ECLI:DE:BFH:2024:U.011024.VIIIR4.21.0
BFH VIII. Senat
EStG § 20 Abs 1 Nr 1 S 2, EStG § 8 Abs 2, AO § 90 Abs 2, EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011 , EStG VZ 2012
vorgehend Hessisches Finanzgericht , 14. Dezember 2020, Az: 9 K 1266/17
Leitsätze
1. NV: Die bloß tatsächliche Möglichkeit des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft, ein betriebliches Wirtschaftsgut der Kapitalgesellschaft (hier: Wohnimmobilie) auch privat nutzen zu können (hier: zu Wohnzwecken), führt für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).
2. NV: Eine vGA kann aber anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein betriebliches Wirtschaftsgut unentgeltlich oder verbilligt auch zur privaten Nutzung überlassen hat (Zuwendung).
3. NV: Eine vGA kann auch vorliegen, wenn der Gesellschafter das betriebliche Wirtschaftsgut ohne Nutzungsvereinbarung oder entgegen einem Nutzungsverbot privat nutzt und sich so zulasten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft, der ihm von der Gesellschaft nicht zugewendet worden ist.
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 14.12.2020 - 9 K 1266/17 aufgehoben.
Die Klage der Klägerin wird als unzulässig abgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache an das Hessische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) im Zusammenhang mit der Nutzung einer spanischen Immobilie.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Jahren 2010 bis 2012 (Streitjahre) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Bis 2007 lebten die Kläger mit ihren Kindern in A (Spanien). Die Immobilie bestand nach Angaben der Kläger aus drei Teilen. Ein Teil stand im Eigentum des Klägers. Die beiden anderen Teile gehörten jeweils zwei spanischen Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der Sociedad de responsabilidad limitada (S.L.), der B S.L. und der C S.L. An diesen Gesellschaften waren die Kläger jeweils zur Hälfte beteiligt. Die Kläger zahlten an die beiden Kapitalgesellschaften jeweils eine Miete in Höhe von monatlich 1.000 €. Im Jahr 2007 verlegten die Kläger ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und stellten die Mietzahlungen ein. In welchem Umfang und aus welchen Gründen die Kläger die Immobilie danach selbst nutzten, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Eingeräumt haben die Kläger gelegentliche Besuche (circa zwei Mal pro Quartal) von wenigen Tagen Dauer, die dazu gedient hätten, die seit ihrem Umzug nach Deutschland zum Verkauf stehende Immobilie für Besichtigungen vorzubereiten und den Zustand zu überwachen. Dafür haben die Kläger im Wesentlichen einen Maklervertrag aus dem Jahr 2008, zwei E-Mails des Maklerunternehmens aus 2008 und 2013 sowie drei Flugtickets über Aufenthalte in A vom 29.07. bis 01.08.2009, vom 08.03. bis 11.03.2010 und vom 27.05. bis 29.05.2013 vorgelegt.
Im Jahr 2013 veräußerten die Kläger die Immobilie. Soweit sie im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stand, veräußerten die Kläger die Gesellschaftsanteile.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) rechnete in den Einkommensteuerbescheiden der Kläger für die Streitjahre eine vGA in Höhe einer marktüblichen Miete von jeweils 42.000 € (3.500 € x 12 Monate) hinzu. Für das Streitjahr 2010 wurde die vGA vom FA aufgrund eines Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem persönlichen Steuersatz und in den Streitjahren 2011 und 2012 mit dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG besteuert. Auf den dagegen erhobenen Einspruch des Klägers vom 18.01.2016 zog das FA die Klägerin zum Einspruchsverfahren des Klägers hinzu und wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 12.06.2017 als unbegründet zurück.
Dagegen haben sowohl der Kläger als auch die Klägerin Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin als unzulässig abgewiesen und der Klage des Klägers teilweise stattgegeben. Zwar habe das FA in den Streitjahren 2011 und 2012 (wie auch im Streitjahr 2010) zu Recht eine vGA in der veranlagten Höhe angesetzt, sie jedoch in den Streitjahren 2011 und 2012 zu Unrecht dem gesonderten Tarif unterworfen. Die Begründung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 377 wiedergegeben.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verfahrensmängel und Verstöße gegen materielles Bundesrecht.
