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Urteil vom 03. Dezember 2024, IV R 5/22

Keine gewerbesteuerrechtliche Hebeberechtigung eines Bundeslandes für Betriebsstätte im deutschen Küstenmeer

ECLI:DE:BFH:2024:U.031224.IVR5.22.0

BFH IV. Senat

GewStG § 1, GewStG § 2 Abs 1, GewStG § 2 Abs 7, GewStG § 4, GewStG § 9 Nr 3, GewStG § 28 Abs 1 S 1, GewStG § 29 Abs 1, GG Art 28 Abs 2, GG Art 106 Abs 6, SeeRÜbkG Art 2, SeeRÜbkG Art 3, AO § 10, AO § 12, AO § 190, FGO § 40 Abs 1, FGO § 101 S 1, FGO § 118, GGrStGfGebV ND § 1 Abs 1 Nr 1

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 18. Januar 2022, Az: 8 K 100/19

Leitsätze

1. Das deutsche Küstenmeer ist dem Inland zuzuordnen, sodass eine darin belegene Betriebsstätte (Windpark) der Gewerbesteuerpflicht unterliegt.

2. Die Vereinbarkeit einer landesrechtlichen Verordnung mit Bundesrecht und dem Grundgesetz ist revisibles Recht, das der Überprüfung durch den Bundesfinanzhof unterliegt.

3. Bei verfassungskonformer Auslegung des § 4 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes darf für Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten keine Übertragung der Hebeberechtigung für die Gewerbesteuer auf ein Bundesland erfolgen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18.01.2022 - 8 K 100/19 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … sowie der Zerlegungsbescheide für den Gewerbesteuermessbetrag … für die A-GmbH & Co. KG vom … und vom … verpflichtet, für diesen Gewerbesteuermessbetrag einen Zuteilungsbescheid zugunsten der Klägerin zu erlassen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob das Land Niedersachsen (Beigeladener zu 1.) an der Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrags für einen Offshore-Windpark in der Zwölf-Seemeilen-Zone vor der deutschen Nordseeküste zu beteiligen ist.

  2. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stadt, die auf dem Gebiet des Beigeladenen zu 1. liegt. Die A-GmbH & Co. KG (A-KG), Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 2., betrieb im Jahr … (Streitjahr) innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone vor der deutschen Nordseeküste des Beigeladenen zu 1. einen Windpark, der ihr gesamtes Sachanlagevermögen darstellte. Ihren Sitz hatte die A-KG im Stadtgebiet der Klägerin.

  3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte mit Bescheid vom (zuletzt) … den Gewerbesteuermessbetrag für die A-KG auf … € fest. Hinsichtlich dieses Gewerbesteuermessbetrags sah das FA die Voraussetzungen für eine Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes in der im Erhebungszeitraum … geltenden Fassung (GewStG) als gegeben an und erließ ebenfalls am … einen (geänderten) Zerlegungsbescheid. Darin nahm das FA die Zerlegung nach demselben Maßstab wie bereits im ursprünglichen Zerlegungsbescheid vom … vor. Es berücksichtigte, dass die A-KG im Streitzeitraum keine Arbeitslöhne gezahlt hatte und außer den Windkraftanlagen kein weiteres Sachanlagevermögen besaß; Letzteres hatte die A-KG mit … € beziffert. Für den Sitz der A-KG berücksichtigte das FA daher einen fiktiven Mitunternehmerlohn gemäß § 31 Abs. 5 GewStG für die geschäftsführende persönlich haftende Gesellschafterin (25.000 €). Soweit der Zerlegungsanteil an dem Gewerbesteuermessbetrag auf die Arbeitslöhne entfiel, wies das FA diesen in voller Höhe der Klägerin zu. Im Übrigen wies es den auf das Sachanlagevermögen entfallenden Zerlegungsanteil in voller Höhe dem Beigeladenen zu 1. zu. Danach entfielen von dem Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von … € auf die Klägerin ein Zerlegungsanteil in Höhe von … € (30 %) und auf den Beigeladenen zu 1. ein solcher in Höhe von … € (70 %).

  4. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, dass der Gewerbesteuermessbetrag allein ihr zuzuteilen sei. Der von der A-KG betriebene Windpark befinde sich zwar innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone und damit auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland). Es handele sich jedoch um gemeindefreies Gebiet. Der Beigeladene zu 1. habe in der Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und der Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten vom … ‑‑GGrStGfGebV ND‑‑ zwar bestimmt, dass er die auf die Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten entfallende Gewerbesteuer selbst erhebe. Diese Regelung sei jedoch rechtswidrig, da nach Art. 106 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) das Aufkommen der Gewerbesteuer ausschließlich den Gemeinden zustehe. Der Beigeladene zu 1. hätte daher durch eine entsprechende, auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 GewStG erlassene Verordnung lediglich bestimmen dürfen, welcher Gemeinde der anteilige Gewerbesteuermessbetrag zustehe, nicht jedoch sich selbst die Gewerbesteuer zuweisen dürfen. Daher sei der Gewerbesteuermessbetrag in voller Höhe ihr, der Klägerin, zuzuweisen.

  5. Die Beigeladene zu 2. ist ebenfalls der Auffassung, dass der Beigeladene zu 1. durch die auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 GewStG erlassene Rechtsverordnung die Gewerbesteuer sich nicht selbst hätte zuweisen dürfen. Es hätten zwar die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerzerlegung vorgelegen. Allerdings sei § 1 Abs. 1 GGrStGfGebV ND rechtswidrig und somit nicht anzuwenden. Daher sei der Zerlegungsanteil in Höhe von 70 % für das gemeindefreie Gebiet mangels rechtswirksamer Zuordnung weder einer Gemeinde noch dem Beigeladenen zu 1. zuzuordnen, sodass insoweit keine Gewerbesteuer zu erheben sei.

