ECLI:DE:BFH:2024:B.040624.VIIIB37.23.0
BFH VIII. Senat
EStG § 15 Abs 2, EStG § 18 Abs 4, FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2, FGO § 116 Abs 3 S 3
vorgehend FG Münster, 17. März 2023, Az: 14 K 39/19 E
Leitsätze
NV: Materiell-rechtliche Fehler des Finanzgerichts (FG) im Rahmen der rechtlichen oder tatsächlichen Würdigung bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht können gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung nur bei einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung des FG zur Revisionszulassung führen.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 17.03.2023 - 14 K 39/19 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Voraussetzungen der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) dargelegten Zulassungsgründe sind nicht erfüllt (unter 1.). Soweit die Kläger die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Finanzgerichts (FG) angreifen, dieses habe bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht die Rahmenbedingungen der Tätigkeit des Klägers verkannt, ist die Revision auf dieser Grundlage ebenfalls nicht zuzulassen (unter 2.).
1. Soweit die Kläger ihre Beschwerde auf eine Divergenz des angefochtenen Urteils gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu im Einzelnen benannten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) stützen, sind die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds nicht erfüllt.
a) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung als ein anderes Gericht, unter anderem der BFH oder ein FG, vertritt. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der bezeichneten Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt. Es müssen zudem die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein, die abweichend beantwortete Rechtsfrage muss im Revisionsverfahren geklärt werden können und eine Entscheidung des BFH zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich sein. Eine Abweichung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO kann dabei nicht nur vorliegen, wenn das FG ausdrücklich einen tragenden abstrakten Rechtssatz abweichend von einem solchen Rechtssatz eines anderen Gerichts formuliert. Es genügt, wenn das FG in fallbezogenen Rechtsausführungen abweicht und sich dies aus den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich ergibt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13.06.2023 - VIII B 39/22, BFH/NV 2023, 979, Rz 4; vom 24.10.2023 - VIII B 70/22, BFH/NV 2024, 34, Rz 14).
b) Nach diesem Maßstab kann der Senat keine Abweichung des FG in einem die Vorentscheidung tragenden Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz im von den Klägern angeführten BFH-Urteil vom 27.05.2009 - X R 62/06 (juris) feststellen.
aa) Das FG hat in seiner Begründung auf tragende Rechtssätze des BFH-Urteils vom 23.08.2017 - X R 27/16 (BFH/NV 2018, 36) abgestellt. Es hat die Tätigkeit des Klägers als Komponist, Produzent und Betreiber eines Tonstudios als Tätigkeit außerhalb des Hobbybereichs eingeordnet. Bei einer negativen Gewinnprognose für eine Tätigkeit außerhalb des Hobbybereichs bedürfe es zusätzlicher Anhaltspunkte dafür, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen würden. An deren Feststellung seien aber keine hohen Anforderungen zu stellen. Im Falle einer längeren Verlustperiode spreche vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen würden. Zudem hat das FG sich auf das BFH-Urteil vom 21.01.1993 - XI R 18-19/92 (BFH/NV 1993, 475) gestützt. Bei einem jahrelang ausschließlich mit Verlusten arbeitenden Betrieb sei die ernsthafte Möglichkeit, dass der Betrieb nicht in der Absicht der Gewinnerzielung geführt werde, gegeben, wenn feststehe, dass der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten könne. Anhand dieser Vorgaben hat das FG die Gewinnerzielungsabsicht des Klägers im Jahr 2015 (Streitjahr) verneint. Aus den festgestellten Umständen des Streitfalls hat es geschlossen, dass der Kläger seit dem Beginn der Tätigkeit bis zum Veranlagungszeitraum vor dem Streitjahr so hohe Verluste angehäuft habe, dass er nach der Wesensart der Tätigkeit und der Art der Bewirtschaftung des Betriebs sowie seines Alters, der unvorhersehbaren Erzielung von Einnahmen und mangels einer vorgelegten Totalgewinnprognose keinen Totalgewinn mehr werde erzielen können. Ferner hat das FG festgestellt, dass der Kläger seinen verlustbringenden Betrieb aus Gründen seiner Lebensführung und persönlichen Neigungen geführt habe. Dies sei aus den äußeren Beweisanzeichen abzuleiten, dass er die langjährigen Verluste hingenommen habe, ohne Maßnahmen zur Umstrukturierung seiner Tätigkeit zu ergreifen. Zudem habe der Kläger typische Aufwendungen der privaten Lebensführung für ein Fahrzeug und Aufwendungen für das private Einfamilienhaus, in dem sich das private Tonstudio befunden habe, in den betrieblichen Bereich verlagert, um über die Verrechnung der betrieblichen Verluste mit den übrigen Einkünften der Kläger eine Steuerersparnis zu erreichen.