Das FG habe den Sachvortrag der Kläger, dass eine (kurzfristige) Vermietung der Immobilie an Dritte gegen das in A geltende Recht verstoßen hätte, nicht berücksichtigt und dadurch gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Das FG habe außerdem die Klage der Klägerin zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Soweit das FG die Klage des Klägers abgewiesen habe, verstoße das angefochtene Urteil gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Es liege keine vGA vor. Die Kläger hätten die Immobilie, soweit sie im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stand, in den Streitjahren nur im Interesse der Kapitalgesellschaften genutzt. Die bloße Möglichkeit, die seit ihrem Auszug leerstehende Immobilie auch privat nutzen zu können, reiche für die Annahme einer vGA nicht aus. Die Annahme einer vGA verstoße auch gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Hessischen FG vom 14.12.2020 - 9 K 1266/17 aufzuheben sowie die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2010, 2011 und 2012 vom 01.03.2021 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer ohne die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus der streitigen vGA festgesetzt wird.Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 01.03.2021 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erlassen und für 2011 und 2012 die vGA der tariflichen Einkommensteuer unterworfen. Dabei ergab sich keine Auswirkung auf die Steuerfestsetzung von jeweils 0 € wegen höherer Verlustabzüge in beiden Jahren.
Die spanische Finanzverwaltung hat keine der vGA entsprechenden Korrekturen auf Ebene der Kapitalgesellschaften für die Streitjahre durchgeführt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Die Klage der Klägerin wird als unzulässig abgewiesen. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Rechtsfehlerhaft ist das FG davon ausgegangen, dass allein die tatsächliche Möglichkeit, die im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stehende(n) Immobilie(n) jederzeit auch privat nutzen zu können, für die Annahme einer vGA ausreicht. Auf der Grundlage der bisher vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob eine vGA vorliegt und wie sie gegebenenfalls zu bewerten wäre.
1. Die Vorentscheidung ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, denn das FG hat über mittlerweile nicht mehr wirksame Bescheide entschieden. Das FA hat die streitigen Einkommensteuerbescheide mit Bescheiden vom 01.03.2021 geändert. Damit liegen dem FG-Urteil in ihrer Wirkung suspendierte Bescheide zugrunde, mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (vgl. Senatsurteil vom 12.09.2007 - VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37, unter II., m.w.N.).
Der Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO bedarf es nicht. Die Bescheide vom 01.03.2021 sind nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (vgl. Senatsurteil vom 12.09.2007 - VIII R 38/04, BFH/NV 2008, 37, unter II., m.w.N.). Das Streitprogramm ist unverändert. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden deshalb nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (vgl. BFH-Urteil vom 26.05.2020 - VII R 58/18, BFHE 268, 70, Rz 14, m.w.N.).
Insbesondere hat das FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Das FG hat die Behauptung des Klägers, dass eine (kurzfristige) Vermietung der Immobilie(n) an Dritte nach in A geltendem Recht nicht erlaubt gewesen wäre, weder übergangen noch in diesem Zusammenhang seine gerichtlichen Hinweispflichten verletzt. Vielmehr lassen die Ausführungen des FG, dass es sich bei den vom Kläger vorgebrachten Einwänden nicht um absolute rechtliche Hindernisse handele und dass diese nicht nachgewiesen seien, erkennen, dass das FG den Vortrag des Klägers zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Im Übrigen hat der Senat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
2. Die Klage der Klägerin ist unzulässig. Es fehlt an einem erfolglos durchgeführten außergerichtlichen Vorverfahren (vgl. § 44 Abs. 1 FGO).
a) Die Klägerin hat gegen die ursprünglichen Steuerbescheide für die Streitjahre keine Einsprüche eingelegt. Die Steuerbescheide sind gegenüber der Klägerin daher formell bestandskräftig geworden. Die formelle Bestandskraft hindert daran, in die Sachprüfung der Klage einzutreten (vgl. BFH-Urteil vom 28.02.1990 - I R 156/86, BFHE 160, 123, BStBl II 1990, 696, unter II.A.1.a).
