Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 15. Oktober 2024, VII R 20/22

Nichtannahme einer Zollanmeldung wegen Verstoßes gegen ein unionsrechtliches Inverkehrbringungsverbot - keine eigene chemikalienrechtliche Prüfungskompetenz der Zollbehörde - Feststellungswirkung fachbehördlicher Entscheidungen - Auslegung des Unionsrechts

ECLI:DE:BFH:2024:U.151024.VIIR20.22.0

BFH VII. Senat

EUV 952/2013 Art 134 Abs 1, EUV 952/2013 Art 172 Abs 1, EUV 952/2013 Art 194 Abs 1, ZollVG § 7 Abs 1 Nr 3, ChemG § 21 Abs 1, ChemG § 21a Abs 1, EUV 517/2014 Art 2 Abs 28, EUV 517/2014 Art 11 Abs 1, EUV 517/2014 Anh 3 Nr 17, EGV 1272/2008 Anh 1 Nr 2.3.1., GVG § 17 Abs 2, GVG § 17a Abs 5, FGO § 100 Abs 1 S 4, FGO § 155, VwGO § 40 Abs 1, VwGO § 42, VwGO § 43

vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 12. April 2022, Az: 4 K 832/21

Leitsätze

1. NV: Die Zolldienststellen sind im Anwendungsbereich des Chemikaliengesetzes aufgrund ihrer bloßen "Mitwirkung" selbst keine Überwachungsbehörden.

2. NV: Die Zollbehörden sind nicht berechtigt, chemikalienrechtliche Sachverhalte eigenständig zu beurteilen und andere Entscheidungen als die zuständige Fachbehörde für Chemikalienrecht zu treffen. An die Entscheidung der zuständigen Fachbehörde für Chemikalienrecht als Überwachungsbehörde sind die Zolldienststellen gebunden; das gilt jedenfalls dann, wenn diese Entscheidung nicht offensichtlich rechtswidrig ist (Bestätigung des Senatsurteils vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281).

3. NV: Die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung kann nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den übrigen Sprachfassungen beanspruchen. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen im Lichte der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12.04.2022 - 4 K 832/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete am 22.01.2021 beim Zollamt X eine Lieferung von … Dosen … unter der Warenbezeichnung "Dose mit Care-Gefäßfüller, Gemisch aus … und 1.1.1.2 Te[t]rafluorethan" zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Bei den aus einem Drittland eingeführten Dosen handelte es sich um ein "Gasfüller"-Produkt, das zum Nachfüllen des Gaspolsters von Membran-Ausdehnungsgefäßen (MAG) in geschlossenen Zirkulationskreisläufen für Heizungsanlagen dient. MAG halten den Anlagendruck des Heizungssystems konstant, indem sie die Ausdehnung des Wassers kompensieren. Zum Nachfüllen des Gasvolumens in MAG ist an den streitgegenständlichen Gasfüllern beziehungsweise Gefäßfüllern jeweils ein spezieller Füllkopf angebracht, der mit Hilfe eines Spezialwerkzeugs ausschließlich für diesen Anwendungszweck aktiviert werden kann. Das Gas wird mit Hilfe eines Manometers und eines Füllschlauchs mit Ventil in das System der Heizungsanlage gefüllt. Das Produkt enthält ausschließlich "R134a". Im Sicherheitsdatenblatt wird das Produkt nicht als "Aerosol", sondern als "Gas unter Druck" eingeordnet.

  2. "R134a" ist der Handelsname für 1,1,1,2-Tetrafluorethan, ein teilfluorierter Kohlenwasserstoff (HFKW). HFKW sind Treibhausgase, deren Schädlichkeit mit dem CO2-Äquivalent "Global Warming Potential" (GWP) angegeben wird. "R134a" weist einen GWP von 1430 auf.

  3. Das Zollamt X nahm die Zollanmeldung zunächst an. Nach einer Prüfung durch die zuständige Fachbehörde Y für Chemikalienrecht nahm das Zollamt die Annahme am 29.01.2021 aufgrund eines Inverkehrbringungsverbots aber wieder zurück. Ein dagegen eingelegter Rechtsbehelf blieb erfolglos. In der Folgezeit meldete die Klägerin die Waren zum zollrechtlichen Versandverfahren T1 für eine Beförderung nach Z an die A-GmbH an.