bb) Eine Abweichung des FG von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des BFH-Urteils vom 27.05.2009 - X R 62/06 (juris) ist weder in den herangezogenen Maßstäben noch in den fallbezogenen Ausführungen der Vorentscheidung zu sehen. Es wird auch aus der Beschwerdebegründung nicht deutlich, welchen konkreten Rechtssatz aus der Entscheidung vom 27.05.2009 - X R 62/06 (juris) die Kläger welchem Rechtssatz der Vorentscheidung gegenüberstellen und woraus sie eine grundsätzliche Abweichung der Vorentscheidung von einem Rechtssatz im BFH-Urteil vom 27.05.2009 - X R 62/06 (juris) ableiten. Das FG hat ‑‑wie der BFH in jenem Urteil‑‑ zwischen verlustbringenden Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des typischen Hobbybereichs unterschieden. Für eine verlustbringende Tätigkeit außerhalb des Hobbybereichs führen beide Entscheidungen übereinstimmend aus, dass allein das Erzielen langjähriger Verluste noch keinen zwingenden Schluss auf das Nichtvorliegen der Gewinnerzielungsabsicht zulässt, sodass es an einer Divergenz fehlt. Auch wird sowohl im BFH-Urteil vom 27.05.2009 - X R 62/06 (unter II.2.a bb [Rz 29], juris) als auch in der Vorentscheidung eine Gewinnerzielungsabsicht für eine solche Tätigkeit verneint, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er so, wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wird, von vornherein nicht in der Lage ist, nachhaltig Gewinne zu erzielen. Im Übrigen fehlt es an einer Vergleichbarkeit der den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte. In dem vom BFH entschiedenen Streitfall ging es um die Frage, nach welchen Maßstäben bei der Neugründung eines Betriebs mit einer nicht von vornherein dem Hobbybereich zuzurechnenden Tätigkeit bereits Anlaufverluste nicht steuerbar sein können. Diese Frage ist im Streitfall nicht aufgeworfen.
c) Eine Divergenz zu dem von den Klägern in der Beschwerdebegründung angesprochenen BFH-Beschluss vom 10.05.2012 - X B 57/11 (BFH/NV 2012, 1307) ist ebenfalls nicht erkennbar. Es trifft zu, dass der BFH in diesem Beschluss (Rz 6) ‑‑wie im BFH-Urteil vom 27.05.2009 - X R 62/06 (juris)‑‑ ausgeführt hat, dass bei Tätigkeiten, die nicht typischerweise dazu bestimmt und geeignet seien, der Befriedigung persönlicher Neigungen zu dienen, allein das Erzielen langjähriger Verluste noch keinen zwingenden Schluss auf das Nichtvorliegen der Gewinnerzielungsabsicht zulasse. Von diesem Maßstab ist jedoch auch das FG in der Vorentscheidung ausgegangen und ist somit nicht von Aussagen des BFH-Beschlusses abgewichen. Die weiteren Rechtssätze zur Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht, die im BFH-Beschluss vom 10.05.2012 - X B 57/11 (BFH/NV 2012, 1307) wiedergegeben werden und im BFH-Urteil vom 27.05.2009 - X R 62/06 (juris) herangezogen wurden, betreffen den Maßstab, nach dem bei einer aus persönlicher Neigung ausgeführten, aber nicht dem Hobbybereich zuzuordnenden Tätigkeit, das Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht von Anfang an verneint werden kann. Die hierzu formulierten Rechtssätze sind im Streitfall vom FG nicht herangezogen worden, da es im Streitfall wie schon dargelegt nicht um die Versagung der Gewinnerzielungsabsicht ab der Aufnahme der Tätigkeit geht. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt keine Divergenz vor.
2. Soweit die Kläger meinen, dass es für die vorhandene Gewinnerzielungsabsicht bei einer Tätigkeit wie derjenigen des Klägers genügen müsse, dass der Kläger professionell arbeite und daher jederzeit hohe verlustkompensierende Einnahmen erzielt werden könnten, wenn der Kläger durch ein selbst komponiertes Stück einen Hit platziere, ist die Revision ebenfalls nicht zuzulassen.
Das Vorbringen, dass und warum das FG die Tatsachen und Beweise unzutreffend gewürdigt sowie den Streitfall unrichtig entschieden habe, zielt auf die Erläuterung ab, die Tatsachenwertung des FG sei fehlerhaft. Solche (vorgeblichen) Fehler des FG bei der Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. auch BFH-Beschluss vom 10.05.2012 - X B 57/11 BFH/NV 2012, 1307, Rz 10), denn das Beschwerdeverfahren gemäß § 116 FGO dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten (z.B. BFH-Beschlüsse vom 04.05.2021 - VIII B 121/20, BFH/NV 2021, 1329, Rz 15; vom 22.02.2023 - VIII B 4/22, BFH-PR 2023, 545, Rz 5).
Materiell-rechtliche Fehler des FG im Rahmen der rechtlichen oder tatsächlichen Würdigung bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht können gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nur im Falle qualifizierter Rechtsanwendungsfehler im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung des FG zur Revisionszulassung führen. Unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler des FG reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung und somit einen Grund für die Zulassung der Revision anzunehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 08.05.2018 - VIII B 124/17, BFH/NV 2018, 822, Rz 21; vom 22.02.2023 - VIII B 4/22, BFH-PR 2023, 545, Rz 5). Solche willkürlichen Rechtsfehler des FG werden von den Klägern nicht geltend gemacht. Ob dem FG überhaupt Rechtsfehler bei der Entscheidung unterlaufen sein könnten, ist für die Prüfung der Zulassung der Revision nicht erheblich und daher auch nicht zu erörtern.
3. Der Senat sieht von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.