ECLI:DE:BFH:2024:U.250924.XIR6.23.0
BFH XI. Senat
StGB § 73 Abs 1, FGO § 123 Abs 1, FGO § 126 Abs 3, FGO § 143 Abs 2, FGO § 11, UStG § 1 Abs 1 Nr 1, UStG § 2 Abs 1 S 1, UStG § 10 Abs 1 S 1, UStG § 17 Abs 1 S 1, AO § 40, EGRL 112/2006 Art 78, EGRL 112/2006 Art 73, EGRL 112/2006 Art 90, GG Art 3 Abs 1, UStG VZ 2015 , EUGrdRCh Art 20
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 07. März 2023, Az: 2 K 2150/21
Leitsätze
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerrechtlichen Behandlung strafrechtlich eingezogener Tatentgelte ist umsatzsteuerrechtlich die Bemessungsgrundlage von in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätzen im Wege einer teleologischen Reduktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf den um die eingezogenen Beträge geminderten Betrag zu reduzieren. Eine festgesetzte Steuer ist im Zeitpunkt der erfolgreichen Einziehung entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen.
Tenor
Die Revision wegen Erlass der Umsatzsteuer 2011 bis 2015 wird als unzulässig verworfen.
Im Übrigen wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 07.03.2023 - 2 K 2150/21 auf die Revision des Klägers aufgehoben.
Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
A.
Streitig ist, ob die im Rahmen einer strafrechtlich angeordneten Einziehung von Bestechungsgeldern an die Landesjustizkasse geleistete Zahlung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) führt.
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur der Versorgungstechnik und war bei verschiedenen Unternehmen der Immobilienwirtschaft als Projekt- beziehungsweise technischer Leiter tätig. Bis Ende 2014 betreute er als angestellter Projektleiter bei der X-AG in A und deren Tochtergesellschaft Y-GmbH größere Instandsetzungsmaßnahmen im Immobilienbereich. Im Jahr 2015 (Streitjahr) war der Kläger bis September bei der W-AG und ab Oktober bei der Z-GmbH angestellt.
Im Jahr 2017 leitete das Finanzamt … (FA O), Sachgebiet für Steuerfahndung und Strafsachen, gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung 2011 bis 2015 ein, das im Jahr 2019 wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung 2011 bis 2015 erweitert wurde. Zeitgleich ermittelte auch die Staatsanwaltschaft N gegen den Kläger wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Am 07.09.2018 erhob sie Anklage gegen den Kläger.
Mit Beschluss vom 22.03.2019 ordnete das Amtsgericht N den Vermögensarrest in Höhe von insgesamt 133.740,23 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers an.
Im Bericht vom 09.08.2019 stellte das FA O fest, dass Umsatzsteuererklärungen für den Prüfungszeitraum vom Kläger nicht eingereicht worden seien. Es stellte weiter fest, dass der Kläger in seiner Funktion als Projektbetreuer bei der X-AG und der Y-GmbH Einfluss auf die Vergabe von Bauaufträgen gehabt habe. Soweit er für seine Tätigkeit ingenieurtechnische Leistungen benötigt habe, habe er das zu beauftragende Büro aus einem Kreis von … Rahmenvertragspartnern selbst auswählen können. Dies habe der Kläger als Möglichkeit erkannt, sich regelmäßig die Auftragserteilung an nahestehende Geschäftspartner durch Zuwendungen für sein Privatvermögen bezahlen zu lassen. Auch sei dies nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten beziehungsweise Arbeitgebers geschehen, um letztendlich von den beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, zu erhalten. Weiterhin stellte das FA O fest, dass der Kläger die Zahlungen von Schmiergeldern beziehungsweise die Zuwendungen durch die Bewerber als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen erhalten habe und daher seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten der Besteuerung habe unterwerfen müssen, was er nicht getan habe. Die Bruttoeinnahmen in den Jahren 2011 bis 2015 beliefen sich auf insgesamt 379.498 €. Im Jahr 2015 hätten die Bruttoeinnahmen 6.997 € betragen.
Auf Grundlage der Feststellungen des FA O erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) am 07.10.2019 den Umsatzsteuerbescheid für 2015, in dem er Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 5.880 € berücksichtigte und die Umsatzsteuer mit 1.117,20 € festsetzte.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Während des laufenden Einspruchsverfahrens verurteilte das Landgericht N den Kläger mit ‑‑inzwischen rechtskräftigem‑‑ Urteil vom 09.06.2020 wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 17 Fällen und Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Zudem wurde gegen den Kläger in Höhe von 340.259,11 € die Einziehung des Wertes des Erlangten angeordnet.