  4. Am 29.04.2021 meldete die Klägerin, vertreten durch die vorgenannte GmbH, beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) die nun als "1,1,1,2-Tetrafluorethan" bezeichneten Nichtunionswaren erneut zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Das HZA lehnte mit Bescheid vom 29.04.2021 eine Annahme der Zollanmeldung ab und begründete dies damit, nach der Entscheidung der zuständigen Fachbehörde Y würden die Waren einem Inverkehrbringungsverbot gemäß Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Anh. III Nr. 17 der Verordnung (EU) Nr. 517/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 über fluorierte Treibhausgase und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 842/2006 ‑‑VO 517/2014‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2014, Nr. L 150, 195) unterliegen. Ein gegen den Bescheid des HZA eingelegter Einspruch, im Rahmen dessen die Fachbehörde Y erneut Stellung nahm, blieb erfolglos.

  5. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage ab. Das HZA habe zu Recht angenommen, dass der Überlassung der mit "R134a" befüllten Dosen zum zollrechtlich freien Verkehr das Verbot nach Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 entgegenstehe. Es handle sich um ein sogenanntes technisches Aerosol im Sinne des Anh. III Nr. 17 der vorgenannten Verordnung, für welches das Inverkehrbringen untersagt sei.

  6. Zur Definition des technischen Aerosols verwende die VO 517/2014 in Art. 2 Abs. 28 den Begriff des Aerosolzerstäubers. Dieser Begriff wiederum werde in der vorgenannten Verordnung nicht näher definiert. Jedoch könne auf weitere Begriffsbestimmungen im Zusammenhang mit Aerosolen in der Richtlinie 75/324/EWG des Rates vom 20.05.1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aerosolpackungen ‑‑Richtlinie 75/324/EWG‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1975, Nr. L 147, 40) und auf die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ‑‑VO 1272/2008‑‑ (ABlEU 2008, Nr. L 353, 1) zurückgegriffen werden. Denn Art. 2 der Richtlinie 75/324/EWG und Anh. I Nr. 2.3 VO 1272/2008 würden den Begriff der Aerosolpackung definieren als einen "nicht wiederverwendbaren Behälter aus Metall, Glas oder Kunststoff (…), der mit einer Entnahmevorrichtung versehen ist". Als "Behälter" sei gemäß Art. 2 Abs. 12 VO 517/2014 ein Erzeugnis zu verstehen, das hauptsächlich zur Beförderung oder zur Lagerung fluorierter Treibhausgase bestimmt sei. Der Begriff des "nicht wieder auffüllbaren Behälters" sei in Art. 2 Abs. 13 VO 517/2014 definiert. Die streitgegenständlichen Gasfüller erfüllten diese Voraussetzungen, da sie der Beförderung des Gases und der dosierten/gezielten Zuführung des Gases in das Ausgleichsgefäß ‑‑MAG‑‑ über das Entnahmeventil sowie der Lagerung eventueller Restmengen bis zur nächsten Befüllung dienten. Außerdem seien sie nicht wiederverwendbare beziehungsweise nicht nachfüllbare Behälter mit einer Entnahmevorrichtung. Demnach seien technische Aerosole als Unterfall des Begriffs "Behälter" im Sinne von Art. 2 Abs. 12 VO 517/2014 einzuordnen. Im Ergebnis schloss sich das FG damit den Beschlüssen des ständigen Ausschusses für Fachfragen und Vollzug der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Chemikaliensicherheit vom 03.02.2021/04.02.2021 an, deren Protokoll dem FG in der mündlichen Verhandlung übergeben worden war.

  7. Ihre dagegen eingelegte Revision begründet die Klägerin damit, die streitgegenständlichen Dosen verfügten über keinen Zerstäuber; ein Entweichen des Inhalts in die Umgebungsluft sei weder vorgesehen noch wirtschaftlich wünschenswert und lasse sich technisch nur bei bestimmungswidriger Manipulation des Ventils herbeiführen. Daher handle es sich nicht um Aerosolzerstäuber im Sinne des Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014.

