ECLI:DE:BFH:2024:B.261124.VIIIB79.23.0
BFH VIII. Senat
FGO § 96 Abs 1 S 1, FGO § 105 Abs 2 Nr 5, FGO § 105 Abs 5, FGO § 119 Nr 6, FGO § 115 Abs 2 Nr 3
vorgehend FG Düsseldorf, 24. August 2023, Az: 15 K 416/20 U,F
Leitsätze
NV: Auch außerhalb der in § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung geregelten Fälle ist die Bezugnahme des Finanzgerichts (FG) auf genau bezeichnete Schriftsätze des Finanzamts im finanzgerichtlichen Verfahren zur Begründungserleichterung zulässig, wenn das FG sich diese zu eigen macht und der Kläger erkennen kann, aufgrund welcher Feststellungen und Beurteilungen das Finanzamt und ihm folgend das FG seinem Vorbringen nicht gefolgt ist.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24.08.2023 - 15 K 416/20 U,F aufgehoben, soweit es die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2012 bis 2015 betrifft.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, soweit das Urteil aufgehoben wird.
Diesem wird die Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits übertragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren (2007 bis 2015) Einkünfte als Steuerberater gemäß § 18 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren anzuwendenden Fassung. Die Besteuerungsgrundlagen für den Betrieb der Steuerberatungskanzlei wurden gemäß § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung gesondert festgestellt.
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn bis einschließlich des Streitjahrs 2012 im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und ab dem Streitjahr 2013 im Wege der Bilanzierung.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Streitjahre 2007 bis 2014 (Umsatzsteuer) und 2007 bis 2015 (gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit).
Die jeweiligen Besteuerungsgrundlagen wurden im Anschluss an die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen mangels abgegebener Steuererklärungen (Streitjahre 2010 und 2011), aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung sowie aufgrund einer Außenprüfung und im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens durch Umsatzsteuerbescheide und Feststellungsbescheide für alle Streitjahre vom 18.05.2017 festgesetzt beziehungsweise festgestellt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) wies den Einspruch gegen die Feststellungsbescheide und Umsatzsteuerbescheide in der Einspruchsentscheidung vom 20.01.2020 als unbegründet zurück. Es führte zur Begründung aus: Die Betriebseinnahmen seien zutreffend durch Auswertung der Zahlungsflüsse auf den betrieblichen Bankkonten ermittelt worden. Eine doppelte Erfassung von Betriebseinnahmen aufgrund von Umbuchungen des Klägers zwischen den betrieblichen Bankkonten sei nicht erkennbar. Der Kläger habe seine Einnahmen fast ausschließlich bar vereinnahmt. Im Rahmen der Prüfung durch die Steuerfahndung seien sämtliche betrieblichen Bankkonten vollständig ausgewertet worden. Die Betriebseinnahmen seien sodann in Höhe der Geldeingänge auf den betrieblichen Bankkonten festgestellt worden. Umbuchungen zwischen den verschiedenen betrieblichen Bankkonten des Klägers seien nicht als Einnahmen erfasst worden. Die vom Kläger erklärten Betriebsausgaben seien berücksichtigt worden, soweit er Gewinnermittlungen für die Streitjahre eingereicht habe. Bei fehlenden Gewinnermittlungen habe die Steuerfahndung die Betriebsausgaben unter Berücksichtigung der Vor- und Folgejahre sachgerecht geschätzt.
