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Urteil vom 20. November 2024, VI R 33/21

Besteuerung von Abfindungen und Aktienoptionsprogrammen nach dem DBA-Frankreich 1959/2001

ECLI:DE:BFH:2024:U.201124.VIR33.21.0

BFH VI. Senat

EStG § 1 Abs 1 S 1, EStG § 8 Abs 1, EStG § 11 Abs 1 S 1, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 24 Nr 1 Buchst a, DBA FRA Art 2 Abs 1 Nr 4 Buchst b DBuchst aa, DBA FRA Art 13 Abs 1 S 1, DBA FRA Art 13 Abs 1 S 2, DBA FRA Art 13 Abs 1, EStG VZ 2015

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 22. April 2021, Az: 9 K 9024/20

Leitsätze

1. NV: Die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hat nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 als Tätigkeitsstaat nur insoweit ein anteiliges Besteuerungsrecht für eine Abfindung, als der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hat.

2. NV: Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten richtet sich eine abkommensrechtliche Freistellung der geldwerten Vorteile aus der Ausübung von Aktienoptionen und von vergleichbaren Rechten zeitanteilig nach dem Ort der Tätigkeit des Arbeitnehmers im Erdienenszeitraum (Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21.12.2022 - I R 11/20, BFHE 279, 389, BStBl II 2023, 825, Rz 15).

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 22.04.2021 - 9 K 9024/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zwischen 2010 und 2019 (auch) über einen inländischen Wohnsitz in ... verfügten und vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) in dieser Zeit zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Ihren Hauptwohnsitz und familiären Lebensmittelpunkt hatten die Kläger in dieser Zeit ununterbrochen in der Französischen Republik (Frankreich).

  2. Der Kläger war seit Mai 2011 bei der im Inland ansässigen ... GmbH (GmbH) als leitender Angestellter beschäftigt. Seine Tätigkeit übte er nur zum Teil in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) aus, im Übrigen wurde er in Frankreich oder in Drittländern eingesetzt.

  3. Das FA veranlagte die Kläger für die Jahre 2012 bis 2014 mit dem Teil der Arbeitseinkünfte des Klägers zur deutschen Einkommensteuer, der der zeitanteiligen Erbringung der Arbeitsleistung in Deutschland entsprach. Den darüber hinausgehenden Teil der Arbeitseinkünfte sah es ‑‑in Übereinstimmung mit den Klägern‑‑ als im Inland steuerfrei an und berücksichtigte ihn lediglich bei der Berechnung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts. Zur Ermittlung der auf den Einsatz in Deutschland und im Ausland entfallenden Arbeitszeiten führte der Kläger ein sogenanntes Travel Diary. Diese Aufzeichnungen, deren Richtigkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht, wiesen für das Jahr 2012 einen auf das Inland entfallenden Zeitanteil von 60,6 % (145 zu 94 Tage), für 2013 einen solchen von 53,7 % (124 zu 107 Tage) und für 2014 einen solchen von 49,3 % (105 zu 108 Tage) aus. Dementsprechend behandelte das FA von den Arbeitseinkünften des Klägers im Jahr 2012 einen Anteil von 60,6 %, im Jahr 2013 einen Anteil von 53,7 % und im Jahr 2014 einen Anteil von 49,3 % als im Inland steuerpflichtig.

  4. Im November 2014 teilte die GmbH dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis mit ihm beenden zu wollen. Der Kläger stellte daraufhin seine berufliche Tätigkeit auf Wunsch der GmbH zum Ende des Jahres 2014 endgültig ein. Zur arbeitsrechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses schlossen der Kläger und die GmbH am 20.01.2015 einen Aufhebungsvertrag.