  8. Das FG sei rechtsirrig davon ausgegangen, die Begriffe des technischen Aerosols und des Aerosolzerstäubers umfassten jeden nicht wiederverwendbaren beziehungsweise nicht nachfüllbaren Behälter mit einer Entnahmevorrichtung. Ein Rückgriff auf die Definition der Aerosolpackung in Art. 2 der Richtlinie 75/324/EWG und in Anh. I Nr. 2.3.1. VO 1272/2008 sei nicht zulässig. Das FG habe die Definition der Aerosolpackung dabei sogar selektiv genutzt, indem es allein auf das Merkmal des nicht wiederverwendbaren Behälters abgestellt habe. Eine Aerosolpackung erfordere jedoch nach Art. 2 der Richtlinie 75/324/EWG einen Austritt des Inhalts "in Form von in Gas suspendierten festen oder flüssigen Partikeln als Schaum, Paste, Pulver oder in flüssigem Zustand". Durch die streitgegenständlichen Dosen werde aber reines "R134a" in gasförmigem Zustand in die Heizungsanlagen gespeist, also nicht als Schaum, Paste, Pulver oder flüssig. Es fehlten auch die in Gas suspendierten Partikel, da es sich um reines Gas handle. Zudem habe das FG das zusätzlich erforderliche Merkmal der qualifizierten Entnahmevorrichtung außer Acht gelassen. Nicht jeder Einweg-Behälter mit einer Entnahmevorrichtung falle unter Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014, sondern die Entnahmevorrichtung müsse ein Aerosol herstellen können. Der Begriff des Aerosolzerstäubers im Sinne des Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 erfordere nach dem Wortlaut einen "Zerstäuber", an dem es hier fehle, da ein Ventilschlauch vorhanden sei.

  9. Das Gericht sei dabei nicht durch die Entscheidung der Fachbehörde Y als zuständiger Fachbehörde für Chemikalienrecht gebunden. Dieser Entscheidung komme keine Tatbestands- oder Feststellungswirkung zu. Das Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19 (BFHE 278, 281), wonach das HZA an die Entscheidung einer zuständigen Fachbehörde in Bezug auf ein Verbringungsverbot gebunden sei und die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht überprüft werden könne, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Streitfall komme es nicht zu der in dem Senatsurteil angenommenen Tatbestands- und Feststellungswirkung, weil es an dem für eine Bindung erforderlichen Verwaltungsakt der Fachbehörde Y fehle. Die Fachbehörde habe lediglich eine Einschätzung abgegeben, der weder ein Regelungsgehalt noch eine Rechtswirkung nach außen zukomme und die auch nicht verkündet worden sei. Eine Feststellungswirkung der fachbehördlichen Entscheidung würde sie ‑‑die Klägerin‑‑ zudem rechtsschutzlos stellen, da kein Rechtsschutz ersichtlich sei. Selbst wenn die Entscheidung im Verwaltungsrechtsweg hätte angegriffen werden müssen, wäre der Finanzrechtsweg im Streitfall durch die finanzgerichtliche Vorentscheidung gemäß § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) verbindlich festgelegt gewesen.

  10. Die Klägerin beantragt sinngemäß,
    die Vorentscheidung aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 29.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 das HZA zu verpflichten, die Zollanmeldung vom 29.04.2021 über … Dosen "R134a" zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr anzunehmen und die Waren zum zollrechtlich freien Verkehr zu überlassen,
    hilfsweise für den Fall einer Bindung der fachbehördlichen Entscheidung oder eines Einfuhrverbots, die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids festzustellen.

  11. Das HZA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  12. Nach seiner Auffassung hat das FG Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 zutreffend angewendet und zu Recht festgestellt, dass der Annahme der Zollanmeldung sowie der Überlassung der Waren zum zollrechtlich freien Verkehr Verbote und Beschränkungen entgegenstehen. Zudem sei die Zollbehörde an die Entscheidung der Fachbehörde Y gebunden gewesen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist mit ihren Hauptanträgen auf Annahme der Zollanmeldung (dazu 1.) und auf Überlassung der streitigen Waren zum zollrechtlich freien Verkehr (dazu 2.) unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Der Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 29.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 ist hingegen unzulässig (dazu 3.). Ist die Revision teilweise unzulässig und teilweise unbegründet, kann der Bundesfinanzhof (BFH) darüber einheitlich durch Urteil entscheiden (BFH-Urteil vom 19.09.2012 - IV R 45/09, BFHE 239, 66, BStBl II 2013, 123, Rz 22).

  2. 1. Hinsichtlich der Annahme der Zollanmeldung entspricht die Vorentscheidung Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das HZA zu verpflichten, die Zollanmeldung vom 29.04.2021 anzunehmen.

  3. Der Annahme der Zollanmeldung nach Art. 172 des Zollkodex der Union (UZK) stand ein Einfuhrverbot gemäß Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 entgegen.

  4. a) Die Annahme der Zollanmeldung setzt voraus, dass für die Waren keine Verbote und Beschränkungen gelten.