Die gegenüber diesen ursprünglichen Steuererklärungen nach der Fahndungsprüfung im Einspruchsverfahren geltend gemachten höheren Betriebsausgaben für Personal, Miete und Rechtsberatungskosten seien nicht durch die vorgelegten Kontennachweise belegt worden. Die Kontennachweise ab dem Streitjahr 2012 bestünden lediglich aus Abschlussbuchungen auf den 31.12. des jeweiligen Jahres. Aus welchen Positionen sich die jeweilige Gesamtsumme ergebe, sei hieraus nicht ersichtlich. Sofern für das Streitjahr 2014 ein ausführlicherer Buchungsnachweis eingereicht worden sei, fehlten in diesem jegliche Buchungstexte. Gerade für die Lohnkosten sei aber eine Bezeichnung des jeweiligen Arbeitnehmers als Empfänger der Lohnzahlung notwendig. Für die Streitjahre 2007 bis 2009 stimmten die in den Prüfungen geltend gemachten Werte mit den Werten in den ursprünglichen Gewinnermittlungen hingegen überein. Die Erhöhung der Betriebsausgaben in den im Einspruchsverfahren eingereichten Gewinnermittlungen resultiere jeweils aus einer Buchung am 31.12. mit der Bezeichnung "Nachb.". Aus welchem Grund diese Nachbuchung erfolgt, welchem Arbeitnehmer dieser Lohn zugeflossen und ob dieser dann auch lohnversteuert worden sei, ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger für die Streitjahre 2007 bis 2014 zu von ihm geltend gemachten Doppelerfassungen von Betriebseinnahmen infolge von Umbuchungen zwischen seinen betrieblichen Konten Angaben im Rahmen von Listen gemacht. Er hat dem Finanzgericht (FG) auch seine im Einspruchsverfahren eingereichten geänderten Gewinnermittlungen und Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre vorgelegt. In der Feststellungserklärung für 2012, 2013 und 2014 sind die Ermittlung eines Übergangsverlusts in Höhe von … € und eine Eröffnungsbilanz zum 01.01.2013 enthalten; der Kläger hat diesen Verlust im Streitjahr 2012 und im Streitjahr 2014 geltend gemacht. lm Verlauf des Klageverfahrens hat das FA sich in mehreren Stellungnahmen, jeweils nach ergänzenden Erläuterungen des Klägers, zu Minderungen der Betriebseinnahmen bereit erklärt.
Für die Streitjahre 2011 bis 2014 ergingen daraufhin während des finanzgerichtlichen Verfahrens geänderte Umsatzsteuerbescheide vom 19.01.2023. Das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2015 ist abgetrennt worden und nicht Gegenstand der Vorentscheidung. Für das Streitjahr 2015 erging während des Verfahrens zudem ein geänderter Feststellungsbescheid vom 10.12.2021, in dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von … € festgestellt wurden. Diesem Bescheid liegt ein Bericht über die Außenprüfung beim Kläger für das Streitjahr 2015 und die Jahre 2016 und 2017 vom 07.10.2021 zugrunde, der ebenfalls in den Akten des FG enthalten ist. Das FA hatte sich zuletzt für die Streitjahre 2011 bis 2015 für die Feststellungsbescheide mit Schriftsätzen vom 19.01.2023 und vom 05.05.2023 zu weiteren bezifferten Teilabhilfen bereit erklärt, die mit Abschluss des Klageverfahrens umzusetzen seien.
Ausweislich seines Klageantrags in der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger, die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie die Festsetzung der Umsatzsteuerbeträge für die Streitjahre nach Maßgabe der eingereichten Gewinnermittlungen und Steuererklärungen zur Umsatzsteuer.
Das FG hat der Klage teilweise stattgegeben.
Es hat die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2011 bis 2014 vom 18.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.01.2020 geändert. Der Senat nimmt insoweit auf den Tenor des Urteils Bezug. Dies entspricht den vom FA in den Schreiben vom 19.01.2023 und vom 05.05.2023 ermittelten Teilabhilfebeträgen. Hinsichtlich der Streitjahre 2007 bis 2010 und für das Streitjahr 2015 hat es die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer hat das FG für die Streitjahre 2005 bis 2010 über die Bescheide vom 18.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.01.2020 und für die Streitjahre 2011 und 2012 über die geänderten Bescheide vom 19.01.2023 entschieden und die Klage abgewiesen. Die während des Klageverfahrens geänderten Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2013 und 2014, jeweils vom 19.01.2023, hat das FG aufgrund zugestandener Berechnungsfehler des FA dahin geändert, dass die Umsätze um … € (2013) und um … € (2014) gemindert werden.
Zur Begründung der Vorentscheidung hat sich das FG gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Einspruchsentscheidung gestützt, soweit dort die Anerkennung weiterer Betriebsausgaben für die Einkünfteermittlung abgelehnt worden ist.
