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Beschluss vom 19. Dezember 2024, VII B 27/24

Voraussetzungen für die Einschränkung des Versorgerstatus gemäß § 1a Abs. 7 StromStV

ECLI:DE:BFH:2024:B.191224.VIIB27.24.0

BFH VII. Senat

StromStG § 9 Abs 1 Nr 2, StromStV § 1a Abs 6, StromStV § 1a Abs 7, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt , 31. Januar 2024, Az: 3 K 836/19

Leitsätze

NV: § 1a Abs. 7 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) enthält eine Rechtsgrundverweisung auf § 1a Abs. 6 StromStV mit der Folge, dass dessen Tatbestandsmerkmale auch bei der Einschränkung des Versorgerstatus für Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW, in denen Strom aus Windkraft, Biomasse oder Sonnenenergie erzeugt wird, zu beachten sind.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 31.01.2024 - 3 K 836/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft, die auf räumlich zusammenhängenden Grundstücken … Windenergieanlagen mit einer Leistung von je 2 MW, insgesamt also mit … MW, betreibt und hiermit elektrischen Strom erzeugt. Sie verfügte über eine Erlaubnis zur steuerfreien Entnahme von Strom zur Stromerzeugung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Stromsteuergesetzes (StromStG).

  2. Aufgrund einer am 01.01.2018 in Kraft getretenen Gesetzesänderung sah der Beklagte und Beschwerdeführer (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) die Voraussetzung für den Fortbestand der Erlaubnis nach § 21 Abs. 2 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) als nicht mehr länger gegeben an und forderte mit Schreiben vom 08.04.2019 den Erlaubnisschein von der Klägerin zurück. Außerdem wies das HZA darauf hin, dass für die im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zur Vorlage des Erlaubnisscheins entnommene Strommenge eine Steueranmeldung abzugeben sei.

  3. Den hiergegen eingelegten Einspruch verwarf das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 09.09.2019 als unzulässig, weil die Erlaubnis der Klägerin zur steuerfreien Entnahme von Strom zur Stromerzeugung mit Ablauf des 31.12.2017 erloschen sei und es sich bei dem Schreiben vom 08.04.2019 daher nicht um einen Verwaltungsakt handele.

  4. Das Finanzgericht (FG) urteilte, jedenfalls in der Rückforderung des Erlaubnisscheins sei ein Verwaltungsakt zu sehen. Dieser sei rechtswidrig, weil der Klägerin auch über den 31.12.2017 hinaus die Erlaubnis zur Entnahme von steuerfreiem Strom zustehe, denn die Erlaubnis sei nicht mit Ablauf des 31.12.2017 erloschen. Die Klägerin sei kein Letztverbraucher, und auch die Fälle von § 1a Abs. 6 oder 7 StromStV lägen nicht vor. Bei § 1a Abs. 7 StromStV handele es sich um eine Rechtsgrundverweisung mit der Folge, dass zusätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1a Abs. 6 StromStV erfüllt sein müssten. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin keine Letztverbraucher beliefere, sondern den von ihr erzeugten Strom in das allgemeine Versorgungsnetz einspeise.

  5. Das HZA begründet seine Nichtzulassungsbeschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Es sei zu klären, ob es sich bei § 1a Abs. 7 StromStV um eine Rechtsfolgenverweisung oder eine Rechtsgrundverweisung auf § 1a Abs. 6 StromStV handele. Die Normen adressierten stromsteuerrechtlich unerfahrene oder typischerweise nicht im Bereich der Energieversorgung von Verbrauchern tätige Beteiligte. Diesen würden zum einen gewisse klassische Versorgerpflichten durch den Status des "kleinen Versorgers" abgenommen und zum anderen würde das Risiko von Steuerausfällen minimiert. Die Beteiligten hätten die Möglichkeit, durch § 1a Abs. 8 StromStV wieder zum "Vollversorger" zu werden. Auch im Fall des § 1a Abs. 7 StromStV sei der Verordnungsgeber im Rahmen einer typisierenden Gesamtbetrachtung zu dem Schluss gelangt, dass die dort zitierten Anlagenbetreiber als stromsteuerrechtlich unerfahren zu bewerten seien beziehungsweise oftmals kein Interesse an einem Versorgerstatus hätten. Die Einschränkung des Versorgerstatus nach § 1a Abs. 7 StromStV sei insofern losgelöst von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Abs. 6 StromStV zu betrachten.

  6. Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Beschwerde ist unbegründet, weil die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen.

  2. 1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 24.05.2012 - VI B 120/11, Rz 5). Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, sodass mehrere Lösungen vertretbar sind (BFH-Beschluss vom 11.11.2015 - VII B 57/15, Rz 6). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 18.02.2021 - III B 123/20, BFHE 272, 390, BStBl II 2022, 215, Rz 6).

  3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die vom HZA aufgeworfene Rechtsfrage als nicht klärungsbedürftig anzusehen, weil sie so zu beantworten ist, wie das FG es getan hat.