  6. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom … zurück. Der Beigeladene zu 1. habe von der Ermächtigung in § 4 Abs. 2 GewStG durch Erlass der Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und der Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten Gebrauch gemacht und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 dieser Verordnung dem Beigeladenen zu 1. unter anderem die Berechtigung zur Erhebung der Gewerbesteuer in dem gemeinde- und kreisfreien Gebiet der niedersächsischen Küstengewässer übertragen.

  7. Mit der hiergegen zum Niedersächsischen Finanzgericht (FG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Eine Zerlegung nach § 28 GewStG scheitere bereits daran, dass die A-KG keine Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten habe. Sie habe ihr Gewerbe nur auf dem Gebiet der Klägerin ausgeübt. Der Windpark befinde sich nicht auf dem Gebiet einer Gemeinde. Die Zuweisung der Befugnis zur Erhebung der Gewerbesteuer an den Beigeladenen zu 1. durch die Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und der Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten sei rechtswidrig. Mit Ausnahme von Stadtstaaten stehe die Gewerbesteuer nach deutschem Verfassungsrecht den Gemeinden, nicht den Ländern zu.

  8. Das FG wies die Klage mit Urteil vom 18.01.2022 - 8 K 100/19 ab. Der Zerlegungsbescheid sei rechtmäßig. Das FA habe darin zu Recht neben der Klägerin den Beigeladenen zu 1. gemäß § 4 Abs. 2 GewStG i.V.m. § 1 GGrStGfGebV ND als Hebeberechtigten hinsichtlich des für die A-KG festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags angesehen. Die Regelung in § 4 Abs. 2 GewStG, der zufolge für Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten die Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimme, wer die nach dem Gewerbesteuergesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübe, sei erforderlich, um anderenfalls bestehende Besteuerungslücken zu schließen, weil die Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten sonst nicht erhoben werden könne. Weder § 4 Abs. 2 GewStG noch die darauf gestützte Verordnung über die Erhebung der Gewerbe- und der Grundsteuer in gemeindefreien Gebieten griffen in die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte der Klägerin ein. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG vor. Zwar weise diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach das Aufkommen unter anderem der Gewerbesteuer ausdrücklich den Gemeinden zu. Dies umfasse aber nur die grundsätzlich anfallende Gewerbesteuer hinsichtlich ihres örtlichen, für das Gebiet der jeweiligen Gemeinde anfallenden Gewerbesteueraufkommens. Die durch Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten des Küstengewässers erwirtschafteten Anteile am Gewerbesteuermessbetrag fielen den Gemeinden aber als solche bereits nicht zu. Vielmehr sei die Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in den gemeindefreien Gebieten des Küstengewässers in erweiternder Auslegung des Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG dahin zu verstehen, dass die Berechtigung insoweit auch durch das Land ausgeübt werden könne. Gemeinden seien eigenverantwortlich agierende und mit eigenen Kompetenzen ausgestattete Selbstverwaltungskörperschaften. Wesentliche Bestandteile der kommunalen Selbstverwaltungsbefugnis seien die Gebiets-, Organisations-, Personal-, Rechtsetzungs-, Planungs-, Haushalts- und Finanzhoheit der Gemeinden. Diese Befugnisse übe in den Gebieten der Küstengewässer das Land aus. Für die Küstenländer finde daher für das Gebiet des Küstenmeers eine funktionale Gleichstellung mit den Gemeinden statt, die auch eine Zuweisung des örtlichen Gewerbesteueraufkommens rechtfertige.

  9. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Bundesrechts, insbesondere von § 4 Abs. 2, § 28, § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG sowie von Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 GG.

  10. Die Klägerin beantragt,
    das Urteil des Niedersächsischen FG vom 18.01.2022 - 8 K 100/19 aufzuheben und das FA unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … sowie der Zerlegungsbescheide für den Gewerbesteuermessbetrag … für die A-GmbH & Co. KG vom … und vom … zu verpflichten, für diesen Gewerbesteuermessbetrag einen Zuteilungsbescheid zugunsten der Klägerin zu erlassen.

  11. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  12. Der Beigeladene zu 1. hat sich den Ausführungen des FA angeschlossen und keinen eigenen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 2. hat keine Stellungnahme abgegeben.

  13. Am xx.xx.2022 wurde für die A-KG das Ausscheiden ihrer Komplementärin A-GmbH und die Auflösung der A-KG in das Handelsregister eingetragen. Die Umfirmierung der letzten Kommanditistin der A-KG, der B-GmbH, in C-GmbH (die Beigeladene zu 2.) wurde am yy.yy.2022 in das Handelsregister eingetragen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils sowie zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die von der Klägerin in zulässiger Weise erhobene Verpflichtungsklage (dazu unter 1.) ist begründet, weil entgegen der Rechtsansicht des FG keine Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrags zugunsten eines Bundeslandes (mit Ausnahme der Stadtstaaten Hamburg und Berlin) vorgenommen werden darf (dazu unter 2.). Das FA wird verpflichtet, einen Zuteilungsbescheid zugunsten der Klägerin zu erlassen (dazu unter 3.).

  2. 1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin die Verpflichtung des FA zum Erlass eines Zuteilungsbescheids zu ihren Gunsten zulässigerweise mit einer Verpflichtungsklage verfolgen kann.

  3. a) Zwar handelt es sich bei der Anfechtung eines Zerlegungsbescheids mit dem Ziel der Änderung des Zerlegungsmaßstabs grundsätzlich um ein Anfechtungsbegehren (§ 40 Abs. 1 Alternative 1 FGO). Anders ist dies bei dem Begehren, (erstmalig) im Wege der Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Alternative 2 FGO) einen Zuteilungsbescheid nach § 190 der Abgabenordnung (AO) zu erwirken (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 08.11.2000 - I R 1/00, BFHE 194, 227, BStBl II 2001, 769, unter II.2.b [Rz 16 f.]). Zeigt das Begehren der Rechtsschutz suchenden Gemeinde jedoch, dass sie statt der bisher vorgenommenen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags auf mehrere Steuergläubiger dessen alleinige Zuteilung nach § 190 AO an sich selbst erstrebt, so wird damit erkennbar eine Verpflichtung des FA begehrt, die die Ablehnung der bisher vorgenommenen Zerlegung mitumfasst (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 190 AO Rz 11; Brandis in Tipke/Kruse, § 190 AO Rz 1; Klein/Ratschow, AO, 18. Aufl., § 190 Rz 1; Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.10.2009 - 15 K 30359/06, Rz 34).