  5. Unter Nr. 1 ("Beendigung des Anstellungsverhältnisses") wird darin unter anderem ausgeführt: "Die Parteien sind sich darüber einig, dass das ... Anstellungsverhältnis ... auf Veranlassung der Gesellschaft mit Ablauf des 31.03.2015 sein Ende finden wird. ... [Der Kläger] wird von der Pflicht zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung mit sofortiger Wirkung bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses freigestellt. Die Freistellung erfolgt zunächst unwiderruflich unter Anrechnung auf etwaige Urlaubsansprüche und offene Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto. Im Anschluss ... bleibt die Freistellung unter dem Vorbehalt eines etwaigen Widerrufs aufrechterhalten; ... Der Anstellungsvertrag wird im Übrigen von der Freistellung nicht berührt. Insbesondere besteht das vertragliche Wettbewerbsverbot bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses fort."

  6. Unter Nr. 3 ("Abfindung") des Aufhebungsvertrags heißt es:"[Der Kläger] erhält für den Verlust des Anstellungsverhältnisses [nach] Ziffer 1 dieser Vereinbarung eine einmalige Brutto-Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG i.V.m. §§ 24, 34 EStG in Höhe von [...] €. ... Die Abfindungszahlung erfolgt spätestens mit dem letzten regulären Gehaltslauf vor der Beendigung des Anstellungsverhältnisses. ..."

  7. Die vereinbarte Abfindung unterwarf die GmbH als Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre einer ermäßigten Lohnsteuer ("Fünftel-Regelung").

  8. Bereits zuvor hatte die GmbH dem Kläger Stock Options (Aktienoptionen) und Timely Restricted Stock Awards (Rechte auf eine zukünftige Aktienzuteilung) zugewandt. Die damit zusammenhängenden Rechte (Optionen und Aktienzuteilungen) konnte der Kläger im Februar und März des Streitjahres (2015) ausüben.

  9. In der Einkommensteuererklärung der Kläger für das Streitjahr teilte der Kläger seine laufenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend den im Vorjahr im In- und Ausland verbrachten Arbeitstagen auf. Die Abfindung beziehungsweise die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Optionen und der Aktienzuteilungen (im Weiteren: Mitarbeiterbeteiligung) sah er im Inland als gänzlich beziehungsweise teilweise steuerfrei an, weil sie erst nach Ende der Dienstzeit zugeflossen seien. Als Nachweis dafür, dass die Abfindung in Frankreich bereits besteuert worden war, reichte der Kläger den französischen Steuerbescheid für das Streitjahr nebst dazugehöriger Einkommensteuererklärung ein.

  10. Bei der (inländischen) Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr ging das FA dagegen davon aus, dass die Abfindung und die geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung in voller Höhe in Deutschland zu versteuern seien.

  11. Im Einspruchsverfahren erließ das FA einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Die Abfindung und die geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung sah es nur noch zur Hälfte als in Deutschland steuerpflichtig und soweit steuerfrei als dem Progressionsvorbehalt unterliegend an. Im Übrigen wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

  12. Die hiergegen erhobene Klage hatte mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1022 veröffentlichten Gründen im Hinblick auf die im Revisionsverfahren allein streitige Besteuerung der Abfindung und der geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung keinen Erfolg.

  13. Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

  14. Sie beantragen sinngemäß,
    das Urteil des Finanzgerichts (FG) und die Einspruchsentscheidung vom 17.12.2019 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid vom 08.04.2019 dahingehend zu ändern, dass sämtliche dem Kläger im Veranlagungszeitraum 2015 zugeflossenen Zahlungen aus dem Arbeitsverhältnis mit der GmbH von der deutschen Besteuerung auszunehmen sind.

  15. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision der Kläger ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21.07.1959 (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) i.d.F. des Zusatzabkommens vom 20.12.2001 (BGBl II 2002, 2372, BStBl I 2002, 892) ‑‑DBA-Frankreich 1959/2001‑‑ hat der Kläger ‑‑über das ihm vom FG bislang Gewährte hinaus‑‑ keinen Anspruch auf eine weitere steuerliche Freistellung. Die Vorinstanz hat zutreffend entschieden, dass die streitgegenständliche Abfindung sowie die geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung nur zur Hälfte unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts von der inländischen Besteuerung freizustellen sind.