Daraufhin trug der Kläger ergänzend vor, dass er hinsichtlich der angeordneten Einziehung drei Zahlungen in Höhe von insgesamt 170.238,82 € geleistet habe, darunter am 19.11.2015 eine Barzahlung von 12.000 € sowie zwei Zahlungen im Jahr 2018. Zahlungen an die Landesjustizkasse müssten als Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG berücksichtigt werden. Er, der Kläger, sei mit der Freiheitsstrafe abgeurteilt worden, eine Geldstrafe sei nicht festgesetzt worden. Die Einziehung sei nicht Bestandteil der Strafe.
Mit seiner Umsatzsteuererklärung für 2015 vom 14.12.2020 meldete der Kläger um -10.084 € (brutto -12.000 €) berichtigte Umsätze an und berechnete die Umsatzsteuer mit -798,76 €. Dieser Anmeldung stimmte das FA nicht zu.
Mit Einspruchsentscheidung vom 05.08.2021 wies es den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass das Landgericht N in seinem Urteil die vom Kläger erhaltenen Entgelte für die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze festgestellt habe. Diese Entgelte seien der Umsatzbesteuerung zum Regelsteuersatz unterworfen worden. Dass die Einziehung nach §§ 73 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) angeordnet worden sei, habe keinen Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage und führe nicht zu einer Minderung nach § 17 UStG. Der Aufwand der jeweiligen Leistungsempfänger zum Erhalt der Leistung durch den Kläger habe sich durch die Zahlung an die Landesjustizkasse nicht geändert, denn der Kläger habe das Entgelt nicht an den jeweiligen Leistungsempfänger zurückgezahlt. Der Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und den jeweiligen Leistungsempfängern beziehungsweise Zahlenden bleibe von der strafrechtlich verpflichtenden Zahlung des Erlangten nach §§ 73 ff. StGB unberührt. Das der Besteuerung zugrundeliegende Leistungsverhältnis betreffe nur den Steuerpflichtigen und die jeweiligen Leistungsempfänger beziehungsweise Zahlenden.
Die hiergegen erhobene Klage wegen Umsatzsteuer 2015 wies das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2023, 1033 veröffentlichten Urteil vom 07.03.2023 - 2 K 2150/21 ab. Es führt im Wesentlichen aus, dass die vom Kläger im Rahmen der Einziehung an die Landesjustizkasse geleistete Zahlung in Höhe von 12.000 € nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG führe. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG lägen vor. Insbesondere habe der Kläger Leistungen erbracht. Er sei als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG tätig geworden. Die erlangten Bestechungsgelder seien als Gegenleistung Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG. Ein anderes Ergebnis sei auch nicht wegen der Einziehung des Wertes des Erlangten geboten. Insbesondere sei die Bemessungsgrundlage nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu mindern.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FA habe zwar zu Recht die Bestechungsgelder als Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Leistungen angesehen, jedoch habe es zu Unrecht die im Streitjahr an die Landesjustizkasse gezahlten 12.000 € nicht berücksichtigt, was mit dem Neutralitätsgrundsatz nicht zu vereinbaren sei. Die Nichtberücksichtigung der Einziehung der Bestechungsgelder von 340.259,11 € führe dazu, dass vom Kläger insgesamt zusätzlich 54.327,09 € an Umsatzsteuer zu zahlen wären. Eine Steuergefährdung würde von der Berichtigung des Steuerbetrags entsprechend der Rückzahlung der Bestechungsgelder nicht ausgehen, da weder Rechnungen ausgestellt noch Vorsteuerbeträge abgezogen worden seien. Er, der Kläger, werde durch die Nichtberücksichtigung der Rückzahlung der Bestechungsgelder doppelt belastet. Könne die Doppelbelastung nicht im Festsetzungsverfahren beseitigt werden, müsse dies im Erlassverfahren erfolgen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 05.08.2021 den Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 07.10.2019 dahingehend zu ändern, dass die Steuer auf -798,76 € festgesetzt wird,
sowie die Umsatzsteuer 2011 bis 2015 in Höhe von 54.326,70 € zu erlassen.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Das FA trägt vor, dass eine Entgeltminderung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann zu einer Korrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG führe, wenn zwischen Minderung der Bemessungsgrundlage und der steuerpflichtigen Leistung ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe (vgl. BFH-Urteile vom 17.12.2009 - V R 1/09, BFH/NV 2010, 1869; vom 30.01.2014 - V R 1/13, BFH/NV 2014, 911). Zahlungen des Leistenden würden somit keine Entgeltminderung darstellen, wenn sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der erbrachten Leistung stehen, sondern auf einem anderen Rechtsgrund beruhen. Die Zahlung an die Landesjustizkasse sei aufgrund von §§ 73 ff. StGB erfolgt, so dass sie nicht an den Leistungsempfänger und damit an einen Dritten gezahlt worden sei. Das gegenseitige Austauschverhältnis zwischen dem Kläger und den Auftragnehmern sei nicht rückabgewickelt worden, da die Auftragnehmer als Leistungsempfänger das von ihnen an den Kläger gezahlte Entgelt nicht wiedererlangt hätten. Das Ergebnis sei auch mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität vereinbar.