  4. b) Dies trifft auf den Streitfall zu. Die Klägerin hat bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG zwar nur einen auf Aufhebung des Zerlegungsbescheids … gerichteten Antrag angekündigt. Allerdings hat sie schon in der Begründung der Klage, wie auch bereits in der Begründung des Einspruchs, ausgeführt, dass die begehrte Unterlassung der Zerlegung die Zuweisung des kompletten Messbetrags an sie selbst zur Folge haben müsse.

  5. Daraus ist im Wege der Auslegung zu folgern, dass die Klägerin von Anfang an die Verpflichtung des FA zum Erlass eines Zuteilungsbescheids für den Gewerbesteuermessbetrag … an sich nebst Aufhebung der dem entgegenstehenden Zerlegungsbescheide begehrt. Es liegt mithin ein Verpflichtungsbegehren vor.

  6. 2. Die Klage ist auch begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben, denn das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrags auch zugunsten eines Bundeslandes vorgenommen werden dürfe.

  7. Eine Zerlegung ist nur vorzunehmen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten wurden. Die A-KG hatte im streitigen Erhebungszeitraum zwar zwei Betriebsstätten, von denen sich allerdings eine auf einem gemeindefreien Gebiet befand (dazu unter a). Entgegen der Auffassung des FG darf die gewerbesteuerrechtliche Ertragshoheit in dem gemeindefreien Gebiet des Küstenmeers nicht einem Bundesland zugeordnet werden (dazu unter b).

  8. a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist der Steuermessbetrag in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind.

  9. aa) Der Begriff der Betriebsstätte bestimmt sich mangels eigener Definition im Gewerbesteuergesetz auch für gewerbesteuerrechtliche Zwecke nach § 12 AO. Danach setzt die Annahme einer Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von gewisser Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Hierzu ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Weiterhin muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen. Hierzu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt werden und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrücken. Im Allgemeinen ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn der Unternehmer selbst, seine Arbeitnehmer, fremdes weisungsabhängiges Personal oder Subunternehmer in oder an der Geschäftseinrichtung tätig werden. Bei vollautomatisch arbeitenden Einrichtungen kann das Tätigwerden des Unternehmens mit der Geschäftseinrichtung ausnahmsweise ausreichen (z.B. BFH-Beschluss vom 18.02.2021 - III R 8/19, BFHE 272, 75, BStBl II 2021, 627, Rz 18 ff., m.w.N.).

  10. Die Stätte der Geschäftsleitung gehört nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO zu den Orten, die insbesondere als Betriebsstätte anzusehen sind. Gemäß § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung.

  11. bb) Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen wurden und die den BFH deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO binden, ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass sich sowohl am Sitz des Unternehmens der A-KG auf dem Gebiet der Klägerin eine Betriebsstätte befand wie auch am Standort des Windparks der A-KG in der Zwölf-Seemeilen-Zone vor der deutschen und zugleich niedersächsischen Nordseeküste.

  12. (1) Auf dem Gebiet der Klägerin hatte die A-KG im Erhebungszeitraum ihre Stätte der Geschäftsleitung, an der ihre geschäftsführende Gesellschafterin tätig war, und damit eine Betriebsstätte. Da darüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab.

  13. (2) Auch bei der Entscheidung, dass der Windpark der A-KG eine Betriebsstätte darstellt, ist das FG von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die entsprechende Würdigung ist möglich; das FG hat weder gegen Denkgesetze verstoßen noch wesentliche Umstände vernachlässigt, sodass der Senat an diese Würdigung gebunden ist (z.B. BFH-Urteile vom 01.09.2022 - IV R 13/20, BFHE 277, 423, BStBl II 2024, 121, Rz 37; vom 05.09.2023 - IV R 24/20, BFHE 281, 374, Rz 34).

  14. So hat das FG zu Recht im Rahmen seiner Würdigung darauf abgestellt, dass es sich bei den Windenergieanlagen in dem Windpark um fest mit der Erdoberfläche verbundene, ortsfeste Einrichtungen handelt, deren Nutzung auf Dauer angelegt ist und die unmittelbar der Tätigkeit der A-KG dienen, Strom zu erzeugen und somit ihren Geschäftszweck zu verwirklichen. Da von den Beteiligten auch insoweit keine abweichenden Rechtspositionen vertreten werden, sieht der Senat von einer weiteren Begründung ab.

  15. cc) Anders als die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der A-KG, die sich im Gemeindegebiet der Klägerin befand, befand sich der Windpark zwar ebenfalls im Inland, sodass die dort erzielten Einkünfte der Besteuerung in Deutschland unterliegen; der Windpark liegt aber nicht auf dem Gebiet einer Gemeinde.

  16. (1) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird - soweit also für den Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Gleichzeitig wird nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens gekürzt, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, das heißt, der durch die in einer ausländischen Betriebsstätte ausgeübte oder ihr zuzurechnende unternehmerische Betätigung erzielt wurde (vgl. BFH-Urteile vom 21.04.1971 - I R 200/67, BFHE 102, 524, BStBl II 1971, 743, unter II.3. [Rz 32]; vom 12.10.2016 - I R 93/12, Rz 29).

  17. (2) Das deutsche Küstenmeer ist dem Inland zuzuordnen.

  18. (a) Das Gewerbesteuergesetz selbst regelt den Begriff des Inlands nicht. Für die Bestimmung der Reichweite des Inlands im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG ("Inland im engeren Sinne") gilt, dass die Besteuerungsbefugnis des Staates grundsätzlich an die Zuordnung zu seinem Herrschaftsgebiet im staatsrechtlichen Sinne gebunden ist. Es ist deshalb für die Bestimmung des Inlands maßgeblich auf die einschlägigen staats- und völkerrechtlichen Begriffe abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.1974 - I R 218/71, BFHE 111, 416, unter 2. [Rz 14]; Herbst in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 2 Rz 99; Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 2811 f.; Tassius in GewStG - eKomm, § 2 GewStG Rz 209, Stand: 02.01.2018).