  2. 1. Die Kläger, die während des gesamten Streitjahres im Inland über einen Wohnsitz verfügten, waren in Deutschland nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig.

  3. 2. Abkommensrechtlich waren die Kläger im Streitjahr indes in Frankreich ansässig. Denn sie verfügten auch in Frankreich über einen Wohnsitz im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/2001 und hatten dort ‑‑zwischen den Beteiligten unstreitig‑‑ den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Frankreich 1959/2001.

  4. 3. Nach innerstaatlichem Recht unterliegen sowohl die Abfindung als auch die geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland der Besteuerung.

  5. a) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen (s. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist geklärt, dass auch eine Abfindung, die wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wird, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG gehört (vgl. z.B. Senatsurteile vom 13.10.1978 - VI R 91/77, BFHE 126, 399, BStBl II 1979, 155 und vom 01.08.2024 - VI R 52/20, Rz 27 und 31).

  6. Ausweislich des vom FG bindend festgestellten Inhalts des zwischen dem Kläger und der GmbH geschlossenen Aufhebungsvertrags (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger die streitige Abfindung als Entschädigung "für den Verlust des Anstellungsverhältnisses ... gemäß §§ 9, 10 KSchG i.V.m. §§ 24, 34 EStG" erhalten. Angesichts dessen ist der Schluss des FG, dass die Abfindung als Ausgleich für den Schaden des Klägers gezahlt wurde, der durch den Verlust seines Arbeitsplatzes und die damit wegfallenden laufenden Lohneinnahmen entstand, revisionsrechtlich nicht nur möglich, sondern naheliegend. Anhaltspunkte für einen ‑‑von den Klägern behaupteten‑‑ Versorgungscharakter der Abfindung sind nicht ersichtlich.

  7. b) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch die Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung, was zwischen den Beteiligten insoweit auch nicht streitig ist. Ebenfalls zu Recht steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit, dass die Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung dem Kläger in den Monaten Februar und März des Streitjahres zugeflossen sind. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

  8. 4. Der (anteiligen) inländischen Besteuerung der Abfindung steht Abkommensrecht nicht entgegen.

  9. a) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich etwaiger (hier nicht einschlägiger) Sonderregelungen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird (Satz 1). Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten abkommensrechtlich nach Satz 2 der Regelung insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile, die von anderen als den in Art. 14 DBA-Frankreich 1959/2001 bezeichneten Personen (das sind bestimmte öffentliche Kassen) gezahlt oder gewährt werden. Auch eine Abfindung als Entschädigungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes wird ‑‑entgegen der Auffassung der Kläger‑‑ vom objektiven Regelungsgegenstand des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich 1959/2001 erfasst (Senatsurteil vom 01.08.2024 - VI R 52/20, Rz 36, m.w.N.).

  10. b) Allerdings steht Deutschland als Tätigkeitsstaat nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur insoweit zu, als der Steuerpflichtige seine Tätigkeit tatsächlich im Inland ausgeübt hat (z.B. BFH-Urteile vom 24.07.2013 - I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, Rz 13 und vom 16.01.2019 - I R 66/17, jeweils m.w.N.).

  11. Maßgeblich für die Bestimmung eines Staates als Tätigkeitsstaat im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 ist der Ort der Arbeitsausübung (Arbeitsort). Dieser befindet sich dort, wo der Arbeitnehmer sich zur Ausübung seiner Tätigkeit tatsächlich aufhält. Ausschlaggebend hierfür ist seine physische Anwesenheit im Tätigkeitsstaat.

  12. c) Das Besteuerungsrecht betreffend Abfindungen, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, ist demgemäß ‑‑wovon die Vorinstanz zutreffend ausgegangen ist‑‑ nach der im Sachzusammenhang mit dieser Entschädigungsleistung stehenden Arbeitsleistung zu bestimmen und steht dem (jeweiligen) Tätigkeitsstaat daher nur insoweit zu, als der Arbeitnehmer in der Vergangenheit dort seine Arbeitsleistung erbracht hat (BFH-Urteil vom 24.07.2013 - I R 8/13, BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929, Rz 13). Denn nur insoweit rühren die dahingehenden Einkünfte aus einer persönlichen Tätigkeit her, die in dem anderen Vertragsstaat im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 ausgeübt wurde.

