ECLI:DE:BFH:2024:U.151024.IXR26.23.0
BFH IX. Senat
EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 24 Nr 1 Buchst a, EStG § 34 Abs 1, EStG § 34 Abs 2 Nr 2, EStG § 34 Abs 2 Nr 4, BGB § 249 Abs 1, BGB § 252 S 1, BGB § 842, BGB § 843 Abs 1, EStG VZ 2018
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 05. Oktober 2023, Az: 3 K 3132/20
Leitsätze
1. NV: Die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum vom Schädiger erstattete Steuerlast auf den Verdienstausfallschaden hat zur Folge, dass keine für eine tarifermäßigte Besteuerung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderliche Zusammenballung von Einkünften vorliegt.
2. NV: Der Ersatz eines Verdienstausfallschadens stellt keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 05.10.2023 - 3 K 3132/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die tarifermäßigte Besteuerung eines Schadensersatzes wegen Verdienstausfall.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war unter anderem nichtselbständig tätig. Sie wurde aufgrund von medizinischen Behandlungsfehlern erheblich geschädigt und konnte fortan nur noch eingeschränkt erwerbstätig sein. Im Streitjahr 2018 schloss sie mit den Schadensverantwortlichen und deren Versicherern einen gerichtlichen Vergleich über die Zahlung von Schadensersatz. Dieser umfasste einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 190.000 €. Zudem war der Klägerin die auf den Ersatz des Verdienstausfallschadens anfallende Steuer zu erstatten. Der vereinbarte (Netto-)Schadensersatz wurde der Klägerin im Streitjahr gezahlt. Im nicht streitbefangenen Jahr 2019 erstatteten die Versicherer die auf den Ersatz des Verdienstausfallschadens lastende Steuer von 77.561,52 €.
Die Klägerin erklärte für das Streitjahr den Ersatz des Verdienstausfallschadens von 190.000 € als ermäßigt zu besteuernde Versorgungsbezüge für mehrere Jahre. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ordnete die Zahlung den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu und gewährte die Tarifermäßigung nicht.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte an, der Ersatz des Verdienstausfallschadens und die nachfolgende Erstattung der Steuerlast seien einheitlich zu betrachten. Der Schadensersatz sei in verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt worden; daher scheide eine Tarifermäßigung aus.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2024, 39 veröffentlichtem Urteil ab.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Steuererstattung im Jahr 2019 sei keine Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und könne daher die Gewährung der Tarifermäßigung für den im Streitjahr bezogenen Schadensersatz nicht in Frage stellen. Andernfalls müsse bei der Anwendung von § 34 EStG eine Ausnahme vom Erfordernis der Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum gemacht werden. Der Gerechtigkeitsgedanke der bisher anerkannten Ausnahmen gebiete eine Tarifermäßigung nach dem Erst-Recht-Schluss, wenn der Steuerpflichtige keine Möglichkeit habe, eine Zahlung in zwei Veranlagungszeiträumen zu vermeiden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 03.09.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.11.2020 dahingehend zu ändern, dass der Ersatz des Verdienstausfallschadens tarifermäßigt besteuert wird.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht eine ermäßigte Besteuerung des im Streitjahr gezahlten Verdienstausfallschadens nach § 34 Abs. 1 EStG abgelehnt.
1. Der Ersatz des Verdienstausfallschadens von 190.000 € stellt steuerbare Einkünfte gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.
Der Klägerin stand aufgrund von medizinischen Behandlungsfehlern ein Anspruch auf Ersatz ihres Verdienstausfallschadens gemäß § 249 Abs. 1, § 252 Satz 1 sowie § 842, § 843 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu. Bei der Erfüllung dieses Anspruchs handelt es sich um nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbare Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, sodass der Senat von weiteren Ausführungen absieht.