Wie das FG in seinem Urteil ausführt habe, sei die Möglichkeit eines Erlasses nach § 227 der Abgabenordnung (AO) in einem anderen Verfahren zu klären und habe demzufolge für den hiesigen Rechtsstreit keine Bedeutung.
Entscheidungsgründe
B.
Die Revision wegen Erlass der Umsatzsteuer 2011 bis 2015 ist unzulässig und ist deshalb zu verwerfen. Da die Revision im Übrigen zulässig ist, kann über sie einheitlich durch Urteil entschieden werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 01.06.2016 - X R 43/14, BFHE 254, 536, BStBl II 2017, 55, Rz 10, m.w.N.).
I.
Soweit der Kläger erstmals im Revisionsverfahren beantragt hat, die Umsatzsteuer 2011 bis 2015 zu erlassen, ist dieses Begehren unzulässig. Denn es handelt sich dabei um eine im Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässige Klageerweiterung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.03.2012 - II R 42/11, BFH/NV 2012, 1486, Rz 30).
II.
Die Revision ist im Übrigen begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zwar dem Grunde nach zu Recht erkannt, dass der Kläger steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat, indem er Dritten gegen entsprechende Zuwendungen Vorteile im Vergabeprozess gegenüber Mitbewerbern verschafft hat (s. hierzu 1.). Allerdings hat das FG nicht hinreichend geprüft und den Sachverhalt entsprechend gewürdigt, ob die Steuer für diese Umsätze im Streitjahr entstanden ist (s. hierzu 2.). Ferner bedarf es noch Feststellungen dazu, ob die vom Kläger ‑‑als solche an die Landesjustizkasse‑‑ geltend gemachten Zahlungen von brutto 12.000 € zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer 2015 führen (s. hierzu 3.). Deshalb ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
1. Das entgeltliche Einräumen von Vorteilen im Vergabeprozess an Dritte gegenüber Mitbewerbern ist eine steuerpflichtige sonstige Leistung.
a) Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unter anderem sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt [seit 01.01.2023: "…, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist"]. Jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ist grundsätzlich gewerblich oder beruflich (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 UStG).
b) Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 40 AO). Dies gilt auch für unwirksame Rechtsgeschäfte (§ 41 AO). Diese Vorschriften sind Ausdruck der vom Gesetzgeber bewusst getroffenen und in der Abgabenordnung vor die Klammer gezogenen Grundsatzentscheidung, die Besteuerung insgesamt wertneutral beziehungsweise vordergründig an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet durchzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 03.02.2016 - X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, Rz 29; s.a. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.1977 - GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, unter B II.3.c sowie zuletzt BFH-Urteil vom 10.01.2024 - VI R 16/21, BStBl II 2024, 442, Rz 21, zur Abgrenzung zur beruflichen Sphäre). Im Umsatzsteuerrecht hielt man daher unterschiedliche (zum Teil früher) unerlaubte Tätigkeiten für steuerbar (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 04.06.1987 - V R 9/79, BFHE 150, 192, BStBl II 1987, 653, zur Prostitution; vom 08.09.2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, zur Unterschlagung/Hehlerei; vom 28.02.2002 - V R 19/01, BFHE 198, 220, BStBl II 2003, 950, unter II.2.b, zu nichtigen Entsorgungsverträgen von Deponiebetreibern).
c) Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat jedoch entschieden, dass illegale Tätigkeiten unter bestimmten Umständen nicht steuerbar sind (vgl. EuGH-Urteil Vereniging Happy Family Rustenburgerstraat vom 05.07.1988 - C-289/86, EU:C:1988:360, Rz 18). Danach ist zu beachten, dass zwar der Grundsatz der steuerlichen Wertneutralität bei der Erhebung der Mehrwertsteuer tatsächlich eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften verbietet. Dies gilt jedoch zum Beispiel nicht für die verbotene Lieferung von Erzeugnissen wie Betäubungsmitteln, die insoweit besondere Merkmale aufweisen, als sie ‑‑mit Ausnahme eines streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke‑‑ schon nach ihrem Wesen in allen Mitgliedstaaten einem vollständigen Verkehrsverbot unterliegen. Andererseits hat der EuGH entschieden, dass die Einstufung eines Verhaltens als strafbar nicht ohne weiteres dazu führt, dass der fragliche Vorgang nicht steuerbar ist; vielmehr ist dies nur in spezifischen Situationen der Fall, in denen wegen der besonderen Eigenschaften bestimmter Waren oder bestimmter Dienstleistungen jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist (vgl. z.B. EuGH-Urteile Salumets u.a. vom 29.06.2000 - C-455/98, EU:C:2000:352, Rz 19; Coffeeshop "Siberië" vom 29.06.1999 - C-158/98, EU:C:1999:334, Rz 14 und 21; Kittel und Recolta Recycling vom 06.07.2006 - C-439/04 und C-440/04, EU:C:2006:446, Rz 50; The Rank Group vom 10.11.2011 - C-259/10 und C-260/10, EU:C:2011:719, Rz 45; Fluvius Antwerpen vom 27.04.2023 - C-677/21, EU:C:2023:348, Rz 28; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Fluvius Antwerpen vom 12.01.2023 - C-677/21, EU:C:2023:24, Rz 33). Die Urteile betreffen Waren und Dienstleistungen, die aufgrund ihrer besonderen Merkmale weder in den Verkehr gebracht noch in den Wirtschaftskreislauf einbezogen werden können (vgl. EuGH-Urteile Lange vom 02.08.1993 - C-111/92, EU:C:1993:345, Rz 12; Fischer vom 11.06.1998 - C-283/95, EU:C:1998:276, Rz 20 und 22).
d) Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt im Streitfall die Gewährung von Vorteilen gegen Bestechungsgelder ‑‑wie die Vorinstanz zutreffend entschieden hat‑‑ der Umsatzsteuer (ebenso vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13.01.1997 - V B 102/96; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 24.10.1996 - V 570/95, EFG 1997, 182; FG München, Beschluss vom 02.03.2012 - 8 V 2836/11, juris, Rz 29; Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 18.02.2022 - 4 V 148/20, EFG 2022, 619). Die Zahlung der Bestechungsgelder durch die Auftragnehmer an den Kläger stellen Entgelte für steuerpflichtige Leistungen des Klägers dar. Die Steuerbarkeit entfällt auch nicht wegen eines vollständigen Verkehrsverbots im Sinne des EuGH. Der Streitfall betrifft einen Wirtschaftssektor, der an sich rechtmäßig ist. Hinsichtlich der Auftragsvergabe besteht ein Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor (a.A. Erdbrügger in Wäger, UStG, 3. Aufl., § 1 Rz 71, Stichwort "Bestechungsgelder"). Die Auswahl des Unternehmens, das den Zuschlag für einen Auftrag erhält, kann auch auf legalem Weg erfolgen. Somit ist auch unionsrechtlich im Streitfall der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer zu beachten.
e) Der Senat weicht damit nicht vom Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12.01.2022 - 1 StR 436/21 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2022, 577) ab; denn dieses betrifft einen anderen Sachverhalt (Handel mit Abdeckrechnungen).
2. Die Feststellungen des FG tragen allerdings schon nicht dessen Entscheidung, dass für die vorgenannten Umsätze des Klägers im Streitjahr eine Steuer entstanden ist. Deshalb ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Vornahme weiterer Feststellungen an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
a) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (Sollbesteuerung) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind.
Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 63 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.
b) Zudem ordnet § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 UStG die Steuerentstehung mit Leistungsausführung auch für Teilleistungen an. Teilleistungen liegen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.
Dies beruht auf Art. 64 MwStSystRL; geben Lieferungen von Gegenständen, die nicht die Vermietung eines Gegenstands oder den Ratenverkauf eines Gegenstands im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL betreffen, und Dienstleistungen zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass, gelten sie jeweils als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen.
c) Das FG hat den Streitfall nicht unter Berücksichtigung dieser Maßgaben geprüft.