  19. (b) Völkerrechtlich ist grundsätzlich anerkannt, dass sich die Souveränität eines Küstenstaates auch auf das Gebiet eines an der Küste entlangführenden Streifens erstreckt, das sogenannte Küstenmeer. Daran anschließend folgen weitere Zonen (zum Beispiel die sogenannte ausschließliche Wirtschaftszone und der Festlandsockel), in denen dem Küstenstaat nur eingeschränkte Souveränitätsrechte zustehen (dazu BFH-Urteil vom 05.10.1977 - I R 250/75, BFHE 123, 341, BStBl II 1978, 50, unter 1. [Rz 13 f.]; zum Ganzen Ehlers, Verwaltungsarchiv 2013, 406 ff.; Khan in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Staatsgebiet und Grenzen Rz 208 f.).

  20. Das Völkervertragsrecht enthält mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 ‑‑SeeRÜbk‑‑ (BGBl II 1994, 1799) Regelungen über die Rechte der Staaten im Hinblick auf das Küstenmeer, die sich daran anschließende ausschließliche Wirtschaftszone sowie den Festlandsockel. Nach Art. 2 Abs. 1 SeeRÜbk erstreckt sich die Souveränität eines Küstenstaates jenseits seines Landgebiets unter anderem auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird. Jeder Staat hat das Recht, die Breite seines Küstenmeers bis zu einer Grenze festzulegen, die höchstens Zwölf Seemeilen von den in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen festgelegten Basislinien entfernt sein darf (Art. 3 SeeRÜbk).

  21. Der Küstenstaat besitzt über das Küstenmeer völkerrechtlich Souveränität und damit die volle Gebietshoheit (Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 22.03.2012 - 5 K 6/10, Rz 104, 108; Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.09.2020 - LVerfG 3/19, Rz 80; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17, BVerfGE 155, 238, Rz 3, 93; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 03.11.2020 - 9 A 12.19, BVerwGE 170, 33, Rz 48; so auch Khan in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Staatsgebiet und Grenzen Rz 208 f.; Behrendt/Wischott/Krüger, Betriebs-Berater ‑‑BB‑‑ 2012, 1827; Waldhoff/Engler, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2012, 254, 255).

  22. Deutschland hat das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen innerstaatlich durch das Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen vom 02.09.1994 (BGBl II 1994, 1798) umgesetzt. In einer Proklamation vom 19.10.1994 (BGBl I 1994, 3428) hat die Bundesregierung von dem in Art. 3 SeeRÜbk vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht, das deutsche Küstenmeer an der Nord- und Ostsee zu bestimmen. Für die Nordsee wurde hierdurch die seewärtige Abgrenzung des deutschen Küstenmeers auf zwölf Seemeilen festgelegt.

  23. Der auf dem Gebiet des deutschen Küstenmeers der Nordsee belegene Windpark der A-KG gehört deshalb zum Inland im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG. Er befindet sich aber auf gemeindefreiem Gebiet, da der streitige Teil des Küstenmeers dem Beigeladenen zu 1., nicht aber einer Gemeinde zugerechnet wird. Im streitigen Erhebungszeitraum hat die A-KG danach zwar zwei inländische Betriebsstätten unterhalten, nur eine davon aber auf dem Gebiet einer Gemeinde.

  24. b) Das Urteil des FG ist aufzuheben, da das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Zerlegung eines Gewerbesteuermessbetrags auch zugunsten eines Bundeslandes vorgenommen werden dürfe. Letzteres ergibt sich insbesondere nicht aus § 4 Abs. 2 GewStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND. Diese Norm erlaubt eine Übertragung der Ertragshoheit nur auf eine Gemeinde. Dies ergibt sich zwar nicht bereits durch Auslegung der Norm anhand ihres Wortlauts, der Systematik, ihres Zwecks oder der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 2 GewStG (dazu unter bb), aber aus einer verfassungskonformen Auslegung (dazu unter cc). Die hiergegen gerichteten Einwände greifen nicht durch (dazu unter dd). § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND, der die Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in dem gemeinde- und kreisfreien Gebiet der niedersächsischen Küstengewässer dem Beigeladenen zu 1. überträgt, ist im Streitfall nicht anzuwenden (dazu unter ee).

  25. Nach § 4 Abs. 1 GewStG unterliegen die stehenden Gewerbebetriebe der Gewerbesteuer in der Gemeinde, in der eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird (Satz 1). Befinden sich Betriebsstätten desselben Gewerbebetriebs in mehreren Gemeinden oder erstreckt sich eine Betriebsstätte über mehrere Gemeinden, so wird die Gewerbesteuer in jeder Gemeinde nach dem Teil des Steuermessbetrags erhoben, der auf sie entfällt (Satz 2). Für Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten bestimmt nach § 4 Abs. 2 GewStG die Landesregierung durch Rechtsverordnung, wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt.

  26. aa) Die Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 2 GewStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND durch das FG ist für den BFH als Revisionsgericht vollständig revisibel.

  27. Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Auf die Verletzung von Landesrecht durch ein Urteil des FG kann die Revision nur gestützt werden, soweit im Landesrecht die Regeln über die Revision für anwendbar erklärt werden (§ 118 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO); daran fehlt es im Streitfall.

