BFH III. Senat
InvZulG § 2, ZRFG § 3 Abs 1, FöGbG § 2, InvZulG 1999 § 2
vorgehend Thüringer Finanzgericht , 19. February 2008, Az: III 1339/04
Leitsätze
1. Besitz- und Betriebsunternehmen sind im Zulagenrecht auch dann einheitlich zu betrachten (sog. Merkmalszurechnung), wenn beide Kapitalgesellschaften sind. Eigengewerbliche Tätigkeiten der Besitzgesellschaft stehen dem nicht entgegen .
2. Ein vom Betriebsunternehmen angeschafftes Wirtschaftsgut gehört im zulagenrechtlichen Sinne weiterhin zu dessen Anlagevermögen, wenn es nach Veräußerung an das Besitzunternehmen aufgrund eines Leasingverhältnisses weiter genutzt wird (Sale-and-lease-back-Vertrag) .
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist aufgrund Verschmelzungsvertrags vom August 2005 Gesamtrechtsnachfolgerin der ... GmbH, die im Fördergebiet ein verarbeitendes Gewerbe betrieb. Für eine im Laufe des Jahres 1999 angeschaffte Fertigungsstraße erhielt die GmbH eine Investitionszulage in Höhe von 140.786 DM (Investitionszulagenbescheid vom 11. Juni 2001). Die außerhalb des Fördergebietes ansässige Klägerin war zum damaligen Zeitpunkt zu 60 % an der GmbH beteiligt.
Im Mai 2002 veräußerte die GmbH die Fertigungsstraße an die Klägerin, die selbst keine Betriebsstätte im Fördergebiet hatte. Die Übereignung erfolgte gemäß § 930 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum 1. Juli 2002. Zugleich wurde ein Leasingverhältnis über eine Grundmietzeit von 83 Monaten abgeschlossen. Die betriebsgewöhnliche Restnutzungsdauer der Anlage betrug 93 Monate. Diese sog. Sale-and-lease-back-Vertragsgestaltung führte unstreitig zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Klägerin, die die Fertigungsstraße zum 31. Dezember 2002 auch bilanzierte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) gelangte zu der Auffassung, die Fertigungsstraße habe infolge der Veräußerung nicht, wie dies in der maßgeblichen Fassung des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 4a Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 vorausgesetzt werde, mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebs im Fördergebiet gehört. Das FA setzte daher die Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 durch Bescheid vom 20. Juni 2003 entsprechend herab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Urteil vom 20. Februar 2008 III 1339/04, Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1142). Es entschied, zwischen der Klägerin und der GmbH habe aufgrund der beherrschenden Stellung der Klägerin und der Überlassung der Fertigungsstraße als wesentlicher Betriebsgrundlage eine unechte kapitalistische Betriebsaufspaltung bestanden. Bei einer Betriebsaufspaltung könne nach dem Senatsurteil vom 10. Dezember 1998 III R 50/95 (BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607) die Betriebsstätte des Betriebsunternehmens dem Besitzunternehmen zugerechnet werden, so dass die Zugehörigkeitsvoraussetzungen auch dann erfüllt seien, wenn ein außerhalb des Fördergebiets ansässiges investierendes Besitzunternehmen der Betriebsstätte des Betriebsunternehmens im Fördergebiet förderbare Wirtschaftsgüter überlasse. Wirtschaftlich betrachtet habe die GmbH durch den Verkauf und das Leasing ein Darlehen zur Finanzierung des Anschaffungspreises der Maschine ersetzt.
Das FA trägt zur Begründung seiner Revision vor, der dreijährige Bindungszeitraum sei wegen der Veräußerung der Fertigungsstraße an die außerhalb des Fördergebietes ansässige Klägerin nicht eingehalten worden. Die vom FG zur Begründung seines Urteils herangezogene Senatsentscheidung in BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607 sei nicht einschlägig, weil die Klägerin ‑‑das Besitzunternehmen‑‑ bereits anderweitig gewerblich tätig sei. Nach dem Senatsurteil vom 20. März 2003 III R 50/96 (BFHE 202, 181, BStBl II 2003, 613) bestehe dann keine Notwendigkeit, bei Investitionen in den eigenen Betrieb des Besitzunternehmens nur von der Betriebsgesellschaft erfüllte, für die Gewährung der Investitionszulage erforderliche Merkmale auf das Besitzunternehmen zu übertragen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bereits mit Urteil vom 30. Oktober 2002 IV R 33/01 (BFHE 201, 36, BStBl II 2003, 272, betr. § 2 Nr. 2 des Fördergebietsgesetzes ‑‑FördG‑‑) entschieden, dass Besitz- und Betriebsunternehmen nicht als Einheit betrachtet würden, wenn das überlassende Unternehmen zugleich eine eigenständige Tätigkeit entfalte.