Im zweiten Rechtsgang wird es zu berücksichtigen haben, dass nach seinen bisherigen tatsächlichen Feststellungen der Kläger im Streitjahr nicht mehr bei der X-AG und der Y-GmbH, auf deren Vergabeprozesse er ausschließlich Einfluss genommen hat, beschäftigt war.
Allerdings hat der Kläger nach den Feststellungen der Steuerfahndung (vom FG in Bezug genommener Bericht vom 09.08.2019) noch im Streitjahr einen von einem Leistungsempfänger gestellten Pkw mit einem Vorteil von brutto 6.997 € genutzt. Das FG wird tatsächlich zu würdigen haben, ob sich dieser Vorteil auf dem Streitjahr vorangegangene Besteuerungszeiträume oder auf das Streitjahr bezieht (vgl. EuGH-Urteil baumgarten sports & more vom 29.11.2018 - C-548/17, EU:C:2018:970, Rz 31).
3. Soweit der Kläger Abschöpfungsbeträge an die Staatskasse gezahlt hat, mindern die eingezogenen Beträge die Steuerbemessungsgrundlage für seine Dienstleistungen (§ 10 Abs. 1 UStG). Der geschuldete Steuerbetrag ist in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen.
a) Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) und bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG).
aa) Entgelt war nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Zum Entgelt gehörte auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).
bb) § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG n.F. setzte im Streitjahr Art. 73 MwStSystRL in nationales Recht um; danach ist Besteuerungsgrundlage "… alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen …".
cc) Trotz der vorhandenen Formulierungsunterschiede führen die unter aa und bb genannten Regelungen nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (grundlegend Urteil vom 19.10.2001 - V R 48/00, BFHE 196, 376, BStBl II 2003, 210, unter II.3.c; vgl. auch BFH-Urteile vom 06.05.2010 - V R 15/09, BFHE 230, 252, BStBl II 2011, 142, Rz 11; vom 03.07.2014 - V R 1/14, BFHE 246, 562, BStBl II 2023, 89, Rz 22; vom 22.02.2017 - XI R 17/15, BFHE 257, 169, BStBl II 2017, 812, Rz 24 und 26; vom 10.06.2020 - XI R 25/18, BFHE 270, 181, Rz 29) zum selben Ergebnis: Eine Zahlung/Aufwendung war auch damals grundsätzlich (nur) dann Entgelt/Gegenleistung für eine bestimmte Leistung, wenn sie "für die Leistung" beziehungsweise "für diese Umsätze" gewährt wurde beziehungsweise der Leistende sie hierfür erhielt.
b) Unionsrechtlich ergibt sich aus Art. 78 MwStSystRL außerdem, dass in die Steuerbemessungsgrundlage Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst einzubeziehen sind (Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL). Sie müssen daher in richtlinienkonformer Auslegung in die Bemessungsgrundlage aufgenommen werden (vgl. Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 10 Rz 51; Stapperfend in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 167; Probst in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 10 Rz 80; Lippross, Umsatzsteuer, 25. Aufl., S. 923; BeckOK/Suabedissen, 42. Ed. 15.09.2024, UStG § 10 Rz 38; s.a. Abschn. 10.1 Abs. 6 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; kritisch Hidien, Umsatzsteuer-Rundschau 2020, 667).
Danach würden die Abschöpfungsbeträge, die der Kläger an die Staatskasse gezahlt hat, nicht die Bemessungsgrundlage vermindern.