2. Eine tarifermäßigte Besteuerung dieser Zahlung gemäß § 34 Abs. 1 EStG scheidet aus. Es liegen weder außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG (dazu unter a) noch solche nach Nr. 4 der Vorschrift (unter b) vor.
a) Die Vorinstanz hat frei von Rechtsfehlern entschieden, dass für die der Klägerin zugeflossene Zahlung von 190.000 € keine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu gewähren ist.
aa) Nach dieser Vorschrift kommen als ermäßigt zu besteuernde, außerordentliche Einkünfte zwar Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Voraussetzung für eine die Tarifermäßigung rechtfertigende Außerordentlichkeit ist allerdings, dass die Entschädigung in Gänze in einem Veranlagungszeitraum erbracht wird und dass durch die Zusammenballung von Einkünften eine erhöhte steuerliche Belastung entsteht (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 14 sowie Senatsurteil vom 13.03.2018 - IX R 16/17, BFHE 261, 258, BStBl II 2018, 709, Rz 10, jeweils m.w.N.). Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehr verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (z.B. Senatsurteil vom 08.04.2014 - IX R 28/13, Rz 12).
Ausnahmen vom Erfordernis der Zusammenballung von Einkünften sind nur in eng begrenzten Konstellationen gerechtfertigt, weil sich ansonsten außerordentliche und nicht begünstigte Einkünfte kaum noch unterscheiden ließen (BFH-Urteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 16 f.). Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn mehrere Teilzahlungen sich eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und die Nebenleistung nur geringfügig ‑‑das heißt regelmäßig nicht mehr als 10 % der Hauptleistung‑‑ ist oder wenn aus Gründen der sozialen Fürsorge eine Entschädigungszusatzleistung für eine Übergangszeit gewährt wird (BFH-Urteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 18 f. und 26, m.w.N.). Dies leitet der BFH aus einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab (BFH-Urteil vom 14.04.2005 - XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772, unter II.3.). Verteilt sich die Zahlung auf zwei Veranlagungszeiträume, wird die Steuerermäßigung darüber hinaus auch dann zugelassen, wenn die Zahlung von vornherein in einer Summe festgesetzt war und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt wurde oder wenn der Zahlungsempfänger ‑‑bar aller Existenzmittel‑‑ dringend auf den Bezug einer Vorauszahlung angewiesen war (BFH-Urteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 20, m.w.N.).
Mehrere Zahlungen sind als einheitliche Entschädigung zu beurteilen, wenn sie zum Ausgleich für dasselbe Schadensereignis gezahlt werden (Senatsurteil vom 08.04.2014 - IX R 28/13, Rz 13). Dies gilt insbesondere, wenn dem Anspruch auf die Entschädigung (nur) eine Rechtsgrundlage mit einer Schadensposition zugrunde liegt (List, Versicherungsrecht ‑‑VersR‑‑ 2018, 700, 701). Eine Aufspaltung der Entschädigung in mehrere, getrennt nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu behandelnde Teile widerspräche dem Normzweck, nur außerordentliche Progressionsnachteile abzumildern.
bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen liegt im Streitfall keine als außerordentlich im Sinne von § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu qualifizierende Entschädigung vor.
Zwar wurde der Klägerin im Streitjahr kumuliert der ihr aus dem schädigenden Ereignis zustehende Verdienstausfallschaden in Höhe von 190.000 € ersetzt. Allerdings zählt auch die im nachfolgenden Jahr 2019 vereinnahmte Erstattung der Steuerlast auf den Verdienstausfallschaden zu den nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Einkünften. Der zeitlich über mehrere Veranlagungszeiträume gestreckte Ersatz des gesamten Schadens schließt den Tatbestand des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG aus.
(1) Im Fall einer Personenschädigung hat der Schädiger neben dem körperlichen Integritätsschaden auch den gesamten auf dem schädigenden Ereignis beruhenden Verdienstausfallschaden zu ersetzen (§ 249 Abs. 1, § 252 Satz 1 sowie § 842, § 843 Abs. 1 BGB). Jener Schaden umfasst bei einem abhängig Beschäftigten sowohl den entgangenen Nettoverdienst als auch die hierauf entfallende Einkommensteuer (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20, Rz 9). Dies ist deshalb der Fall, da der Geschädigte für den empfangenen Ersatz des Verdienstausfalls Einkommensteuer zu entrichten hat. Bliebe der Schadensersatz auf den Nettoverdienst beschränkt, stünde der Geschädigte, gerade weil die Einkommensteuer aus dem erwirtschafteten Einkommen herrührt, vermögensmäßig schlechter als ohne das schädigende Ereignis (vgl. auch BGH-Urteil vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20, Rz 17, m.w.N.). Der Verdienstausfallschaden und die hierauf lastende Steuer sind somit zwei unmittelbar miteinander im Zusammenhang stehende Positionen eines Schadensersatzanspruchs im Sinne von §§ 842, 843 Abs. 1 BGB.
