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Beschluss vom 04. Februar 2025, VIII R 1/22

(Keine Gewerbesteuerpflicht der aufwärts abgefärbten Obergesellschaft)

ECLI:DE:BFH:2025:B.040225.VIIIR1.22.0

BFH VIII. Senat

EStG § 15 Abs 3 Nr 1 S 1 Alt 2, GewStG § 2 Abs 1 S 1, GewStG § 2 Abs 1 S 2, GG Art 3 Abs 1, GewStG VZ 2014

vorgehend FG Hamburg, 25. Februar 2021, Az: 3 K 139/20

Leitsätze

NV: § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt (Bestätigung der Rechtsprechung).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 25.02.2021 - 3 K 139/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist, ob die laufenden Einkünfte einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft mit gewerblichen Beteiligungseinkünften gewerbesteuerpflichtig sind.

  2. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) und erzielt als solche Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Sie war im Jahr 2014 (Streitjahr) an der E-GmbH & Co. KG beteiligt. Die Klägerin war ursprünglich in der Rechtsform einer GmbH gegründet und mit Beschluss vom xx.xx.2014 in eine PartGmbB umgewandelt worden.

  3. Im Streitjahr veräußerte ein Gesellschafter einen Teil seines Anteils an der Klägerin und erzielte hieraus einen Veräußerungsgewinn in Höhe von … €, den die Klägerin als Gewerbeertrag deklarierte. In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr in der zuletzt am 04.01.2018 korrigierten Fassung erklärte die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit und den Veräußerungsgewinn aus der Anteilsveräußerung.

  4. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ jeweils erklärungsgemäß am 27.04.2017 einen Gewerbesteuermessbescheid (Gewerbesteuermessbetrag: … €) und am 31.01.2018 einen Feststellungsbescheid für das Streitjahr (Einkünfte aus selbständiger Arbeit: … €).

  5. Mit Bescheid vom 19.12.2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr für die E-GmbH & Co. KG wurden für die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € festgestellt.

  6. Nach einer Außenprüfung bei der Klägerin war das FA der Ansicht, wegen der gewerblichen Beteiligungseinkünfte aus der Beteiligung an der E-GmbH & Co. KG erziele die Klägerin ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die auch der Gewerbesteuer unterlägen. Es erließ am 03.07.2019 geänderte Bescheide für das Streitjahr über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und über den Gewerbesteuermessbetrag, in denen die laufenden Einkünfte der Klägerin und der Gewinn aus der Anteilsveräußerung in Höhe von insgesamt … € als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt und angesetzt wurden.

  7. Mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2020 wies das FA die gegen beide Änderungsbescheide eingelegten Einsprüche nach entsprechender Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung als unbegründet zurück.

  8. Die dagegen erhobene Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1564 mitgeteilten Gründen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat den geänderten Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2020 aufgehoben. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der im Erhebungszeitraum anzuwendenden Fassung (GewStG) sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht als der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gelte.

  9. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) durch die Aufhebung des geänderten Gewerbesteuermessbescheids für das Streitjahr vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2020.

  10. Das FA beantragt sinngemäß,
    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  11. Die Klägerin beantragt sinngemäß,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  12. Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Revisionsverfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Es unterstützt die Auffassung des FA.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Gewinn der Klägerin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit nicht nach § 2 Abs. 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt.

  2. 1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG).

  3. a) Die Klägerin unterhält nicht schon deshalb einen stehenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, weil ein Gesellschafter einen gewerbesteuerpflichtigen Gewinn aus der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils nach § 18 Abs. 3 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) erzielt hat.

  4. Zu Recht sind die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Gewinn nach § 18 Abs. 3 UmwStG auch dann der Gewerbesteuer unterliegt, wenn der aus der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft hervorgegangene Betrieb der Personengesellschaft als solcher nicht Gegenstand der Gewerbesteuer ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17.07.2013 - X R 40/10, BFHE 242, 58, BStBl II 2013, 883, Leitsatz 2 und Rz 32). Dies bedarf keiner weiteren Ausführungen.

  5. b) Auch die gewerblichen Beteiligungseinkünfte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der E-GmbH & Co. KG führen nicht dazu, dass der Betrieb der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG insgesamt als ein der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

  6. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht. Dies führt grundsätzlich dazu, dass sämtliche Einkünfte der Gesellschaft in solche aus Gewerbebetrieb umqualifiziert und wegen § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG mit Gewerbesteuer belastet werden. Darin liegt aber eine Ungleichbehandlung (Schlechterstellung) von Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmern, welche gleichzeitig mehrere verschiedene Einkunftsarten verwirklichen können mit der Folge, dass bei ihnen nur die originär gewerbliche Tätigkeit der Gewerbesteuer unterfällt (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019 - IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649, Rz 22). Diese Ungleichbehandlung ist in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.2019 - IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649, Rz 27 ff.).

  7. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt (vgl. BFH-Urteile vom 06.06.2019 - IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649, Rz 39 ff.; vom 15.06.2023 - IV R 6/20, BFH/NV 2023, 1190, Rz 48; vom 05.09.2023 - IV R 24/20, BFHE 281, 374, Rz 102 ff.; vom 30.11.2023 - IV R 10/21, BFHE 282, 300, Rz 48; Brandis/Heuermann/Drüen, § 2 GewStG Rz 111; kritisch Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 15 Rz 150b; Franke in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 2 Rz 30a; Nöckerin Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 1458). Die verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 GewStG ist zulässig und geboten (vgl. BFH-Urteil vom 05.09.2023 - IV R 24/20, BFHE 281, 374, Rz 106 ff.).

  8. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die zitierten Entscheidungen des IV. Senats des BFH betreffen Personengesellschaften, die neben Einkünften aus der Verwaltung eigenen Vermögens gewerbliche Beteiligungseinkünfte erzielen. Nichts anderes kann bei Personengesellschaften gelten, die ‑‑wie im Streitfall‑‑ neben Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit gewerbliche Beteiligungseinkünfte erzielen (vgl. auch Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 2 Rz 284).

  9. 2. Die Sache ist spruchreif. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Gewinn der Klägerin aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit nicht nach § 2 Abs. 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt. Mit der Aufhebung des geänderten Gewerbesteuermessbescheids für das Streitjahr vom 03.07.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2020 bleibt es dabei, dass nur der Veräußerungsgewinn isoliert der Gewerbesteuer unterworfen wird.

  10. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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