Verfahrensbearbeitung
Wie werden Verfahren im Bundesfinanzhof bearbeitet?
Wenn ein neues Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig gemacht wird, wird es bei der Geschäftsstelle des zuständigen Senats registriert. Es bekommt ein Aktenzeichen, zum Beispiel IX R 17/19. Ein solches Aktenzeichen besagt, dass das Verfahren beim IX. Senat des Bundesfinanzhofs anhängig ist (IX), dass es eine Revision ist (R) und dass es als 17. Revisionsverfahren des IX. Senats im Jahre 2019 registriert wurde.
Ein großes "B" (anstatt "R") im Aktenzeichen macht deutlich, dass es sich um ein Beschwerdeverfahren, und ein "S", dass es sich um eine sonstige Verfahrenssache (Antrag) handelt.
Nach der Bestätigung des Eingangs und der Mitteilung des Aktenzeichens an die Verfahrensbeteiligten wird von der Person, die das Verfahren anhängig gemacht hat, eine Verfahrensgebühr erhoben. Sie wird später angerechnet oder, wenn die oder der Steuerpflichtige mit dem Begehren Erfolg hat, erstattet.
Die Geschäftsstelle übersendet den Verfahrensbeteiligten die eingegangenen Schriftsätze der Gegenseite und fordert zur Stellungnahme hierzu auf. Die Senatsvorsitzenden wirken schon in diesem Verfahrensstadium darauf hin, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt sowie unklare Anträge erläutert werden (§ 76 der Finanzgerichtsordnung). Sobald weitere Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten nicht mehr zu erwarten sind, bestellt die oder der Senatsvorsitzende für jede Sache nach dem senatsinternen Mitwirkungsplan ein Senatsmitglied zur Berichterstatterin oder zum Berichterstatter und ein weiteres Mitglied zur Abgabe eines Mitberichts.
Die Berichterstatterinnen und Berichterstatter fertigen aufgrund der Akten einen Bericht mit Sachverhaltsdarstellung, Wiedergabe der Prozessgeschichte und einem begründeten Entscheidungsvorschlag. In ihm ist der Fall umfassend – unter Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung und Literatur – aufbereitet. In der Regel geht der Bericht über den Umfang der späteren Entscheidung hinaus. Die Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstatter nehmen zu diesem Bericht Stellung (sogenannter Mitbericht). Weicht ihre Auffassung von der der Berichterstatterinnen und Berichterstatter ab, so erhalten Letztere den Vorgang nochmals zur Kenntnisnahme. Auf die Verfügung der Vorsitzenden hin wird die Sache auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des betreffenden Senats genommen. Die Sitzungen finden turnusmäßig an einem für jeden Senat festgelegten Wochentag statt.
In der Sitzung wird die Sache anhand des Berichts und des Mitberichts beraten. Die oder der Vorsitzende leitet die Beratung. Bei der anschließenden Abstimmung stimmen zuerst die Berichterstatterin oder der Berichterstatter, anschließend die Mitberichterstatterin oder der Mitberichterstatter, sodann die dienstjüngeren vor den dienstälteren Richterinnen und Richtern, zuletzt die oder der Vorsitzende ab. Beratung und Abstimmung sind nicht öffentlich. Beratungsergebnis und Stimmenverhältnis sind geheim; darüber darf auch später nicht berichtet werden.
Überstimmte Richter und Richterinnen haben die gefällte Entscheidung ebenso zu unterschreiben wie diejenigen, die für diese Entscheidung gestimmt haben. Es gibt nicht – wie beim Bundesverfassungsgericht – die Möglichkeit, der Entscheidung eine abweichende Auffassung (Sondervotum; dissenting opinion) anzufügen.
Grundsätzlich entscheidet der Bundesfinanzhof in Urteilssachen (Sachentscheidungen in Revisionsverfahren) aufgrund mündlicher Verhandlung. Er kann jedoch auch ohne mündliche Verhandlung durch sogenannten Gerichtsbescheid oder mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Verzichten die Beteiligten nicht auf mündliche Verhandlung, so beraumt der Bundesfinanzhof in der überwiegenden Zahl der Fälle zunächst keine mündliche Verhandlung an, sondern entscheidet durch Gerichtsbescheid. Dieser wirkt als Urteil, wenn nicht die Beteiligten innerhalb eines Monats mündliche Verhandlung beantragen. Wird ein solcher Antrag rechtzeitig gestellt, so gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen. Dann ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen, auf ihrer Grundlage erneut zu beraten und abzustimmen und nunmehr im Regelfall durch Urteil zu entscheiden.
Insgesamt werden Revisionssachen nur zu einem geringen Teil aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, weil die Verfahrensbeteiligten entweder von vornherein auf mündliche Verhandlung verzichten oder nach Ergehen eines Gerichtsbescheids keinen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen.
In Beschlusssachen (meist Beschwerdeverfahren oder Revisionen, die unzulässig sind) bedarf es für eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs keiner mündlichen Verhandlung.
Nimmt man sämtliche Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Urteile, Gerichtsbescheide und Beschlüsse) zusammen, so entscheidet er regelmäßig nur zu einem geringfügigen Prozentsatz der Fälle aufgrund mündlicher Verhandlung.
Entscheidungen, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sind (Urteile nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung, Gerichtsbescheide, Beschlüsse) werden den Verfahrensbeteiligten stets schriftlich zugestellt. Sie werden mit der Zustellung wirksam und – im Falle eines Urteils oder eines Beschlusses mangels Anfechtungsmöglichkeit – rechtskräftig.
Hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, so kann die Entscheidung (in der Regel ein Urteil) am Ende der Sitzung oder in einem späteren sogenannten Verkündungstermin durch Verlesen der Urteilsformel verkündet werden. Mit der Verkündung wird das Urteil wirksam. Das vollständige Urteil ist den Beteiligten anschließend zuzustellen.
Der Senat kann aber auch beschließen, die Entscheidung nach einer mündlichen Verhandlung nicht zu verkünden, sondern den Beteiligten schriftlich zuzustellen. Dies ist nach mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesfinanzhof die häufigste Form der Bekanntgabe. Die Entscheidungsformel muss in diesen Fällen innerhalb von zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung bei der Geschäftsstelle des Senats hinterlegt sein, sodass die Beteiligten dann dort – gegebenenfalls telefonisch – den Ausgang des Rechtsstreits erfragen können.