ECLI:DE:BFH:2024:U.310724.IIR28.21.0
BFH II. Senat
GrEStG § 1 Abs 2a S 1, GrEStG § 1 Abs 2a S 3, GrEStG § 1 Abs 2a S 4, GrEStG § 17 Abs 3 S 1 Nr 2
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 10. März 2021, Az: 7 K 101/18
Leitsätze
Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 des Grunderwerbsteuergesetzes gilt, weil an ihr mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. Eine zuvor bereits bestehende Beteiligung des neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist unerheblich.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10.03.2021 - 7 K 101/18 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine KG. In ihrem Vermögen befand sich Grundbesitz in Y und Z.
Die Beteiligungsverhältnisse an der Klägerin stellten sich bis zum 31.12.2016 wie folgt dar: Als Komplementär ohne Kapitalbeteiligung war unter anderem T beteiligt. Als Kommanditisten hielten R 10 % und die R-GmbH 90 % der Anteile an der Klägerin. Alleingesellschafter der R-GmbH war R. Er hielt die Anteile an der R-GmbH treuhänderisch für die in der Schweiz ansässige L-AG.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.10.2016 übertrug R mit Wirkung zum 31.12.2016 seine 100%ige Beteiligung an der R-GmbH auf T. T verpflichtete sich, die Treuhänderstellung des R zu übernehmen, sodass im Anschluss T die Anteile an der R-GmbH treuhänderisch für die L-AG hielt. Gleichzeitig übertrug R mit Wirkung zum 31.12.2016 seine 10%ige Beteiligung als Kommanditist an der Klägerin auf die M-Verwaltungs-GmbH.
Für die Klägerin als Treugeberin hielt die A-AG als Treuhänderin eine 100%ige Beteiligung an der B-GmbH. Dieser nachgeordnet waren über die C-GmbH 100 % Anteile an der jeweils grundbesitzenden E-GmbH und der F-GmbH.
Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin war der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) der Auffassung, dass die Änderung im Gesellschafterbestand der Klägerin aufgrund des Übergangs der 100%igen Beteiligung an der R-GmbH von R auf T nebst Austausch der Treuhänder hinsichtlich der Beteiligung an der grundbesitzenden Klägerin nach § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der auf den Streitfall anwendbaren Fassung des Steueränderungsgesetzes 2015 (StÄndG 2015) vom 02.11.2015 (BGBl I 2015, 1834, BStBl I 2015, 846) ‑‑GrEStG‑‑ der Grunderwerbsteuer unterlag. Das FA erließ am 23.03.2018 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (Feststellungsbescheid). Der Feststellungsbescheid listete neben dem Grundbesitz der Klägerin auch Grundstücke der E-GmbH und der F-GmbH auf. Der von der Klägerin hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 05.07.2018 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Nach Ansicht des FG löste der Erwerb aller Anteile an der als Kommanditistin an der Klägerin beteiligten R-GmbH durch T keine Grunderwerbsteuer aus. T sei nicht als "neuer Gesellschafter" im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG anzusehen, da er seit mehr als fünf Jahren an der Klägerin als Komplementär beteiligt gewesen sei (sogenannter Altgesellschafter). Die Auslegung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ergebe, dass ein Gesellschafter, der mehr als fünf Jahre an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt gewesen sei, kein neuer Gesellschafter der an der Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaft sei, auch wenn er erstmals Anteile an der Kapitalgesellschaft erworben habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 257 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung von § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG geltend. Der Wortlaut dieser Vorschrift lasse offen, wer als neuer Gesellschafter einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft anzusehen sei. Nur die R-GmbH selbst könne unmittelbare Neugesellschafterin in Bezug auf die grundbesitzende Klägerin sein, nicht jedoch die Gesellschafter der R-GmbH. Der Begriff des neuen Gesellschafters im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG beziehe sich ‑‑anders als in § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG‑‑, nicht auf die Personengesellschaft, sondern die beteiligte Kapitalgesellschaft. In Bezug auf die Übernahme der bestehenden Treuhandverhältnisse gelte darüber hinaus der neue Treuhänder eines Gesellschafters als Neugesellschafter. Daher erfülle T durch Eintritt in die bestehenden Treuhandverhältnisse des Treugebers L-AG grundsätzlich ebenfalls die Neugesellschaftereigenschaft. Der von der E-GmbH und der F-GmbH gehaltene Grundbesitz sei in die Besteuerung einzubeziehen. Der Grundbesitz dieser beiden Gesellschaften gehöre der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.T sei bereits vor dem Erwerb von Anteilen an der R-GmbH mit Vertrag vom 13.10.2016 als Kommanditist Altgesellschafter der Klägerin gewesen und somit kein neuer Gesellschafter im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG. Selbst wenn man aber annehme, dass durch den Übergang der Anteile an der R-GmbH von R auf T sich der Gesellschafterbestand der Klägerin geändert habe und dieser Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliege, sei der Grundbesitz der E-GmbH und der F-GmbH nicht in den Feststellungsbescheid vom 23.03.2018 einzubeziehen. Dieser Grundbesitz habe der Klägerin nicht im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG gehört, da zunächst die Beteiligungsstruktur aufgebaut worden sei und erst danach die Grundstücke gekauft worden seien.
Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren am 19.10.2021 nach § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es unterstützt in der Sache das Vorbringen des FA.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung des FG führte die Übertragung aller Gesellschaftsanteile an der R-GmbH von R auf T mit Wirkung zum 31.12.2016 dazu, dass die R-GmbH nach § 1 Abs. 2a Satz 1 und 4 GrEStG in vollem Umfang als neue Gesellschafterin der Klägerin gilt, da T nicht als Altgesellschafter anzusehen ist. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, da das FG nicht festgestellt hat, ob der Grundbesitz der E-GmbH und der F-GmbH der Klägerin am 31.12.2016 im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG gehörte.
1. Entgegen der Auffassung des FG führt die Übertragung aller Anteile an der R-GmbH, die zu 90 % unmittelbar an der Klägerin als Kommanditistin beteiligt war, von R auf T dazu, dass die R-GmbH in vollem Umfang als neue Gesellschafterin der Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 und 4 GrEStG anzusehen ist. Dadurch hat sich in Verbindung mit der zeitgleichen Übertragung der 10 % Anteile an der Klägerin von R auf die M-Verwaltungs-GmbH der Gesellschafterbestand der Klägerin unmittelbar vollständig im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG geändert.
a) Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft. Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17.06.2020 - II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 16). Ein Übergang von Anteilen an der grundbesitzenden Personengesellschaft auf Gesellschafter, die länger als fünf Jahre zuvor unmittelbar oder mittelbar an ihr beteiligt sind (sogenannte Altgesellschafter), reicht hingegen nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.2020 - II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 18).
Die Vorschrift setzt unter anderem einen unmittelbaren Wechsel im Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Gesellschaft voraus. Ist eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, gilt Satz 4 (§ 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG). Eine unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft gilt in vollem Umfang als neue Gesellschafterin, wenn an ihr mindestens 95 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG).
b) Für die Beurteilung der Frage, ob eine unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG gilt, ist nur auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft abzustellen. "Neue Gesellschafter" sind danach solche Personen, die zuvor nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt waren. Eine zuvor schon bestehende Beteiligung eines neuen Gesellschafters der Kapitalgesellschaft an der grundbesitzenden Personengesellschaft ist nicht ausschlaggebend. Selbst wenn der neu an der Kapitalgesellschaft beteiligte Gesellschafter vor seinem Anteilserwerb bereits Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft war, wird er für die Anwendung des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG nicht zum Altgesellschafter der Kapitalgesellschaft. Die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft sind nur in Bezug auf die Kapitalgesellschaft, an der sie beteiligt sind, Alt- oder Neugesellschafter, nicht jedoch in Bezug auf die grundbesitzende Personengesellschaft (gl. Auffassung die Finanzverwaltung in Tz. 5.2.3.2 der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1314; a.A. Behrens in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 448; zweifelnd Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 772; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 1 GrEStG Rz 258.5).
aa) Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.11.1988 - 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, m.w.N.; BFH-Urteil vom 04.12.2014 - IV R 53/11, BFHE 248, 57, BStBl II 2015, 483). Der Feststellung dieses Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung). Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen (BFH-Urteil vom 11.07.2019 - II R 38/16, BFHE 265, 437, BStBl II 2020, 314, Rz 18).
bb) Danach ist § 1 Abs. 2a Satz 4 Halbsatz 2 GrEStG dahingehend auszulegen, dass sich der Begriff "neue Gesellschafter" nur auf die Gesellschafter bezieht, die an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, welche an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligt ist. Zwar lässt sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2a Satz 4 Halbsatz 2 GrEStG, der nur von "neuen Gesellschaftern" spricht, bei isolierter Betrachtung nicht entnehmen, ob mit dieser Formulierung neue Gesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft gemeint sind oder der Begriff nur auf die beteiligte Kapitalgesellschaft zu beziehen ist. Nach der Entstehungsgeschichte und der Systematik des § 1 Abs. 2a Satz 1 bis 4 GrEStG kann die Formulierung "neue Gesellschafter" im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG sich aber nur auf die beteiligte Kapitalgesellschaft beziehen.