Die Rechtspraxis hat für den Ersatz dieses Schadens abhängig Beschäftigter ‑‑wie die Vorinstanz zutreffend herausgestellt hat‑‑ zwei Berechnungsmethoden entwickelt. Nach der Bruttolohnmethode ist Maßstab für die Schadensberechnung der entgangene Bruttoverdienst des Geschädigten; Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind somit von vornherein inkludiert. Dagegen stellt nach der (modifizierten) Nettolohnmethode der ersatzpflichtige Schaden das fiktive Nettoeinkommen des Geschädigten zuzüglich aller seiner aus dem Schadensereignis folgenden weiteren Nachteile einschließlich der auf die Schadensersatzleistung geschuldeten Steuer dar (BGH-Urteil vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20, Rz 18, m.w.N.). Beide Berechnungsmethoden stehen gleichberechtigt nebeneinander (BGH-Urteil vom 15.11.1994 - VI ZR 194/93, BGHZ 127, 391, unter II.1.a) und führen ‑‑richtig angewandt‑‑ zu gleichen Ergebnissen (BGH-Urteil vom 08.06.2021 - VI ZR 924/20, Rz 18).
(2) An diese zivilrechtliche Ausgangslage anknüpfend ist die vom Schädiger erbrachte Erstattung der Steuerlast als Einnahmenersatz im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu werten. Die Erstattung beruht unmittelbar auf dem Verlust steuerbarer Einnahmen. Es handelt sich nicht um eine gesondert zu beurteilende Schadensposition im Sinne der vom Senat in seiner Entscheidung vom 11.07.2017 - IX R 28/16 (BFHE 259, 272, BStBl II 2018, 86, Rz 24) erwähnten Art.
Ohne die erlittene Schädigung wäre der Geschädigte im Stande gewesen, Einnahmen zu erzielen und aus seinem Bruttoverdienst die Steuer zu entrichten. Demnach tritt nicht nur der "netto" gezahlte Verdienstausfall, sondern gleichsam der zivilrechtlich verpflichtende Ersatz der hierauf entfallenden Steuer an die Stelle weggefallener Einnahmen (zutreffend Brandis/Heuermann/Heuermann, § 24 EStG Rz 33; List, VersR 2018, 700, 702; a.A. [allerdings ohne Begründung] Horn in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 24 EStG Rz 38). Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob der Verdienstausfallschaden nach Maßgabe der Bruttolohnmethode oder ‑‑hinsichtlich des Ersatzes der Steuerlast zeitlich gestreckt‑‑ nach der modifizierten Nettolohnmethode berechnet wird.
(3) Die Erstattung der auf dem Ersatz des Verdienstausfalls lastenden Steuer stellt auch keine ‑‑die Annahme steuerbarer Einkünfte gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ausschließende‑‑ Ausgabenentschädigung dar. Es handelt sich nicht um den Ersatz eines echten Steuerschadens.
Voraussetzung hierfür wäre eine Vermeidbarkeit des Schadens. Dies hat der BFH unter anderem angenommen für den Fall, dass ein Steuerberater (BFH-Urteil vom 18.06.1998 - IV R 61/97, BFHE 186, 363, BStBl II 1998, 621) oder ein Arbeitgeber (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - VI R 34/16, BFHE 261, 313, BStBl II 2018, 600) für eine überhöhte Einkommensteuerfestsetzung Schadensersatz an den Mandanten beziehungsweise Arbeitnehmer zu leisten hatte. Begründet wurde dies damit, dass Schadensersatz, der wegen einer überhöhten Steuerfestsetzung zu leisten ist, dem Ausgleich einer Vermögenseinbuße dient, die nicht in der Erwerbs-, sondern in der Privatsphäre eingetreten ist (BFH-Urteil vom 25.04.2018 - VI R 34/16, BFHE 261, 313, BStBl II 2018, 600, Rz 16, m.w.N.).