  4. a) Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ist Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird, von der Steuer befreit. Für die Entnahme steuerbefreiten Stroms ist nach § 9 Abs. 4 Satz 1 StromStG eine Erlaubnis erforderlich. Mit Wirkung vom 01.01.2018 ist insofern eine Änderung eingetreten, als gemäß § 12 Abs. 4 StromStV die Steuerbefreiung für Strom zur Stromerzeugung in den Fällen des § 1a Abs. 6 und 7 StromStV nur noch im Wege der Entlastung nach § 12a StromStV erlangt werden kann und eine steuerbefreite Entnahme von Strom nicht mehr vorgesehen ist. Dementsprechend erlöschen gemäß § 21 Abs. 2 StromStV Erlaubnisse nach § 9 Abs. 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG in den Fällen nach § 12 Abs. 3 Satz 2 StromStV und in den Fällen nach § 12 Abs. 4 StromStV mit Ablauf des 31.12.2017. Der Erlaubnisschein ist unverzüglich zurückzugeben.

  5. b) § 1a Abs. 6 StromStV schränkt die Reichweite des Versorgerstatus ein. Denn wer Strom innerhalb einer Kundenanlage in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 MW erzeugt, diesen Strom an Letztverbraucher ausschließlich innerhalb dieser Kundenanlage leistet und darüber hinaus ausschließlich nach § 3 StromStG zu versteuernden Strom ausschließlich von einem im Steuergebiet ansässigen Versorger bezieht und diesen ausschließlich innerhalb dieser Kundenanlage leistet, gilt nur für den erzeugten und dann geleisteten Strom als Versorger. Für den bezogenen Strom gilt er dagegen als Letztverbraucher im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG.

  6. Die Regelung in § 1a Abs. 6 StromStV gilt nach § 1a Abs. 7 StromStV für Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW aus Windkraft, Biomasse oder Sonnenenergie erzeugt wird, mit der Maßgabe entsprechend, dass derjenige, der den Strom erzeugt, auch für den erzeugten und zum Selbstverbrauch entnommenen Strom als Versorger gilt.

  7. c) Die vom HZA aufgeworfene Rechtsfrage ist eindeutig dahingehend zu beantworten, dass es sich bei dem Verweis in § 1a Abs. 7 StromStV auf § 1a Abs. 6 StromStV um eine Rechtsgrundverweisung handelt.

  8. § 1a Abs. 6 und 7 StromStV wurden durch Art. 3 Nr. 2 Buchst. f der Dritten Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 02.01.2018 (BGBl I 2018, 84) angefügt. Aus der Begründung zum Referentenentwurf ergibt sich, dass die Regelung in § 1a Abs. 6 StromStV insbesondere Mieterstrommodelle im Blick hatte und hier der Verwaltungsaufwand und das Risiko von Steuerausfällen verringert werden sollten. Im Bereich der Windenergie-, Biomasse- und Photovoltaikanlagen sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass deren Betreiber häufig keine Berührungspunkte zum Stromsteuerrecht haben. Aus diesem Grund sollte Strom, der an Betreiber solcher (in Kundenanlagen bestehender) Stromerzeugungsanlagen geliefert wird, nur noch zum Regelsteuersatz versteuert geliefert werden.

  9. Die in § 1a Abs. 7 StromStV enthaltene gesonderte Regelung war erforderlich, weil die kleineren, von § 1a Abs. 6 StromStV erfassten Anlagen weitgehend unter die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG fallen und daher die Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung entfällt. Die Intention des Verordnungsgebers ging also dahin, kleine oder im Stromsteuerrecht unerfahrene Stromhersteller vom Versorgerstatus auszunehmen. Eine grundsätzliche Änderung des Versorgerstatus war jedoch nicht beabsichtigt.

  10. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass im Referentenentwurf ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Regelungen dann nicht zur Anwendung kommen, wenn reguläre Stromversorgungsunternehmen oder Beteiligte, die bereits aus anderen Gründen vollwertiger Versorger sind, Strom beziehen. Zudem erklärt § 1a Abs. 7 StromStV den Absatz 6 nur mit der Maßgabe entsprechend anwendbar, dass derjenige, der den Strom erzeugt, auch für den erzeugten und zum Selbstverbrauch entnommenen Strom als Versorger gilt. Auch diese Einschränkung spricht dafür, dass die Tatbestandsmerkmale des Absatzes 6 im Rahmen des Absatzes 7 zu beachten sind.

  11. Eine Auslegung von § 1a Abs. 7 StromStV als Rechtsfolgenverweisung hätte demgegenüber zur Folge, dass für Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW, in denen Strom aus Windkraft, Biomasse oder Sonnenenergie erzeugt wird, der Erzeuger für den bezogenen Strom immer als Letztverbraucher gilt. Lediglich für den erzeugten und dann geleisteten sowie für den erzeugten und zum Selbstverbrauch entnommenen Strom gälte er als Versorger. Für eine derart weitgehende Einschränkung des Versorgerstatus ergeben sich jedoch aus den oben dargestellten Materialien zur Stromsteuer-Durchführungsverordnung, die auf eine Beschränkung des Versorgerstatus in Kundenanlagen abzielen, keine Anhaltspunkte.

  12. 2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) erforderlich.

  13. Bei diesem Zulassungsgrund handelt es sich um einen Spezialtatbestand der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 24.06.2014 - XI B 45/13, Rz 35 und vom 24.07.2017 - XI B 25/17, Rz 25). Dieser Zulassungsgrund setzt damit ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 04.07.2018 - IX B 114/17, Rz 4; Senatsbeschluss vom 28.06.2023 - VII B 54/22, Rz 20).

  14. Eine solche Rechtsfrage liegt jedoch nicht vor (s. unter 1.).

  15. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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