Ein Einspruch der Klägerin ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass der Kläger die Steuerbescheide der Streitjahre bei Zusammenveranlagung mit dem Einspruch angefochten hat (vgl. BFH-Urteil vom 28.02.1990 - I R 165/85, BFH/NV 1991, 75, unter II.B.2.a, m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift hinreichend klar ergeben, wer die Verwaltungsentscheidung angreift. Bei Zusammenveranlagung muss auch feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheids begehrt. Dabei hat ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs. Unerheblich ist, ob der Kläger Vollmacht hatte, für die Klägerin Einsprüche einzulegen. Erforderlich ist jedenfalls, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bei Abgabe der Willenserklärung unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein (Handeln in fremdem Namen; vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2006 - X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl II 2007, 823, unter B.I.1., m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom 27.11.1984 - VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296, unter I.1.c; BFH-Urteil vom 30.10.1997 - III R 27/93, BFH/NV 1998, 942, unter 1.).
Das ist hier nicht der Fall. Aus dem Einspruchsschreiben vom 18.01.2016 geht nicht hervor, dass der Kläger den Einspruch auch für die Klägerin einlegen wollte. Der Kopf des Schreibens, die Ich-Form sowie die Namensangabe unter dem Schreiben sprechen im Gegenteil dafür, dass der (im Übrigen fachkundige) Kläger den Einspruch nur für sich eingelegt hat (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.1984 - VIII R 73/82, BFHE 143, 32, BStBl II 1985, 296).
b) Die Zulässigkeit der Klage der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin vom FA zum Einspruchsverfahren des Klägers hinzugezogen worden ist.
Die Hinzuziehung begründet nicht die Klagebefugnis des Hinzugezogenen. Dafür genügt insbesondere nicht, dass dem Einspruchsbegehren des Hauptbeteiligten nicht entsprochen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.2015 - II R 1/14, BFHE 248, 525, BStBl II 2015, 595, Rz 17, m.w.N.). Sieht die Finanzbehörde den angefochtenen Steuerbescheid als rechtmäßig an und weist sie daher den Einspruch des Hauptbeteiligten als unbegründet zurück, beschwert die Einspruchsentscheidung den hinzugezogenen Dritten materiell-rechtlich nicht. Die Beschwer des Hinzugezogenen im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO muss sich aus der Einspruchsentscheidung selbst ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.2015 - II R 1/14, BFHE 248, 525, BStBl II 2015, 595, Rz 19).
Daran gemessen kann die Klägerin eine eigene Rechtsverletzung nicht mit Erfolg geltend machen. Das FA hat lediglich den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Daraus ergibt sich weder eine formelle noch eine materiell-rechtliche eigene Beschwer der Klägerin.
3. Die Revision des Klägers ist auch in der Sache begründet. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass eine vGA anzusetzen ist.
a) Die Klage des Klägers ist zulässig. Dies gilt auch, soweit sie sich gegen die während des Revisionsverfahrens geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2011 und 2012 richtet. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlt insbesondere nicht deshalb, weil sich die nun dem allgemeinen Steuertarif unterworfene vGA in beiden Jahren auf die Höhe der festgesetzten Steuer von 0 € nicht ausgewirkt habe. Wegen der inhaltlichen Bindungswirkung der im Steuerbescheid zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG) ist der Kläger auch durch eine Steuerfestsetzung auf 0 € beschwert (vgl. Senatsurteil vom 09.05.2017 - VIII R 40/15, BFHE 258, 335, BStBl II 2017, 1049).
b) Die Revision des Klägers ist auch in der Sache begründet. Rechtsfehlerhaft ist das FG davon ausgegangen, dass allein die tatsächliche Möglichkeit, die im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stehende(n) Immobilie(n) jederzeit privat nutzen zu können, für die Annahme einer vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausreiche. Die Annahme einer vGA scheidet derzeit mangels anderweitiger tatsächlicher Feststellungen, die diese Würdigung tragen könnten, aus.
