Unterhaltszahlungen an die in Bosnien-Herzegowina lebende Ehefrau des Klägers zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
1. Die steuerliche Berücksichtigung der einem Steuerpflichtigen erwachsenden Aufwendungen zum Unterhalt einer Person, für die weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag oder auf Kindergeld hat, setzt nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG u.a. voraus, dass die unterhaltene Person gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt ist. Die Beantwortung der Frage, ob ein Unterhaltsanspruch vorliegt, richtet sich nach inländischem Recht, d.h. nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dies gilt nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG auch für in der Bundesrepublik Deutschland lebende ausländische Steuerpflichtige, die ihre Angehörigen im In- oder Ausland unterstützen (Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 4. Juli 2002 III R 8/01, BFHE 199, 407, BStBl II 2002, 760, und vom 2. Dezember 2004 III R 49/03, BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483).
Der Kläger ist nach inländischem Recht seiner Ehefrau gegenüber gesetzlich unterhaltsverpflichtet. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers folgt aus §§ 1360, 1360a BGB. Danach sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts (§ 1360 BGB). Nach dem Leitbild des Gesetzes trägt in einer intakten Ehe jeder Ehegatte entsprechend der vereinbarten Rollenverteilung in seiner jeweiligen Funktion zum Familieneinkommen bei. Die Verpflichtung zum Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB schließt jedoch ein, dass beide Ehegatten für den angemessenen Unterhalt auch ihre eigene Arbeitskraft einsetzen müssen (vgl. Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 1360 Rz 7). Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft ‑‑wie im Streitfall‑‑ darauf angelegt haben, dass ein Partner sich auf den häuslichen Bereich beschränkt, während der andere Partner die finanzielle Basis für die Lebensgemeinschaft erwirtschaftet (vgl. Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 20. August 2007 10 UF 662/07, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2008, 788). Eine Erwerbsverpflichtung besteht nur in Notfällen, wenn die Arbeitskraft eines Ehegatten zur Deckung des Familienunterhalts nicht ausreicht (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1360 Rz 13; MünchKommBGB/Weber-Monecke, 5. Aufl., § 1360 Rz 17). Ein Notfall ist vorliegend jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Das FG hat verkannt, dass Ehegattenunterhalt anders als Verwandtenunterhalt gemäß § 1601 BGB auch jenseits der Bedürftigkeit geschuldet wird (Staudinger/Voppel, Kommentar zum BGB, § 1360 Rz 13, m.w.N.). Ein Verwandter, nicht aber der haushaltsführende Ehegatte, ist nach § 1602 BGB verpflichtet, zunächst seine Arbeitskraft zu verwerten (sog. Erwerbsobliegenheit, vgl. Palandt/ Diederichsen, a.a.O., § 1602 Rz 7).
3. Die Sache ist spruchreif. Da die weiteren Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG zwischen den Beteiligten nicht streitig sind, ist der Klage stattzugeben. Die Unterhaltsleistungen an die Ehefrau des Klägers sind in der geltend gemachten Höhe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Zu Recht geht der Kläger davon aus, dass sich der in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG geregelte Höchstbetrag von 7.680 € bei Aufwendungen für den Unterhalt von in Bosnien-Herzegowina lebenden unterhaltsberechtigten Personen auf 1/4, also auf 1.920 € pro unterhaltener Person mindert. Die vom Bundesministerium der Finanzen im Schreiben vom 17. November 2003 IV C 4 - S 2285 - 50/03 (BStBl I 2003, 637) für Unterhaltszahlungen ins Ausland erlassene sog. Ländergruppeneinteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden, da sie die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 5 1. Halbsatz EStG zutreffend abbildet (BFH-Urteil in BFHE 208, 531, BStBl II 2005, 483, m.w.N.).