  5. Gemäß Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 UZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Union verbracht werden, ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs der zollamtlichen Überwachung und können Zollkontrollen unterzogen werden. Die zollamtliche Überwachung erstreckt sich gemäß Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 UZK auch auf die Einhaltung von Verboten und Beschränkungen.

  6. Gemäß Art. 172 UZK werden Zollanmeldungen, die die Anforderungen des Titels V Kap. 2 UZK erfüllen, von den Zollbehörden unverzüglich angenommen, sofern die betreffenden Waren den Zollbehörden gestellt wurden. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) lehnt die Zollbehörde die Annahme einer Zollanmeldung ab, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstehen. Aus dem Umfang der zollamtlichen Überwachung hat der Senat abgeleitet, dass die Annahme einer Zollanmeldung abzulehnen beziehungsweise zu widerrufen ist, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstehen (Senatsurteile vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 13 ff. und vom 19.10.2021 - VII R 7/18, BFHE 276, 189, Rz 28 ff.; vgl. auch Rogmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Art. 134 UZK Rz 102).

  7. b) Im Streitfall steht der Annahme der Zollanmeldung das Inverkehrbringungsverbot des Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 entgegen. An die diesbezügliche Stellungnahme der Fachbehörde Y ist das HZA gebunden.

  8. aa) Gemäß Art. 11 Abs. 1 VO 517/2014 ist das Inverkehrbringen der in Anh. III der Verordnung aufgeführten Erzeugnisse und Einrichtungen, außer Militärausrüstung, ab dem in diesem Anhang angegebenen Zeitpunkt untersagt, wobei gegebenenfalls nach der Art oder dem Treibhausgaspotenzial des enthaltenen fluorierten Treibhausgases differenziert wird.

  9. Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 erfasst technische Aerosole, die HFKW mit einem GWP von 150 oder mehr enthalten, außer wenn zur Einhaltung nationaler Sicherheitsnormen erforderlich oder für medizinische Anwendungen eingesetzt. Der angegebene Zeitpunkt ist der 01.01.2018. Das streitgegenständliche "R134a" ist ein HFKW mit einem GWP von 1430 ‑‑und damit mehr als 150‑‑ im Sinne des Anh. III Nr. 17 VO 517/2014. Die Zollanmeldung wurde auch nach dem maßgeblichen Zeitpunkt 01.01.2018 abgegeben.

  10. Art. 11 Abs. 1 VO 517/2014 ist als ein Verbot im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG anzusehen. Die genannte Verordnung gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten, da es sich um sekundäres Unionsrecht nach Art. 288 Unterabs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union handelt.

  11. bb) Die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen dieses Verbots erfüllt sind, obliegt der nach Landesrecht zuständigen Fachbehörde für Chemikalienrecht.

  12. (1) Gemäß § 21 Abs. 1 des Chemikaliengesetzes in der im Streitfall maßgeblichen Fassung (ChemG) haben die zuständigen Landesbehörden die Durchführung des Chemikaliengesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu überwachen, soweit dieses Gesetz keine andere Regelung trifft. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG gilt § 21 Abs. 1 ChemG auch für "EG- oder EU-Verordnungen", die Sachbereiche dieses Gesetzes betreffen, soweit die Überwachung ihrer Durchführung den Mitgliedstaaten obliegt.

  13. Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 1 ChemG wirken das Bundesministerium der Finanzen und die von ihm bestimmten Zollstellen bei der Überwachung der Ein- und Ausfuhr derjenigen Stoffe, Gemische und Erzeugnisse mit, die diesem Gesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder einer der in § 21 Absatz 2 Satz 1 genannten "EG- oder EU-Verordnungen" unterliegen. Bestehen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die in § 21a Abs. 1 ChemG genannten Vorschriften, unterrichten die Zollstellen gemäß § 21a Abs. 2 Satz 1 ChemG die zuständigen Behörden. Nach § 21a Abs. 2 Satz 2 ChemG können sie die Stoffe, Gemische und Erzeugnisse sowie deren Beförderungs- und Verpackungsmittel auf Kosten und Gefahr des Verfügungsberechtigten zurückweisen oder bis zur Behebung der festgestellten Mängel oder bis zur Entscheidung der zuständigen Behörde sicherstellen.

  14. (2) Der Senat hat für den Bereich der Arzneimittelüberwachung, in dem für die Überwachung der Ein- und Ausfuhren dieselbe Aufgabenverteilung zwischen der Fachbehörde einerseits und den Zolldienststellen andererseits wie bei der Chemikalienüberwachung besteht, entschieden, dass die Zolldienststellen aufgrund ihrer bloßen "Mitwirkung" selbst keine Überwachungsbehörden sind (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 22).

