ECLI:DE:BFH:2024:U.250924.IIR49.22.0
BFH II. Senat
BewG § 9, BewG § 11 Abs 2 S 2, BewG § 11 Abs 2 S 3, FGO § 118 Abs 2
vorgehend FG Düsseldorf, 02. November 2022, Az: 4 K 1832/20 F
Leitsätze
1. Der gemeine Wert eines nicht börsennotierten Anteils an einer Kapitalgesellschaft lässt sich nur dann nach § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ableiten, wenn die Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt, der die marktwirtschaftlichen Grundsätze von Angebot und Nachfrage vollzieht. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
2. Ein über die Jahre gleichbleibender pauschaler Holdingabschlag ist bei der Ableitung des gemeinen Werts eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen, wenn er nicht auf der konkreten Beschaffenheit des Wirtschaftsguts beruht und nicht auszuschließen ist, dass mit diesem auch persönliche Verfügungsbeschränkungen des Anteilsinhabers abgegolten werden sollen.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 02.11.2022 - 4 K 1832/20 F aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH mit einem Stammkapital von … €. Sie war im Streitjahr 2009 als Holdinggesellschaft an mehr als … Gesellschaften im In- und Ausland beteiligt. Gesellschafter der Klägerin waren im Jahr 2009 etwa … natürliche Personen, die überwiegend Abkömmlinge der Firmengründer in der neunten Generation waren. Diese Personen waren teilweise über Holdinggesellschaften mittelbar an der Klägerin beteiligt.
Gesellschafter der Klägerin war unter anderem L mit einem Geschäftsanteil von … €. L verstarb am …2020 und wurde von den Beigeladenen zu 1. bis 4. beerbt.
§ 4 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin in der Fassung vom …2008 sah unter anderem vor, dass Verfügungen über Gesellschaftsanteile an der Klägerin nur nach vorheriger Zustimmung eines dafür beauftragten Gesellschafters erfolgen konnten. Die Zustimmung durfte nur erteilt werden, wenn die Anteile an bestimmte Personen, insbesondere Abkömmlinge der Firmengründer, deren Ehegatten, den Abkömmlingen gleichgestellte Personen sowie bestimmten Gesellschaften und Stiftungen übertragen werden sollten. Die Veräußerung an sonstige Erwerber setzte außerdem voraus, dass sämtliche Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat nach vorheriger Beratung im Beirat die Verfügung im besonderen Einzelfall befürworteten. Der Kreis der danach zulässigen Erwerber von Geschäftsanteilen umfasste im Jahr 2009 mehr als … Personen.
Ziff. II. Nr. 1. und 2. der von der Gesellschafterversammlung im … 2000 beschlossenen Richtlinie für die Wahrnehmung der Aufgaben des beauftragten Gesellschafters bei Verfügungen über Geschäftsanteile (Richtlinie) sah für eine Zustimmung zum Verkauf vor, dass ein verkaufswilliger Gesellschafter, der keinen Käufer benennt, die Anteile dem Verwaltungsbüro zur Vermittlung des Verkaufs anbietet. Das Büro bot die Anteile seinerseits in der Reihenfolge des Verwandtschaftsgrades gemäß § 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuchs innerhalb des Familienstammes des verkaufswilligen Gesellschafters denjenigen Verwandten an, die ihrerseits Abkömmlinge waren, und zwar den Verwandten desselben Verwandtschaftsgrades jeweils unter sich zu gleichen Teilen. Anteile, die nicht auf diese Weise bei den Verwandten des nächsten Verwandtschaftsgrades platziert werden konnten, wurden in entsprechender Weise den Verwandten des nächst ferneren Verwandtschaftsgrades angeboten.