Für die Betriebseinnahmen, die den gesonderten Feststellungen für die Streitjahre 2011 bis 2015 zugrunde liegen, hat sich das FG durch Bezugnahmen auf Schriftsätze des FA der Auffassung des FA angeschlossen und sich diese vollumfänglich zu eigen gemacht. Eine weitere Abhilfe komme aus den vom FA angeführten Gründen nicht in Betracht. Für die Streitjahre 2005 bis 2010 fehle es auch unter Berücksichtigung der durchgeführten Außenprüfung an einem verwertbaren Klägervorbringen. Zur Umsatzsteuer 2005 bis 2010 seien keine konkreten Einwendungen erhoben worden. Für die Streitjahre 2011 bis 2014 seien am 19.01.2023 Teilabhilfebescheide zur Umsatzsteuer ergangen, die im Wesentlichen den Stellungnahmen des Klägers entsprochen hätten. Soweit versehentlich vom FA nicht ausreichend abgeholfen worden sei, sei dieser Fehler in der Entscheidung durch eine weitere Teilstattgabe berichtigt worden.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Verfahrensmängel in Gestalt der Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und eine fehlende Begründung der Vorentscheidung gemäß § 119 Nr. 6 FGO, insbesondere wegen einer unzulässigen Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung gemäß § 105 Abs. 5 FGO.
Der Kläger beantragt,
die Revision zuzulassen.Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Der gerügte Verstoß des FG gegen die Pflicht, gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO das Gesamtergebnis des Verfahrens bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu müssen, liegt hinsichtlich der gesonderten Feststellungen für die Streitjahre 2012 bis 2015 vor. Für die gesonderten Feststellungen der Streitjahre 2005 bis 2011 sowie für die Umsatzsteuerbescheide aller Streitjahre (2007 bis 2014) wird ein Verfahrensmangel hingegen nicht ordnungsgemäß dargelegt.
a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gesamtergebnis des Verfahrens umfasst den gesamten durch das Klagebegehren begrenzten und durch die Sachaufklärung des Gerichts und die Mitverantwortung der Beteiligten konkretisierten Prozessstoff. Das Gesamtergebnis des Verfahrens wird insbesondere durch die Schriftsätze der Beteiligten, ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung sowie in einem etwaigen Erörterungstermin, ihr Verhalten, die den Streitfall betreffenden Steuerakten, beigezogene Akten eines anderen Verfahrens, vom Gericht eingeholte Auskünfte, Urkunden und die aufgrund einer gegebenenfalls durchgeführten Beweisaufnahme gewonnenen Beweisergebnisse konkretisiert (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 23.04.2020 - X B 156/19, BFH/NV 2020, 1077, Rz 10; vom 20.09.2022 - VIII B 135/21, BFH/NV 2022, 1301, Rz 4; vom 13.10.2023 - VIII B 99/22, BFH/NV 2024, 32, Rz 11; vom 04.06.2024 - VIII B 32/23, BFH/NV 2024, 908, Rz 20; BFH-Urteil vom 31.01.2024 - X R 11/22, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 31).
Für eine einwandfreie Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens darf das Gericht weder Umstände, die zum Gegenstand des Verfahrens gehören, ohne zureichenden Grund ausblenden noch seine Überzeugung auf Umstände gründen, die nicht zum Gegenstand des Verfahrens zählen. Ebenso wenig darf das Gericht Umstände, auf deren Vorliegen es nach seiner Rechtsauffassung für die Entscheidung ankommt, ungeprüft behaupten. Es darf auch nicht von einem entscheidungserheblichen Sachverhalt ausgehen, der in den Akten keine Stütze findet oder der nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen wird (BFH-Beschlüsse vom 23.04.2020 - X B 156/19, BFH/NV 2020, 1077, Rz 11; vom 20.09.2022 - VIII B 135/21, BFH/NV 2022, 1301, Rz 5; vom 13.10.2023 - VIII B 99/22, BFH/NV 2024, 32, Rz 12; BFH-Urteil vom 31.01.2024 - X R 11/22, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 31). § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO gebietet allerdings nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (BFH-Beschluss vom 10.06.2010 - IX B 202/09, BFH/NV 2010, 1841, Rz 3).