  15. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und folgert, dass dasselbe für Überwachungsaufgaben im Anwendungsbereich des Chemikaliengesetzes gilt, da die Zolldienststellen nach § 21a Abs. 1 Satz 1 ChemG ebenfalls bloß "mitwirken". Die Zolldienststellen sind daher nicht berechtigt, chemikalienrechtliche Sachverhalte eigenständig zu beurteilen und andere Entscheidungen als die zuständige Fachbehörde für Chemikalienrecht zu treffen (vgl. Brandenburg/Kock in Dorsch, Zollrecht, Art. 134 UZK Rz 97). An die Entscheidung der zuständigen Fachbehörde für Chemikalienrecht als Überwachungsbehörde sind die Zolldienststellen gebunden; das gilt jedenfalls dann, wenn diese Entscheidung nicht offensichtlich rechtswidrig ist (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 23).

  16. (3) Im Streitfall ergab sich die sachliche Zuständigkeit der Fachbehörde Y für die Beurteilung chemikalienrechtlicher Sachverhalte aus der einschlägigen Landesverordnung (…). Hiernach ist zuständig für die Ausführung des Chemikaliengesetzes und von Verordnungen der Europäischen Union, soweit diese Sachbereiche des Chemikaliengesetzes betreffen, die Fachbehörde Y. Die örtliche Zuständigkeit der Fachbehörde Y folgt aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, da die Klägerin die streitgegenständlichen Waren bei einem im Bezirk der Fachbehörde Y belegenen HZA angemeldet hat.

  17. cc) Für das finanzgerichtliche Verfahren folgt daraus, dass in diesem, soweit die zuständige Fachbehörde eingeschaltet worden ist, nur über die Rechtmäßigkeit des Handelns der Zollbehörden im Zusammenhang mit der Überwachung der Einfuhr zu entscheiden ist. Die Überprüfungsbefugnis des FG reicht dabei nur so weit, wie den Zollbehörden eine eigene Entscheidungsbefugnis zukommt. Die Entscheidung der zuständigen Fachbehörde unterliegt dementsprechend im Bereich der Verbote und Beschränkungen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG nicht der gerichtlichen Kontrolle durch die Finanzgerichte (vgl. Brandenburg/Kock in Dorsch, Zollrecht, Art. 134 UZK Rz 97.1). Der Senat hält an seiner diesbezüglich für die Arzneimittelüberwachung entwickelten Rechtsprechung (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 28) fest und wendet sie ebenfalls im Bereich der Chemikalienüberwachung an.

  18. Wie der Senat bereits im Zusammenhang mit der Arzneimittelüberwachung ausgeführt hat, stehen weder die Sachaufklärungspflicht des Gerichts gemäß § 76 Abs. 1 FGO noch seine Vorfragenkompetenz gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 155 FGO noch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes der nur eingeschränkten Prüfungskompetenz des FG entgegen (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 29). Hierzu wird auf die Ausführungen in Rz 30 bis 45 des zitierten Senatsurteils vom 17.05.2022 - VII R 4/19 (BFHE 278, 281) verwiesen.

  19. Im Streitfall unterliegt die Entscheidung der Fachbehörde Y, dass es sich bei den streitgegenständlichen … Dosen mit "R134a" um ein "technisches Aerosol" im Sinne von Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 handelt, daher nicht der gerichtlichen Kontrolle durch das FG oder den BFH. Diese Folge steht nach der Senatsrechtsprechung lediglich unter dem Vorbehalt der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Entscheidung der zuständigen Fachbehörde (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 23, 35 und 48).

  20. dd) Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, der Entscheidung der Fachbehörde Y als zuständiger Fachbehörde für Chemikalienrecht komme keine Tatbestands- oder Feststellungswirkung zu, weil es an dem für eine Bindung erforderlichen Verwaltungsakt der Fachbehörde Y fehle, da die Fachbehörde lediglich eine Einschätzung ohne Regelungsgehalt und ohne Rechtswirkung nach außen abgegeben habe. Denn der Senat hat in seiner Rechtsprechung die Tatbestands- beziehungsweise Feststellungswirkung von Hoheitsakten anderer Behörden nicht nur aus Verwaltungsakten einer anderen Behörde sowie judiziellen Akten eines anderen Gerichts ("Tatbestandswirkung"), sondern auch aus tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen einer ressortfremden Behörde ("Feststellungswirkung") abgeleitet (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 35). Auch hinsichtlich der Bindungswirkung besteht lediglich die Einschränkung einer offensichtlich rechtswidrigen fachbehördlichen Entscheidung (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 23, 35 und 48). Anders als die Klägerin meint, ist für eine Bindung also nicht stets ein Verwaltungsakt erforderlich.