Nach Ziff. VI. der Richtlinie war für Verkäufe von Geschäftsanteilen grundsätzlich der von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte gemeine Wert im Sinne des § 11 des Bewertungsgesetzes (BewG) maßgebend. Dieser wurde dergestalt ermittelt, dass für Beteiligungen der Klägerin an börsennotierten Kapitalgesellschaften der Durchschnittskurs der letzten drei Monate zugrunde gelegt wurde. Der Wert für Beteiligungen der Klägerin an nicht börsennotierten Gesellschaften wurde auf der Grundlage der voraussichtlichen Umsätze oder Erträge unter Anwendung eines Vervielfältigers ermittelt. Dieser Vervielfältiger wurde aus dem Börsenwert von Wettbewerbern in der jeweiligen Branche und den Umsätzen oder Erträgen, die dem jeweiligen Börsenwert zugrunde lagen, abgeleitet. Von der Summe der Werte sämtlicher Beteiligungen, die zusammen mit der Nettofinanzposition der Klägerin den "Net Asset Value" bildete, wurde ein Marktwertabschlag von 20 % vorgenommen. Hiermit sollten Wertminderungen berücksichtigt werden, die sich unter anderem aus Holdingkosten, nicht in der Nettofinanzverschuldung enthaltenen finanziellen Verpflichtungen, einer geringeren Handelbarkeit der Anteile an der Holdinggesellschaft sowie einer eingeschränkten Flexibilität der Gesellschafter durch das vorgegebene Beteiligungsportfolio ergaben. Gemäß der Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers vom 09.04.2009 gegenüber der Klägerin sei ein Abschlag ("Holding Discount") von 20 % im aktuellen Kapitalmarktumfeld angemessen, da der Holdingabschlag vergleichbarer Gesellschaften in den letzten drei Jahren durchschnittlich zwischen 20 % und 30 % betragen habe. Empirische Untersuchungen bei vergleichbaren, börsennotierten Holdinggesellschaften mit Einfluss ausübenden Familiengesellschaftern hätten ergeben, dass der Börsenwert dieser Gesellschaften regelmäßig unter dem "Net Asset Value" liege.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.11.2009 trat L Teilgeschäftsanteile von jeweils … € unentgeltlich an seine drei Kinder, die Beigeladenen zu 1. bis 3., ab. Der beauftragte Gesellschafter stimmte noch am selben Tag den Abtretungen der Teilgeschäftsanteile zu.
Auf Aufforderung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gab die Klägerin am 14.04.2011 eine Feststellungserklärung ab, in der sie den gemeinen Wert der von L abgetretenen Teilgeschäftsanteile mit jeweils … € (408 %) angab. Diesen Wert hatte sie auf der Grundlage von 63 Verkäufen von Geschäftsanteilen in dem Zeitraum vom 05.12.2008 bis zum 27.11.2009 ermittelt. Die Verkäufe erfolgten ganz überwiegend zwischen Personen, die entfernter als bis zum dritten Grad miteinander verwandt oder verschwägert waren. Die den Kaufpreisen zugrunde liegenden Anteilswerte hatte die Zentralabteilung Steuern der Klägerin nach dem von ihr angewandten "Net Asset Value"-Verfahren unter Berücksichtigung eines Marktwertabschlags von 20 % ermittelt. In 27 Fällen wurden die von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelten und den Vertragsparteien mitgeteilten Kaufpreise unter- oder überschritten. In sämtlichen Fällen wurden Kaufpreise von 260 % bis 408 % des Nennwerts der Geschäftsanteile vereinbart und gezahlt.
Das FA stellte den Wert der von L abgetretenen Geschäftsanteile mit Bescheid vom 06.12.2013 auf den 30.11.2009 mit jeweils … € gesondert fest. Zur Begründung führte es aus, dass der Ermittlung des Werts der Anteile durch die Klägerin mit dem "Net Asset Value" grundsätzlich gefolgt werden könne. Ein Holdingabschlag von 20 % könne jedoch nicht anerkannt werden, so dass die Anteile mit 510 % ihres Nennwerts anzusetzen seien.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit Entscheidung vom 30.06.2020 als unbegründet zurück und führte aus, die der Wertermittlung der Klägerin zugrunde liegenden Verkäufe hätten nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten stattgefunden. Familienangehörige seien keine fremden Dritten. Der Kaufpreis für die Geschäftsanteile sei nicht am freien Markt gebildet, sondern von der Klägerin ermittelt und den Verkäufern und Käufern bindend vorgegeben worden. Da somit eine Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen ausscheide, dürfe der als "Net Asset Value" bezeichnete Wert, der den Substanzwert der Klägerin darstelle, nicht unterschritten werden.
Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 179 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA einen Verfahrensverstoß und die Verletzung des § 9 Abs. 2 und 3 BewG sowie des § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 BewG.
Das FG habe es versäumt, die Gründe aufzuklären, aus denen in 27 Fällen die von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelten Kaufpreise unter- oder überschritten worden seien.
Die für die Bewertung der Anteile an der Klägerin herangezogenen Preise seien nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen. Da die Anteile nur an Abkömmlinge und ausnahmsweise an besondere sonstige Erwerber hätten veräußert werden können, habe es faktisch kein Angebot auf dem freien Markt gegeben. Die Preise hätten sich nicht durch Angebot und Nachfrage bilden können und seien nicht frei ausgehandelt worden.
Zur Auslegung des Merkmals "unter fremden Dritten" sei auf den Begriff der "nahestehenden Person" und die Grundsätze des Fremdvergleichs zurückzugreifen. Maßgebend sei, ob unter Berücksichtigung der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis angenommen werden könne. Ein solches Näheverhältnis sei im Streitfall schon wegen der Zugehörigkeit zum Familienkonzern der Klägerin gegeben. Die Bewertungsrichtlinien der Klägerin hielten einem Fremdvergleich nicht stand, denn sie könnten zu unterhalb des Substanzwerts liegenden Kaufpreisen führen. Die Klägerin habe die Berechnung des Marktwertabschlags nicht substantiiert dargelegt. Für Holdinggesellschaften, die nicht börsennotiert seien, gebe es einen solchen Abschlag nicht. Der Substanzwert bilde auch bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen die Untergrenze.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Dem FG sei darin zu folgen, dass der Wert der Anteile aus den berücksichtigten Verkäufen habe abgeleitet werden dürfen. Die Kaufpreise seien im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen, denn sie seien unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehörten, gebildet worden. Auch der Marktwertabschlag sei betriebswirtschaftlich begründet. Dass börsennotierte Holdinggesellschaften einen geringeren Kurswert aufwiesen als die Summe ihrer Beteiligungen, sei durch eine Vielzahl von Beispielen belegt. Ein weiterer Beleg sei der Indexfonds "LPX Europe NAV P/D"; der Index bilde die Zu- und Abschläge auf den "Net Asset Value" von "Private Equity"-Unternehmen ab. Diese Abschläge hätten in den Jahren 2009 und 2010 zwischen 20 % und 70 % geschwankt. Der von der Klägerin vorgenommene Abschlag von 20 % liege am unteren Ende dieser Bandbreite. Die Gründe für einen Holdingabschlag würden auch für nicht-börsennotierte Gesellschaften gelten. Die gesellschaftsvertraglichen Verfügungsbeschränkungen hätten bei der Bestimmung der Kaufpreise keine Rolle gespielt. Seit über 20 Jahren finde eine monatliche Bewertung der Holdinggesellschaft statt, die den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt werde. Auf deren Grundlage hätten Käufer und Verkäufer von Anteilen am Marktgeschehen teilnehmen können. Die Vielzahl der Verkäufe belege, dass ein Markt vorhanden gewesen sei. Käufer und Verkäufer seien frei gewesen, Geschäfte abzuschließen oder darauf zu verzichten. Auch habe eine Bindung an die von der Klägerin ermittelten Werte nicht bestanden. Dies ließen bereits die 27 Fälle erkennen, in denen die Kaufpreise von jenen Werten abwichen.