Die Entscheidung des FG muss für die Annahme eines Verfahrensmangels nach dessen materiell-rechtlichem Standpunkt auf der Nichtberücksichtigung einer Tatsache oder des Beteiligtenvortrags beruhen können (BFH-Beschlüsse vom 23.07.2020 - VIII B 157/19, BFH/NV 2021, 10, Rz 15; vom 20.09.2022 - VIII B 82/21, BFH/NV 2022, 1295, Rz 29).
b) Auf dieser Grundlage hat das FG den Vortrag des Klägers, der zum Gesamtergebnis des Verfahrens zählte, bei seiner Entscheidung über die Feststellungsbescheide für die Streitjahre 2012 bis 2015 verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen.
Das FG hat sich zu dem vom Kläger aufgrund des Wechsels der Gewinnermittlungsart geltend gemachten Übergangsverlust sowie den weiteren damit verbundenen Gewinnänderungen in der Vorentscheidung nicht verhalten und damit den diesbezüglichen klägerischen Vortrag übergangen. Der Übergangsverlust wurde in den Streitjahren 2012, 2013 und 2014 in den Feststellungserklärungen des Klägers angeführt. Die Frage, ob, wann und in welcher Höhe der Verlust zu berücksichtigen ist, gehört als Beteiligtenvortrag zum Gesamtergebnis des Verfahrens. Es findet sich aber keine erkennbare Behandlung dieses Vorbringens durch das FG. Dies hat der Kläger auch hinreichend dargelegt.
Dieser Verfahrensmangel betrifft indes nicht die Umsatzsteuerbescheide der Streitjahre 2011 bis 2014, da sich der Abzug eines Übergangsverlusts aus dem Wechsel der ertragsteuerlichen Gewinnermittlungsart dort nicht auswirken kann.
Für das Streitjahr 2015 hat der Kläger ausweislich seines Klageantrags an der abgegebenen Gewinnermittlung auch nach Erlass des geänderten Feststellungsbescheids vom 10.12.2021 festgehalten. Aus der Aktenlage und damit aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens ergibt sich, dass der Änderungsbescheid auf einem Betriebsprüfungsbericht unter anderem für das Streitjahr 2015 beruht. Das FG hat sich in der angefochtenen Entscheidung nicht dazu verhalten, ob und aus welchen Gründen es den Feststellungen des Berichts über die Außenprüfung zustimmt und warum es daher von der eingereichten Gewinnermittlung abweichen will. Auch hierin liegt die vollständige Nichtberücksichtigung des klägerischen Vortrags.
c) Hinsichtlich der Feststellungsbescheide der Streitjahre 2007 bis 2011 und der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2007 bis 2014 hat der Kläger nicht hinreichend erläutert, dass der Verfahrensmangel vorliegen kann.
aa) Die schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt voraus, dass derjenige Beteiligte, der sich auf den Verstoß beruft, darlegt, inwieweit die Berücksichtigung der seiner Ansicht nach nicht berücksichtigten Tatumstände auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15.02.2012 - IV B 126/10, BFH/NV 2012, 774, Rz 12 und vom 13.05.2020 - VIII B 146/19, BFH/NV 2020, 1082, Rz 10; BFH-Urteil vom 31.01.2024 - X R 11/22, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 32).
bb) Dem werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht. Er hätte konkret aufzeigen müssen, hinsichtlich welcher höheren Betriebseinnahmen und nicht abgezogenen Betriebsausgaben und hinsichtlich welcher Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuerfestsetzungen sein Vortrag vom FG bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden ist. Es genügt für die Darlegung einer Nichtberücksichtigung seines Sachvortrags durch das FG nach den Umständen des Streitfalls nicht, dass eine erhebliche Differenz zwischen den eingereichten Gewinnermittlungen und Umsatzsteuererklärungen einerseits und den vom FG tenorierten Beträgen und der Klageabweisung andererseits bestehen bleibt. Denn das FA hatte sich in den vom FG in Bezug genommenen Schriftsätzen zu den einzelnen Streitpunkten des Verfahrens, insbesondere zu den vom Kläger vorgetragenen Streitpunkt der doppelt erfassten Einnahmen detailliert geäußert. Das FG hat sich die Argumente des FA zu eigen gemacht und auf Seite 6 der Vorentscheidung zu einzelnen verbliebenen Streitpunkten knapp Stellung genommen. Der Kläger hätte daher konkret aufzeigen müssen, welcher Vortrag vom FG bei der Entscheidungsfindung vollständig übergangen worden ist. Soweit der Kläger den Verfahrensmangel darin sieht, dass eine inhaltliche Prüfung seines Vorbringens durch das FG ausweislich der Entscheidungsgründe nicht stattgefunden und sich das FG zu Unrecht vollumfänglich die Auffassung des FA zu eigen gemacht habe, rügt er im Kern einen Begründungsmangel des FG (dazu unter II.2.), legt aber keinen Verstoß des FG dar, seinen Vortrag nicht berücksichtigt zu haben.