  21. Ebenso trifft der Einwand der Klägerin hinsichtlich einer Rechtsschutzlosigkeit nicht zu. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Kläger, der gegen die Entscheidung der zuständigen Fachbehörde als Überwachungsbehörde vorgehen möchte, den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑‑VwGO‑‑) beschreiten muss (Senatsurteil vom 17.05.2022 - VII R 4/19, BFHE 278, 281, Rz 44 und 48; ebenso Brandenburg/Kock in Dorsch, Zollrecht, Art. 134 UZK Rz 97.1; Schoenfeld in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, Art. 134 UZK Rz 49). Der Verwaltungsrechtsweg ist dabei nicht auf die Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte beschränkt, sondern umfasst in §§ 42, 43 VwGO weitere Klagearten. Auch in dem der Senatsentscheidung vom 17.05.2022 - VII R 4/19 (BFHE 278, 218) zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die zuständige Fachbehörde ‑‑ebenso wie im Streitfall‑‑ nicht durch Verwaltungsakt entschieden.

  22. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Finanzrechtsweg im Streitfall auch nicht durch die finanzgerichtliche Vorentscheidung gemäß § 17a Abs. 5 GVG verbindlich festgelegt. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese Festlegung bezieht sich jedoch lediglich auf den streitgegenständlichen Bescheid des HZA vom 29.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021. Der Rechtsweg gegen die Entscheidung einer anderen Behörde, hier der zuständigen Fachbehörde als Überwachungsbehörde, ist davon nicht betroffen.

  23. c) Die Entscheidung der Fachbehörde Y ist nicht offensichtlich rechtswidrig.

  24. aa) Die Einordnung der streitgegenständlichen Dosen mit "R134a" als "technisches Aerosol" im Sinne von Anh. III Nr. 17 VO 517/2014 erscheint nicht deshalb als offensichtlich rechtswidrig, weil der Inhalt der Dosen über einen Füllkopf in ein anderes Gefäß abgegeben wird. Die Klägerin kann nicht mit Erfolg einwenden, der Wortlaut des Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 in der deutschen Sprachfassung verlange einen "Zerstäuber", welcher hier nicht vorliege.

  25. "Technisches Aerosol" ist gemäß Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 ein Aerosolzerstäuber, der bei der Instandhaltung, Reparatur, Reinigung, Prüfung, Desinsektion und Herstellung von Erzeugnissen und Einrichtungen, der Installation von Einrichtungen und anderen Anwendungen verwendet wird.

  26. (1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den übrigen Sprachfassungen beanspruchen. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen nämlich im Lichte der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH-Urteile Combinova vom 08.10.2020 - C-476/19, EU:C:2020:802, Rz 31; Bundesagentur für Arbeit vom 23.01.2020 - C-29/19, EU:C:2020:36, Rz 48; Grupo Itevelesa u.a. vom 15.10.2015 - C-168/14, EU:C:2015:685, Rz 42 und Kurcums Metal vom 15.11.2012 - C-558/11, EU:C:2012:721, Rz 48). Bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift sind somit nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. EuGH-Urteile Finanzamt T (Leistungen einer Mehrwertsteuergruppe) vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944, Rz 35 und Airhelp (Verspätung des Alternativflugs) vom 24.02.2022 - C-451/20, EU:C:2022:123, Rz 22).

  27. Ebenso folgt nach der Rechtsprechung des Senats aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Senatsurteil vom 17.10.2023 - VII R 53/20, Rz 27, mit Verweis auf EuGH-Urteil Finanzamt T (Leistungen einer Mehrwertsteuergruppe) vom 01.12.2022 - C-269/20, EU:C:2022:944, Rz 35 ff.; Senatsbeschlüsse vom 30.03.2015 - VII B 117/14, Rz 4 und vom 10.03.2011 - VII B 133/10, Rz 7, jeweils mit Verweis auf EuGH-Urteil UGT-FSP vom 29.07.2010 - C-151/09, EU:C:2010:452, Rz 38).

  28. (2) Die verschiedenen Sprachfassungen des Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 weichen voneinander ab.