Auch hinsichtlich der Auslegung des Merkmals "unter fremden Dritten" sei dem FG zu folgen. Entgegen der Auffassung des FA hätten die Verkäufe nicht zwischen nahestehenden Personen stattgefunden. Der für ein Nahestehen erforderliche Gleichklang wirtschaftlicher Interessen könne nicht schon aus der "Zugehörigkeit zum Familienkonzern" der Klägerin abgeleitet werden. Bei Verkäufen zwischen Personen im dritten bis neunten Verwandtschaftsgrad oder beim Rückkauf von Anteilen durch die Klägerin lägen keine Gründe vor, einen vom Marktwert abweichenden Kaufpreis zu vereinbaren.
Zutreffend habe das FG schließlich entschieden, dass bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen der Substanzwert nicht die Untergrenze bilde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Zutreffend ist das FG zwar davon ausgegangen, dass der Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die Untergrenze bildet. Es hat jedoch die Voraussetzungen für die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG unzutreffend bejaht. Der angefochtene Feststellungsbescheid vom 06.12.2013 ist rechtmäßig.
1. Nach § 12 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sind Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festgestellten Wert anzusetzen. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG ist der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 11 Abs. 2 BewG gesondert festzustellen (§ 179 der Abgabenordnung), wenn die Werte für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer von Bedeutung sind. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 2 BewG trifft das für die Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zuständige Finanzamt die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung und damit über die Feststellung dem Grunde nach (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 26.07.2023 - II R 35/21, BFHE 281, 131, BStBl II 2024, 118, Rz 15, m.w.N.).
a) Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, die ‑‑wie hier‑‑ nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen, da sie am Stichtag nicht an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so erfolgt die Bewertung der Anteile nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft nicht unterschritten werden; die §§ 99 und 103 BewG sind anzuwenden.
b) Maßgebend für die Ableitung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG ist der Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) tatsächlich erzielt wurde (BFH-Urteil vom 22.01.2009 - II R 43/07, BFHE 224, 272, BStBl II 2009, 444, unter II.1.a, m.w.N.). Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2020 - II R 7/18, BFHE 271, 190, BStBl II 2021, 665, Rz 28, m.w.N.). Entscheidend für einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist, dass die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten eine nach ausschließlich marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Verhandlung und Preisbildung zulassen und diese nicht beeinträchtigen (Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz 106).
aa) Ob die Parteien einen Preis vereinbart haben, der demjenigen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht, ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe zu entscheiden, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören. Bei der Ableitung des gemeinen Werts sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG). Auszuklammern sind dabei solche preisbildenden Faktoren, die mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun haben (BFH-Urteil vom 14.07.2009 - IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397, unter II.1.a, m.w.N.). Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind außer Acht zu lassen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG).
bb) Eine Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kann unter Umständen auch dann anzunehmen sein, wenn einzelne Merkmale eines freien Marktes nicht in vollem Umfang vorliegen. Es ist also nicht erforderlich, dass es sich um einen vollkommenen Markt handelt (Daragan in Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG, BewG, 4. Aufl., § 9 BewG Rz 27; Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz 108). Von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist erst dann nicht mehr auszugehen, wenn die Beschränkungen ihrem Gesamtbild nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen unter Heranziehung der Verkehrsauffassung nicht mehr entsprechen und eine marktwirtschaftliche Preisbildung erheblich beeinträchtigt haben (Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz 106).
cc) Ob sich eine Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vollzogen hat, gehört zur tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts durch das FG, an die der BFH wie an die ebenfalls festgestellten Anknüpfungstatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Die vom FG aus den festgestellten Tatsachen gezogenen Schlüsse müssen dabei nicht zwingend, sondern nur möglich sein. Sie dürfen allerdings keine inneren Widersprüche aufweisen, lückenhaft oder unklar sein oder gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstoßen (BFH-Urteil vom 16.09.2015 - X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40, m.w.N.).
