Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 12. Dezember 2023, IX R 15/23

Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG bei teilentgeltlicher Übertragung eines GmbH-Anteils

ECLI:DE:BFH:2023:U.121223.IXR15.23.0

BFH IX. Senat

EStG § 17, EStG § 17 Abs 1 S 1, EStG § 17 Abs 1 S 4, EStG § 17 Abs 2 S 1, EStG § 17 Abs 2 S 5, EStG § 17 Abs 3 S 2, EStG § 6 Abs 5 S 3, EStG VZ 2013 , AO § 38

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 22. März 2023, Az: 2 K 1617/19

Leitsätze

1. NV: Werden im Privatvermögen gehaltene GmbH-Anteile im Wege einer gemischten Schenkung teilentgeltlich auf den Erwerber übertragen, ist die Übertragung nach dem Verhältnis der tatsächlichen Gegenleistung zum Verkehrswert der übertragenen Anteile in eine entgeltliche Anteilsübertragung (Veräußerung im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) und eine unentgeltliche Anteilsübertragung (im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 5 EStG) aufzuteilen (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.07.1980 - IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11).

2. NV: Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich aus der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und den auf den entgeltlichen Teil entfallenden Anschaffungskosten der Anteile.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22.03.2023 - 2 K 1617/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist die Ermittlung des Veräußerungsgewinns aus der teilentgeltlichen Übertragung von GmbH-Anteilen nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

  2. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2013 erklärten sie aus der teilentgeltlichen Übertragung der Geschäftsanteile an der X-GmbH (im Folgenden: GmbH) einen dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Gewinn des Klägers nach § 17 EStG ‑‑vor Abzug des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG‑‑ in Höhe von 27.275 € (steuerpflichtiger Anteil 60 % = 16.365 €). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

  3. Der Kläger war seit Gründung im Jahr 2007 alleiniger Gesellschafter der GmbH, deren Stammkapital in Höhe von 25.000 € vollständig einbezahlt war.

  4. Mit notariell beurkundetem gemischten Schenkungs- und Abtretungsvertrag vom 19.03.2013 wurde der Geschäftsanteil des Klägers in den Geschäftsanteil Nummer 1 über 12.750 € und den Geschäftsanteil Nummer 2 über 12.250 € geteilt. Sodann schenkte und verkaufte der Kläger im Wege der gemischten Schenkung den Geschäftsanteil Nummer 1 an seinen Sohn A zum Preis von 15.300 € und den Geschäftsanteil Nummer 2 an Frau B zum Preis von 14.700 € (Gesamtentgelt: 30.000 €) und trat die Geschäftsanteile an die dies jeweils annehmenden Erwerber ab. Die Abtretung der Anteile erfolgte wirtschaftlich mit Wirkung zum 01.01.2013. Der Verkehrswert der Geschäftsanteile wurde im notariellen Vertrag mit 109.650 € für den Geschäftsanteil Nummer 1 und mit 105.350 € für den Geschäftsanteil Nummer 2 (Verkehrswert gesamt: 215.000 €) angegeben.

  5. In dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 vom 20.01.2015 ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG wie folgt:

    Veräußerungspreis

    30.000,00 €

    abzüglich auf entgeltliche Übertragung
    entfallende Anschaffungskosten
    30.000 €/215.000 € (= 13,95 %) von 25.000 €

    3.487,50 €

    Veräußerungsgewinn

    26.512,50 €

    davon steuerpflichtig 60 %
    Teileinkünfteverfahren § 3 Nr. 40 Buchst. c, § 3c EStG      

    15.907,50 €

    abzüglich auf entgeltliche Übertragung
    entfallenden Freibetrag § 17 Abs. 3 EStG
    30.000 €/215.000 € (= 13,95 %) von 9.060 €

    1.264,00 €

    Veräußerungsgewinn

    14.643,50 €

  6. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und verwiesen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anwendung der sogenannten modifizierten Trennungstheorie bei teilentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften (BFH-Urteile vom 21.06.2012 - IV R 1/08, BFHE 237, 503 und vom 19.09.2012 - IV R 11/12, BFHE 239, 76). Der gemeine Wert des übertragenen Betriebsvermögens betrage 275.167 €. Sie begehrten nunmehr den Ansatz eines dem Teileinkünfteverfahren unterfallenden Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG ‑‑vor Abzug des Freibetrags nach § 17 Abs. 3 EStG‑‑ in Höhe von 5.000 €.