  29. In der englischen Sprachfassung lautet die Vorschrift: "'technical aerosol' means an aerosol dispenser used in maintaining, repairing, cleaning, testing, disinsecting and manufacturing products and equipment, installing equipment, and in other applications". "Dispenser" entspricht dem deutschen Begriff "Spender". "Aerosol dispenser" kann ‑‑neben "Aerosolspender"‑‑ auch als "Aerosolpackung" übersetzt werden. Die Notwendigkeit einer Abgabe des Stoffes in zerstäubter Form ‑‑wie in der deutschen Sprachfassung‑‑ ist der englischen Sprachfassung folglich nicht zu entnehmen.

  30. In der französischen Sprachfassung lautet die Vorschrift: "«aérosol technique», un générateur d’aérosol utilisé pour la maintenance, la réparation, le nettoyage, le contrôle, la désinsectisation et la fabrication de produits et d’équipements, l’installation d’équipements, et pour d’autres applications". "Générateur" entspricht dem deutschen Begriff "Erzeuger" oder "Generator". Auch mit dieser Sprachfassung ist die Notwendigkeit einer Abgabe des Stoffes in zerstäubter Form nicht verbunden.

  31. (3) Da die verschiedenen Sprachfassungen des Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 voneinander abweichen, müssen sie nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH und des Senats nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Zwar ergeben sich aus Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 keine Anhaltspunkte, wie der Wortlaut auszulegen ist, da Art. 2 VO 517/2014 nur eine Auflistung von Begriffsbestimmungen und Definitionen ohne erkennbare Systematik enthält. Aus dem Zweck dieser Verordnung ergibt sich jedoch die Notwendigkeit einer weiten Auslegung des Wortlauts.

  32. Denn nach Art. 1 Satz 1 VO 517/2014 ist das Ziel dieser Verordnung der Umweltschutz durch Minderung der Emissionen von fluorierten Treibhausgasen. Nach dem Erwägungsgrund 2 VO 517/2014 sollen Nicht-CO2-Emissionen, einschließlich fluorierter Treibhausgase, aber ohne Nicht-CO2-Emissionen der Landwirtschaft, bis 2030 um 72 bis 73 % und bis 2050 um 70 bis 78 % gegenüber den Werten von 1990 verringert werden. Um das Ziel des Umweltschutzes durch Minderung der Emissionen von fluorierten Treibhausgasen zu fördern, sind die verschiedenen Sprachfassungen so anzuwenden, dass diejenige Fassung zugrunde gelegt wird, die das Ziel des Umweltschutzes und der Verminderung von Emissionen fluorierter Treibhausgase am ehesten erreicht. Diesem Ziel wird die englische Sprachfassung gerecht, die alle Aerosolpackungen und die Abgabe von Aerosol durch einen "Spender" erfasst. Eine Einschränkung der Auslegung und Anwendung der Verordnung auf "Zerstäuber" wäre weniger geeignet, das beschriebene Ziel zu erreichen. Auch die französische Sprachfassung lässt eine solche Einschränkung auf einen "Zerstäuber" nicht erkennen. Entsprechend dieser Sprachfassungen genügt ‑‑wie im Streitfall‑‑ die Abgabe des Gases zum Beispiel über einen Füllkopf, ohne dass es sich um einen "Zerstäuber" handeln muss.

  33. bb) Die Einordnung der streitgegenständlichen Dosen als "technisches Aerosol" erscheint auch nicht deshalb als offensichtlich rechtswidrig, weil das Gasfüller-Produkt reines "R134a" und keine anderen Stoffe enthält.

  34. (1) Zwar umfasst die sprachliche Bedeutung des Wortes "Aerosol" ‑‑nach der Bedeutung im Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/Aerosol)‑‑ die feinste Verteilung schwebender fester oder flüssiger Stoffe in Gasen, besonders in der Luft (zum Beispiel Rauch, Nebel). Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG enthielten die streitgegenständlichen Dosen aber ausschließlich "R134a". Dieser Inhalt wurde weder innerhalb der Dosen noch bei der vorgesehenen Befüllung von Heizungsanlagen in der Luft oder in anderen Gasen verteilt.

  35. (2) Hieraus folgt ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ aber nicht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Dosen mit "R134a" offensichtlich nicht um ein "technisches Aerosol" handeln könnte.