c) Eine Verminderung der Bemessungsgrundlage ist gleichwohl unionsrechtlich und verfassungsrechtlich geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) verletzt wäre.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darf der Täter durch eine Vermögensabschöpfung und Besteuerung nicht doppelt belastet werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23.01.1990 - 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 14.05.2014 - X R 23/12, BFHE 245, 536, BStBl II 2014, 684, Rz 73). Zur Ertragsbesteuerung hat das BVerfG ausgeführt, dass mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit weder eine Regelung vereinbar ist, die dem Täter seinen Gewinn sowohl unter ordnungswidrigkeitsrechtlichen als auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten voll belässt, noch eine Regelung, welche die vollständige Abschöpfung nach ordnungswidrigkeitsrechtlichen Grundsätzen mit einer zusätzlichen steuerrechtlichen Belastung verbindet. Ist gemäß dem geltenden Recht der durch eine Ordnungswidrigkeit erlangte Gewinn nach einkommensteuerrechtlichen Regeln zu versteuern, so darf deshalb in den auf seine Abschöpfung gerichteten Teil des Bußgeldes nur der um den absehbaren Steueranteil verminderte Gewinnbetrag einbezogen werden. Umgekehrt darf die Absetzung der Geldbuße als Betriebsausgabe in Höhe des Abschöpfungsbetrags dann nicht ausgeschlossen werden, wenn deren Bemessung vom Bruttobetrag des erzielten Gewinns ausgeht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23.01.1990 - 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228, BStBl II 1990, 483, unter B.I.3.). Das BVerfG hat damit ausdrücklich nur die vollständige Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils, die mit einer zusätzlichen Steuerbelastung verbunden ist, als unvereinbar mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip bezeichnet (vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 23.03.2011 - X R 59/09, BFH/NV 2011, 2047, Rz 41; vom 22.05.2019 - XI R 40/17, BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 18). Nach der Rechtsprechung des BGH wird durch die Einziehung sowohl des Wertes der Bestechungsgelder als auch des Wertes der hierauf angefallenen Steuern dem Steuerpflichtigen im Ergebnis ein höherer Betrag entzogen, als ihm durch die Tat zugeflossen ist (vgl. z.B. BGH-Beschlüsse vom 05.09.2019 - 1 StR 99/19, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2019, 3798, Rz 8; vom 25.03.2021 - 1 StR 242/20, Zeitschrift für Wirtschaft- und Steuerstrafrecht ‑‑wistra‑‑ 2021, 366, Rz 10).
bb) Eine derartige Doppelbesteuerung verstieße ebenso gegen Unionsrecht.
(1) Die Mehrwertsteuer soll nur den Endverbraucher belasten und für die Steuerpflichtigen, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor dem Stadium der endgültigen Besteuerung tätig sind, unabhängig von der Zahl der Umsätze völlig neutral sein (vgl. EuGH-Urteile Lebara vom 03.05.2012 - C-520/10, EU:C:2012:264, Rz 25; Novo Nordisk vom 12.09.2024 - C-248/23, EU:C:2024:735, Rz 32). Art. 90 MwStSystRL ist in diesem Zusammenhang Ausdruck des fundamentalen unionsrechtlichen Grundsatzes, nach dem die tatsächlich erhaltene Gegenleistung als Bemessungsgrundlage dient und aus dem folgt, dass die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen Betrag erheben darf, der den dem Steuerpflichtigen gezahlten übersteigt (vgl. EuGH-Urteile Goldsmiths vom 03.07.1997 - C-330/95, EU:C:1997:339, Rz 15; A-PACK CZ vom 08.05.2019 - C-127/18, EU:C:2019:377, Rz 17; E. (Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage) vom 15.10.2020 - C-335/19, EU:C:2020:829, Rz 21).
(2) Würde die Bemessungsgrundlage nicht um erfolgreich vom Staat eingezogene Beträge gemindert, würde außerdem der Kläger als Unternehmer in seiner Eigenschaft als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates nicht vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten, die der Mehrwertsteuer unterliegen, geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet (vgl. zu diesem Erfordernis EuGH-Urteile Di Maura vom 23.11.2017 - C-246/16, EU:C:2017:887, Rz 23; Euler Hermes vom 09.02.2023 - C-482/21, EU:C:2023:83, Rz 35; E. (Verminderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage) vom 15.10.2020 - C-335/19, EU:C:2020:829, Rz 31).
(3) Außerdem steht nach der Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz der Steuerneutralität, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, einer Doppelbesteuerung der unternehmerischen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen entgegen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Bakcsi vom 08.03.2001 - C-415/98, EU:C:2001:136, Rz 46; Klub vom 22.03.2012 - C-153/11, EU:C:2012:163, Rz 42; NLB Leasing vom 02.07.2015 - C-209/14, EU:C:2015:440, Rz 40).
cc) Der nationale Gesetzgeber hat sich im Anschluss an das oben genannte Urteil des BVerfG im Bereich der Ertragsteuer für die sogenannte "steuerrechtliche Lösung" entschieden und mit dem Steueränderungsgesetz 1992 vom 25.02.1992 (BGBl I 1992, 297) § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes eingeführt. Danach gilt das grundsätzliche steuerrechtliche Betriebsausgabenabzugsverbot bei Geldbußen nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist und die angefallenen Einkommen- und Ertragsteuern dabei nicht berücksichtigt wurden (vgl. dazu z.B. auch BFH-Urteile vom 22.05.2019 - XI R 40/17, BFHE 265, 113, BStBl II 2019, 663, Rz 19; vom 07.12.2022 - I R 15/19, BFH/NV 2023, 803, Rz 19).