  7. Während das Einspruchsverfahren wegen des Revisionsverfahrens X R 28/12 ruhte, war der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 aus nicht streiterheblichen Gründen mehrfach geändert worden, zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26.10.2016.

  8. Mit Einspruchsentscheidung vom 12.06.2019 setzte das FA ‑‑nach Hinweis auf die Möglichkeit einer Verböserung‑‑ die Einkommensteuer 2013 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns in Höhe von 15.384,29 € abweichend fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

  9. Unter Zugrundlegung eines im vereinfachten Ertragswertverfahren nach Maßgabe von §§ 199 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelten Verkehrswerts der übertragenen GmbH-Anteile in Höhe von 275.948 € sei der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG wie folgt zu ermitteln:

    Veräußerungspreis

    30.000,00 €

    abzüglich auf entgeltliche Übertragung
    entfallende Anschaffungskosten
    30.000 €/275.948 € (= 10,87%) von 25.000 €

    2.717,90 €

    Veräußerungsgewinn

    27.282,10 €

    davon steuerpflichtig 60 %
    Teileinkünfteverfahren § 3 Nr. 40 Buchst. c, § 3c EStG      

    16.369,26 €

    abzüglich auf entgeltliche Übertragung
    entfallenden Freibetrag § 17 Abs. 3 EStG
    30.000 €/275.948 € (= 10,87 %) von 9.060 €

    984,97 €

    anzusetzender Veräußerungsgewinn

    15.384,29 €

  10. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das FA zu Recht unter Anwendung der strengen Trennungstheorie einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG aus der teilentgeltlichen Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH in Höhe von 15.384,29 € zugrunde gelegt habe. Dabei habe das FA zutreffend die teilentgeltliche Übertragung der Geschäftsanteile der GmbH nach dem Verhältnis der erhaltenen Gegenleistung in Höhe von 30.000 € zu dem im vereinfachten Ertragswertverfahren nach Maßgabe von §§ 199 ff. BewG ermittelten Verkehrswert der GmbH-Anteile in Höhe von 275.948 € in einen voll entgeltlichen und in einen voll unentgeltlichen Teil aufgeteilt (Entgeltlichkeitsquote 30.000 €/275.948 € = 10,87 %). Das FG hat hierzu ausgeführt, dass die Annahme des Verkehrswerts in Höhe von 275.948 € zwischen den Beteiligten unstreitig sei. Dass in der Einspruchsentscheidung ein höherer Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG berücksichtigt wurde (15.384,29 € statt bisher 14.643,50 €), sei nicht zu beanstanden, weil die Kläger gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 923 abgedruckt.

  11. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision machen die Kläger geltend, dass es sich bei der Annahme, dass an jeden Erwerber je zwei Anteile übertragen worden seien, um eine Fiktion handele. Eine solche Fiktion ergebe sich nicht aus dem Gesetz und könne deshalb nicht Grundlage der Entscheidung sein. Tatsächlich seien die beiden Anteile ‑‑wie sich aus dem notariellen Vertrag vom 19.03.2013 ergebe‑‑ in einem Akt auf die beiden Erwerber übertragen worden. Die Kläger verweisen auf die Rechtsprechung zur teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Einzelbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG), wonach eine Gewinnrealisierung nur und insoweit stattfinde, als das Entgelt den Buchwert übersteige. Schließlich meinen sie, der vom FG als maßgeblich in die Entscheidung einbezogene Verkehrswert sei unter den Vertragsparteien weder vereinbart noch relevant geworden.

  12. Die Kläger beantragen sinngemäß,
    unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 20.01.2015 in der Fassung vom 26.10.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.06.2019 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers nach § 17 EStG aus der teilentgeltlichen Übertragung der GmbH-Anteile auf 3.000 € (60 % von 5.000 €) ‑‑vor Abzug des Freibetrags gemäß § 17 Abs. 3 EStG‑‑ herabgesetzt wird.