(1) § 1 Abs. 2a GrEStG i.d.F. bis 05.11.2015 enthielt keine Regelungen, wann ein ‑‑der grundbesitzenden Personengesellschaft zivilrechtlich fremder‑‑ mittelbarer Anteilsübergang an ihr angenommen werden konnte. Die Finanzverwaltung differenzierte bereits damals zwischen einer an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaft und einer beteiligten Kapitalgesellschaft und sah die beteiligte Personengesellschaft als transparent, die beteiligte Kapitalgesellschaft jedoch als intransparent an. Nach den Gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 25.02.2010 (BStBl I 2010, 245) war danach zu unterscheiden, ob an der Personengesellschaft eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Anders als bei einer beteiligten Personengesellschaft wurde nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Beteiligung einer Kapitalgesellschaft nicht durchgerechnet, sondern die Finanzverwaltung ging von einem mittelbaren Gesellschafterwechsel bei der grundbesitzenden Personengesellschaft aus, wenn sich der Gesellschafterbestand der Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar um mindestens 95 % der Anteile änderte. In einem solchen Fall war die Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG anzusehen (Tz. 2.2 Spiegelstrich 3 der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 25.02.2010, BStBl I 2010, 245).
(2) Der BFH hatte hingegen für Erwerbsvorgänge vor Inkrafttreten der Änderungen in § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 entschieden, dass eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur erreicht werden konnte, wenn auf allen Beteiligungsebenen durch Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen durchgeschaut und dortige Veränderungen der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse in die Betrachtung einbezogen wurden (BFH-Urteil vom 24.04.2013 - II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 18). Der Auffassung der Finanzverwaltung folgte er ausdrücklich nicht (BFH-Urteil vom 24.04.2013 - II R 17/10, BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 19), sondern hielt mit Urteil vom 17.06.2020 - II R 18/17 (BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318) an seiner Rechtsauffassung fest. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelung konnten nach Auffassung des BFH daher für Erwerbszeiträume vor Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes 2015 auch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die an einer grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligt waren, mittelbare Altgesellschafter der grundbesitzenden Personengesellschaft sein (BFH-Urteil vom 17.06.2020 - II R 18/17, BFHE 270, 252, BStBl II 2021, 318, Rz 21).
(3) Der Gesetzgeber hat als Reaktion auf die unter II.1.b bb (2) angeführte BFH-Rechtsprechung durch das Steueränderungsgesetz 2015 die Sätze 2 bis 5 in § 1 Abs. 2a GrEStG eingefügt. Die Regelungen sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 05.11.2015 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 13 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015). Dadurch sollte der mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) beabsichtigte Rechtszustand wiederhergestellt werden, sowohl mittelbare Anteilsübertragungen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen als auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise abzuschaffen (vgl. BTDrucks 18/4902, S. 52 f.; vgl. BFH-Urteil vom 25.11.2015 - II R 18/14, BFHE 251, 492, BStBl II 2018, 783, Rz 19).
(4) Während der Gesetzgeber im Hinblick auf an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaften mit § 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG an einer transparenten Betrachtungsweise festgehalten hat, hat er durch die Formulierung in § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG entschieden, dass für an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaften andere Regelungen gelten.
(5) Für die unmittelbare Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG eine Fiktion geschaffen und dabei auf eine horizontale Ebenenbetrachtung abgestellt. Sind mindestens 95 % der Anteile an der an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergegangen, gilt diese Kapitalgesellschaft als neue Gesellschafterin. Es gilt ein horizontales "Alles- oder Nichts-Prinzip". Ein vertikales Hindurchrechnen der Beteiligungen wie bei Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG) ist nicht vorgesehen.