aa) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die Beteiligung an einer spanischen S.L. der Beteiligung an einer GmbH nach deutschem Recht vergleichbar ist. Ob und in welcher Höhe eine vGA vorliegt, ist auf der Gesellschaftsebene einerseits und der Gesellschafterebene andererseits jeweils eigenständig zu entscheiden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 16.12.2014 - VIII R 30/12, BFHE 248, 325, BStBl II 2015, 858, Rz 42, m.w.N.).
bb) Eine vGA im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt beim Gesellschafter vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 14.02.2022 - VIII R 29/18, BFHE 276, 49, BStBl II 2022, 544, Rz 12; vom 10.12.2019 - VIII R 2/17, BFHE 267, 361, BStBl II 2020, 679, Rz 24). Dafür bedarf es bei der Kapitalgesellschaft weder der Absicht, den Gewinn verdeckt auszuschütten noch des Bewusstseins, dass Gewinn verdeckt ausgeschüttet wird (vgl. Senatsurteil vom 28.01.1992 - VIII R 207/85, BFHE 167, 90, BStBl II 1992, 605, unter 1.f, m.w.N.).
(1) Ein Vermögensvorteil liegt beim Gesellschafter vor, wenn dieser über ein bestimmtes, messbares Gut in Geld oder Geldwert verfügen kann (§ 8 Abs. 1 EStG; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, BFHE 207, 103, unter II.2.b cc aaa [Rz 25]). Eine vGA ist beim Gesellschafter zu erfassen, sobald ihm der Vermögensvorteil zufließt (vgl. Senatsurteil vom 19.06.2007 - VIII R 54/05, BFHE 218, 244, BStBl II 2007, 830, unter II.1.).
(2) Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer den Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 05.09.2023 - VIII R 2/20, BFH/NV 2024, 9, Rz 17, m.w.N.).
(3) Die bloß tatsächliche Möglichkeit, auf ein betriebliches Wirtschaftsgut der Kapitalgesellschaft zugreifen zu können, um dieses auch privat zu nutzen, führt für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer vGA. Dem entspricht die bisherige Rechtsprechung zur vGA, die an einen tatsächlichen Nutzungsvorteil anknüpft (vgl. beispielsweise zur privaten Nutzung eines Betriebs-Personenkraftwagens ohne entsprechende Gestattung BFH-Urteil vom 17.07.2008 - I R 83/07, BFH/NV 2009, 417; zur privaten Nutzung eines Flugzeugs BFH-Urteil vom 22.12.2010 - I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019, Rz 18). Andernfalls müssten Kapitalgesellschaften vorsorglich Nutzungsverbote gegenüber ihren Gesellschaftern aussprechen, um eine vGA zu vermeiden. Einem Nutzungsverbot eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen sich selbst käme allerdings nur ein geringer Beweiswert zu. In letzter Konsequenz müsste ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ein Nutzungsentgelt an die Gesellschaft entrichten, um die Annahme einer vGA abzuwenden, obwohl eine private Nutzung tatsächlich nicht stattfindet.
(4) Eine vGA kann aber anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein betriebliches Wirtschaftsgut (unentgeltlich oder verbilligt) auch zur privaten Nutzung überlassen hat (Zuwendung). Dann liegt der Vorteil des Gesellschafters bereits in der Möglichkeit der privaten Nutzung; einer tatsächlichen Nutzung bedarf es nicht. In diesem Zusammenhang hat der BFH bereits entschieden, dass die unentgeltliche, ganzjährige Nutzungsüberlassung einer spanischen (Ferien-)Immobilie beim nutzungsberechtigten Gesellschafter zu einer vGA nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG führen kann (BFH-Urteil vom 12.06.2013 - I R 109-111/10, BFHE 241, 549, BStBl II 2013, 1024, Rz 12 f.). In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte eine spanische S.L. ihren in Deutschland ansässigen Gesellschaftern eine in Spanien belegene (Ferien-)Immobilie ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen. Die Gesellschafter bewohnten die Immobilie bei verschiedenen Aufenthalten. Ein Entgelt mussten sie dafür nicht entrichten. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Die Kapitalgesellschaft verzichtete dadurch gegenüber ihren Gesellschaftern auf eine Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte für die dauerhafte Überlassung der Immobilie zur Nutzung. Dies führte bei den Gesellschaftern zu entsprechenden Kapitaleinkünften (vgl. BFH-Urteil vom 12.06.2013 - I R 109-111/10, BFHE 241, 549, BStBl II 2013, 1024, Rz 13).