  28. Landesrecht wird nicht dadurch zu Bundesrecht, dass eine von einem Bundesland erlassene Rechtsverordnung auf eine bundesgesetzliche Rechtsgrundlage gestützt wird (vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2012 - III R 85/11, Rz 19). Der BFH als Revisionsgericht ist an den von dem FG festgestellten Inhalt des Landesrechts zwar wie an tatsächliche Feststellungen gebunden (z.B. BFH-Urteile vom 11.05.1983 - III R 112-113/79, BFHE 139, 88, BStBl II 1983, 657, unter I.2.a [Rz 9]; vom 10.07.2002 - X R 89/98, BFHE 199, 441, BStBl II 2003, 72, unter II.3.b [Rz 25]); gleichwohl obliegt dem BFH die Prüfung, ob das FG das irrevisible Landesrecht zutreffend unter übergeordnetes Bundesrecht subsumiert hat und ob das Landesrecht mit übergeordnetem Bundesrecht übereinstimmt (BFH-Urteil vom 08.03.1995 - II R 58/93, BFHE 177, 288, BStBl II 1995, 438, unter II.3. [Rz 22]).

  29. Für den Streitfall bedeutet das, dass die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND, einer durch den Beigeladenen zu 1. erlassenen, auf § 4 Abs. 2 GewStG gestützten Rechtsverordnung, die dem Beigeladenen zu 1. unter anderem die Erhebung der Gewerbesteuer in dem gemeinde- und kreisfreien Gebiet der dem Landesgebiet vorgelagerten Küstengewässer überträgt, zwar Teil des ‑‑grundsätzlich nicht revisiblen‑‑ Landesrechts ist. Die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Bundesrecht, insbesondere mit § 4 Abs. 2 GewStG sowie mit Bundesverfassungsrecht, insbesondere Art. 28, 106 GG, ist durch den BFH jedoch vollständig zu überprüfen.

  30. bb) Eine Auslegung des § 4 Abs. 2 GewStG aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte kommt hinsichtlich der Frage, ob die Norm in gemeindefreien Gebieten nur eine Übertragung der Ertragshoheit für die Gewerbesteuer auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n) ermöglicht, zu keinem eindeutigen Ergebnis.

  31. (1) Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift. Er gibt allerdings nicht immer hinreichende Hinweise auf den Willen des Gesetzgebers. Unter Umständen wird erst im Zusammenhang mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes oder anderen Auslegungsgesichtspunkten die im Wortlaut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzeption deutlich, der sich das Gericht nicht entgegenstellen darf. Seine Aufgabe beschränkt sich darauf, die intendierte Regelungskonzeption bezogen auf den konkreten Fall ‑‑auch unter gewandelten Bedingungen‑‑ möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen. In keinem Fall darf richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 28.11.2023 - 2 BvL 8/13, BVerfGE 168, 1, Rz 118, m.w.N.).

  32. (2) Durch Auslegung von § 4 Abs. 2 GewStG nach Wortlaut, Systematik, seinem Sinn und Zweck oder aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte ergibt sich nicht eindeutig, dass eine Übertragung der Ertragshoheit in gemeindefreien Gebieten nur auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n), nicht aber auf ein Bundesland möglich ist.

  33. (a) Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 GewStG ist hinsichtlich der Frage, ob die Norm in gemeindefreien Gebieten nur eine Übertragung der Ertragshoheit auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n) oder auch auf ein Bundesland ermöglicht, offen.

  34. Nach § 4 Abs. 2 GewStG bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung für Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten, wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt. Eine weitere Konkretisierung, wen die Landesregierung damit zur Ausübung der Befugnisse bestimmen darf ‑‑Gemeinden oder (auch) ein Bundesland‑‑, enthält die Regelung nicht. Dafür, dass der Empfänger der durch die Landesregierung ausgesprochenen Befugnis auch die Eigenschaft einer Gemeinde erfüllen muss, könnte allerdings die für die gesamte Norm des § 4 GewStG gewählte Überschrift "Hebeberechtigte Gemeinde" sprechen.

  35. (b) Auch die systematische Auslegung kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Das Gewerbesteuergesetz spricht zwar insbesondere im Zusammenhang mit der gewerbesteuerrechtlichen Ertragshoheit regelmäßig von der "Gemeinde" (z.B. in § 1, § 4 Abs. 1, § 16 Abs. 4, §§ 28 ff. GewStG). Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass auch § 4 Abs. 2 GewStG die Landesregierung nur dazu ermächtigt, für gemeindefreie Gebiete Befugnisse auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n) zu übertragen. Systematisch ebenso denkbar ist es, dass derjenige, den die Landesregierung nach § 4 Abs. 2 GewStG zur Ausübung der "den Gemeinden zustehenden Befugnisse" bestimmt (zum Beispiel ein Bundesland), damit im Sinne der gewerbesteuerrechtlichen Regelungen als Gemeinde gilt.

  36. (c) Ebenso wenig führt die teleologische Auslegung zu einem eindeutigen Ergebnis. § 4 Abs. 2 GewStG soll die gewerbesteuerrechtliche Freistellung von Betrieben beziehungsweise Betriebsstätten verhindern, die sich in gemeindefreien Gebieten angesiedelt haben (z.B. Brandis/Heuermann/Gosch, § 4 GewStG Rz 15; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 4 Rz 18; Specker in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 4 Rz 3; Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 4 Rz 13; BeckOK GewStG/Kleinmanns, 12. Ed. 01.12.2024, GewStG § 4 Rz 105: Keine Entstehung von Gewerbesteueroasen). Deshalb ermächtigt die Norm die Landesregierung, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wer berechtigt ist, in gemeindefreien Gebieten die Gewerbesteuer zu erheben. Diesem Zweck kann sowohl eine Ermächtigung von Gemeinden als auch die eines Bundeslandes dienen.

  37. (d) Zuletzt lässt sich auch der Entstehungsgeschichte der Norm nicht eindeutig entnehmen, ob § 4 Abs. 2 GewStG nur die Ermächtigung von Gemeinden ermöglichen soll.