2. Zwar ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die Untergrenze bildet (vgl. BFH-Urteil vom 25.09.2024 - II R 15/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), es hat jedoch die Voraussetzungen für die Ableitung des gemeinen Werts aus den 63 Verkäufen von Geschäfts-anteilen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG unzutreffend bejaht.
a) Das FG hat angenommen, dass die in Bezug genommenen 63 Verkaufsfälle im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sind. Der aus den Verkäufen von Geschäftsanteilen in dem Zeitraum vom 05.12.2008 bis zum 27.11.2009 unter Abzug eines Marktwertabschlags von 20 % abgeleitete Wert der den Beigeladenen zu 1. bis 3. zugewendeten Geschäftsanteile entspreche dem gemeinen Wert der Anteile im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Zudem habe der Wirtschaftsprüfer der Klägerin unwidersprochen ausgeführt, dass für die Kaufpreisermittlung im aktuellen Kapitalmarktumfeld ein Abschlag ("Holding Discount") von 20 % angemessen sei, weil der Holdingabschlag vergleichbarer Gesellschaften in den letzten drei Jahren durchschnittlich zwischen 20 % und 30 % betragen habe. Empirische Untersuchungen bei vergleichbaren, börsennotierten Holdinggesellschaften mit Einfluss ausübenden Familiengesellschaftern hätten ergeben, dass der Börsenwert dieser Gesellschaften regelmäßig unter dem "Net Asset Value" liege. Die Gesellschafter und die Käufer hätten die von der Zentralabteilung Steuern ermittelten Werte ohne Zwang und freiwillig annehmen oder ablehnen können. Die Klägerin habe die Verkaufspreise nach den Richtlinien nicht verbindlich vorgegeben. Dies ergebe sich schon aus der Regelung unter Ziff. VI. der Richtlinien, nach der für Verkäufe von Geschäftsanteilen "grundsätzlich" der von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte gemeine Wert im Sinne des § 11 BewG maßgebend sein sollte. Die Gesellschafter der Klägerin seien mithin frei gewesen, von diesem lediglich "grundsätzlich" maßgebenden Wert abzuweichen. Aus der von der Klägerin mit ihrer Klagebegründung übersandten Anlage 2 ergebe sich zudem, dass ihre Gesellschafter in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich von den von der Zentralabteilung Steuern ermittelten Werten abgewichen seien.
b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, da die Feststellungen des FG seine Schlussfolgerung nicht tragen und das FG nicht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat, die gegen eine Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sprechen.
aa) Das FG hat bei seiner Würdigung der Umstände des Einzelfalls außer Betracht gelassen, dass nach Ziff. II der Richtlinie bei der Veräußerung der Anteile in der Regel ‑‑wie die Klägerin in der Klagebegründung erstinstanzlich vorgetragen hat‑‑ eine bestimmte Reihenfolge bei den Personen einzuhalten war, denen die Anteile zum Kauf angeboten wurden. Aufgrund der vorgegebenen Reihenfolge konnte sich ein frei ausgehandelter Preis, der auf Angebot und Nachfrage beruhte, nicht ohne Weiteres bilden. Dieses Vorgehen schließt es aus, dass sich bei mehreren Interessenten der Preis aufgrund der dann höheren Nachfrage erhöht und sich damit ein Preis in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bildet.
bb) Darüber hinaus ist die tatsächliche Würdigung des FG widersprüchlich. Es hat aus der Formulierung, dass den Verkäufen "grundsätzlich" der von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelte Wert zugrunde zu legen ist, geschlossen, dass die verkaufswilligen Gesellschafter frei waren, hiervon abzuweichen. Wären die Gesellschafter bei der Preisbildung jedoch völlig frei gewesen, hätte es einer solchen Regelung in der Richtlinie, die nach der Satzung die Regeln für eine Zustimmung zum Verkauf bildete, nicht bedurft. Es lag in der Hand des beauftragten Gesellschafters, bei einer preislichen Abweichung von dem von der Zentralabteilung Steuern ermittelten Wert eine Ausnahme zuzulassen und die Zustimmung zu erteilen. Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr von Anteilen an Personengesellschaften zwischen fremden Dritten existieren solche Preisbeschränkungen hingegen nicht.