(5) Eine vGA kann auch vorliegen, wenn der Gesellschafter das betriebliche Wirtschaftsgut ohne Nutzungsvereinbarung oder entgegen einem Nutzungsverbot privat nutzt und sich so zulasten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft, der ihm von der Gesellschaft nicht zugewendet worden ist. Der Vorteil des Gesellschafters liegt dann in der tatsächlichen privaten Nutzung, für die ein (angemessenes) Entgelt nicht entrichtet worden ist. Dem entspricht auf Ebene der Kapitalgesellschaft eine verhinderte Vermögensmehrung in Gestalt der für die tatsächliche Nutzung entstandenen Ansprüche gegen den Gesellschafter. In einem solchen Fall muss die Nutzung zu privaten Zwecken festgestellt werden.
cc) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Gemessen an den dargestellten Grundsätzen erweist sich das angefochtene Urteil als rechtsfehlerhaft.
(1) Das FG hat ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die Kläger die Immobilie(n) der spanischen Kapitalgesellschaften in den Streitjahren auch zu privaten Zwecken genutzt hätten, weil sie jederzeit die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Das genüge für die Annahme einer vGA. Wie dargelegt, reicht die bloße Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf die Immobilie ohne eine tatsächliche Nutzung für sich genommen jedoch nicht aus, um einen sonstigen Bezug (hier: vGA) in Gestalt eines Nutzungsvorteils beim Gesellschafter annehmen zu können.
(2) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil des FG. Denn das FG hat im Übrigen noch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um eine Zuwendung in Form einer (fortdauernden) Nutzungsüberlassung seitens der spanischen Kapitalgesellschaften oder eine tatsächliche private Nutzung der den Kapitalgesellschaften gehörenden Teile der Immobilie durch die Kläger annehmen zu können. Wenn das FG den (schlüssigen) Vortrag des Klägers, die Immobilie sei seit dem Umzug der Familie nach Deutschland nur noch zu Verkaufszwecken aufgesucht worden, mit der Begründung abtut, die Kläger hätten für ihren Vortrag keine ausreichenden Beweise geliefert, ergibt sich daraus weder, worauf das FG seine Zweifel an der Richtigkeit des klägerischen Vortrags stützt noch, welchen Sachverhalt es seiner Entscheidung stattdessen zugrunde gelegt hat.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG kann der Senat derzeit nicht abschließend beurteilen, ob eine vGA anzunehmen ist und wie sie gegebenenfalls zu bewerten wäre.
a) Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein Gesellschafter einer Eigentümer-Kapitalgesellschaft, der eine in A gelegene Immobilie zum Zweck des Verkaufs der Immobilie aufsucht, diese Immobilie auch privat nutzt, weil er jederzeit tatsächlich auf sie zugreifen könnte. Ob die Kläger die Immobilie in den Streitjahren tatsächlich auch privat genutzt haben, muss letztlich indiziell beurteilt werden. Es kommt darauf an, ob die Umstände des Einzelfalls eine solche Nutzung hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. Dazu bedarf es der Feststellung tatsächlicher Anhaltspunkte (sogenannte Indiztatsachen), die einen hinreichend sicheren Schluss auf die Haupttatsache erlauben.