Das FA beantragt, die Klage ‑‑unter Aufhebung des angefochtenen Urteils‑‑ abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Für die Anschaffung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter wird nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 4a Satz 1 InvZulG 1999 eine Investitionszulage gewährt. Dazu müssen die Wirtschaftsgüter ‑‑neben weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen‑‑ mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören (Zugehörigkeitsvoraussetzung).
Da die bloße Überlassung von Maschinen an eine GmbH im Fördergebiet keinen Betrieb und keine Betriebsstätte des Überlassenden begründet (Senatsurteil in BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607), unterhielt die Klägerin im Gegensatz zur GmbH keine Betriebsstätte im Fördergebiet. Die Fertigungsstraße gehörte daher infolge ihrer Veräußerung von der GmbH an die Klägerin vom 1. Juli 2002 an nicht mehr zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet.
2. Bei einer Betriebsaufspaltung kann die Zugehörigkeitsvoraussetzung aber auch dann erfüllt sein, wenn das außerhalb des Fördergebiets ansässige Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen im Fördergebiet wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen hat.
a) Der Senat hat wiederholt entschieden, dass ein Wirtschaftsgut im zulagenrechtlichen Sinne auch dann zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören kann, wenn es im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit betriebsvermögensmäßiger Verflechtung von dem investierenden Besitzunternehmen außerhalb des Fördergebiets an das Betriebsunternehmen im Fördergebiet überlassen wird (z.B. Senatsurteile in BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607, unter II.B.1.c, betr. § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1991; in BFHE 202, 181, BStBl II 2003, 613; vom 19. August 2009 III R 68/06, BFH/NV 2010, 241). Denn es würde der Rechtsnatur der Betriebsaufspaltung als bloßer Aufteilung der Funktionen eines normalerweise einheitlichen Betriebs auf zwei Rechtsträger widersprechen, wenn die Zulage unter dem formalen Gesichtspunkt versagt würde, dass Besitz- und Betriebsunternehmen rechtlich selbständige Unternehmen sind. Diese Einheitsbetrachtung wird auch bei § 2 FördG (BFH-Urteil in BFHE 201, 36, BStBl II 2003, 272) und bei § 3 Abs. 1 des Zonenrandförderungsgesetzes (BFH-Urteil vom 14. Mai 2009 IV R 27/06, BFHE 225, 187, BStBl II 2009, 881) angewandt, deren Zweck, Investitionen in einem bestimmten Gebiet zu fördern, im Wesentlichen mit den Zwecken des InvZulG 1999 übereinstimmt.
b) Der Senat hat die einheitliche Betrachtung von betriebsvermögensmäßig unmittelbar miteinander verbundenen Besitz- und Betriebsunternehmen im Zulagenrecht auch für die kapitalistische Betriebsaufspaltung anerkannt (zum Begriff vgl. Gluth in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 781; Schmidt/Wacker, EStG, 29. Aufl., § 15 Rz 863), denn auch die kapitalistische Betriebsaufspaltung kennzeichnet sich durch die Aufteilung der Funktionen eines einheitlichen Betriebs auf zwei Rechtsträger (Senatsurteil vom 16. September 1994 III R 45/92, BFHE 176, 98, BStBl II 1995, 75; Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 1998 III B 170/94, BFH/NV 1998, 1258; vom 9. August 2002 III B 34/02, BFH/NV 2002, 1616; zustimmend Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 863; Blümich/Stuhrmann, § 15 EStG Rz 592). Es wäre auch nicht gerechtfertigt, eine Besitzkapitalgesellschaft schlechter zu behandeln als eine Besitzpersonengesellschaft, wenn beide die Förderungsvorrausetzung eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet nicht selbst erfüllen und daher ‑‑unabhängig von ihrer Rechtsform‑‑ ohne die Einheitsbetrachtung von Besitz- und Betriebsunternehmen keine Zulage erhalten könnten.
Im Streitfall entstand jedenfalls durch die Veräußerung der Fertigungsstraße eine kapitalistische Betriebsaufspaltung, da die Fertigungsstraße nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wesentliche Betriebsgrundlage der GmbH war (zu Maschinen als wesentliche Betriebsgrundlagen s. Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 15 Rz 815, m.w.N.) und die Klägerin 60 % des Stammkapitals der GmbH hielt und diese dadurch beherrschte. Eigene gewerbliche Tätigkeiten der Besitzgesellschaft stehen einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung nicht entgegen.