Dieser Rechtsgrundsatz ist auf den Ersatz eines Verdienstausfallschadens nicht übertragbar. Mit der Erstattung der auf jenen Schaden entfallenden Steuer ersetzt der Schädiger keinen vermeidbaren Steuerschaden des Geschädigten, sondern die ‑‑rechtmäßige‑‑ Steuerfolge aus dem Ersatz des Nettoverdienstausfalls. Abweichendes kann im Einzelfall nur gelten, wenn festgestellt wird, dass der Schädiger Steuern in einem Umfang erstattet, die den Betrag, die der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis auf seine weggefallenen steuerbaren Einnahmen hätte zahlen müssen, übersteigt.
(4) Nach diesen Grundsätzen steht die im Jahr 2019 auf Grundlage der modifizierten Nettolohnmethode berechnete und der Klägerin zugeflossene Erstattung der Steuerlast des Streitjahres (77.561,52 €) einer tarifermäßigten Besteuerung der Zahlung von 190.000 € gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG entgegen. Der Ersatz des gesamten Verdienstausfallschadens ist der Klägerin nicht zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen. Die Vorinstanz hat die Erstattung der Steuerlast zu Recht gemeinsam mit dem vorliegend streitigen Ersatz des Verdienstausfallschadens als einheitliche Entschädigung qualifiziert. Beide Zahlungen beruhen auf demselben Schadensereignis und beruhen auf dem zivilgerichtlichen Vergleich aus dem Jahr 2018. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattung des Jahres 2019 eine andere Ursache oder einen anderen Zweck hatte, als den Verdienstausfall der Klägerin zu kompensieren, hat das FG nicht festgestellt und wurde von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die anerkannten Ausnahmen vom Grundsatz der Zusammenballung von Einkünften sind im Streitfall nicht gegeben. Die Höhe der erstatteten Steuerlast (77.561,52 €) ist im Vergleich zur Höhe der Zahlung des Streitjahres (190.000 €) nicht nur geringfügig. Gründe, die Erstattung als Zusatzleistung aus sozialer Fürsorge einzuordnen, sind nicht ersichtlich. Zudem war der insgesamt zu leistende Verdienstausfallschaden nicht von vornherein in einer Summe festgesetzt, und es liegt weder eine ungewöhnliche Höhe noch ein besonderer Grund auf Seiten der Klägerin für eine Verteilung auf mehrere Jahre vor.
cc) Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch.
(1) Ihre Ansicht, die Steuerlast auf einen Verdienstausfallschaden sowie deren spätere Erstattung durch den Schädiger sei ein nicht zu Einkünften im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG führender "Durchlaufposten", ist unzutreffend. Die Klägerin hat die Erstattung weder in fremdem Namen und für fremde Rechnung vereinnahmt noch zuvor die Steuerzahlung in fremdem Namen und für fremde Rechnung geleistet. Sie war insoweit unmittelbar selbst berechtigt und verpflichtet. Dies schließt die Annahme eines durchlaufenden Postens aus.
(2) Der weitere Einwand, sie ‑‑die Klägerin‑‑ habe eine progressionsbedingte Steuermehrbelastung nur deshalb zu tragen, weil sich die Schädiger beziehungsweise deren Versicherer zur Erstattung der Steuerlast verpflichtet hätten, geht bereits deshalb fehl, weil eine dementsprechende Verpflichtung nach allgemein anerkannten zivilrechtlichen Rechtsgrundsätzen bestand und somit nicht auf Freiwilligkeit beruhte. Unabhängig hiervon erhöhte die Erstattung der Steuerlast die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin.