b) Insofern fehlen vor allem tatsächliche Feststellungen zu Größe, Lage und Ausstattung der Immobilie in den Streitjahren. Im Hinblick auf die Annahme des FG, dass die Immobilie aus drei Teilen bestand, ist schon nicht nachvollziehbar, in welchem Verhältnis die Teile der Immobilie zueinander standen, ob sie alle bewohnbar waren, ob sie, wie der Kläger behauptet, (durch Umbau) ein großes Ganzes bildeten und ob sie von der Familie des Klägers bis zu deren Umzug nach Deutschland auch tatsächlich bewohnt wurden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob die Vielheit an Eigentümern ‑‑wie nach deutschem Sachenrecht‑‑ nicht auch nach spanischem Recht voraussetzt, dass es sich (nach wie vor) um abgeschlossene Wohneinheiten handelt. Für die Annahme einer vGA bedürfte es dann belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte, dass gerade die im Eigentum der spanischen Kapitalgesellschaften stehenden Teile der Immobilie vom Kläger oder seiner Ehefrau in den Streitjahren anlässlich der kurzen Aufenthalte in A (tatsächlich) auch zu privaten Zwecken genutzt worden sind. Dazu gehört auch die Feststellung, ob diese Teile der Immobilie nach dem Umzug der Familie nach Deutschland noch möbliert und jederzeit bewohnbar waren.
c) Entsprechende Feststellungen wären möglicherweise auch für die Bewertung einer vGA gemäß § 8 Abs. 2 EStG erforderlich. Gelangt das FG erneut zu der Überzeugung, dass von einer dauerhaften Nutzungsüberlassung auszugehen ist, bemisst sich die anzusetzende vGA nach der Kostenmiete einschließlich einer angemessenen Kapitalverzinsung und zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags (vgl. BFH-Urteil vom 27.07.2016 - I R 12/15, BFHE 255, 39, BStBl II 2017, 217). Diese Entscheidung ist zwar zur Bewertung der vGA auf Gesellschaftsebene gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ergangen. Für die Bewertung der vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG beim Gesellschafter kann jedoch nichts anderes gelten. Sollte sich dagegen herausstellen, dass eine dauerhafte Nutzungsüberlassung nicht anzunehmen ist, sondern dass die vGA nur in der tageweisen tatsächlichen Nutzung der Immobilie gesehen werden kann, ergeben sich die Maßstäbe zur Bewertung der vGA aus dem BFH-Urteil vom 22.12.2010 - I R 47/10 (BFH/NV 2011, 1019, Rz 10 ff.). Maßgeblich ist dann in der Regel der gemeine Wert der Leistung einschließlich eines angemessenen Gewinnaufschlags.
d) Das FG wird im zweiten Rechtsgang die noch fehlenden Feststellungen zur Art und Beschaffenheit der Immobilie, zum zeitlichen Umfang der Aufenthalte der Kläger in der Immobilie und den jeweiligen Anlässen für diese Aufenthalte nach Möglichkeit nachholen (gegebenenfalls durch die Anforderung weiterer Unterlagen aus den Streitjahren wie weiterer Flugtickets, Fotos der Immobilie, Verkaufsprospekt, Verbrauchsrechnungen et cetera). Dabei könnte es auch darauf ankommen, ob die Kläger, wie sie behauptet haben, ihre Urlaube in den Jahren nach 2008 nicht in A verbracht haben.
Der Senat verkennt nicht, dass die Tatsachenfeststellung allein in Anbetracht des Zeitablaufs und des zwischenzeitlichen Verkaufs der Immobilie an Grenzen stoßen wird. Allerdings ist, wie das FG zu Recht angenommen hat, auch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass bei den Klägern keinerlei Unterlagen aus dieser Zeit mehr vorhanden sind. Erst nach entsprechenden Aufklärungsbemühungen wird das FG den Sachverhalt gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der klägerischen Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung (und unter Berücksichtigung des § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung) erneut zu würdigen haben.
5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Das FG hat dabei mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch über die Kosten zu entscheiden, die den durch das Durcherkennen des Senats bereits rechtskräftig abgeschlossenen Teil des Verfahrens betreffen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 13.06.2013 - III R 10/11, BFHE 241, 562, BStBl II 2014, 706, Rz 46, m.w.N.).