  13. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  14. Im Bereich des Privatvermögens würden teilentgeltliche Übertragungsvorgänge nach der Rechtsprechung des BFH einhellig nach Maßgabe der strengen Trennungstheorie beurteilt. Die danach vorzunehmende Aufteilung des Rechtsgeschäfts in eine voll entgeltliche Veräußerung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG und eine voll unentgeltliche Übertragung nach § 17 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 5 EStG nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert der übertragenen Anteile knüpfe an den gesetzlichen Wortlaut des § 17 EStG und die in dieser Norm zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers an (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.1980 - IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11, beginnend ab 3.). Da die teilentgeltliche Übertragung in eine unentgeltliche und eine entgeltliche Komponente aufzuteilen sei, müsse auch der Erwerbsaufwand in sachgerechter Weise aufgeteilt werden.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

  2. Das FG hat unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend entschieden, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der vom Kläger erzielte Veräußerungspreis (30.000 €) nur insoweit um die Anschaffungskosten zu mindern ist, als diese auf den entgeltlichen Teil der Übertragung der GmbH-Anteile entfallen.

  3. 1. Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Kläger einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 2 EStG erzielt hat.

  4. a) Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war, wobei nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter anderem die Anteile an einer GmbH zählen.

  5. Der Kläger war alleiniger Gründungsgesellschafter der GmbH und damit zu 100 % ‑‑das heißt tatbestandlich relevant‑‑ am Kapital beteiligt. Er hat mit Wirkung zum 01.01.2013 die Anteile (teil-)entgeltlich an seinen Sohn A und Frau B übertragen und somit veräußert.

  6. b) Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).

  7. 2. Im Fall der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung für einkommensteuerliche Zwecke eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert der übertragenen Anteile (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.1980 - IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11; BFH-Beschluss vom 31.05.2005 - VIII B 67/96, BFH/NV 2005, 2178, unter 2.b; vgl. auch BFH-Urteile vom 14.06.2005 - VIII R 37/03, juris, unter II.2.d und vom 10.11.1998 - VIII R 28/97, BFH/NV 1999, 616, unter II.1.b am Ende; Nachweise bei BFH-Beschluss vom 19.03.2014 - X R 28/12, BFHE 245, 164, BStBl II 2014, 629, Rz 64 ff.). Die Anschaffungskosten werden sodann entsprechend der "Entgeltlichkeitsquote" aufgeteilt.

  8. Diese Grundsätze gelten für teilentgeltliche Übertragungen in den Fällen des § 17, des § 20 und auch des § 23 EStG (vgl. Weber-Grellet, Betriebs-Berater ‑‑BB‑‑ 2015, 43, 49, m.w.N.; BFH-Urteile vom 24.04.1991 - XI R 5/83, BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793; vom 05.06.1991 - XI R 3/84, BFH/NV 1991, 679; vom 11.09.1991 - XI R 20/89, BFH/NV 1992, 166, unter II.4. und vom 24.10.2000 - IX R 95/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 677; für § 23 EStG: BFH-Urteil vom 29.06.2011 - IX R 63/10, BFHE 234, 182, BStBl II 2011, 873, Rz 16; ähnlich bereits BFH-Urteile vom 22.09.1987 - IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250 und vom 20.04.2004 - IX R 5/02, BFHE 206, 110, BStBl II 2004, 987).

  9. a) Die dargestellte Aufteilung widerspricht nicht dem Gesetzeswortlaut. Denn die Regelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG einerseits und § 17 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 5 EStG andererseits gehen ausdrücklich von einer Unterscheidung zwischen voll entgeltlicher Übertragung und voll unentgeltlicher Übertragung aus (vgl. BFH-Urteil vom 17.07.1980 - IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11, unter 3.b). Nur der voll entgeltliche Teil ist im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG veräußert, der voll unentgeltliche Teil der Anteilsübertragung ist es mangels Veräußerungspreises nicht.

  10. Die daraus folgende Aufteilung der Anteile in einen voll entgeltlich und einen voll unentgeltlich übertragenen Teil ist keine Besteuerung eines fiktiven Sachverhalts, sondern lediglich ein Hilfsmittel zur Beschreibung der Rechtsfolgen, die das Gesetz an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt knüpft (BFH-Urteil vom 17.07.1980 - IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11, unter 3.b).

  11. b) Das Schrifttum schließt sich dieser Auffassung ‑‑soweit ersichtlich‑‑ an (Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG, Rz 80; Schmidt/Levedag, EStG, 42. Aufl., § 17 Rz 26; Frotscher/Moritz/Strohm in Frotscher/Geurts, EStG, § 17 Rz 166; Weber-Grellet, BB 2015, 43, 49; Brandis/Heuermann/Vogt, § 17 EStG Rz 327; Strahl/Winkler in Korn, § 17 EStG Rz 141; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 17 Rz 39 und 59; Leister in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand [Nr. 140 Lfg. 10.2023] § 17 EStG Rz 63; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz B75; Oellerich in Bordewin/Brandt, § 17 EStG Rz 177; Dornheim, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2014, 869; Lüdicke/Oppel in Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, 2. Aufl., § 16 Unentgeltliche Unternehmensübertragungen Rz 139; KKB/Deutschländer, § 17 EStG, 8. Aufl., Rz 206; ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 12.09.2013, BStBl I 2013, 1164; H 17 Abs. 4 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs 2013, Stichwort "Teilentgeltliche Übertragung").