  38. Die historische Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 1 GewStG zeigt, dass das Gewerbesteuergesetz bereits in seiner Fassung vom 01.12.1936 (RGBl I 1936, 979) in § 4 Abs. 2 eine Regelung enthielt, wonach die oberste Landesbehörde die näheren Bestimmungen über die Erhebung der Steuer zu treffen hatte, wenn sich die Betriebsstätte in einem sogenannten Gutsbezirk befand. § 12 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes vom 26.02.1937 (RGBl I 1937, 257) wies für Betriebsstätten auf gemeindefreien Grundstücken in gleicher Weise die Regelung für die Erhebung der Gewerbesteuer der obersten Landesbehörde zu. Die Regelung verwies auf § 12 Abs. 2 der damals geltenden Deutschen Gemeindeordnung. Dort war bestimmt, dass jedes Grundstück zu einer Gemeinde gehören solle. Aus besonderen Gründen könnten Grundstücke außerhalb einer Gemeinde verbleiben; für solche Fälle wurden Gutsbezirke und gemeindefreie Grundstücke benannt. Hintergrund war die Erkenntnis, dass trotz des Bestrebens, das ganze Staatsgebiet Gemeinden zuzuweisen, einige Grundstücke verblieben waren, die zu keiner Gemeinde gehörten (s. zur geschichtlichen Entwicklung der Norm, insbesondere auch wegen der ‑‑hier nicht betroffenen‑‑ Einbeziehung der ausschließlichen Wirtschaftszone sowie des Festlandsockels in die Besteuerungsbefugnis: Markus/Maurer, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ‑‑NVwZ‑‑ Extra 10/2012, 1, 7 f., sowie Becker, BB 2014, 2270, 2272 f.).

  39. Mit der Einfügung der Regelung über die Zugehörigkeit des Deutschland zustehenden Anteils am Festlandsockel sowie an der ausschließlichen Wirtschaftszone zum Inland in § 2 Abs. 7 Nr. 1 und 2 GewStG sowie der Einfügung von § 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG zur Zuordnung des Anteils an dem Festlandsockel und der ausschließlichen Wirtschaftszone zu dem gemeindefreien Gebiet ab dem Erhebungszeitraum 2015 (§ 36 GewStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266) verfolgte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs das Ziel, die Gebiete des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone ‑‑im Wege einer Klarstellung‑‑ den gemeindefreien Gebieten gleichzustellen, die ursprünglich nur Staatsgebiete umfassten. Zum Verständnis der Regelung des § 4 Abs. 2 GewStG führte der Gesetzesentwurf aus, dass dadurch die Landesregierung bestimme, wer die nach dem Gewerbesteuergesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübe (BTDrucks 18/1529, S. 71). Eine nähere Eingrenzung der Personen, die dafür in Betracht kommen, enthält der Gesetzesentwurf indes nicht.

  40. cc) Die verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 2 GewStG führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Ertragshoheit für die Gewerbesteuer eines Gewerbebetriebs mit einer Betriebsstätte im Küstenmeer insoweit nicht einem Bundesland zugeordnet werden darf, sondern nur einer (oder mehreren) Gemeinde(n).

  41. (1) Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird. Ein Normverständnis, das im Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers steht, kann auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht begründet werden (z.B. BVerfG-Beschluss vom 28.11.2023 - 2 BvL 8/13, BVerfGE 168, 1, Rz 193 f., m.w.N.).

  42. (2) Ob eine Übertragung der Ertragshoheit für die Gewerbesteuer aus einer Betriebsstätte in einem gemeindefreien Gebiet auf ein Bundesland verfassungsgemäß ist, ist umstritten.

  43. Teilweise wird die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Übertragung auf ein Bundesland bejaht. Die Regelung sei zwar rechtstechnisch verfehlt, verfassungsrechtlich dennoch hinnehmbar. Da den Gemeinden keine Gewerbesteuergarantie im engeren Sinne durch Art. 106 Abs. 6, Art. 28 Abs. 2 GG gegeben werde, sei es nicht zu beanstanden, wenn ihnen der Gewerbeertrag aus gemeindefreien Gebieten nicht zugeordnet werde (Waldhoff/Engler, FR 2012, 254, 261). Deutschland sei darin frei, dieses funktional begrenzte Recht den Bundesländern oder Gemeinden zuzuweisen (Waffenschmidt, FR 2013, 268, 271; ebenso Specker in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 4 Rz 3).

  44. Ein anderer Teil der Literatur verneint die Zulässigkeit einer Übertragung der Ertragshoheit auf ein Bundesland im Wesentlichen mit dem Verweis auf die in Art. 106 Abs. 6 GG festgeschriebene alleinige Ertragshoheit der Gemeinden für die Gewerbesteuer (Markus/Maurer, NVwZ Extra 10/2012, 1, 7 ff.; Saathoff in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 4 Rz 13; Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 4 Rz 18; kritisch auch Brandis/Heuermann/Gosch, § 4 GewStG Rz 15a). Art. 106 Abs. 6 GG weise das Gewerbesteueraufkommen den Gemeinden in ihrer Gesamtheit zu; hierfür bedürfe es keiner Verwurzelung in einem Gemeindegebiet (BeckOK GewStG/Kleinmanns, 12. Ed. 01.12.2024, GewStG § 4 Rz 25). Der einfache Gesetzgeber dürfe die verfassungsrechtlich vorgegebene Verteilung der Finanzhoheit nicht verändern (Becker, BB 2014, 2270, 2274).

  45. (3) Nach Ansicht des Senats darf die Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten nur den Gemeinden übertragen werden.

  46. (a) Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 GG steht das Aufkommen (unter anderem) aus der Gewerbesteuer den Gemeinden zu. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen (unter anderem) der Gewerbesteuer dem Land zu (Satz 3). Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden (Satz 4); das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf (Satz 5).

  47. Diese Regelung ist Teil der in Art. 104a ff. GG niedergelegten Finanzverfassung des Grundgesetzes. Diese bildet eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung und ist auf Formenklarheit und Formenbindung angelegt. Diese Prinzipien erschöpfen sich nicht in einer lediglich formalen Bedeutung. Sie sind selbst Teil der funktionsgerechten Ordnung eines politisch sensiblen Sachbereichs und verwirklichen damit ein Stück Gemeinwohlgerechtigkeit. Zugleich fördern und entlasten sie den politischen Prozess, indem sie ihm einen festen Rahmen vorgeben. Für Analogieschlüsse, die notwendig zu einer Erweiterung oder Aufweichung dieses Rahmens führen würden, ist in diesem Bereich kein Raum.