  13. d) Da der auf die inländische Tätigkeit des Klägers entfallende durchschnittliche Zeitanteil sämtlicher Beschäftigungsjahre unstreitig 54,53 % betrug, ist die Entscheidung des FG, dass die Abfindung, die der Kläger von seiner (früheren) Arbeitgeberin erhalten hat, abkommensrechtlich nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 (nur) zur Hälfte der inländischen Besteuerung unterliegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  14. 5. Soweit das FG entschieden hat, die geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung unterlägen (nur) zur Hälfte der inländischen Besteuerung, ist dies im Ergebnis ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  15. a) Bei den geldwerten Vorteilen aus der Mitarbeiterbeteiligung handelt es sich um ähnliche Vorteile im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich 1959/2001. Die Tätigkeit, aus der die Einkünfte "herrühren", umfasst sowohl bei den Vorteilen aus den Aktienoptionen als auch bei den Vorteilen aus den Aktienzuteilungen die Arbeitsleistung des Klägers, die dieser in der Vergangenheit (ab Gewährung der Aktienoptionen beziehungsweise der Zusage der zukünftigen Aktienzuteilungen) bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit der Aktienoptionen beziehungsweise der Aktienzuteilungen (hier Februar und März des Streitjahres) für die GmbH erbracht hat.

  16. b) Als "Anreizlohn" sind die geldwerten Vorteile aus der Ausübung solcher Aktienoptionen beziehungsweise aufschiebend bedingter Aktienzuteilungen ‑‑ungeachtet der Besteuerung zum Zeitpunkt der Optionsausübung beziehungsweise der Aktienzuteilung‑‑ zeitraumbezogen gewährt worden. Sie sind anteilig dem Erdienenszeitraum zuzuordnen und nach Maßgabe des einschlägigen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gegebenenfalls von der deutschen Steuer freizustellen (vgl. BFH-Urteil vom 21.12.2022 - I R 11/20, BFHE 279, 389, BStBl II 2023, 825, Rz 15, m.w.N.).

  17. Nach diesen Grundsätzen entfallen ‑‑wie oben ausgeführt‑‑ (unstreitig) 54,53 % der geldwerten Vorteile aus der Mitarbeiterbeteiligung auf eine im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich 1959/2001 im Inland ausgeübte "persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren" und unterliegen insoweit dem Besteuerungsrecht Deutschlands. Angesichts dessen ist die vom FG ‑‑wenn auch nach anderen Grundsätzen bemessene‑‑ angesetzte "Besteuerungsquote" von 50 % im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  18. 6. Schließlich steht der "hälftigen" Besteuerung der Abfindung nicht der Umstand entgegen, dass diese bereits in Frankreich versteuert worden ist. Eine dadurch mögliche Doppelbesteuerung können die Kläger nur durch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 DBA-Frankreich 1959/2001 beseitigen (vgl. BFH-Urteil vom 31.03.2004 - I R 88/03, BFHE 206, 64, BStBl II 2004, 936, unter II.3.b zum DBA-Luxemburg), das sie in einem solchen Fall bei der zuständigen Behörde ihres Ansässigkeitsstaates beantragen können.

  19. 7. Überdies ist die Besteuerung der Abfindung nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich 1959/2001 ‑‑anders als die Kläger meinen‑‑ nicht deshalb europarechtswidrig, weil für das DBA-Frankreich 1959/2001 zur Frage der Besteuerung von Abfindungen keine Konsultationsvereinbarung existiert. Denn einen (europarechtlichen) Anspruch darauf, dass Deutschland mit Frankreich eine (vergleichbare) Konsultationsvereinbarung abschließt (wie mit anderen Ländern), haben die Kläger nicht.

  20. 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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