2. Der weiterhin geltend gemachte Verfahrensmangel, dass das FG-Urteil gemäß § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen ist, liegt für die Feststellungsbescheide der Streitjahre 2007 bis 2011 und für die Umsatzsteuerbescheide aller Streitjahre (2007 bis 2014) nicht vor. Soweit der Senat die Vorentscheidung zu den gesonderten Feststellungen der Streitjahre 2012 bis 2015 aufgrund der dargelegten Verfahrensmängel aufhebt, kann dahinstehen, ob die Vorentscheidung für diese Streitjahre nicht mit Gründen versehen ist.
a) Nach § 119 Nr. 6 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.
Es reicht für diesen Verfahrensmangel aus, wenn die Gründe nur zum Teil fehlen und das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das für sich allein den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bildet, übergangen hat. Nicht ausreichend ist hingegen, dass die Urteilsbegründung nicht den Erwartungen eines Beteiligten entspricht, lückenhaft, rechtsfehlerhaft oder nicht überzeugend oder äußerst knapp gehalten ist. Die Abgrenzung zwischen erheblichen und nicht wesentlichen Begründungsmängeln hat sich am Zweck der Urteilsbegründung zu orientieren, der darin besteht, für den Ausspruch der Urteilsformel den Nachweis der Rechtmäßigkeit zu liefern. Vom Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist danach dann auszugehen, wenn es entweder an Urteilsgründen überhaupt fehlt, oder den Beteiligten ‑‑zumindest in Bezug auf einen der wesentlichen Streitpunkte‑‑ die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen oder wenn die gegebene Begründung so substanzlos ist, dass sie die maßgeblichen Feststellungen und Erwägungen des FG nicht erkennen lässt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11.12.2013 - XI B 33/13, BFH/NV 2014, 714, Rz 17, m.w.N.; vom 27.08.2019 - X B 160/18, X B 3-10/19, BFH/NV 2020, 5, Rz 24; vom 08.10.2008 - I B 72/08, juris, unter 1.a [Rz 1]; vom 18.11.2009 - VIII B 16/08, BFH/NV 2010, 389, unter II.3.c [Rz 14], m.w.N.).
b) § 105 Abs. 5 FGO räumt den FG zur Begründungserleichterung die Möglichkeit ein, von einer Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen und sich die in der Begründung des Verwaltungsakts oder in der Einspruchsentscheidung enthaltene Begründung des Finanzamts zu eigen zu machen. Die Vorschrift dient der Entlastung der Gerichte, sofern ihr Zweck, den Beteiligten Kenntnis davon zu vermitteln, auf welchen Feststellungen, Verhältnissen oder rechtlichen Erwägungen die Entscheidung beruht, ohne Nachteil für den Rechtsschutz des Klägers auch durch Bezugnahme auf bereits vorliegende Verwaltungsentscheidungen, erreicht werden kann. Eine Urteilsbegründung, die über die Feststellung hinausgeht, dass das FG der Verwaltungsentscheidung folgt, ist in diesen Fällen nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17.08.2020 - II B 32/20, BFH/NV 2021, 31, Rz 12; vom 18.08.2023 - IX B 114/22, BFH/NV 2023, 1227, Rz 9).