  12. 3. Für die teilentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) ist dagegen umstritten, ob zwar eine Aufteilung des Vorgangs in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zu erfolgen hat, der Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts jedoch bis zur Höhe des Entgelts dem entgeltlichen Teil und im Übrigen dem unentgeltlichen Teil zuzuordnen ist (Überblick vgl. BFH-Beschluss vom 19.03.2014 - X R 28/12, BFHE 245, 164, BStBl II 2014, 629). Unter Anwendung dieser sogenannten modifizierten Trennungstheorie hatte der IV. Senat entschieden, dass eine Gewinnrealisierung nicht in Frage kommt, wenn das Entgelt den Buchwert nicht übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom 19.09.2012 - IV R 11/12, BFHE 239, 76; hierzu Nichtanwendungserlass des BMF vom 12.09.2013, BStBl I 2013, 1164; vgl. auch Wendt, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2013, 834, 839).

  13. a) Der X. Senat des BFH hatte diese Rechtsfrage mit Beschluss vom 27.10.2015 - X R 28/12 (BFHE 251, 349, BStBl II 2016, 81, Rz 57) dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vorgelegt. Dabei hat der X. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss wie auch in der vorhergehenden Beitrittsaufforderung an das BMF (BFH-Beschluss vom 19.03.2014 - X R 28/12, BFHE 245, 164, BStBl II 2014, 629, Rz 96) die Ansicht geäußert, dass teilentgeltliche Übertragungen im Betriebsvermögen und im steuerverstrickten Privatvermögen nach denselben Grundsätzen beurteilt werden müssten. Das Verfahren des Großen Senats des BFH (GrS 1/16) wurde mit Beschluss vom 30.10.2018 - GrS 1/16 (BFHE 262, 434, BStBl II 2019, 70) ohne Entscheidung in der Sache eingestellt, nachdem sich das Verfahren X R 28/12 nach einer Abhilfeentscheidung des FA erledigt hatte.

  14. b) Die dargestellte Rechtsprechung zu § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG bietet dem erkennenden Senat keinen Anlass, von der Rechtsprechung zur teilentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 EStG abzuweichen. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar (vgl. auch Graw, FR 2015, 260, 266; Wendt, DB 2013, 834, 839; Mitschke, FR 2013, 314; a.A. möglicherweise Strahl, FR 2013, 322, 326).

  15. Die Regelungen in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und § 17 EStG verfolgen unterschiedliche Zwecke. Das hängt auch damit zusammen, dass stille Reserven im Betriebsvermögen dauerhaft steuerverstrickt sind, im Privatvermögen in der Regel dagegen nicht. So hatte bereits der ‑‑damals zuständige‑‑ IV. Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.07.1980 - IV R 15/76 (BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11, unter 3.d) betont, dass er mit dieser Entscheidung nicht darüber befinde, welche einkommensteuerrechtlichen Rechtsfolgen andere Vorschriften des Einkommensteuergesetzes einer gemischten Schenkung beimessen, insbesondere, ob auch bei Anwendung solcher Vorschriften "aufzuteilen" sei. Die Problematik einer abweichenden Handhabung in anderen Vorschriften war mithin bekannt.

  16. Zum damaligen Zeitpunkt war die Norm des § 17 EStG mit der Ähnlichkeit zu Mitunternehmerschaften gerechtfertigt worden (vgl. BFH-Urteil vom 21.12.1993 - VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, unter 2.a, m.w.N.). Selbst unter diesen Vorzeichen nahm der IV. Senat nicht an, dass die teilentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens mit einer solchen des Betriebsvermögens gleichgesetzt werden müsse. Folglich muss dies erst recht für den Streitfall gelten, weil zwischenzeitlich von einer wesentlichen Beteiligung als Erfordernis in § 17 EStG keine Rede mehr sein kann. Eine Ähnlichkeit zu Mitunternehmerschaften ist jedenfalls nicht mehr gegeben, denn in § 17 EStG ist nunmehr eine Beteiligung von mindestens 1 % ausreichend (Art. 1 Nr. 10 des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000, BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428).