3. Die Klägerin ‑‑das Besitzunternehmen‑‑ wäre trotz ihrer eigengewerblichen Tätigkeit zulagenberechtigt, wenn nicht die GmbH, sondern sie selbst die Fertigungsstraße im Jahre 1999 angeschafft und seitdem der GmbH zur Nutzung überlassen hätte.
Von der Zurechnung des Merkmals der Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte im Fördergebiet ist nicht abzusehen, wenn die Besitzkapitalgesellschaft neben der Verwaltung ihrer Beteiligung an der Betriebskapitalgesellschaft anderen gewerblichen Tätigkeiten nachgeht. Besteht der Grund der Einheitsbetrachtung darin, dass die Zulage für durchgehend vom Betriebsunternehmen genutzte Wirtschaftsgüter gewährt werden soll, obwohl das investierende Besitzunternehmen die Fördervoraussetzungen mangels eigener Betriebsstätte im Fördergebiet nicht erfüllt, dann kommt es nur auf die "Einheitlichkeit" des Gesamtbetriebes an und nicht darauf, ob das Besitzunternehmen noch anderweitig aktiv tätig wird. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass die eigene gewerbliche Betätigung der Besitzgesellschaft und die Betriebsgesellschaft nicht einheitlich betrachtet werden könnten.
a) Dem steht das vom FA zitierte BFH-Urteil in BFHE 201, 36, BStBl II 2003, 272 nicht entgegen. Denn eine (mitunternehmerische) Betriebsaufspaltung bestand dort nicht (BFH-Urteil in BFHE 201, 36, BStBl II 2003, 272 unter 3. der Gründe), sie war wegen originär gewerblicher Tätigkeit des "Besitzunternehmens", einer GmbH & Co. KG, ausdrücklich abgelehnt worden (vgl. dazu auch Wendt, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung ‑‑BFH-PR‑‑ //jetzt BFH-Richter kommentieren für die Praxis ‑‑BFH/PR‑‑// 2003, 205).
b) Auch dem Senatsurteil in BFHE 202, 181, BStBl II 2003, 613 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Da es sich dort bei dem vermeintlichen "Betriebsunternehmen" um eine Personengesellschaft und bei dem "Besitzunternehmer" um einen Einzelunternehmer handelte, war ebenfalls keine Betriebsaufspaltung gegeben, denn ein Einzelunternehmen kommt als Besitzunternehmen nur im Verhältnis zu einer Betriebs-Kapitalgesellschaft in Betracht (Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 861 und 534; Blümich/ Stuhrmann, § 15 EStG Rz 592). Indem das zunächst im Einzelunternehmen genutzte Wirtschaftsgut ‑‑eine Halle‑‑ später einer GmbH & Co. KG überlassen wurde, deren alleiniger Kommanditist und Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger war, ging es vor Fristablauf in das Sonderbetriebsvermögen der KG über (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes). Die weitere Begründung, dass im Zulagenrecht die Grundsätze der Betriebsaufspaltung verdrängt werden, wenn das Besitzunternehmen neben der Betriebsgesellschaft originär gewerbliche Einkünfte erzielt, betrifft ausdrücklich nur den Fall, dass die Investitionen nicht für das Betriebsunternehmen, sondern für den eigenen gewerblichen Betrieb des Besitzunternehmens erfolgen. Die streitgegenständliche Fertigungsstraße wurde indessen nie für die eigenen betrieblichen Zwecke der Klägerin eingesetzt, sondern ausschließlich von der Betriebsgesellschaft, der GmbH, genutzt.
Der Senat hat dementsprechend auch eine eigengewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmers, die den Tatbestand einer Betriebsaufspaltung nicht ausschloss, als unschädlich erachtet (Senatsurteil in BFHE 188, 176, BStBl II 1999, 607).
4. Ohne die Übertragung der Fertigungsstraße auf die Klägerin im Wege der Sale-and-lease-back-Vertragsgestaltung stünde die Zulage unstreitig der GmbH zu. Hätte dagegen die Klägerin die Fertigungsstraße im Jahre 1999 angeschafft und seitdem der GmbH zur Nutzung überlassen, so wäre sie als Besitzunternehmen zulagenberechtigt, da ihr das von der GmbH erfüllte Merkmal des Betriebs oder der Betriebsstätte im Fördergebiet zugerechnet würde.
Die im Fördergebiet ansässige GmbH blieb danach zulagenberechtigt, obwohl sie die von ihr angeschaffte Fertigungsstraße vor Ablauf der Dreijahresfrist an die Klägerin veräußert hat. Da Klägerin und GmbH wegen der Betriebsaufspaltung zulagenrechtlich als Einheit zu betrachten sind, ist die Fertigungsstraße trotz der Veräußerung weiterhin dem Anlagevermögen der GmbH zuzurechnen.