1950
bis heute
Errichtung des Bundesfinanzhofs im September 1950
Rechtsschutz und Rechtseinheit als Aufgaben des Bundesfinanzhofs

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Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde es wieder möglich, ein bundesweit zuständiges oberstes Steuergericht zu schaffen. Nach Artikel 108 Abs. 6 des Grundgesetzes wird die Finanzgerichtsbarkeit durch Bundesgesetz einheitlich geregelt. Da eine solche Regelung, unter anderem wegen der Zuständigkeit der Bundesländer für die Landesfinanzgerichtsbarkeit, erhebliche Zeit in Anspruch nahm, wurde vorweg das Gesetz vom 29. Juni 1950 (lediglich) über den Bundesfinanzhof erlassen.
BFH-Gesetz 1950
Der Bundesfinanzhof wurde durch das Gesetz über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (BGBl. I 1950, S. 257) und damit als erster der in Artikel 95 des Grundgesetzes genannten obersten Gerichtshöfe des Bundes errichtet. Er hat seine Tätigkeit am 1. September 1950 aufgenommen.

Copyright: Bundesgesetzblatt I 1950, 257

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Gründungsmitglieder 1950
Im Rahmen einer Feierstunde aus Anlass der Errichtung des Bundesfinanzhofs erhielt der bisherige Präsident des Obersten Finanzgerichtshofs Dr. Heinrich Schmittmann vom damaligen Bundespräsidenten Prof. Dr. Theodor Heuss die Urkunde über die Ernennung zum Präsidenten des Bundesfinanzhofs.
Die politischen Belastung der Angehörigen des Bundesfinanzhofs war bei der Wahl ein entscheidendes Kriterium. Sieben Richter waren bereits am RFH tätig gewesen. Einige der gewählten Personen hatten zudem der NSDAP angehört und waren im Entnazifizierungsverfahren als entlastet oder als Mitläufer eingestuft worden. Später wurden weitere ehemalige Parteigenossen an den Bundesfinanzhof gewählt. Es wurde darauf geachtet, dass diese in einem Senat nicht in der Mehrheit waren. Außerdem durfte ein ehemaliges NSDAP-Mitglied nicht als Vorsitzender eines Senats fungieren.
Zu Beginn hatte der Bundesfinanzhof vier Senate und 19 – ausschließlich männliche – Mitglieder, die zuvor vom Richterwahlausschuss gewählt worden waren.
Bezeichnung und Sitz des Gerichtshofs
Die Bezeichnung "Bundesfinanzhof" wurde in Anlehnung an die bisherige Bezeichnung "Reichsfinanzhof" gewählt. Als Standort beließ man es bei München, weil hier das vorhandene Gebäude zweckmäßig eingerichtet war und eine hervorragend ausgestattete Bibliothek bot. Auch nach dem Beitritt der neuen Bundesländer im Jahr 1990 blieb er in München. Im Gegensatz zu den anderen obersten Bundesgerichten, für die ein Umzug in die neuen Bundesländer diskutiert und teilweise (Bundesverwaltungsgericht und Bundesarbeitsgericht) auch durchgeführt wurde, stand für den Bundesfinanzhof sehr bald fest, dass er in München bleiben konnte. An diesem Platz hatte seit jeher das oberste deutsche Gericht für Steuer- und Zollstreitigkeiten seinen Sitz gehabt.

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1970 dem Bundesministerium der Justiz zugeordnet
Der Bundesfinanzhof unterstand vor 1970 organisatorisch dem Bundesminister der Finanzen, was seiner Rechtsprechung manches Mal den – unberechtigten – Vorwurf der "Hausgerichtsbarkeit" einbrachte. Heute ist er wie der Bundesgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht ressortmäßig dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zugeordnet (das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales).