  17. Zudem würde die Anwendung der modifizierten Trennungstheorie zu nicht begründbaren Differenzen führen, wenn die Anschaffungskosten des Veräußerers insgesamt höher wären als der Veräußerungspreis (der bei einer teilentgeltlichen Veräußerung unter dem Verkehrswert liegt). Bereits in der Entscheidung vom 17.07.1980 - IV R 15/76 (BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11, unter 3.b aa) hatte der IV. Senat darauf hingewiesen, dass Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 17 EStG keine Anhaltspunkte dafür böten, im Fall einer gemischten Schenkung (künstlich) steuerrechtlich relevante Verluste erzeugen zu lassen. Nach der modifizierten Trennungstheorie würde zwar kein Verlust entstehen, weil dem entgeltlichen Teil nur die Anschaffungskosten bis zur Höhe des Entgelts zugeordnet würden und im Übrigen dem unentgeltlichen Teil. In der Folge könnte ein Veräußerungsverlust allenfalls in Höhe der Veräußerungskosten entstehen. Allerdings widerspräche dies § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG, wonach bei einem unentgeltlichen Erwerb der Anteile die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgeblich sind (vgl. auch Steger, Neue Wirtschafts-Briefe 2023, 2926, 2931).

  18. 4. Bei Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den Streitfall hat das FG einen Gewinn aus der teilentgeltlichen Veräußerung in Höhe von 15.384,29 € ermittelt.

  19. Zwar hat das FG die Minderung des Freibetrags gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 EStG auf 0 € nicht berücksichtigt, eine Verböserung kommt im Revisionsverfahren jedoch nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 38).

  20. a) Dabei hat das FG im Ausgangspunkt angenommen, dass die Anteile teils entgeltlich und teils unentgeltlich übertragen worden sind. Dies entspricht im Übrigen nach dem Wortlaut des "gemischten Schenkungs- und Abtretungsvertrags" auch dem Willen der Vertragsparteien.

  21. Zutreffend ist das FG bei der Aufteilung vom Verhältnis der Gegenleistung (30.000 €) zum Verkehrswert der übertragenen Anteile ausgegangen. Dass das FG den vom FA im vereinfachten Ertragswertverfahren nach Maßgabe der §§ 199 ff. BewG ermittelten Verkehrswert der übertragenen Anteile übernommen hat, ist nicht zu beanstanden. Dem liegt der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts des Anteils an einer Kapitalgesellschaft auf den 19.03.2013 (Bewertungsstichtag) für Zwecke der Schenkungsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG vom 26.07.2013 zugrunde. Die Entgeltlichkeitsquote beträgt deshalb 30.000 €/275.948 € = 10,87 %. Im Übrigen haben die Kläger diese Feststellungen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind (vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2016 - IX R 27/15, BFHE 255, 176, BStBl II 2018, 335, Rz 28). Die Kläger hatten in der Revisionsbegründung lediglich ausgeführt, dass der Verkehrswert in Höhe von 275.000 € "niemals unter den Parteien abgestimmt oder gar vereinbart" worden sei.

  22. b) Dem Veräußerungspreis von 15.300 € und 14.700 € waren Anschaffungskosten des Klägers in Höhe von 10,87 % von 25.000 € = 2.717,90 € gegenzurechnen. Veräußerungskosten haben die Kläger nicht geltend gemacht. Der sich hieraus ergebende Veräußerungsgewinn in Höhe von 27.282,10 € ist nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c, § 3c EStG in Höhe von 16.369,26 € anzusetzen.

  23. c) Der Freibetrag von 9.060 € ermäßigt sich den veräußerten Anteilen entsprechend auf 984,82 € (10,87 % von 9.060 €). Außerdem ermäßigt sich der Freibetrag um den Betrag des Veräußerungsgewinns, der (10,87 % von 36.100 €) 3.924,07 € übersteigt = 16.369,26 € abzüglich 3.924,07 € = 12.445,19 €. Zu versteuern sind im Ergebnis die gesamten 16.369,26 €; denn der Freibetrag wird auf 0 € gekürzt (984,82 € abzüglich 12.445,19 €). Allerdings kommt eine Verböserung nicht in Betracht, mithin bleibt es bei einem anzusetzenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 15.384,29 €.

  24. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Seite drucken