  48. Der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. Weder der Bund noch die Länder können über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen; einfachgesetzliche Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern wären auch nicht mit Zustimmung der Beteiligten zulässig. Bei der Ertragsverteilung der Steuern handelt es sich gemeinsam mit der Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen um eine zentrale Frage der politischen Machtverteilung in Deutschland. Unsicherheiten in der Ertragszuordnung würden in diesem Kontext zu erheblichen Verwerfungen im Bereich der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung führen.

  49. Über ihre Ordnungsfunktion hinaus entfaltet die Finanzverfassung eine Schutz- und Begrenzungsfunktion, die es dem einfachen Gesetzgeber untersagt, die ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten. Diese Schutzwirkung entfaltet die Finanzverfassung auch im Verhältnis zum Bürger, der darauf vertrauen darf, nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden (BVerfG-Beschluss vom 13.04.2017 - 2 BvL 6/13, BVerfGE 145, 171, Rz 58 ff.; vgl. auch BVerfG-Urteil vom 28.03.2002 - 2 BvG 1/01, 2 BvG 2/02, BVerfGE 105, 185, Rz 41 ff.).

  50. Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze beanspruchen nach Ansicht des Senats gleichermaßen Geltung für die Abgrenzung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Ländern und Gemeinden. Auch die Regelungen über die Ertragshoheit in Art. 106 GG sind deshalb zwingend und erlauben über die grundgesetzlich vorgesehenen ‑‑hier nicht einschlägigen‑‑ Ausnahmen in Art. 91a, 91b, 91c, 91e, 104b, 104c, 104d, 120, 120a, 143h GG hinaus keine Abweichungen (Heun in Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 106 Rz 11; Kment in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 18. Aufl., Art. 106 Rz 4).

  51. (b) Danach ist allein die Auslegung des § 4 Abs. 2 GewStG mit Art. 106 Abs. 6 GG vereinbar, dass die Landesregierung durch Rechtsverordnung die Befugnis zur Erhebung der Gewerbesteuer nur auf eine (oder mehrere) Gemeinde(n), nicht aber auch auf ein Bundesland übertragen darf.

  52. dd) Die hiergegen gerichteten Einwände greifen nicht durch.

  53. (1) Wie oben bereits dargelegt, ist Art. 106 Abs. 6 GG Teil der in Art. 104a ff. GG niedergelegten grundgesetzlichen Finanzverfassung, die eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung bildet und keinen Raum für Analogieschlüsse lässt. Danach steht das Aufkommen aus der Gewerbesteuer den Gemeinden (Satz 1) und nur in dem Fall einem Land zu, wenn in diesem Land keine Gemeinden bestehen (Satz 3). Eine Regelung, der zufolge einem Land auch das Aufkommen der Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten zusteht, enthält Art. 106 GG nicht. Vielmehr bestimmt Art. 106 Abs. 6 GG eindeutig, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer "generell" den Gemeinden zusteht - und nur ausnahmsweise dann dem Land, wenn in diesem keine Gemeinden bestehen. Entgegen der Auffassung des FA bestimmt Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG damit, dass das Aufkommen der Gewerbesteuer insoweit "allgemein den Gemeinden in ihrer Gesamtheit" zusteht, und nicht nur der einzelnen Gemeinde bezogen auf ihr Gemeindegebiet.

  54. (2) Nicht gefolgt werden kann auch dem Einwand des FA, die ausschließliche Zuordnung der Ertragshoheit für die Gewerbesteuer an die Gemeinden erfahre bereits in Art. 106 Abs. 6 Satz 3 und 4 GG Einschränkungen, die die Zuordnung zu einem Bundesland auch im Streitfall rechtfertigten.

  55. Die Übertragung der Ertragshoheit für (unter anderem) die Gewerbesteuer auf die Länder wird in Art. 106 Abs. 6 Satz 3 GG unter der Voraussetzung bestimmt, dass in diesem Land keine Gemeinden bestehen. Gemeint sind hierbei die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, denen es an einer weiteren Untergliederung auf Gemeinden fehlt und die deshalb diese Ebene ersetzen (vgl. BTDrucks II/2908). Für eine erweiternde Anwendung dieser speziellen Ausnahmeregelung auf andere Bundesländer besteht, wie oben dargelegt, angesichts der abschließenden Regelung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche keine Rechtsgrundlage.

  56. Vergleichbares gilt für Art. 106 Abs. 6 Satz 4 und 5 GG. Danach können Bund und Länder im Wege eines zustimmungspflichtigen Bundesgesetzes durch eine Umlage zwar an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Bei einer solchen Umlage handelt es sich um Lasten, die einer Gebietskörperschaft zur Finanzierung einer anderen Gebietskörperschaft höherer Ordnung auferlegt werden. Die Gewerbesteuerumlage begründet jedoch keine eigene Ertragskompetenz von Bund und Ländern, sondern belässt die Ertragshoheit bei den Gemeinden und gibt Bund und Ländern nur einen Anspruch gegen die Gemeinden (BVerwG-Urteil vom 29.09.1982 - 8 C 48.82, BStBl II 1984, 236 [Rz 37]; so auch Heun in Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 106 Rz 40; Drüen in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hg.), BK, Art. 106 Rz 282; Siekmann/Hey in Sachs, Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 106 Rz 45). Auch aus dieser Regelung ergibt sich danach nicht, dass die Ertragshoheit für die Gewerbesteuer in gemeindefreien Gebieten innerhalb eines Landes diesem Land übertragen werden könnte. Soweit das FA meint, es bestehe hinsichtlich Offshore-Anlagen eine unbewusste Regelungslücke des Grundgesetzes, da es bei Inkrafttreten des Art. 106 GG derartige Anlagen noch nicht gegeben habe, kann sich der Senat dem schon im Ausgangspunkt nicht anschließen. Denn gemeindefreie Gebiete, zu denen auch der hier streitige Teil des niedersächsischen Küstengewässers zählt, gab es schon vor Inkrafttreten des Art. 106 GG.