(3) Anders als die Klägerin meint, gebietet auch die von ihr beanstandete Zwangsläufigkeit der gestreckten Zahlung des Schadensersatzes keine Ausnahme vom Grundsatz des Erfordernisses der Zusammenballung von Einkünften. Dies hat die Rechtsprechung in vergleichbaren Konstellationen bereits entschieden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 02.08.2016 - VIII R 37/14, BFHE 254, 573, BStBl II 2017, 258, Rz 15).
(4) Das weitere Argument der Klägerin, es habe nicht in ihrer Hand gelegen, mit den Schädigern und deren Versicherern eine Vereinbarung zu treffen, wonach die Steuer auf den Verdienstausfall vorab berechnet und in einem Zuge ausgezahlt worden wäre, rechtfertigt keine andere Lösung. Denn unberücksichtigt bleibt, dass der zeitlich gestreckte Ersatz des Verdienstausfalls objektiv eine Progressionsmilderung bewirkte. Aus diesem Grund ist die von der Klägerin in Frage gestellte Erwägung des FG, die Auszahlungsmodalitäten seien frei gestaltbar gewesen, nicht entscheidungserheblich.
(5) Die von der Klägerin gerügte steuertarifrechtliche Ungleichbehandlung des Ersatzes von Verdienstausfallschäden auf Grundlage der modifizierten Nettolohnmethode einerseits und der Bruttolohnmethode andererseits liegt nicht vor. Die Klägerin verkennt, dass es einer Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG jedenfalls dann nicht bedarf, wenn der Ersatz des gesamten ‑‑die Steuerlast inkludierten‑‑ Verdienstausfallschadens auf mehrere Veranlagungszeiträume gestreckt wird.
b) Die Zahlung von 190.000 € unterfällt auch nicht § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.
aa) Der Wortlaut dieses ‑‑vom FG nicht geprüften‑‑ Tatbestands ist nicht erfüllt.
§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG setzt Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit voraus. Tätigkeit im Sinne der Vorschrift ist jedes zur Erzielung von Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG dienende Verhalten (BFH-Urteil vom 23.10.2013 - X R 3/12, BFHE 243, 287, BStBl II 2014, 58, Rz 70, m.w.N.). Zwischen der Tätigkeit und der Vergütung muss ein Gegenseitigkeitsverhältnis bestehen ("für"). Die geschuldete Tätigkeit muss Rechtsgrund für die Vergütung (Gegenleistung) sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn eine Vergütung für die Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt wird (zutreffend HHR/Horn, § 34 EStG Rz 62).
Im Streitfall bezog die Klägerin den Ersatz ihres Verdienstausfallschadens nur deshalb, weil sie infolge des Schadensereignisses nicht mehr vollumfänglich im Stande war und ist, eine Tätigkeit auszuüben. Rechtsgrund für die Vergütung ist somit keine Tätigkeit der Klägerin, sondern eine zivilrechtliche Schadenshaftung.
bb) Für eine über den Wortlaut der Norm hinausgehende teleologische Erweiterung des Tatbestands besteht kein Bedürfnis. Soweit im Schrifttum vereinzelt auf die Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in Fällen von Arbeitslohnnachzahlungen für mehrjährige Tätigkeiten (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2021 - VI R 23/19, BFHE 275, 144, BStBl II 2022, 442) Bezug genommen wird (vgl. Bergan, Deutsches Steuerrecht kurzgefaßt 2023, 159), fehlt es an einer Vergleichbarkeit zum vorliegenden Fall. Während der progressionserhöhende geballte Zufluss von Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit keinem anderen Tarifermäßigungstatbestand als § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zugeordnet werden kann, unterfällt die vorliegend im Streit stehende Entschädigung grundsätzlich der Nr. 2 der Vorschrift. Die oben genannten besonderen Anforderungen an die Außerordentlichkeit von Entschädigungen im Sinne von § 24 Nr. 1 EStG wären entwertet, würde man die im Kern auf Arbeitnehmer zugeschnittene Großzügigkeit der Auslegung von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. BFH-Entscheidungen vom 07.05.2015 - VI R 44/13, BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890, Rz 15 sowie vom 19.08.2019 - X B 155/18, Rz 12) auf Entschädigungskonstellationen übertragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.