cc) Für eine grundsätzliche Beschränkung und gegen eine freie Preisbildung bei den in Bezug genommenen Verkaufsfällen spricht zudem, dass die Verkaufspreise innerhalb eines bestimmten Zeitraums, wie sich aus der Anlage 2 der Klagebegründung ergibt, tatsächlich stets dieselben waren. Auch dies hat das FG bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt. Soweit das FG darauf abstellt, dass in 27 Verkaufsfällen von dem Wert der Zentralabteilung Steuern des aktuellen Monats abgewichen wurde, tragen die Feststellungen des FG nicht die Schlussfolgerung, die Preise seien deshalb frei ausgehandelt worden. Wie aus der Anlage 2 der Klagebegründung vor dem FG abgeleitet werden kann, haben die zugrunde gelegten Werte in dem Großteil dieser Fälle der Höhe nach denen des Vormonats entsprochen. Es handelte sich somit gleichfalls um einen Wert, den die Zentralabteilung Steuern ermittelt hatte, und somit nicht um einen frei ausgehandelten Preis. Die Abweichung zum Wert des aktuellen Monats kann sich daher auch aus dem Auseinanderfallen zwischen Signing und Closing und nicht aus einem frei ausgehandelten Preis ergeben. In den übrigen Fällen fehlen die Angaben zum Vormonat, so dass auch bei diesen nicht auszuschließen ist, dass die Abweichung auf dem Auseinanderfallen von Signing und Closing beruht. Solche Beschränkungen bei der Preisbildung, die zu gleichen Preisen zwischen verschiedenen Käufern und Verkäufern führen, sind einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei Anteilen von Personengesellschaften, bei dem sich der Preis unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bildet, in aller Regel fremd.
dd) Eine Ableitung des gemeinen Werts aus den genannten Verkaufsfällen scheidet auch aufgrund des von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin vorgenommenen pauschalen Holdingabschlags in Höhe von 20 % aus. Bei dem vorgenommenen pauschalen Holdingabschlag handelt es sich um einen preisbildenden Faktor, der mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun hat und daher auszuklammern ist. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung für die Grundstücksbewertung entschieden hat, müssen die zur Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9 Abs. 2 BewG) vorgenommenen Abschläge objektivierbar und wirtschaftsgutbezogen ‑‑also nach der Beschaffenheit des konkreten Wirtschaftsguts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG)‑‑ begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2017 - II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153, Rz 18, m.w.N.). In Bezug auf die Ermittlung des gemeinen Werts von Unternehmensanteilen ergibt sich insoweit kein Unterschied.
(1) Der bei der Preisbildung der oben genannten Verkaufsfälle zugrunde gelegte pauschale Abschlag wurde ohne eine solche Berücksichtigung der konkreten Beschaffenheit des Wirtschaftsguts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) aus einer rein empirischen Ermittlung des Wirtschaftsprüfers der Klägerin bei vergleichbaren Unternehmen abgeleitet, was auch dadurch belegt wird, dass der Abschlag im Zeitverlauf gleich geblieben ist. Ein solcher gleichbleibender Holding- oder Konglomeratsabschlag ist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr ‑‑anders als die Klägerin und das FG meinen‑‑ gerade nicht festzustellen. Ein Holdingabschlag bei börsennotierten Gesellschaften unterliegt ständigen Veränderungen, da er sich lediglich rechnerisch aus der Differenz zwischen Marktkapitalisierung und dem jeweiligen "Net Asset Value" ergibt, wie auch der von der Klägerin in Bezug genommene LPX Europe NAV P/D-Index im Zeitreihenverlauf belegt. Tatsächliche Änderungen bei den wertmindernden Positionen, wie beispielsweise bei den nicht in der Nettofinanzverschuldung enthaltenen finanziellen Verpflichtungen, die ‑‑wie vom FG angenommen‑‑ einen Holdingabschlag abbilden sollen, müssten daher im Zeitverlauf zu einer Änderung der Höhe des Abschlags führen. Ein Marktwertabschlag kann zudem nicht in allen Fällen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr festgestellt werden. So sind Mischkonzerne, wie es die Klägerin ist, gerichtbekannt, bei denen die Marktkapitalisierung den "Net Asset Value" übersteigt. Es ist daher auch nicht auszuschließen, dass es sich beim sogenannten Marktwert- oder Konglomeratsabschlag um ein bloßes Kapitalmarktphänomen handelt, der zur Unterbewertung des jeweiligen Unternehmens führt (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 06.07.2007 - 20 W 5/06, Rz 54, m.w.N.) und gerade nicht den gemeinen Wert der Anteile wiedergibt.