  57. (3) Da die Zuordnung der Ertragshoheit für die Gewerbesteuer an die Gemeinden durch die Finanzverfassung in Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG ohne Schranken und Vorbehalte erfolgt, kommt es auch nicht darauf an, ob eine Gemeinde im konkreten Fall Leistungen der Infrastruktur für eine auf ihrem Gemeindegebiet belegene Betriebsstätte erbracht hat. Auch die Übernahme von Aufgaben einer Gemeinde durch einen Dritten eröffnet nicht die Befugnis, von der finanzverfassungsrechtlich vorgegebenen Zuordnung der Ertragshoheit für die Gewerbesteuer abzuweichen. Es besteht insoweit keine Disponibilität durch den einfachen Gesetzgeber.

  58. (4) Die mit der Regelung des Zerlegungsmaßstabs in § 29 Abs. 1 Nr. 2 GewStG durch den einfachen Gesetzgeber beabsichtigte Stärkung von Gemeinden am Sitz von Windkraftanlagen kann schließlich für die Bestimmung der Reichweite des finanzverfassungsrechtlichen Schutzes der kommunalen Ertragshoheit durch Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG bereits aus Gründen der Normenhierarchie keine Rolle spielen.

  59. (5) § 4 Abs. 2 GewStG ist danach schon im Hinblick auf Art. 106 Abs. 6 GG dahin auszulegen, dass die Landesregierung für Betriebsstätten in gemeindefreien Gebieten nur einer (oder mehreren) Gemeinde(n), nicht aber auch einem Land, "die nach diesem Gesetz … zustehenden Befugnisse" übertragen darf. Dahinstehen kann daher, ob sich dieses Ergebnis, wie die Klägerin meint, auch aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt.

  60. ee) Ermächtigt § 4 Abs. 2 GewStG die Landesregierung nur zur Übertragung auf Gemeinden, verstößt § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND, der die danach allein den Gemeinden zustehenden Befugnisse gleichwohl dem Beigeladenen zu 1. überträgt, gegen Bundesrecht, da es sich nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage hält. Der Norm kann im Streitfall schon deshalb keine Rechtswirkung zukommen. Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob § 4 Abs. 2 GewStG gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, kommt es daher nicht mehr an.

  61. Der Senat verkennt nicht, dass der Verordnungsgeber mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GGrStGfGebV ND eine einfache und praktikable Regelung schaffen wollte. Im Hinblick auf das im Gewerbesteuerrecht unter anderem zu berücksichtigende Äquivalenzprinzip stellt sich nun die für ein großes Flächenland schwierige Frage, welche (Küsten-)Gemeinde(n) das Gewerbesteueraufkommen für die betreffenden Gebiete zum Ausgleich der damit verbundenen Lasten erhalten soll(en). Es erscheint gegebenenfalls nicht sachgerecht, der Gemeinde, in der sich die Geschäftsleitungsbetriebsstätte befindet, den gesamten Gewerbesteuermessbetrag zuzuweisen. Dieses nachvollziehbare Regelungsziel muss allerdings auf einem verfassungsrechtlich zulässigen Weg verfolgt werden.

  62. 3. Der Senat entscheidet in der Sache selbst und gibt der Klage statt, da Spruchreife besteht (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die durch das FG getroffenen Feststellungen reichen aus, um über das Klagebegehren zu entscheiden. Die Zerlegungsbescheide sind aufzuheben (dazu unter a); das FA wird verpflichtet, zugunsten der Klägerin einen Zuteilungsbescheid zu erlassen (dazu unter b).

  63. a) Die Voraussetzungen für eine Zerlegung liegen nicht vor.

  64. Die A-KG hat zwar einen Gewerbebetrieb im Inland mit zwei Betriebsstätten unterhalten. Diese Betriebsstätten sind jedoch nicht mehreren Gemeinden zuzuordnen, wie die Rechtsgrundlage für eine Zerlegung in § 28 Abs. 1 Satz 1 GewStG dies voraussetzt. Der Sitz der Geschäftsleitung der A-KG befand sich im Streitzeitraum auf dem Gebiet der Klägerin; der Windpark befindet sich indes im deutschen Küstenmeer der Nordsee, einem gemeindefreien Gebiet. Von der Möglichkeit, einer Gemeinde nach § 4 Abs. 2 GewStG die Befugnis zur Erhebung der auf dieses Gebiet bezogenen Gewerbesteuer zu übertragen, hat der Beigeladene zu 1. nicht in rechtswirksamer Weise Gebrauch gemacht. Damit fehlt es an einer wirksamen Übertragung der Hebeberechtigung für die Gewerbesteuer für das gemeindefreie Gebiet. Die Klägerin ist mithin die einzige Gemeinde in Deutschland, in der sich im Streitjahr eine Betriebsstätte der A-KG befand. Sie ist deshalb allein hebeberechtigt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 GewStG. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 2. gilt dies auch für den bislang dem Beigeladenen zu 1. zugeteilten Anteil am Gewerbesteuermessbetrag, sodass die Klägerin auch diesbezüglich zur Erhebung der Gewerbesteuer berechtigt ist.

  65. b) Nach § 101 Satz 1 FGO ist das FA danach zum Erlass des von der Klägerin begehrten Zuteilungsbescheids zu verpflichten.

  66. Ein Zuteilungsverfahren ist nach § 190 Satz 1 AO durchzuführen, wenn ein Steuermessbetrag in voller Höhe einem Steuerberechtigten zuzuteilen ist, aber Streit darüber besteht, welchem Steuerberechtigten er zusteht. Die Finanzbehörde entscheidet dann auf Antrag eines Beteiligten durch Zuteilungsbescheid. Im Streitfall steht der Gewerbesteuermessbetrag … der A-KG allein der Klägerin zu.

  67. 4. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das unterlegene FA nach § 135 Abs. 2 FGO zu tragen. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO). Die Beigeladenen haben keine Sachanträge gestellt oder das Verfahren anderweitig wesentlich gefördert.

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