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Beschluss vom 30. Januar 2025, V B 47/23

Zur Versicherungsteuerpflicht bei Betriebsstätten in Drittstaaten

ECLI:DE:BFH:2025:B.300125.VB47.23.0

BFH V. Senat

VersStG § 1 Abs 3 Nr 1, VersStG § 1 Abs 3 Nr 3, FGO § 115 Abs 2

vorgehend FG Köln, 15. Februar 2023, Az: 2 K 2773/19

Leitsätze

1. NV: Die Tatbestände, die nach § 1 Abs. 3 VersStG i.d.F. des Verkehrsteueränderungsgesetzes beim Bestehen eines Versicherungsverhältnisses mit einem Versicherer, der in einem Drittstaat niedergelassen ist, die Steuerpflicht begründen, stehen selbständig nebeneinander. Insbesondere lässt sich aus den in § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG genannten Bedingungen keine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG ableiten.

2. NV: Da § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG in Bezug auf den Versicherungsnehmer auf "seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Sitz" und damit im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG nicht "auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung" abstellt, kommt es nicht in Betracht, anstelle der in § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG genannten Tatbestandsmerkmale eine Betriebsstätte des Versicherungsnehmers als maßgeblich anzusehen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 15.02.2023 - 2 K 2773/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG mit Sitz und Hauptniederlassung im Inland, unterhielt Niederlassungen, die in Drittstaaten, d.h. in Staaten außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), belegen waren.

  2. Zum einen schlossen die in Drittstaaten belegenen Niederlassungen der Klägerin mit in Drittstaaten niedergelassenen Versicherern Versicherungsverträge ab, die ausschließlich Risiken der jeweiligen Niederlassung abdeckten. In den Versicherungsscheinen wurde jeweils die Firma der Klägerin mit einer Bezeichnung der Niederlassung unter der Adresse der jeweiligen Niederlassung als Vertragspartner des Versicherers aufgeführt. Die Niederlassungen zahlten im Januar 2012 und im Februar 2013 die jeweiligen Versicherungsprämien an die Versicherer.

  3. Zum anderen schloss die Klägerin mit Versicherungskonsortien, denen auch in einem Drittstaat ansässige Versicherer angehörten, Versicherungsverträge ab, mit denen sie Berufshaftpflichtrisiken für Mitarbeiter der in Drittstaaten belegenen Niederlassungen abdeckte. Im Februar 2012 und im Februar 2013 zahlte die Klägerin die jeweiligen Versicherungsprämien und belastete diese entsprechend einem Umlageschlüssel anteilig an die Niederlassungen weiter.

  4. Für beide Fallkonstellationen meldete die Klägerin in ihren Versicherungsteueranmeldungen für Januar 2012, Februar 2012 und Februar 2013 Versicherungsteuer an und legte hiergegen Einspruch ein.

  5. Einspruch und anschließende Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da die Versicherungsteuerpflicht maßgeblich von dem Sitz des Versicherungsnehmers im Inland abhänge und Versicherungsnehmer jeweils die Klägerin sei. Die Niederlassungen der Klägerin seien nicht die Vertragspartner der Versicherer, da sie nicht über die erforderliche zivilrechtliche Rechtsfähigkeit verfügten. Zudem seien die Niederlassungen schuldrechtlich nicht zur Zahlung des Versicherungsentgelts verpflichtet. In beiden Fallkonstellationen werde allein die Klägerin als Vertragspartner verpflichtet und durch die Zahlung der Versicherungsprämie von ihrer Zahlungspflicht befreit. Auf die Ansässigkeit der versicherten Personen komme es ebenso wenig an wie auf die Belegenheit des versicherten Risikos. Dies gelte auch im Hinblick auf den am 01.01.2013 in Kraft getretenen § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Versicherungsteuergesetzes i.d.F. des Verkehrsteueränderungsgesetzes vom 05.12.2012 (BGBl I 2012, 2431) ‑‑VersStG‑‑, da die dortige Anknüpfung der Versicherungsteuer an die Belegenheit des versicherten Risikos nur alternativ die Versicherungsteuerpflicht begründe, eine Versicherungsteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG aber nicht ausschließe.

  6. Die Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Revision ist nicht im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe ‑‑soweit sie überhaupt hinreichend im Sinne des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt wurden‑‑ zuzulassen.

  2. 1. Die Revision ist nicht wegen der von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) aufgeworfenen Fragestellungen zuzulassen.

  3. a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17.07.2024 - X B 79/23, BFH/NV 2024, 1144, Rz 6). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (BFH-Beschluss vom 02.08.2024 - IV B 1/24, BFH/NV 2024, 1179, Rz 4).

  4. Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO setzt als Spezialfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare, abstrakte Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 13.08.2024 - VIII B 59/23, BFH/NV 2024, 1327, Rz 12).

  5. b) Der von den Rechtsfragen, die die Klägerin formuliert hat, angesprochene § 1 Abs. 3 VersStG ordnet an:

    "Besteht das Versicherungsverhältnis mit einem Versicherer, der außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums niedergelassen ist, so entsteht die Steuerpflicht, wenn

    1.  der Versicherungsnehmer bei der Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder
    2.  ein Gegenstand versichert ist, der sich zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Geltungsbereich dieses Gesetzes befand, oder
    3.  sich dieses Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung im Geltungsbereich dieses Gesetzes unmittelbar oder mittelbar bezieht; dies ist insbesondere der Fall bei der Betriebsstättenhaftpflichtversicherung oder der Berufshaftpflichtversicherung für Angehörige des Unternehmens, der Betriebsstätte oder der sonstigen Einrichtung."
  6. c) Die (inländische) Versicherungsteuerpflicht knüpft danach an die Person des Versicherungsnehmers (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG) oder an die Belegenheit des versicherten Gegenstandes (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 VersStG) an (so schon BFH-Urteil vom 16.12.1964 - II 154/61 U, BFHE 81, 374, BStBl III 1965, 134, unter 1.). Abweichendes folgt nicht aus der Anfügung der Nr. 3 in § 1 Abs. 3 VersStG durch das Verkehrsteueränderungsgesetz, da mit dieser Vorschrift "das Grundprinzip der Besteuerung nach der Belegenheit des Risikos für Fälle mit Versicherern aus Drittstaaten ausdrücklich gesetzlich geregelt" wurde (BTDrucks 17/10039, S. 17).

  7. Aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG folgt keine Einschränkung der sich aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG ergebenden Steuerpflicht, für die es ausschließlich auf den Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt oder den Sitz des Versicherungsnehmers bei der Zahlung des Versicherungsentgelts ankommt. Insbesondere ist aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG nicht abzuleiten, dass die Anknüpfung an den ‑‑im Streitfall maßgeblichen‑‑ Sitz des Versicherungsnehmers in Drittstaatsfällen aufgegeben werden sollte. Wie sich bereits aus der doppelten Verwendung der Konjunktion "oder" ergibt, stehen die drei Tatbestände, die nach § 1 Abs. 3 VersStG beim Bestehen eines Versicherungsverhältnisses mit einem Versicherer, der in einem Drittstaat niedergelassen ist, die Steuerpflicht begründen, selbständig nebeneinander, ohne dass sich beispielsweise aus den in § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG genannten Bedingungen Einschränkungen für den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG ableiten lassen (so auch Franz in Franz, Versicherungsteuergesetz [VersStG 1996], § 1, Rz 1532 bis 1536; vgl. auch Schmidt in VersStG - eKomm, § 1 VersStG Rz 251, Stand: 18.11.2024). Daher führt § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG zu einer Erweiterung der Steuerpflicht, ohne dabei den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG einzuschränken.

  8. Stellt § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG in Bezug auf den Versicherungsnehmer auf "seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Sitz" und damit im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG nicht "auf ein Unternehmen, eine Betriebsstätte oder eine sonstige Einrichtung" ab, kommt es für § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG insbesondere nicht in Betracht, anstelle zum Beispiel des dort genannten Sitzes des Versicherungsnehmers dessen Betriebsstätten als maßgeblich anzusehen, zumal dem Steuerrecht auch ansonsten die Unterscheidung zwischen Sitz und Betriebsstätte zugrunde liegt (z.B. §§ 11 und 12 der Abgabenordnung sowie § 1 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes ‑‑KStG‑‑ und § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes). Im Übrigen wäre der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG ‑‑entgegen der gesetzgeberischen Entscheidung‑‑ eingeschränkt, falls auch bei dieser Vorschrift auf Betriebsstätten abzustellen wäre, da sich dann eine Versicherungsteuerpflicht bei Versicherungsverhältnissen mit Versicherern, die in Drittstaaten niedergelassen sind, allein aus § 1 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 3 VersStG ergäbe.

  9. d) Danach sind die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen weder klärungsbedürftig noch klärungsfähig.

  10. aa) Eine Antwort auf die Frage, ob "Versicherungsnehmer i.S.d. Versicherungsteuergesetzes nur sein [kann], wer nach deutschem Recht zivilrechtsfähig ist und schuldrechtlich zur Zahlung verpflichtet werden kann", erübrigt sich. Vorliegend geht es um den Steuertatbestand der "Zahlung des Versicherungsentgelts auf Grund eines durch Vertrag (…) entstandenen Versicherungsverhältnisses" (§ 1 Abs. 1 VersStG), da derartige Verträge unstreitig abgeschlossen wurden. Besteht danach gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG das Versicherungsverhältnis mit einem Versicherer, der außerhalb des Gebietes der Mitgliedstaaten der EU und des EWR niedergelassen ist, entsteht die Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG, wenn "der Versicherungsnehmer bei der Zahlung des Versicherungsentgelts (…) seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat". Die Frage nach der Zivilrechtsfähigkeit nach deutschem Recht stellt sich daher in einem solchen Fall von Gesetzes wegen bereits nicht. Ob ‑‑wie die Klägerin meint‑‑ das Versicherungsteuergesetz sich hierzu nicht verhalte und nur die Zahlung des Versicherungsentgelts der Versicherungsteuer unterliege, so dass der Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 VersStG weder an den Versicherungsnehmer noch an dessen begriffliche Voraussetzungen noch an dessen rechtliche Eigenschaften anknüpfe, ist danach ohne Bedeutung. Ebenso ist unerheblich, ob es lediglich darauf ankommt, dass ‑‑so die Klägerin‑‑ durch die Zahlung des Versicherungsentgelts die Schuld gegenüber dem Versicherer erlösche, nicht aber darauf, ob der Versicherungsnehmer rechtsfähig oder schuldrechtlich zur Zahlung verpflichtet sei.

  11. bb) Dasselbe gilt für die Fragen, ob "sich bei Versicherungsverträgen zwischen einem ausländischen Versicherer und einem ausländischen Vertragsschließenden die Verpflichtung, die Versicherungsprämien zu zahlen, nach deutschem oder dem jeweiligen ausländischen Recht [richtet]" und ob § 1 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 3 VersStG dahingehend auszulegen sind, dass es für die Bestimmung des Versicherungsnehmers nur darauf ankommt, wer in der Police als Versicherungsnehmer benannt ist, die Zahlung leistet und damit die Schuld aus dem Versicherungsverhältnis ausgleicht. In Bezug auf beide Fragestellungen ist bereits von einer Entstehung der Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG nach Maßgabe des Sitzes des Versicherungsnehmers auszugehen.

  12. cc) Dementsprechend stellt sich auch nicht die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob § 1 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Satz 3 VersStG dahingehend auszulegen sind, dass für die Bestimmung des Versicherungsnehmers bei Verträgen zwischen einer ausländischen Niederlassung/Betriebsstätte und einem Versicherer, der in einem Drittstaat ansässig ist, auf das Recht im Belegenheitsstaat der Niederlassung/Betriebsstätte abzustellen ist. Entsteht die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG bereits dann, wenn der Sitz des Versicherungsnehmers im Geltungsbereich des Versicherungsteuergesetzes liegt, kommt es auf Niederlassungen oder Betriebsstätten nicht an.

  13. dd) Demgemäß ist auch nicht klärbar, soweit die Klägerin zur zweiten Fallkonstellation die Rechtsfragen aufwirft, ob sich § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG ausschließlich auf Risiken inländischer Betriebsstätten bezieht und ob § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG eine Sperrwirkung gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG entfaltet. Entsteht die Steuerpflicht ohne Weiteres aus dem Gesetz gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG nach Maßgabe des Sitzes und unabhängig von § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG, ist unerheblich, ob ‑‑entsprechend der Auffassung der Klägerin zur zweiten Fallkonstellation‑‑ in Drittstaaten belegene Niederlassungen, die Versicherungen zur Abdeckung ihrer eigenen Risiken mit ebenfalls in Drittstaaten ansässigen Versicherern abschließen, als selbständige Versicherungsnehmer anzuerkennen sind. Gleiches gilt für die Ansicht der Klägerin, dass bei Versicherungsverträgen zwischen in Drittstaaten belegenen Niederlassungen und ebenfalls in Drittstaaten ansässigen Versicherern für Zwecke der Versicherungsteuer auf das jeweilige ausländische Recht abzustellen und das Versicherungsteuergesetz insbesondere im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Nr. 3 VersStG dahingehend fortzuentwickeln sei, dass es bei Drittstaatensachverhalten weder auf die hinter der Niederlassung stehende Person als Versicherungsnehmer noch auf die schuldrechtliche Rechtsfähigkeit der Niederlassung ankommt und demgemäß die Niederlassung versicherungsteuerrechtlich als selbständige Einheit zu betrachten ist.

  14. e) Soweit die Klägerin weiter vorbringt, der Rückgriff auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG verbiete sich wegen der europarechtlich und verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung, da inländische Versicherungsnehmer ohne sachlichen Grund ungleich behandelt würden, je nachdem, ob sie mit einem Versicherer, der im Inland oder in einem Staat der EU oder des EWR ansässig ist, oder mit einem Versicherer, der in einem Drittstaat ansässig ist, Versicherungsverträge schlössen, hat sie einen Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO nicht hinreichend im Sinne des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt (vgl. zu den Darlegungsanforderungen BFH-Beschluss vom 08.09.2020 - XI B 17/20, BFH/NV 2021, 185, Rz 9).

  15. Die Klägerin führt hierzu lediglich aus, der einzige Unterschied der Behandlung der Versicherungsnehmer in den beschriebenen Fallgruppen liege in dem Sitz des Versicherers, wofür ein sachlicher Grund nicht ersichtlich sei. Insbesondere entstehe bei Inlandssachverhalten die Steuerpflicht in Fällen der Versicherung fremder Risiken durch einen EU-/EWR-Versicherer nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG nur, wenn sich das versicherte Risiko im Geltungsbereich des Versicherungsteuergesetzes befinde.

  16. Die Klägerin setzt sich indes nicht damit auseinander, dass mit § 1 Abs. 2 VersStG der sachliche Umfang der Versicherungsteuerpflicht auch an unionsrechtliche Bestimmungen angepasst werden sollte (vgl. BFH-Urteile vom 11.12.2013 - II R 53/11, BFHE 244, 56, BStBl II 2014, 352, Rz 23 und vom 12.11.2020 - V R 41/18, BFHE 271, 470, Rz 26). Soll ‑‑nach Auffassung der Klägerin‑‑ die Versicherungsteuerpflicht in Drittstaatsfällen über den Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3 VersStG hinaus wie in EU-/EWR-Fällen durch Rechtsfortbildung eingeschränkt werden, verlangt dies demgemäß eine eingehendere Darlegung zur ‑‑nach Auffassung der Klägerin nicht gerechtfertigten‑‑ sachlichen (steuersubjektbezogenen) Unterscheidung zwischen EU-/EWR-Fällen einerseits und Drittstaatsfällen andererseits.

  17. 2. Die Revision ist auch nicht zuzulassen, soweit die Klägerin als Verfahrensfehler einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) rügt, da das FG nicht ermittelt habe, ob sich die Frage, wer Versicherungsnehmer ist, bei Drittstaatensachverhalten nach deutschem oder dem ausländischen Recht vor Ort richte, wenn auf beiden Seiten ausländische Vertragspartner stünden.

  18. a) Nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung gehört es zu den Aufgaben des FG als Tatsacheninstanz, das einschlägige ausländische Recht festzustellen. Fehler bei der Ermittlung dieses Rechts sind aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge zu prüfen, wenn das FG die Anwendbarkeit ausländischen Rechts erkannt, dieses aber fehlerhaft festgestellt hat. Demgegenüber liegt ein Verstoß gegen (materielles) Bundesrecht vor, wenn das FG eine Rechtsfrage, für die nicht revisibles Recht gilt, nach revisiblem Recht entschieden hat oder es umgekehrt einen Vertrag, auf den nicht revisibles Recht anzuwenden war, nach revisiblem Recht ausgelegt hat (BFH-Urteil vom 07.12.2017 - IV R 23/14, BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444, Rz 33 und 34). Ein Verfahrensfehler ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn es auf eine Ermittlung ausländischen Rechts nach der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG überhaupt ankommt (BFH-Beschluss vom 01.09.2003 - VII B 364/02, juris, Rz 9). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist auf den materiellen Rechtsstandpunkt des FG abzustellen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 20.09.2022 - VIII B 82/21, BFH/NV 2022, 1295, Rz 4).

  19. Zur Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht aufgrund einer unterlassenen Ermittlung (irrevisiblen) ausländischen Rechts bedarf es im Übrigen eines substantiierten Vortrags, welche Beweise das FG hätte erheben müssen und aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung ohne Antrag hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 09.11.2011 - V B 70/11, BFH/NV 2012, 256, Rz 9).

  20. b) Danach hat das FG im Streitfall ohne Verfahrensfehler entschieden. Nach seiner maßgeblichen Rechtsauffassung kam es auf Ermittlungen zu einem ausländischen Recht nicht an, da es zutreffend auf den nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG maßgeblichen Sitz abgestellt hat (FG-Urteil S. 23 ff.). Selbst wenn nach dem ausländischen Recht eine Betriebsstätte als Vertragspartner anzusehen wäre, käme es danach auf den Sitz des Vertragspartners und damit auf den Sitz desjenigen an, zu dem die Betriebsstätte gehört, da diese keinen Sitz im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG haben kann. Zudem genügt der Beschwerdevortrag nicht den vorstehend genannten Darlegungsanforderungen.

  21. 3. Von einer weitergehenden Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

  22. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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