(6) Dieses durch den Gesetzgeber festgelegte "Ebenenkonzept" bei beteiligten Kapitalgesellschaften gilt auch für die Frage, ob Anteile der Kapitalgesellschaft auf "neue Gesellschafter" übergegangen sind. In Bezug auf die an der Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft ist damit auch der zuvor unmittelbar an der Personengesellschaft beteiligte Gesellschafter ein "neuer Gesellschafter", wenn er nicht mehr als fünf (heute zehn) Jahre vor dem Übergang der Anteile an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Für die Fiktion des § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG ist lediglich seine (neue) Beteiligung an der unmittelbar beteiligten Kapitalgesellschaft ausschlaggebend.
cc) Ob durch die nunmehr gesetzlich geregelte unterschiedliche Betrachtung von Personen- und Kapitalgesellschaften eine angemessene Berücksichtigung mittelbarer Strukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2a GrEStG noch erreicht wird, kann dahingestellt bleiben. Die eindeutige Systematik des § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG lässt keine andere Auslegung zu. Eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers liegt nicht vor.
c) Nach diesen Grundsätzen hat sich mit Wirkung zum 31.12.2016 der Gesellschafterbestand der Klägerin unmittelbar vollständig im Sinne des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG geändert. Dies geschah zum einen durch die Übertragung von 10 % der Anteile an der Klägerin von R auf die M-Verwaltungs-GmbH. Zum anderen galt nach § 1 Abs. 2a Satz 4 GrEStG die unmittelbar an der Klägerin zu 90 % beteiligte R-GmbH als neue Gesellschafterin der Klägerin, weil 100 % der Anteile an der R-GmbH von R auf T mit Wirkung zum selben Datum übertragen wurden. Insgesamt sind deshalb 100 % der Anteile an der Klägerin nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG auf neue Gesellschafter übergegangen. Ohne Belang ist, dass T schon vor dem Erwerb der Anteile an der R-GmbH von R Komplementär der Klägerin war.
d) Nicht ausschlaggebend ist schließlich, dass T ‑‑wie zuvor R‑‑ nach der Übertragung die Anteile an der R-GmbH als neuer Treuhänder für die L-AG hielt, da sowohl die Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2024 - II R 34/21, BFH/NV 2024, 1252, Rz 26) als auch die Finanzverwaltung beim Wechsel des Treuhändergesellschafters den neuen Treuhänder als Neugesellschafter ansieht (Tz. 5.2.4 vierter Spiegelstrich der Gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1314; s.a. Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 913).
2. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann aufgrund der vorhandenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Feststellungsbescheid vom 23.03.2018 rechtmäßig war. Zwar gingen mit Wirkung zum 31.12.2016 100 % der Anteile an der Klägerin im Sinne von § 1 Abs. 2a Satz 1, 3 und 4 GrEStG aufgrund des Gesellschafterwechsels der zu 90 % beteiligten R-GmbH und der Übertragung der 10 % Kommanditanteile auf die M-Verwaltungs-GmbH als neue Gesellschafter über (vgl. oben unter II.1.). Jedoch kann der BFH aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob am 31.12.2016 der Grundbesitz der E-GmbH und der F-GmbH der Klägerin nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG gehörte.
a) Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG. Nach dieser Vorschrift werden die Besteuerungsgrundlagen im Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieses Finanzamts liegenden Grundstücks betroffen wird. Die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG hat für alle von einem der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betroffenen Grundstücke in nur einem Verwaltungsakt zu erfolgen (BFH-Urteile vom 15.10.2014 - II R 14/14, BFHE 248, 228, BStBl II 2015, 405, Rz 22 und vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 15).
Hat das Finanzamt in einem solchen Feststellungsbescheid Feststellungen zu mehreren Grundstücken getroffen, von denen eines oder mehrere nicht in die Feststellungen hätten einbezogen werden dürfen oder die zu einzelnen Grundstücken unzutreffend sind, ist der Bescheid insgesamt rechtswidrig und deshalb nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben. Eine bloße Änderung oder nur teilweise Aufhebung des Feststellungsbescheids nach § 100 Abs. 2 FGO ist nicht möglich. Die Änderung der Angabe der betroffenen Grundstücke stellt insbesondere keine bloß betragsmäßige Änderung der Besteuerungsgrundlagen dar (BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 16).
b) Ob ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 der Abgabenordnung. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 24 ff.).
aa) Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
bb) Ein (nach den Grundsätzen unter II.2.b aa) einer anderen Gesellschaft zuzurechnendes inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser Gesellschaft) zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht. Dasselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 95 % sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft nach den unter II.2.b aa genannten Grundsätzen das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 26).
cc) Die vorstehenden Grundsätze finden auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft beziehungsweise im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar (BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 30).
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Grundstücke der E-GmbH und der F-GmbH der Klägerin grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind und deshalb rechtmäßig in den Feststellungsbescheid vom 23.03.2018 aufgenommen wurden.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.