An diesen Grundsätzen hat der Gesetzgeber auch im Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl I 2017, 872) festgehalten: Doppelbelastungen sollen weiter dadurch vermieden werden, dass Zahlungen auf eine (Wertersatz-)Einziehungsanordnung wieder zum Beispiel als "Ausgaben" bei der Einkommensteuer abgesetzt werden können (vgl. BTDrucks 18/11640, S. 78). Hierdurch sollen die Strafgerichte von der regelmäßig aufwendigen Ermittlung der genauen steuerlichen Belastung entlastet werden (BTDrucks 18/11640, S. 79). Der Ausgleich findet damit erst im Rahmen der steuerlichen Veranlagung für den Veranlagungszeitraum statt, in dem die Einziehung (des Wertes) der Bestechungsgelder stattgefunden hat (vgl. BGH-Beschluss vom 05.09.2019 - 1 StR 99/19, NJW 2019, 3798, Rz 9).
d) Entsprechend dem vom Gesetzgeber gewählten und auch für die Zukunft weiterverfolgten "steuerrechtlichen" Lösungsweg muss auch umsatzsteuerrechtlich die Lösung steuerrechtlich durch eine Minderung der Bemessungsgrundlage entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG erfolgen. Dass der eingezogene Betrag im Rahmen der Einziehung nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird, steht unter Umständen wie denen des Streitfalls nicht entgegen.
aa) Nach § 73 StGB i.d.F. des Streitjahres 2015 (a.F.) ordnete das Gericht, wenn eine rechtswidrige Tat begangen worden ist und der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt hat, dessen Verfall an. Die Anordnung des Verfalls erstreckte sich auf die gezogenen Nutzungen (§ 73 Abs. 2 Satz 1 StGB a.F.). Seit 01.07.2017 ordnet nach § 73 Abs. 1 StGB das Gericht, wenn der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, dessen Einziehung an. Gleiches gilt für gezogene Nutzungen aus dem Erlangten (§ 73 Abs. 2 StGB). Art. 316h Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) sieht vor, dass die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl I 2017, 872) nicht in Verfahren anzuwenden sind, in denen bis zum 01.07.2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist. Wird jedoch, wie wohl im Streitfall am 09.06.2020, über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages wegen einer Tat, die vor dem 01.07.2017 begangen worden ist, nach diesem Zeitpunkt entschieden, ist nach § 316h Satz 1 EGStGB abweichend von § 2 Abs. 5 StGB unter anderem § 73 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl I 2017, 872) anzuwenden.
Ist die Einziehung eines Gegenstands wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich (oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstands nach § 73 Abs. 3 StGB oder nach § 73b Abs. 3 StGB abgesehen), so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c Satz 1 StGB).
bb) Als "durch die Tat Erlangtes" kommen vor allem Tatentgelte in Betracht (vgl. z.B. BGH-Urteil vom 22.10.2002 - 1 StR 169/02, Der Betrieb 2003, 336, zum Bestechungslohn; BGH-Beschluss vom 27.03.2012 - 2 StR 31/12, wistra 2012, 263, zur Entlohnung für Absatzhilfe; vgl. auch Eser/Schuster in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl., § 73 Rz 10).
cc) Ein nach §§ 73 bis 73b StGB eingezogener Gegenstand wird allerdings dem Verletzten beziehungsweise demjenigen, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder dessen Rechtsnachfolger zurückübertragen (§ 459h Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung ‑‑StPO‑‑). Hat das Gericht die Einziehung des Wertersatzes nach § 73c StGB angeordnet, wird der Erlös an den Verletzten beziehungsweise denjenigen, dem ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder an dessen Rechtsnachfolger ausgekehrt; § 111i StPO gilt entsprechend (§ 459 Abs. 2 StPO). Auch wenn dies in Fällen der Bestechlichkeit nicht der Empfänger der Leistung des Klägers sein dürfte, sondern vielleicht ein Dritter, der seinerseits an den Empfänger der Leistung des Klägers ein überhöhtes Entgelt für dessen Leistung gezahlt hat (vgl. zum Geschäftsherrn als Verletzten bei § 299 StGB: BGH-Beschluss vom 20.03.2014 - 3 StR 28/14, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2014, 397; Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.02.2021 - 8 AZR 171/19, Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht 2021, 1469, Rz 81 ff.), belegt dieser Umstand doch, dass die Art und Weise, in der im vorliegenden Fall die streitigen Zahlungen geleistet wurden, die Einstufung dieser Zahlungen als Minderung der Bemessungsgrundlage nicht in Frage stellen kann (vgl. auch EuGH-Urteil Novo Nordisk vom 12.09.2024 - C-248/23, EU:C:2024:735, Rz 46 ff.). Das andernfalls eintretende Ergebnis wäre in entsprechender Anwendung der Grundsätze des BVerfG gleichheitswidrig und verstieße außerdem gegen fundamentale Prinzipien des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Der eingezogene Betrag kommt insoweit dem Endverbraucher der Leistung des Klägers zugute, der die Kosten der Leistung des Klägers wirtschaftlich getragen hat.
e) Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht vom BFH-Beschluss vom 13.01.1997 - V B 102/96 ab. Ist ein Senat in einem früheren Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde von einer bestimmten Rechtsauffassung ausgegangen, kann ein anderer Senat davon in einem späteren Revisionsverfahren abweichen, weil in einem eine Nichtzulassungsbeschwerde betreffenden Verfahren nicht über die der Beschwerde zugrunde liegende materiell-rechtliche Rechtsfrage entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 08.08.2013 - V R 18/13, BFHE 242, 433, BStBl II 2017, 543, Rz 35, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich ‑‑wie im Streitfall‑‑ Gesetzgebung und Rechtsprechung seit der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde fortentwickelt haben und diese Entwicklung in der Beschwerdeentscheidung noch nicht berücksichtigt werden konnte.
f) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht angenommen, dass eingezogene Beträge die Bemessungsgrundlage nicht mindern können.
aa) Das FG hat zwar im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der Kläger die eingezogenen Beträge nicht an den Leistungsempfänger (im Streitfall die Auftragnehmer) geleistet, sondern an die Landesjustizkasse (und damit an einen Dritten) zurückgezahlt hat. Allerdings hat das FG zu Unrecht angenommen, dass der unionsrechtlich vorgegebene Korrekturmechanismus nur dann eingreife, wenn der Leistungsempfänger sein Entgelt wiedererlangt habe. Dies ist ‑‑wie dargelegt‑‑ nicht der Fall und ergibt sich im Übrigen bereits aus § 17 Abs. 1 Satz 3 ff. UStG.
bb) Erlangt wurden vom Kläger Zuwendungen in Geld für die Beauftragung eines bestimmten Ingenieurbüros. Die erlangten Beträge sind das "Entgelt" im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG für die steuerbare Leistung des Klägers. Entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG zur strafrechtlichen Abschöpfung von Tatentgelten im Ertragsteuerrecht und der Rechtsprechung des EuGH zu den Art. 73, 90 MwStSystRL ist im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 1 UStG die Bemessungsgrundlage um den erfolgreich eingezogenen Betrag zu reduzieren.
cc) Eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist (vgl. EuGH-Urteile Marks & Spencer vom 11.07.2002 - C-62/00, EU:C:2002:435, Rz 34; Fallimento Olimpiclub vom 03.09.2009 - C-2/08, EU:C:2009:506, Rz 24; Alstom Power Hydro vom 21.01.2010 - C-472/08, EU:C:2010:32, Rz 17 und ADV Allround vom 26.01.2012 - C-218/10, EU:C:2012:35, Rz 35; Surgicare vom 12.02.2015 - C-662/13, EU:C:2015:89, Rz 26; s.a. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Geissel und Butin vom 05.07.2017 - C-374/16 und C-375/16, EU:C:2017:515), bedarf es daher nicht.
g) Die Sache ist allerdings auch insoweit nicht spruchreif.
Ob die vom Kläger für das Streitjahr geltend gemachte Zahlung von 12.000 € (nach einem Aktenvermerk des FA möglicherweise am 10.11.2015 bar an den Gerichtsvollzieher) tatsächlich, wie vom Kläger behauptet, auf Beträge im Sinne des § 73 StGB erfolgt ist, die die Bemessungsgrundlage bereits im Streitjahr mindern könnten, hat das FG ‑‑ausgehend von seiner Rechtsauffassung konsequenterweise‑‑ nicht festgestellt. Dies muss es nachholen. Dass es sich um solche Beträge handelt, erscheint schon deshalb fraglich, weil die Verurteilung des Klägers wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr unter anderem erst am 09.06.2020 erfolgt ist. Zwar könnte die Zahlung im Jahr 2015 auf einer Maßnahme im Sinne des § 111b oder § 111e f. StPO beruhen. Gemäß § 73 StGB eingezogen wäre der Betrag damit aber noch nicht.
4. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 Satz 1, § 90 Abs. 2 FGO).
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.