(2) Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit dem pauschalierten und gleichbleibenden Abschlag entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BewG auch persönliche Verfügungsbeschränkungen mit abgegolten wurden. Wie vom FG festgestellt, sollte mit dem Abschlag unter anderem die beschränkte Handelbarkeit der Anteile an der Klägerin erfasst werden. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Verfügungsbeschränkungen für die Übertragung der Geschäftsanteile zählen zu den persönlichen Verhältnissen, die bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sind (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 19.12.2007 - II R 22/06, BFH/NV 2008, 962, unter II.2.a, m.w.N.; vom 12.07.2005 - II R 8/04, BFHE 210, 474, BStBl II 2005, 845, unter II.2.).
3. Nach den vorgenannten Grundsätzen war die Vorentscheidung aufzuheben.
4. Der BFH kann auf Basis der Feststellungen des FG in der Sache selbst entscheiden. Die Feststellung des Werts der Anteile an der Klägerin in Höhe von 510 % ihres Nennwerts unter Zugrundelegung des von der Zentralabteilung Steuern der Klägerin ermittelten "Net Asset Value" im Feststellungsbescheid vom 06.12.2013 ist rechtmäßig.
a) Ein Ansatz der Anteile an der Klägerin durch Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten aus den in Bezug genommenen 63 Verkaufsfällen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kommt aus den unter II.2. dargestellten Gründen nicht in Betracht. Deshalb kann im Streitfall dahinstehen, ob die in Bezug genommenen Verkaufsfälle zwischen fremden Dritten erfolgten.
b) Der von der Kommission gebildete "Net Asset Value" entspricht ‑‑unter den Beteiligten unstreitig‑‑ den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 BewG und kann daher angesetzt werden. Der "Net Asset Value" ist dem Grunde nach nichts anderes als ein Substanzwert (Creutzmann in Zwirner/Petersen, Handbuch Unternehmensbewertung, Kap. C. 10., Rz 20). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der so gebildete Wert nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 BewG entspräche, sei es, dass es sich dabei um einen Wert nach einer anderen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblichen Methode handelt oder um den nach § 11 Abs 2 Satz 3 BewG ermittelten Substanzwert, der jedenfalls die Untergrenze des nach § 11 Abs 2 Satz 2 Alternative 2 BewG anzusetzenden Werts bildet.
c) Ob ein Abschlag bei der Ermittlung des Substanzwerts als Mindestwert überhaupt zulässig ist, kann ebenfalls dahinstehen. Der Abzug eines pauschalen Abschlags ohne Anknüpfung an die konkrete Beschaffenheit des Wirtschaftsguts ist jedenfalls nicht möglich. Wie vom FG festgestellt wurde, beruht der Abschlag auf empirischen Ermittlungen des Wirtschaftsprüfers der Klägerin und damit nicht auf einer am konkreten Unternehmen orientierten Bewertung.
d) Da die Revision bereits wegen Verletzung des materiellen Rechts Erfolg hat, kommt es auf die vom FA erhobene Sachaufklärungsrüge nicht mehr an.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.