ECLI:DE:BFH:2024:B.150524.IXS23.23.0
BFH IX. Senat
FGO § 142 Abs 1, ZPO § 114 Abs 1 S 1, ZPO § 115 Abs 1 S 2, ZPO § 118 Abs 2 S 1, ZPO § 118 Abs 2 S 4
Leitsätze
NV: Auch freiwillige Zuwendungen eines gesetzlich nicht zum Unterhalt gegenüber dem Antragsteller verpflichteten Dritten sind nach dem weiten Begriffsverständnis des Einkommens gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung zur Prozessfinanzierung einzusetzen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang erfolgen (Anschluss an Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 16.11.2017 - IX ZA 21/17, Rz 7 sowie vom 27.11.2018 - X ZA 1/17, Rz 5).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin) führt vor dem Bundesfinanzhof das Revisionsverfahren IX R 29/23. Für diese Verfahren beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beziehungsweise Steuerberaters.
In ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 22.11.2023 führte die Klägerin an, sie beziehe neben einer Rente von monatlich … € keine weiteren Einnahmen. Mit Ausnahme ihres geringfügigen Guthabens auf einem Konto (…) und eines gebrauchten Personenkraftwagens (Verkehrswert von … €) verfüge sie über keine Vermögenswerte. Zu etwaigen Wohnkosten erklärte sich die Klägerin nicht.
Auf gerichtliche Nachfrage zur Vollständigkeit der erklärten wirtschaftlichen Verhältnisse erläuterte die Klägerin mit Schreiben vom 04.04.2024, sie bestreite ihren Lebensunterhalt durch familiäre Unterstützung ihres Stiefsohns. Dieser bestätigte schriftlich, die Klägerin "laufend" sowohl durch unentgeltliche Überlassung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie als auch durch Barunterhalt "nach konkretem Bedarf" zu unterstützen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist unbegründet.
a) Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Verfahrensbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Neben seinem Einkommen hat der Beteiligte ‑‑soweit zumutbar‑‑ sein Vermögen einzusetzen (§ 142 Abs. 1 FGO, § 115 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO). Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Gesetzgeber orientiert sich am sozialrechtlichen Einkommensbegriff im Sinne von § 82 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuchs (statt vieler Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., § 115 Rz 2). Hierzu zählt auch geleisteter Unterhalt, und zwar unabhängig davon, ob die Leistungen rechtlich beansprucht werden können (MüKoZPO/Wache, § 115 Rz 24).
Das Gericht kann verlangen, dass der PKH-Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht (§ 142 Abs. 1 FGO, § 118 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO). Hat dieser innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, lehnt das Gericht die Bewilligung von PKH insoweit ab (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
b) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vor. Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, sie sei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten des Revisionsverfahrens IX R 29/23 aufzubringen.
aa) Die Entscheidung beruht zwar nicht auf den Zweifeln des Senats, ob sich die Klägerin vollständig zu ihren vermögensrechtlichen Verhältnissen erklärt hat. Bei nur überschlägiger Betrachtung der vom Finanzgericht festgestellten Erlöse aus den anlässlich des Insolvenzverfahrens veräußerten Immobilien und der hiervon abgezogenen Beträge für die Erfüllung von Absonderungsrechten und Insolvenzforderungen sowie der Kosten des Insolvenzverfahrens ergab sich ein beträchtlicher Überschuss. Hierbei ist für den Senat unklar, in welcher Höhe ein solcher Überschuss zum Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens tatsächlich an die Klägerin ausgekehrt wurde und derzeit noch existiert.
bb) Diese Unklarheit ist aber nicht entscheidungserheblich. Denn die Klägerin, die trotz unentgeltlichen Wohnens keine auskömmliche Altersrente bezieht, hat nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, auf welche Weise sie ihren Lebensunterhalt finanziert. Auch freiwillige Zuwendungen des nicht nach §§ 1601, 1589 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum Unterhalt gegenüber der Klägerin verpflichteten Stiefsohns sind nach dem weiten Begriffsverständnis des Einkommens gemäß § 142 Abs. 1 FGO, § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Prozessfinanzierung einzusetzen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang erfolgen (vgl. hierzu Beschlüsse des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 16.11.2017 - IX ZA 21/17, Rz 7 sowie vom 27.11.2018 - X ZA 1/17, Rz 5; ebenso MüKoZPO/Wache, § 115 Rz 26). Zur Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Verhältnisse müssen etwa eidesstattliche Versicherungen des Zuwendenden über Umfang und Grund der Unterstützungsleistungen vorgelegt werden (BGH-Beschluss vom 27.11.2018 - X ZA 1/17, Rz 5).
Diesen Anforderungen genügt weder das eigene Vorbringen der Klägerin noch die schriftliche Bestätigung des Stiefsohns vom 13.03.2024, die sich darin erschöpft, Unterhalt nach "konkretem Bedarf" der Klägerin zu zahlen. Dem Senat fehlen jegliche Anhaltspunkte über die Höhe dieses Bedarfs sowie dessen Erfüllung. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Zahlungen in einer Höhe geleistet werden, die unter Einbeziehung des erklärten Einkommens (Altersrente) die Bedürftigkeit der Klägerin im Sinne von § 142 Abs. 1 FGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO entfallen lässt.
2. Da der Antrag auf Bewilligung von PKH aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg hat, geht der weitere Antrag, der Klägerin … als Rechtsanwalt/Steuerberater beizuordnen (§ 142 Abs. 1 FGO, § 121 Abs. 1 ZPO), ins Leere.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. In Ermangelung eines Gebührentatbestands nach dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz (GKG) werden keine Gerichtskosten erhoben (§ 3 Abs. 2 GKG).