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Ausbau zur heutigen Größe
Nach seiner Errichtung wurden in rascher Folge weitere Senate eingerichtet, so bereits im Jahr 1952 der V. Senat, im Jahr 1956 der VI. Senat und im Jahr 1958 der VII. Senat. Die Notwendigkeit für einen neuen Senat ergab sich erst wieder bei Schaffung des VIII. Senats im Jahr 1971. Nach weiteren 13 Jahren war im Jahr 1984 die Errichtung des IX. Senat zwingend erforderlich. Die Errichtung des X. Senats im Jahr 1987 und die damit verbundene Erweiterung der Kapazitäten waren eine direkte Reaktion auf die rapide ansteigende Belastung des Gerichts. Aufgrund der Wiedervereinigung war ein signifikanter Ansteigen der Revisionsverfahren zu erwarten. Deshalb hat der Haushaltsgesetzgeber im Jahr 1990 die Einrichtung des XI. Senats genehmigt. Heute bestehen am Bundesfinanzhof weiterhin elf Senate.

Copyright: Bundesfinanzhof/Peter-Paul Weiler

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Steuerrechtsprechung seit 1950
Der Bundesfinanzhof ist einer der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes. Er ist die letzte Instanz für Streitigkeiten auf dem Gebiet des Steuer- und Zollrechts, jedoch nicht für die damit zusammenhängenden Strafverfahren; für sie ist die allgemeine Strafgerichtsbarkeit (letztinstanzlich der Bundesgerichtshof) zuständig. Der Rechtsschutz durch den Bundesfinanzhof ist von entscheidender Bedeutung. Der Zugriff des modernen Steuerstaats auf das von den Bürgerinnen und Bürgern erwirtschaftete Einkommen ist einer der intensivsten hoheitlichen Eingriffe in die Freiheitssphäre der Bügerinnen und Bürger. Dieser Eingriff betrifft die Bürgerinnen und Bürger das gesamte Erwerbsleben hindurch und ist damit intensiver als andere hoheitliche Maßnahmen, die sie nur ausnahmsweise treffen, wie etwa Bußgeldverfahren, polizeiliche Zwangsmaßnahmen oder Strafverfolgung. Es ist daher umso wichtiger, dass das hoheitliche Tätigwerden des Steuerstaates sich in rechtsstaatlichen Bahnen vollzieht und von einer unabhängigen Gerichtsbarkeit kontrolliert wird.
Urteil im Verfahren X R 33/19 zur sogenannten doppelten Besteuerung von Renten - Teil I
Der Bundesfinanzhof hat am 19.05.2021 mit dem wegweisenden Urteil X R 33/19 erstmals genaue Berechnungsparameter für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung von Renten festgelegt. Zwar hatte die Revision des Klägers – der eine seit dem Jahr 2007 laufende Rente mit entsprechend hohem Rentenfreibetrag bezieht – keinen Erfolg. Allerdings ergibt sich auf der Grundlage der Berechnungsvorgaben des BFH, dass spätere Rentnerjahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein dürften. Dies folgt daraus, dass der für jeden neuen Rentnerjahrgang geltende Rentenfreibetrag mit jedem Jahr kleiner wird. Er dürfte daher künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren.
Urteil im Verfahren X R 20/19 zur sogenannten doppelten Besteuerung von Renten - Teil II
Der Bundesfinanzhof hat am 19.05.2021 in einer zweiten Entscheidung (X R 20/19) zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Er hat nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sogenannten Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (kurz: privaten Renten), die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann. Zudem hat er entschieden, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers gehören, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Die Revision der Kläger, die eine doppelte Besteuerung eines Teils der bezogenen Renten beanstandet hatten, blieb ohne Erfolg.
Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags
Die Erhebung des Solidaritätszuschlags war in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.01.2023 – IX R 15/20 entschieden. Die Kläger brachten mit ihrer beim Bundesfinanzhof eingelegten Revision vor, die Festsetzung des Solidaritätszuschlags verstoße gegen das Grundgesetz. Sie beriefen sich auf das Auslaufen des Solidarpakts II und damit der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019. Der Solidaritätszuschlag dürfe als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden. Sein Ausnahmecharakter verbiete eine dauerhafte Erhebung. Der BFH ist dem nicht gefolgt. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 hat der Solidaritätszuschlag seine Rechtfertigung als verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe nicht verloren. Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes) hat die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Die ist auch für längere Zeiträume möglich. Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags wird deutlich, dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit. Zudem bestand in den Streitjahren 2020 und 2021 nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes. Der Solidaritätszuschlag verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt. Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig.
Richterpersönlichkeiten seit 1950
Die Steuerrechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland beeinflussten maßgeblich die folgenden Richterinnen und Richter: