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Beschluss vom 29. Januar 2025, IX B 93/24 (AdV)

Keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Virtuellen Automatensteuer

ECLI:DE:BFH:2025:BA.290125.IXB93.24.0

BFH IX. Senat

FGO § 69 Abs 2, FGO § 69 Abs 3, RennwLottG § 36, RennwLottG §§ 36ff, GG Art 3 Abs 1, GG Art 12 Abs 1, GG Art 14 Abs 1, AO § 40, UStG § 4 Nr 9 Buchst b, EGRL 112/2006 Art 135 Abs 1 Buchst i, EGRL 112/2006 Art 401, EURL 2015/1535 Art 1 Abs 1 Buchst e, EURL 2015/1535 Art 1 Abs 1 Buchst f, AEUV Art 107 Abs 1

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 02. Juli 2024, Az: 5 V 241/24

Leitsätze

NV: Die Besteuerung von Einsätzen aus einem virtuellen Automatenspiel gemäß §§ 36 ff. des Rennwett- und Lotteriegesetzes ist bei summarischer Beurteilung mit verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar (Anschluss an Senatsbeschluss vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV)).

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 02.07.2024 - 5 V 241/24 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz in A (Mitgliedstaat der Europäischen Union ‑‑EU‑‑). Sie bot in der Bundesrepublik Deutschland auf verschiedenen Internetplattformen ein virtuelles Automatenspiel an.

  2. Nach Maßgabe der §§ 36 ff. des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG) meldete die Antragstellerin für den Monat Juli 2021 eine Virtuelle Automatensteuer von … € an. Zugleich legte sie Einspruch ein und beantragte, die Steuer lediglich nach dem geringeren Bruttospielertrag zu bemessen. Die für das Einspruchsverfahren beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte der Antrags- und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ab und wies auch den hiergegen gerichteten Einspruch zurück.

  3. Mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss lehnte das Finanzgericht (FG) den gerichtlich gestellten Antrag auf AdV ab. Es erkannte keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angemeldeten Steuer.

  4. Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde, mit der die Antragstellerin verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel gegen die Virtuelle Automatensteuer geltend macht.

  5. Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

    den angefochtenen Beschluss vom 02.07.2024 aufzuheben und die als Steuerfestsetzung wirkende Anmeldung der Virtuellen Automatensteuer für den Monat Juli 2021 vom 13.08.2021 ab Fälligkeit bis zur Entscheidung über den gegen die Steueranmeldung erhobenen Einspruch von der Vollziehung auszusetzen.

  6. Das FA beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

  7. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist unbegründet.

  2. 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 FGO kann das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

  3. Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Ernstliche Zweifel können sich auch aus verfassungsrechtlichen Zweifeln hinsichtlich einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm oder aus einem möglichen Verstoß des Steuergesetzes gegen eine unionsrechtliche Bestimmung ergeben (zum Ganzen Senatsbeschluss vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), Rz 27, m.w.N.).

  4. 2. Nach diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifel an Grund und Höhe der von der Antragstellerin angemeldeten Virtuellen Automatensteuer.

  5. a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die einschlägigen einfachrechtlichen Vorschriften des Rennwett- und Lotteriegesetzes nicht vorliegen.

  6. Die Antragstellerin schuldet als Veranstalterin von virtuellem Automatenspiel nach § 39 i.V.m. § 36 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 RennwLottG die im Anmeldungszeitraum Juli 2021 entstandene Virtuelle Automatensteuer. Diese Steuer beträgt nach § 38 RennwLottG 5,3 % der aus dem geleisteten Spieleinsatz (= … €) abzüglich der Virtuellen Automatensteuer (= … €) bestehenden Bemessungsgrundlage (§ 37 Satz 1 RennwLottG).

  7. Hiergegen hat die Antragstellerin weder im vorinstanzlichen noch im Beschwerdeverfahren Einwendungen vorgebracht, sodass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.

  8. b) Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine ernstlichen verfassungsrechtlichen Zweifel an der Virtuellen Automatensteuer.

  9. aa) Der beschließende Senat hat mit ausführlicher Begründung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits dargelegt, dass die Virtuelle Automatensteuer im Vergleich zur Besteuerung der Umsätze aus dem terrestrischen Automatenspiel nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑) verletzt, da es sich nicht um gleichartige Dienstleistungen im Segment des Automatenspiels handelt, die folglich auch unterschiedlichen Besteuerungssystemen unterliegen dürfen (Senatsbeschluss vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), Rz 37 ff.).

  10. Zur Begründung hat der Senat insbesondere die Divergenzen bei den Spieleinsätzen, den Ausschüttungsquoten, den gewerberechtlichen Bestimmungen, den Kostenkalkulationen, den technischen Infrastrukturen, den zeitlichen und räumlichen Verfügbarkeiten für das jeweilige Spiel und die hiermit einhergehenden Unterschiede bei den Nutzerkreisen angeführt (Senatsbeschluss vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), Rz 40). Diese Begründung beruht im Kern auf den ‑‑zutreffenden‑‑ Erwägungen des Gesetzgebers zur Einführung einer Virtuellen Automatensteuer (BTDrucks 19/28400, S. 42 f.). Sie deckt sich zudem mit der einschlägigen umsatzsteuerrechtlichen Rechtsprechung (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26.09.2022 - XI B 9/22 (AdV), BFHE 276, 467, Rz 18 ff.; FG Münster, Beschluss vom 12.12.2023 - 5 V 1879/23 U, Entscheidungen der Finanzgerichte 2024, 417, Rz 34, m.w.N.).

  11. Dieser Sichtweise, an der der Senat festhält, ist auch das FG in der angefochtenen Entscheidung gefolgt. Es hat zu Recht hervorgehoben, dass sich gerade aus der ständigen und ortsungebundenen Verfügbarkeit des virtuellen Spiels besondere, die Spielsucht fördernde Umstände ergäben, die es rechtfertigten, jenes Spiel steuerrechtlich anders zu qualifizieren als das terrestrische Spiel. Das von der Antragstellerin hiergegen vorgebrachte Argument, beide Spielsysteme seien in funktionaler und optischer Hinsicht zunehmend konvergent, genügt nicht, um bei summarischer Beurteilung die gewichtige Vielzahl der gegen eine Gleichartigkeit sprechenden Erwägungen zu entkräften.

  12. bb) Die Ausführungen der Antragstellerin reichen auch nicht, um bei summarischer Würdigung eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes wegen einer auf einem strukturellen Vollzugsdefizit beruhenden Besteuerung (hierzu ausführlich BFH-Urteil vom 16.09.2021 - IV R 34/18, BFHE 274, 430, BStBl II 2022, 101, Rz 21 ff.) anzunehmen.

  13. aaa) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit, das heißt, Steuerpflichtige müssen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Zur Gleichheitswidrigkeit führt aber nicht ohne Weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, sondern nur das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts. Nicht jeder Vollzugsmangel genügt, um eine Abweichung von der erforderlichen Ausrichtung zu belegen. Nur wenn das Umsetzungsdefizit bereits in der Regelung angelegt ist oder wenn gehäufte oder gar systematische Verstöße nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, prägt dies die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf Defizite der normativen Sicherung schließen (zum Ganzen Senatsurteil vom 17.05.2021 - IX R 20/18, BFHE 274, 246, Rz 24, m.w.N.).

  14. bbb) Diese ‑‑hohen‑‑ Anforderungen an ein normativ bedingtes strukturelles Vollzugsdefizit werden unter Berücksichtigung eines summarischen Prüfungsmaßstabs für die Virtuelle Automatensteuer nicht erfüllt.

  15. So fehlt es trotz der von der Antragstellerin hervorgehobenen Anzahl von illegalen Anbietern eines virtuellen Automatenspiels an tragfähigen Erkenntnissen, dass die für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden illegale Anbieter duldeten oder nicht zur Besteuerung heranzögen.

  16. Ebenso wenig sind ‑‑wie der Senat bereits für die Sportwettensteuer erkannt hat (Senatsurteil vom 17.05.2021 - IX R 20/18, BFHE 274, 246, Rz 26)‑‑ in den einschlägigen Bestimmungen des Rennwett- und Lotteriegesetzes Umgehungsmöglichkeiten angelegt, die auf ein normatives Regelungsdefizit schließen lassen. Der Gesetzgeber hat sowohl für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen als auch für die Durchsetzung des Steueranspruchs umfangreiche ineinandergreifende Maßnahmen vorgesehen. Schuldner der Virtuellen Automatensteuer ist der Veranstalter (§ 39 RennwLottG). Hierdurch wird sichergestellt, dass die Steuer an der Quelle, das heißt, beim Spiel und vom Spieleinsatz, der an den Veranstalter gezahlt wird, erhoben wird. Der Veranstalter hat als Steuerschuldner, soweit er seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Ort der Geschäftsleitung oder seinen Sitz nicht in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, einen steuerlichen Beauftragten im Inland zu benennen (§ 42 Abs. 1 RennwLottG). Der Veranstalter oder sein steuerlich Beauftragter sind verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung umfassende Aufzeichnungen zu führen, nämlich Name und Anschrift des Spielers, den geleisteten Spieleinsatz, den Zeitpunkt der Leistung des Spieleinsatzes, die Höhe der Steuer sowie die Zugangsmöglichkeiten (Internetadresse) für eine Teilnahme am virtuellen Automatenspiel (§ 43 RennwLottG). Ferner haben der Veranstalter oder sein steuerlicher Beauftragter Anzeigepflichten zu erfüllen (§ 35 der Rennwett- und Lotteriegesetz-Durchführungsverordnung). Zudem ist die für die Glücksspielaufsicht zuständige Behörde nach § 62 RennwLottG verpflichtet, der Finanzbehörde diejenigen Erkenntnisse mitzuteilen, die der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dienen. Damit sind die Regelungen zur Virtuellen Automatensteuer in ein normatives Umfeld eingebettet, das die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolgs prinzipiell gewährleistet.

  17. All diese Grundsätze gelten auch für nicht im Inland ansässige Anbieter (vgl. zur Sportwettensteuer Senatsurteil vom 17.05.2021 - IX R 20/18, BFHE 274, 246, Rz 27, m.w.N.). Dass ‑‑wie die Antragstellerin anführt‑‑ gerade eine Vielzahl von im Ausland ansässigen Unternehmen ein virtuelles Automatenspiel illegal anbieten sollen, rechtfertigt nicht die Annahme eines strukturellen Vollzugsdefizits. Denn die Regelungen im Rennwett- und Lotteriegesetz sind in Anlehnung an § 40 der Abgabenordnung so gefasst, dass sie die steuerliche Bemessungsgrundlage für ein virtuelles Automatenspiel auch dann erfassen, wenn dieses ohne die erforderliche Erlaubnis veranstaltet wird oder gar nicht erlaubnisfähig ist (BTDrucks 19/28400, S. 43; vgl. zudem Trossen, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2023, 496, 497). Der Sitz des Unternehmens ist hierbei unerheblich. Ein Deklarationsdefizit illegaler Anbieter ist jedenfalls nicht in den materiellen Steuernormen des Rennwett- und Lotteriegesetzes angelegt.

  18. cc) Verfassungsrechtliche Zweifel an der Virtuellen Automatensteuer ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

  19. Das FG hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass der durch die Erhebung der Virtuellen Automatensteuer zu verzeichnende Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts durch die Regelungen der §§ 36 ff. RennwLottG gerechtfertigt sei (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Es hat ausgeführt, dass die mit der Steuererhebung verfolgten Ziele gewichtige Gründe des Gemeinwohls darstellten und die Steuer von 5,3 % auf die Spieleinsätze unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Prognosevorrangs des Gesetzgebers geeignet, erforderlich und auch angemessen sei, die Ziele zu erreichen. An den Erwägungen der Vorinstanz ist nichts zu erinnern. Sie entsprechen im Wesentlichen der Begründung des Senatsbeschlusses vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), Rz 42 ff., auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

  20. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine erdrosselnde ‑‑unverhältnismäßige‑‑ Wirkung der Virtuellen Automatensteuer hat die Antragstellerin nicht vorgebracht. Sie hat insbesondere nicht dargelegt und erst recht nicht glaubhaft gemacht, dass die Steuerbelastung allein ausschlaggebender Grund für die von ihr behauptete Einstellung des virtuellen Automatenspielbetriebs gewesen sei. Ihr weiterer Einwand, eine Umwälzung der Steuerlast auf die Spieler durch Absenkung der Gewinnquoten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), Rz 33 ff.) funktioniere wirtschaftlich nur in einem vollregulierten (legalem) Markt, unterstellt zu Unrecht, dass der Staat die Erhebung einer Steuer in Frage stellen müsste, wenn die jeweilige Tätigkeit auch von illegal agierenden Wettbewerbern betrieben würde.

  21. dd) Aus den grundsätzlich selben Erwägungen bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass die Virtuelle Automatensteuer das Eigentumsgrundrecht der Antragstellerin (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Nähere Ausführungen, die dies in Frage stellten, enthält die Beschwerde nicht.

  22. c) Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, aus Gründen des Unionsrechts ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Virtuellen Automatensteuer zu begründen.

  23. aa) Dies gilt zunächst für den Einwand der Antragstellerin, jene Steuer verstoße gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es verbietet, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (zuletzt Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Chaudfontaine Loisirs vom 12.09.2024 - C-73/23, EU:C:2024:734, Rz 29, m.w.N.).

  24. Auf diesen ‑‑für Umsätze aus Glücksspielen mit Geldeinsätzen in Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie ‑‑MwStSystRL‑‑) normierten‑‑ Grundsatz kann sich die Antragstellerin nicht berufen. Sie trifft aufgrund der für Umsätze aus virtuellem Automatenspiel geltenden Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes insoweit keine steuerliche Last. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gilt nur für die Umsatzsteuer und enthält keine Ausschlussregelung, wonach ein Glücksspielumsatz nicht mit anderen Abgaben belegt werden kann (vgl. insoweit zur Sportwettensteuer Senatsurteil vom 17.05.2021 - IX R 20/18, BFHE 274, 246, Rz 32, m.w.N.). Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass erst durch die Erhebung der Virtuellen Automatensteuer nach §§ 36 ff. RennwLottG die Umsatzsteuerbefreiung für die nämlichen Umsätze begründet wird.

  25. bb) Auch im Übrigen zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Virtuellen Automatensteuer mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bestehen könnten.

  26. Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht aus Art. 401 MwStSystRL. Hiernach hindert die Mehrwertsteuersystemrichtlinie unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.

  27. Für die Sportwettensteuer gemäß §§ 16 ff. RennwLottG hat der Senat deren Konformität mit Art. 401 MwStSystRL bereits mehrfach bestätigt (Senatsurteile vom 26.05.2020 - IX R 6/19, BFHE 269, 370, BStBl II 2021, 179, Rz 34 sowie vom 17.05.2021 - IX R 20/18, BFHE 274, 246, Rz 32, jeweils m.w.N.). Bei summarischer Würdigung gilt für die hiermit strukturell vergleichbare Virtuelle Automatensteuer nichts anderes.

  28. cc) Zweifel an der Anwendung der §§ 36 ff. RennwLottG ergeben sich auch nicht aus dem von der Antragstellerin angeführten Verstoß gegen die unionsrechtliche Notifizierungspflicht aus der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.09.2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Amtsblatt der Europäischen Union 2015, Nr. L 241/1) ‑‑Richtlinie (EU) 2015/1535‑‑.

  29. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Besteuerungsnormen des Rennwett- und Lotteriegesetzes weder "technische Vorschriften" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie (EU) 2015/1535 noch "Vorschrift(en) betreffend Dienste" gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. e, Buchst. f der Richtlinie (EU) 2015/1535 sind und daher keiner Notifizierungspflicht unterliegen (vgl. Senatsentscheidungen vom 17.05.2021 - IX R 20/18, BFHE 274, 246, Rz 43, 46 ff. sowie vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), Rz 51 ff.). Mit den Erwägungen dieser Entscheidungen, die auch von der Vorinstanz getragen werden, hat sich die Antragstellerin nicht auseinandergesetzt.

  30. dd) Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass in der divergierenden Besteuerung von Umsätzen aus dem virtuellen und aus dem terrestrischen Automatenspiel eine unzulässige staatliche oder eine aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union liegen könnte, hat die Antragstellerin nicht vorgebracht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auch insoweit auf seine Entscheidung vom 14.02.2023 - IX B 42/22 (AdV), dort Rz 55 ff.

  31. 3. Eine AdV kommt schließlich nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO wegen einer unbilligen Härte in Betracht. Die Antragstellerin hat hierzu nichts vorgetragen.

  32. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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