  36. Denn ein "technisches Aerosol" wird ‑‑wie beschrieben‑‑ nach der englischen Sprachfassung des Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 im Kern definiert als "aerosol dispenser", in deutscher Übersetzung also als "Aerosolpackung". Für den Begriff der "Aerosolpackung" enthalten wiederum andere Vorschriften des Unionsrechts eine Definition. Diese kann, zumindest soweit ihr Geltungsbereich nicht ausdrücklich beschränkt ist, wegen der notwendigen einheitlichen Auslegung für die Begriffsbestimmung der "Aerosolpackung" herangezogen werden.

  37. Zur Bestimmung des Begriffs der "Aerosolpackung" ist allerdings nicht, wie das FG meinte, auf die Definition in Art. 2 der Richtlinie 75/324/EWG zurückzugreifen. Diese Vorschrift enthält ausdrücklich nur eine Definition für den Begriff der "Aerosolpackung im Sinne dieser Richtlinie" und ist mithin nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsakte übertragbar. Für den Begriff der "Aerosolpackung" existiert aber eine Definition in Anh. I Nr. 2.3.1. VO 1272/2008. In der englischen Sprachfassung handelt es sich um eine Definition für den Begriff "aerosol dispenser". Daraus ist zu schließen, dass die Definitionen in Art. 2 Abs. 28 VO 517/2014 und in Anh. I Nr. 2.3.1. VO 1272/2008 denselben Begriff, nämlich (englisch) "aerosol dispenser" und (deutsch) "Aerosolpackung" betreffen.

  38. Nach Anh. I Nr. 2.3.1. VO 1272/2008 sind Aerosolpackungen alle nicht nachfüllbaren Behälter aus Metall, Glas oder Kunststoff, einschließlich des darin enthaltenen verdichteten, verflüssigten oder unter Druck gelösten Gases mit oder ohne Flüssigkeit, Paste oder Pulver, die mit einer Entnahmevorrichtung versehen sind, die es ermöglicht, ihren Inhalt in Form von in Gas suspendierten festen oder flüssigen Partikeln als Schaum, Paste, Pulver oder in flüssigem oder gasförmigem Zustand austreten zu lassen. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt es nach dem Wortlaut des Anh. I Nr. 2.3.1. VO 1272/2008 also, wenn die Entnahmevorrichtung einen Austritt des Inhalts in "gasförmigem Zustand" ermöglicht. Dies war nach den bindenden Feststellungen des FG im Streitfall der Fall.

  39. 2. Hinsichtlich der Überlassung der streitgegenständlichen Waren zum zollrechtlich freien Verkehr entspricht die Vorentscheidung ebenfalls Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat es zu Recht abgelehnt, das HZA zu verpflichten, die streitgegenständlichen Dosen mit dem Inhalt "R134a" zum zollrechtlich freien Verkehr zu überlassen.

  40. Gemäß Art. 194 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK werden, sofern die Voraussetzungen für die Überführung der Waren in das betreffende Verfahren erfüllt sind und sofern etwaige Beschränkungen angewandt wurden und für die Waren keine Verbote gelten, die Waren von den Zollbehörden überlassen, sobald die Angaben in der Zollanmeldung überprüft wurden oder ohne Überprüfung angenommen wurden.

  41. Wie unter II.1. beschrieben besteht im Streitfall ein Inverkehrbringungsverbot gemäß Art. 11 Abs. 1 i.V.m. Anh. III Nr. 17 VO 517/2014. Hierbei handelt es sich um ein Verbot im Sinne des Art. 194 Abs. 1 Unterabs. 1 UZK.

  42. 3. Der Hilfsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 29.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021 ist unzulässig. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist nicht statthaft.

  43. Hat sich der Verwaltungsakt im Verlauf des Klageverfahrens erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Tritt die Erledigung im Revisionsverfahren ein, steht dies dem Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage nicht entgegen (Senatsurteil vom 19.10.2021 - VII R 7/18, BFHE 276, 189, Rz 20).

  44. Im Streitfall ist keine Erledigung eingetreten. Die Wirkung des angefochtenen Bescheids vom 29.04.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2021, mit dem es das HZA ablehnte, die Zollanmeldung vom 29.04.2021 anzunehmen und die Waren zum zollrechtlich freien Verkehr zu überlassen, besteht fort. Die Klägerin ist weiterhin an einer Einfuhr gehindert. Andere Umstände, die zu einer Erledigung führen können ‑‑etwa eine Wiederausfuhr wie im Senatsurteil vom 19.10.2021 - VII R 7/18 (BFHE 276, 189, Rz 21)‑‑, sind im Streitfall nicht eingetreten.

  45. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Seite drucken