Ein Urteil ist aber nicht im Sinne von § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen, wenn das FG nach § 105 Abs. 5 FGO auf eine widersprüchliche, unvollständige oder unzulänglich begründete Einspruchsentscheidung des FA Bezug nimmt. Denn das dem Gericht für die Wahl dieser Begründungserleichterung eingeräumte Ermessen wird insbesondere durch den Zweck des Begründungszwangs eingeschränkt, die für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe in den Entscheidungsgründen angeben zu müssen (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO; BFH-Beschluss vom 25.04.2003 - VIII B 266/02, BFH/NV 2003, 1335, unter 1.a [Rz 3]).
Die gebotene verfassungskonforme Anwendung des § 105 Abs. 5 FGO setzt ferner voraus, dass das Gericht wegen des Anspruchs des Rechtsschutzsuchenden auf rechtliches Gehör auf dessen wesentliches neues Vorbringen im Klageverfahren eingeht (BFH-Beschlüsse vom 18.08.2023 - IX B 114/22, BFH/NV 2023, 1227, Rz 9; vom 13.08.2024 - VIII B 59/23, juris, Rz 16). Ein Verfahrensmangel nach § 119 Nr. 6 FGO liegt daher im Zusammenhang mit einer Bezugnahme gemäß § 105 Abs. 5 FGO vor, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Dies verlangt nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert werden müsste; vielmehr ist erforderlich, dass den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dagegen ist ein Verfahrensmangel nicht gegeben, wenn noch zu erkennen ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren (BFH-Beschluss vom 21.07.2017 - X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447, Rz 11). Unerheblich für einen Verfahrensmangel gemäß § 105 Abs. 5 FGO ist auch, ob dem in der Einspruchsentscheidung gefundenen Ergebnis materiell-rechtlich zuzustimmen ist (BFH-Beschlüsse vom 11.07.2008 - IV B 121/07, BFH/NV 2008, 2002, Rz 8; vom 20.06.2001 - I R 80/00, BFH/NV 2001, 1583).
c) Nach diesen Maßstäben weist das FG-Urteil, soweit es nicht wegen des unter II.1. abgehandelten Verfahrensfehlers aufzuheben ist, keinen Begründungsmangel im Sinne des § 119 Nr. 6 FGO auf.
aa) Die formellen Anforderungen für die Bezugnahme des FG auf die Einspruchsentscheidung sind erfüllt. Die durch § 105 Abs. 5 FGO zugelassene Bezugnahme erfordert nicht zwingend, dass die Einspruchsentscheidung datumsmäßig bezeichnet wird. Sofern jedoch das FG für die in Bezug genommene Einspruchsentscheidung ein unzutreffendes Datum angibt, sind die Voraussetzungen des § 119 Nr. 6 FGO jedenfalls dann erfüllt, wenn ernsthaft die Möglichkeit in Betracht kommt, dass das FG die in Bezug genommene Einspruchsentscheidung mit einer anderweitigen Einspruchsentscheidung verwechselt hat (BFH-Beschluss vom 18.10.2006 - II B 91/05, BFH/NV 2007, 256, unter II.2.b [Rz 13]). Eine solche Verwechslungsgefahr ist im Streitfall entgegen der Auffassung des Klägers nicht ersichtlich. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die maßgebliche Einspruchsentscheidung im Streitfall allein die Einspruchsentscheidung vom 20.01.2020 ist.
bb) Der Senat sieht in den Bezugnahmen des FG auf die Einspruchsentscheidung gemäß § 105 Abs. 5 FGO und auf die weiteren Schriftsätze des FA im Klageverfahren in den Entscheidungsgründen keinen materiellen Begründungsmangel.
Das FG hat sich zur Begründung vollumfänglich auf die Einspruchsentscheidung vom 20.01.2020 gestützt, soweit das FA die in den später eingereichten Gewinnermittlungen zusätzlich geltend gemachten Betriebsausgaben nicht anerkannt hat. Insoweit ist aufgrund der Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung kein Begründungsfehler ersichtlich. Der Kläger macht nicht geltend, dass er hierzu im Klageverfahren weiter vorgetragen habe und das ihm aufgrund einer fehlenden Begründung in der Einspruchsentscheidung nicht erkennbar sei, warum das FG die zusätzlichen Betriebsausgaben nicht anerkannt hat.
Soweit das FG sich zu den streitigen doppelt erfassten Betriebseinnahmen gemäß § 105 Abs. 5 FGO auch auf die Einspruchsentscheidung bezogen hat, liegt ebenfalls kein Begründungsfehler vor. Das FG hat sich nicht nur auf die Einspruchsentscheidung gestützt, sondern in der Begründung auch späterem Vortrag des Klägers im Klageverfahren Rechnung getragen. Es hat den Vortrag des Klägers im Klageverfahren wahrgenommen und in der Weise behandelt, dass es auf die eingereichte Liste des Klägers und die hierzu ergangenen Stellungnahmen des FA Bezug genommen und sich die Auffassung des FA inhaltlich vollständig zu eigen gemacht hat. Damit hat das FG auch zu dem neuen Vortrag des Klägers begründet, warum es diesem nicht gefolgt ist.
Der Senat sieht eine fehlende Urteilsbegründung des FG auch nicht darin, dass es sich bei den in Bezug genommenen Schriftsätzen des FA weder um die Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte noch um die Einspruchsentscheidung, sondern um im Klageverfahren eingereichte Stellungnahmen des FA handelt. Auch außerhalb der in § 105 Abs. 5 FGO geregelten Fälle hat die Rechtsprechung eine Bezugnahme im angefochtenen Urteil auf andere Stellungnahmen des Finanzamts zur Begründung eines FG-Urteils ausreichen lassen, wenn der jeweilige Kläger erkennen kann, aufgrund welcher Feststellungen und Beurteilungen das FG seinem Vorbringen nicht gefolgt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 27.08.2019 - X B 160/18, X B 3-10/19, BFH/NV 2020, 5, Rz 25: Bezugnahmen auf geeignete Listen der Steuerfahndung zur Substantiierung von einzelnen Schwarzkäufen; anderer Ansicht Brandis in Tipke/Kruse, § 105 FGO Rz 21). Anders als der Kläger meint, steht dem auch der BFH-Beschluss vom 17.08.2020 - II B 32/20 (BFH/NV 2021, 31) nicht entgegen. Der II. Senat des BFH hat in dieser Entscheidung in Rz 12 ff. zwischen einer inhaltlich umfassenden Bezugnahme des FG auf einen strafrechtlichen Ermittlungsbericht samt der Feststellung, dass es diesem einerseits vollinhaltlich folgt und andererseits einer ungenügenden pauschalen Bezugnahme des FG auf "die nachvollziehbaren Feststellungen und schlüssigen Beweiswürdigungen im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen" als eigene Würdigung ohne hinreichende Begründung unterschieden. Im Streitfall hat sich das FG den im Urteil bezeichneten Schriftsätzen des FA, in denen die streitigen Betriebseinnahmen einzeln abgehandelt wurden, vollinhaltlich angeschlossen. Diese Bezugnahmen zur Begründungserleichterung sind aus Sicht des Senats grundsätzlich zulässig. Der Kläger konnte aufgrund der Schriftsätze des FA vom 19.01.2023 und vom 05.05.2023 mit der in Aussicht gestellten Teilabhilfe und der diese Teilabhilfe umsetzenden Entscheidung des FG das FG-Urteil auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen. Der Kläger hat selbst nicht geltend gemacht, aufgrund der Bezugnahmen des FG hierzu nicht in der Lage gewesen zu sein.
3. Der Senat hebt das FG-Urteil gemäß § 116 Abs. 6 FGO auf, soweit es die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2012 bis 2015 betrifft und verweist die Sache insoweit an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Dies ist gegenüber der Zulassung der Revision ermessensgerecht, damit das FG sich im zweiten Rechtsgang mit dem bislang nicht berücksichtigten Klägervorbringen auseinandersetzen kann. Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands und einer weitergehenden Begründung des Beschlusses sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dem FG auch dann die Entscheidung über die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens zu übertragen, wenn die Vorentscheidung nur teilweise aufgehoben und der Rechtsstreit nur teilweise an das FG zurückverwiesen wird (BFH-Beschluss vom 27.10.2020 - XI B 33/20, BFH/NV 2021, 459, Rz 33).